Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 25.04.2024, RV/7100555/2024

Keine Prüfung der Abgabenbescheide im Haftungsverfahren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch V, R sowie die fachkundigen Laienrichter L1 und L2 über die Beschwerde des X, Adresse, vertreten durch V, Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer x, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach der am in Anwesenheit des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers, V, der Vertreter des Finanzamtes Österreich, V und V, sowie der Schriftführerin S durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) war seit Juli 2017 Alleingesellschafter und alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der im April 2017 errichteten X.GmbH (nunmehr X.GmbH in Liqu.).

Mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum1 wurde über die Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet, das mit dem Beschluss vom Datum2 nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplanes aufgehoben wurde.
Mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum3 wurde ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet.
Mit dem Generalversammlungsbeschluss vom wurde die Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen.
Mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum5 wurde wiederum ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet.
Im Firmenbuch wurde am Datum6 die Auflösung der Gesellschaft mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit eingetragen (Auszug Firmenbuch FN x).

Im Jahr 2022 führte das Finanzamt bei der X.GmbH in Liqu. eine Lohnsteuerprüfung durch (Bericht gem. § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom , ABNr. x). Im Bericht traf die Prüferin folgende Feststellungen:

"Herr X ist 100% Gesellschafter-Geschäftsführer der X.GmbH in Liqu. Im Zeitraum bis wurden Rechnungen für erbrachte Leistungen ausgestellt. Für diesen Zeitraum sind keine Dienstnehmer angemeldet. Seitens der steuerlichen Vertretung wurde am mitgeteilt, dass Herr X (100% GesGF) seine Arbeit alleine verrichtet und keinen GF-Bezug erhält. Bezüglich der abgerechneten Fahrtkosten (Belegdatum ab Jänner 2019) wurde seitens der steuerlichen Vertretung mitgeteilt, dass er gearbeitet hat und erst später verrechnet hat.
Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes erfolgt eine Hinzurechnung eines Gesellschafter- Geschäftsführer-Bezuges i.H.v. monatlich € 4.000,- für den Zeitraum bis .
…..
Am wurde um Vorlage der Lohnunterlagen für den Zeitraum bis ersucht (DG-Lohnkonten, DN-Lohnkonten, Saldenlisten, Bilanzen, KommSt-Erklärungen und Forderungsanmeldungen).
Am wurde seitens der steuerlichen Vertretung mitgeteilt, dass die Saldenliste und der Jahresabschluss 2019 und die vorläufige Saldenliste 2020 übermittelt werden können; die weiteren Dokumente jedoch nicht, da vom vorhergehenden Steuerberater keine Aufzeichnungen übermittelt werden.
Am wurde bei der steuerlichen Vertretung betreffend des Verrechnungskontos nachgefragt, da viele Ausgaben der privaten Lebensführung zuzuordnen sind. Es wurde nachgefragt, ob davon DB entrichtet wurde, ob es einen Darlehensvertrag, Geschäftsführervertrag gibt und ob der GesGF Bezüge erhielt.
Am wurde mitgeteilt, dass es keinen Darlehensvertrag oder einen GF-Bezug gibt und dass das Verrechnungskonto fremdüblich verzinst wird.
Das vorliegende Verrechnungskonto 2019 weist diverse Buchungen auf, die der privaten Lebensführung zuzuordnen sind (z.B. Trafik, Bipa - Kauf Waschmittel, Haarfärbemittel; Radatz; Peek & Cloppenburg; Hofer). Die angeforderten Belege bestätigen eine private Zuordnung. Eine Position mit der Bezeichnung "Verzinsung" war nicht ersichtlich.
Für die Jahre 2018 und 2020 wurden keine Verrechnungskonten vorgelegt, daher erfolgt eine Übernahme der Beträge des Jahres 2019."

Entsprechend den Prüfungsfeststellungen erließ das Finanzamt am an die Gesellschaft Bescheide über die Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen und Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2018, 2019 und 2020 (Abgabennachforderung insgesamt 17.871,88 €).

Mit dem Vorhalt vom forderte das Finanzamt den Bf. als potentiell Haftungspflichtigen gemäß § 9 BAO für aushaftende Abgabenverbindlichkeiten der X.GmbH in Liqu. in der Höhe 15.899,85 € auf, darzulegen, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass die Abgaben entrichtet wurden und dafür entsprechende Unterlagen zum Nachweis vorzulegen. Falls liquide Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden, sei dies durch geeignete Unterlagen zu belegen.

Da der Vorhalt unbeantwortet blieb, zog das Finanzamt den Bf. mit dem hier angefochtenen Haftungsbescheid vom gemäß § 9 BAO zur Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der X.GmbH in Liqu. im Ausmaß von 11.719,58 € heran (Dienstgeberbeitrag 2019 4.972,62 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2019 528,10 €, Dienstgeberbeitrag 2020 5.419,93 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2020 528,10 €, Umsatzsteuer 04/2022 270,83 €).
Die Uneinbringlichkeit der Abgaben der Gesellschaft sei durch das pflichtwidrige Verhalten des Bf. eingetreten. Dieser sei auch seiner Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu seiner Entlastung darzutun, nicht nachgekommen.
Dem Haftungsbescheid wurden die Bescheide über die Festsetzung der Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen 2018 bis 2020, die Niederschrift über die Schlussbesprechung vom und der Bericht über die Außenprüfung vom als Beilagen angeschlossen.

In der gegen den Haftungsbescheid eingebrachten Beschwerde vom führte der steuerliche Vertreter des Bf. aus:
"Einleitend erlauben wir uns bekanntzugeben, dass wir X steuerlich vertreten. Wir berufen uns auf die erteilte Vollmacht gemäß § 88 Abs 9 WTBG, welche auch eine Zustellvollmacht umfasst. Wir ersuchen Sie, sämtliche Zustellungen im Zusammenhang mit gegenständlichem Verfahren in Zukunft ausschließlich zu unseren Händen vorzunehmen. Warum der gegenständliche Haftungsbescheid - trotz nachweislich bekannter Zustellvollmacht unserem Mandanten direkt zugestellt wurde - entzieht sich unserer Kenntnis.

1. Antrag auf Mitteilung des noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruchs gemäß § 248 BAO

Namens und im Auftrag unseres oben angeführten Mandanten beantragen wir in offener Frist,

unserem Mandanten über den mit Haftungsbescheid vom geltend gemachten Abgabenanspruch genaue Kenntnis zu verschaffen. Eine solche Bekanntmachung hat durch Zusendung einer Ausfertigung (Ablichtung) der maßgeblichen Bescheide über den Abgabenanspruch, allenfalls durch Mitteilung des Bescheidinhaltes zu erfolgen. Dieser Antrag hemmt die Beschwerdefrist sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch gegen die Bescheide über den Abgabenanspruch vom Tag der Einbringung des Antrages bis zu dem Tag, an dem die Mitteilung über die fehlende Begründung des Anspruches zugestellt wird (Ritz, BAO-Kommentar5, Tz 13 zu § 248 BAO).

Im vorliegenden Haftungsbescheid vom findet sich lediglich eine Auflistung von Abgabenschuldigkeiten und zudem wurden unserem Mandanten nachfolgende Bescheide bzw. Unterlagen übermittelt:
• Bescheid über die Festsetzung des DB und DZ 2018 vom
• Bescheid über die Festsetzung des DB und DZ 2019 vom
• Bescheid über die Festsetzung des DB und DZ 2020 vom
• Bericht über eine Außenprüfung vom

Darüber hinaus sind vom Haftungsbescheid weitere Abgaben und Zeiträume betroffen, zu denen unserem Mandanten keine Unterlagen übermittelt wurden (etwa zur Umsatzsteuer 04/2022).

Aufgrund obiger Ausführungen und den fehlenden Informationen (einschließlich der fehlendenden bzw. unvollständigen Bescheidbegründungen) zu einzelnen haftungsgegenständlichen Abgaben ist es unserem Mandanten nicht möglich, die Höhe der jeweiligen Abgabe zu überprüfen und gegebenenfalls gegen die zugrundeliegenden Abgabenbescheide Rechtsmittel ergreifen.

2. Bescheidbeschwerde gemäß § 243 BAO gegen den Haftungsbescheid

Namens und im Auftrag unseres im Betreff angeführten Mandanten ergreifen wir in offener Frist gegen den Haftungsbescheid vom (Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist am ) das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde und beantragen die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheids.

Wir begründen unsere Bescheidbeschwerde wie folgt:

Mit Bescheid vom wurde unser Mandant als Haftungspflichtiger gemäß § 9 iVm § 80 BAO für offene Abgabenschulden in Höhe von € 11.719,58 der X.GmbH in Liqu., FN x, in Anspruch genommen. Laut Haftungsbescheid handelt es sich dabei um folgende Abgaben:
…..
Zur Haftung im Allgemeinen ist zu beachten, dass gemäß § 9 Abs 1 BAO die in den
§§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit haften, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Die in §§ 80 ffBAO bezeichneten Vertreter haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten. Daraus ergibt sich, dass keine abgabenrechtliche Pflicht verletzt wird, wenn Abgaben nicht entrichtet werden, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel zur Verfügung hat (vgl ). Reichen die vor liegenden liquiden Mittel zur Entrichtung aller Abgaben nicht aus, haftet grundsätzlich der Vertreter für die Nichtentrichtung der Abgaben, es sei denn, dass der Vertretene nachweisen kann, dass er diese Mittel anteilig zur Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet hat, sodass die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter als andere Verbindlichkeiten behandelt wurden. Da es sich bei der Haftung nach § 9 Abs 1 BAO um eine Ausfallshaftung handelt, ist als objektive Tatbestandsvoraussetzung die Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben beim Primärschuldner im Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme des Haftenden anzusehen.

Voraussetzung der Ausfallshaftung nach § 9 Abs 1 BAO ist, dass die betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden objektiv uneinbringlich sind. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass bei der X.GmbH in Liqu. das Konkursverfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet wurde. Unabhängig hiervon muss - da bereits in der Vergangenheit einmal ein Fortsetzungsbeschluss nach einer Konkurseröffnung gefasst wurde - geklärt werden, ob die Gesellschaft tatsächlich über kein Vermögen verfügt bzw ob im Rahmen einer Liquidation ein Liquidationserlös erzielt werden kann, welcher jedenfalls zu berücksichtigen wäre.

Eine Haftung kommt des Weiteren nur insoweit zum Tragen, als eine etwaige Pflichtverletzung kausal für den Abgabenausfall war. Insbesondere ist bei zu geringen vorhandenen liquiden Mittel, um die fälligen Abgaben zur Gänze bezahlen zu können, zu prüfen, ob die vorhandenen liquiden Mittel pflichtgemäß gleichmäßig auf alle Gesellschaftsgläubiger aufgeteilt worden sind und somit dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprochen wurde (siehe und , 2000/16/0575). Eine Benachteiligung für die Gläubiger liegt aber nur dann vor, wenn der Befriedigungsfonds, auf den die Gläubiger im Konkursverfahren jeweils angewiesen sind, im Vergleich zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung verkleinert worden ist und "bestehende (Alt-)Gläubiger einen (größeren) Ausfall erleiden oder wenn Neugläubiger dieses Befriedigungsfonds hinzugekommen sind und einen Ausfall erleiden (siehe König, Die Anfechtung nach der KO3, Rz 5/18).

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Die in §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Daraus ergibt sich, dass keine abgabenrechtliche Pflicht verletzt wird, wenn Abgaben nicht entrichtet werden, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel zur Verfügung hat (vgl ). Reichen die vorliegenden liquiden Mittel zur Entrichtung aller Abgaben nicht aus, haftet grundsätzlich der Vertreter für die Nichtentrichtung der Abgaben, es sei denn, der Vertreter kann nachweisen, dass er die vorhandenen liquiden Mittel anteilig zur Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet hat, sodass die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter als andere Verbindlichkeiten behandelt wurden. Dem Vertreter obliegt keinnegativer Beweis seiner Schuldlosigkeit, sondern lediglich die konkrete Darstellung der Gründe, die der Erfüllung seiner Pflichten entgegenstanden (vgl Ritz, BAO4, § 9, Tz 22).

Diese qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters entbindet die Abgabenbehörde allerdings nicht von jeglicher Mitwirkungspflicht (vgl etwa , 0178; vgl Ellinger/Ira/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, 4. Ergänzungslieferung, §9 E 221). Eine solche Mitwirkungspflicht der Abgabenbehörde besteht etwa, wenn sich aus dem Inhalt des Finanzamtsakts deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen von liquiden Mitteln ergeben (vgl Ritz, BAO4,§ 9Rz 22).

Nun muss der Abgabenbehörde aufgrund unserer Eingaben (unter anderem aufgrund der Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2018 und 2020 unseres Mandanten) bekannt sein, dass die hier haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten aufgrund von Schätzungen in Folge einer GPLB bei der X.GmbH, StNr x entstanden sind. Im Rahmen dieser GPLB wurden - obwohl unserem Mandanten seitens der X.GmbH in den Jahren 2018 bis 2020 kein Geschäftsführerbezug ausbezahlt wurde, ein Geschäftsführerbezug in Höhe von monatlich € 4.000,00 für den Zeitraum bis hinzugerechnet und wie folgt begründet:
…..
Neben diesem "geschätzten" Geschäftsführerbezug wurde das Verrechnungskonto, welches - laut der GPLB-Prüfung - per einen Stand von € 90.972,65 hatte, den Bemessungsgrundlagen für die Lohnabgaben (DB und DZ) in den Jahren 2018 bis 2020 hinzugerechnet:
…..

Auf Basis dieses - entschuldigen Sie bitte unsere Ausführungen - völlig "abstrusen" Ergebnisses wurden der Gesellschaft DB und DZ vorgeschrieben, für welche nunmehr unser Mandant in Haftung genommen wird. Das Ergebnis der GPLB widerspricht jeglichen Denkgesetzen, da - selbst wenn man die Auszahlung eines Geschäftsführerbezuges in Höhe von € 4.000,00 pro Monat für den Zeitraum von drei Jahren unterstellen würde - dieser "ausbezahlte" Betrag nicht im Saldo des Verrechnungskontos von € 90,972,65 Deckung findet. Überdies belief sich das Verrechnungskonto zum auf € 88,849,75 und wurde laut den uns vorliegenden Unterlagen - unter anderem auch aufgrund von erfolgten Einzahlungen auf das Finanzamtkonto durch unseren Mandanten(!!!) - reduziert. Am Rande sei erwähnt, dass es sich bei der X.GmbH um ein Kleinstuntemehmen handelt, sämtliche Leistungen nur durch unseren Mandanten erbracht werden und die erwirtschafteten Umsätze nur einen Bruchteil der "geschätzten"Bemessungsgrundlage im Rahmen der GPLB ausmachen.

Mit den Zahlungen auf das Finanzamtkonto der Gesellschaft wurden unter anderem auch Körperschaftsteuern und teilweise auch Lohnabgaben (offensichtlich der DB und DZ 2018) beglichen. Wären die von der GPLB geschätzten Geschäftsführerbezüge tatsächlich ausbezahlt worden, so wären keine Körperschaftsteuern (außer die Mindestkörperschaftsteuer) zu entrichten. Tatsächlich ist das Finanzamt durch die erhaltenen Zahlungen sogar begünstigt worden, da es Zahlungen erhielt, obwohl die Primärschuldnerin eigentlich über keine liquiden Mittel und auchkeinen Überziehungsrahmen verfügte.

Zusammenfassend ergibt die abgabenrechtliche Würdigung des dargestellten Sachverhalts eindeutig, dass unser Mandant als Gesellschafter-Geschäftsführer der X.GmbH in Liqu. stets bemüht war, die Abgabenverbindlichkeiten der Gesellschaft zu entrichten. So leistete unser Mandant auch Zahlungen aus seinem Vermögen bzw borgte sich liquide Mittel zur Bedienung von Finanzamtschulden aus, obwohl - wie bereits angeführt - der Vertreter zur Entrichtung fälliger Abgaben nicht verpflichtet ist, Kredite aufzunehmen (). Die Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft entsprechen nicht den tatsächlichen Verhältnissen und sind entsprechend zu korrigieren.

Es liegt somit keine schuldhafte Pflichtverletzung unsres Mandanten vor, die kausal für einen Abgabenausfall gewesen wäre.

In Erfüllung seiner qualifizierten Mitwirkungspflicht obliegt dem Vertreter selbst kein negativer Beweis seiner Schuldlosigkeit, sondern lediglich die konkrete Darstellung der Gründe, die der Erfüllung seiner Pflichten entgegenstanden (vgl Ritz, BAO4, § 9, Tz 22). Er muss jedoch - sofern beim Abgabenpflichtigen liquide Mittel vorhanden waren - den Beweis führen, dass der Gleichheitsgrundsatz beachtet wurde und somit der Vertreter im Falle von nicht ausreichend vorhandenen liquiden Mitteln das Finanzamt als Gläubiger nicht schlechter als die übrigen Gesellschaftsgläubiger behandelt hat (, ). Bei der Beweisführung durch den Vertreter ist zu beachten, dass auch eine überschlägige Ermittlung der Quote ausreichend sein kann, weil Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten nicht über das Maß des Möglichen und Zumutbaren hinaus überspannt werden dürfen (vgl Ritz, BAO4, § 9, Tz 27). Dies insbesondere dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - auch die Abgabenbehörde aufgrund der Aktenlage eine Ermittlungspflicht trifft. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass jenen Abgabenbescheiden, die gegenständlichem Haftungsbescheid vom Finanzamt beigelegt worden sind, Hinweise auf abgabenrechtliche Prüfungen im März 2010 entnommen werden können.

Hinzuweisen ist abschließend darauf, dass unser Mandant auch über keine ausreichenden Mittel verfügt, die seine Inanspruchnahme überhaupt zweckmäßig und sinnvoll erscheinen lassen. Unser Mandant verfügt über kein Vermögen und kein Einkommen, außer einen etwaigen Geschäftsführerbezug aus der X.GmbH in Liqu.. Da Haftungsverfahren ohne ausreichende Aussicht auf einen entsprechenden Erfolg mangels Sinnhaftigkeit nicht durchzuführen sind (so ausdrücklich GZ E 1009/1/DIV/3/95), ist die vorliegende vom Finanzamt geltend gemachte Haftung unseres Mandanten kritisch zu hinterfragen.Aus der allgemeinen wirtschaftlichen Situation unseres Mandanten ergibt sich somit zusätzlicheine persönliche Unbilligkeit (siehe etwa und ).

Aus den dargestellten Gründen beantragen wir die ersatzlose Aufhebung des mit gegenständlicher Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheids.

Der Bf. erhob auch gegen die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenbescheide (Bescheide über die Festsetzung des DB und DZ 2018, 2019 und 2020 sowie gegen den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 4/2022 das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde.
Beantragt wurde weiters die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung sowie die Entscheidung über die Beschwerde durch den gesamten Senat.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Sämtliche maßgebenden Abgabenbescheide seien dem Haftungsbescheid beigelegt worden. Die Umsatzsteuer 04/2022 gründe sich auf die von der Gesellschaft eingereichte Umsatzsteuervoranmeldung vom . Die am im Zuge der Bescheidbeschwerde übermittelten Unterlagen gäben keinen Aufschluss darüber, welche offenen Verbindlichkeiten im haftungsrelevanten Zeitraum bei der Primärschuldnerin bestanden bzw. in welchem Verhältnis Zahlungen des Bf. oder anderer Rechtsträger zugunsten der Primärschuldnerin zu bestehenden Verbindlichkeiten stünden.
Die Heranziehung des Bf. als Haftungspflichtiger sei nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH auch im Hinblick auf seine schlechte wirtschaftliche Lage nicht rechtswidrig.

Mit dem Schriftsatz vom beantragte der Bf. ohne weitere Ausführungen die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht.

In der mündlichen Verhandlung vom wurde vom Vertreter des Bf. ergänzend ausgeführt, der Bf. führe kleinere Bauarbeiten aus. Er renoviere Wohnungen, zum Teil auch für Bauträger, und stelle dafür Rechnungen aus.
Für private Ausgaben habe der Bf. Geld vom Konto der GmbH verwendet. Die Prüferin habe allerdings für 2018, 2019 und 2020 einen Geschäftsführerbezug von jährlich jeweils 90.972,65 € geschätzt, das sei der Saldo des Verrechnungskontos. In Wahrheit könne man einen Geschäftsführerbezug von maximal 21.000 € jährlich heranziehen, das wären insgesamt 63.000 €. Darauf entfielen ca. 3.000 € an Lohnabgaben.
Der Bf. habe am 6.561 € auf das Konto der GmbH überwiesen und auch auf seinem Abgabenkonto Einzahlungen in der Höhe von rund € 5.500 geleistet. Diese Zahlungen waren Bedingung des FA zur Erlangung der UID-Nummer der Gesellschaft.
In den Haftungsbescheid seien nur die Abgaben der Jahre 2019 und 2020 aufgenommen worden, weshalb zu vermuten sei, dass die Lohnabgaben für das Jahr 2018 in der Höhe von rund 6.000 € durch die Zahlungen des Bf. abgedeckt wurden.
Es sei daher fraglich, worin die schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. liege.
Weiters müsse die Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit der Abgaben geklärt werden. Eine Haftung nach § 9 BAO sei bei einer Verletzung von z.B. der Gleichbehandlungspflicht immer nur anteilig möglich, siehe z.B. Ritz, BAO, Rz. 27. Im konkreten Fall sei das Finanzamt durch die Zahlungen des Bf bzw. seiner GmbH in der Höhe von insgesamt ca. 9.000 € eindeutig bessergestellt als etwaige andere Gläubiger, die es im Übrigen gar nicht gebe. Damit sei die tatsächliche Abgabenschuld bei Weitem übertroffen worden.

Vorgelegt wurden der Körperschaftssteuerbescheid 2020, aus dem hervorgehe, dass auch die Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage für dieses Jahr im Schätzungsweg ermittelt wurde sowie die Saldenliste Dezember 2020, aus der hervorgehe, dass das Verrechnungskonto einen Saldo von rund 88.000 € aufweise. Hiervon müsste die Einzahlung des Bf. bzw. seiner GmbH noch in Abzug gebracht werden. Man sehe auch Größenordnungen von etwaigen Schulden der Gesellschaft, die überschaubar seien. Die komplette Buchhaltung liege dem Finanzamt ebenfalls vor.

Der Vertreter des Finanzamtes führte aus, es sei richtig, dass durch die Zahlung am Abgabenkonto der GmbH am der festgesetzte Dienstgeberbeitrag und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag des Jahres 2018 abgedeckt wurden, sodass diese Abgaben nicht in den Haftungsbescheid aufgenommen wurden.
Der Vorhalt sei vom Bf. nicht beantwortet worden, sodass das Finanzamt von einer schuldhaften Pflichtverletzung habe ausgehen können. Die Abgabenbescheide seien in Rechtskraft erwachsen, sodass davon auszugehen sei, dass diese Beträge abzuführen gewesen wären. Der Einwand gegen die Höhe der Haftungsbescheide werde Gegenstand des Abgabenverfahrens sein.

Der Vertreter des Finanzamtes beantragt die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde.
Der steuerliche Vertreter des Bf. beantragte die Aufhebung des Haftungsbescheides.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus. Die Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (siehe mit Verweis auf Vorjudikatur).

Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da die Primärschuldnerin infolge rechtskräftiger Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit aufgelöst ist (Eintragung im Firmenbuch am Datum6, FN x).

Insoweit in der Beschwerde vorgebracht wird, es müsse geklärt werden, ob die Gesellschaft über Vermögen verfüge, ist auf den Bf. zu verweisen, der Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der X.GmbH war und auch zum Liquidator der Gesellschaft bestellt wurde. Vorhandene Vermögenswerte der Gesellschaft müssten ihm bekannt sein; solche wurden aber in der Beschwerde nicht angeführt.
Da an anderer Stelle der Beschwerde ausgeführt wird, es habe sich um ein "Kleinstunternehmen" gehandelt, das über keine liquiden Mittel und keinen Überziehungsrahmen verfügt habe, ist nicht vom Vorliegen von Gesellschaftsvermögen, sondern von der Uneinbringlichkeit der gegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten auszugehen.

Nach der Aktenlage war der Bf. im haftungsrelevanten Zeitraum alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der X.GmbH (Auszug aus dem Firmenbuch FN x).

Zu den Pflichten des Bf. als Geschäftsführer der Gesellschaft gehörten nicht nur die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht, sondern insbesondere auch die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sowie die Vorsorge, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ).

Abgabenrechtliche Pflichten werden nicht erfüllt, wenn Abgaben, die zu entrichten gewesen wären, nicht entrichtet worden sind ( mit Verweis auf Vorjudikatur).

Dem Haftungsbescheid lagen die Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2019 und 2020 sowie der Bericht über die Außenprüfung vom bei.
Geht einem Haftungsbescheid (nach § 9 BAO) ein Abgabenbescheid voraus, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an den Abgabenbescheid zu halten. Die Verschuldensprüfung hat dabei von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (, mwN).
Einwendungen gegen die Richtigkeit der Festsetzung der Umsatzsteuer sind hingegen nur in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren, nicht jedoch im Haftungsverfahren zu klären (vgl. , mwN).
Das Finanzamt war daher hinsichtlich der Höhe der Abgabenbeträge im angefochtenen Haftungsbescheid an die in den Festsetzungsbescheiden vom festgesetzten Abgaben gebunden.
Gegen die Abgabenbescheide wurde vom haftungspflichtigen Bf. Beschwerde erhoben. Die Einwände des Bf. gegen die Höhe der festgesetzten Abgaben werden vom Finanzamt im Beschwerdeverfahren gegen die Abgabenbescheide zu berücksichtigen sein. Eine Vorwegnahme der Prüfung der Höhe der nicht abgeführten Abgaben im Haftungsverfahren mit dem Ziel, nur eine teilweise oder keine schuldhafte Pflichtverletzung festzustellen, wie vom Vertreter des Bf. in der mündlichen Verhandlung urgiert, würde eine unzulässige Vorwegnahme des Abgabenverfahrens darstellen und kann vom Senat nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH, wonach zunächst über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden ist - zumal von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt (siehe ) - nicht in Erwägung gezogen werden.

Die Umsatzsteuer 04/2022 wurde, wie bereits das Finanzamt in der Beschwerdevorentschiedung festgestellt hat, von der GmbH mit Voranmeldung bekannt gegeben. Ein Festsetzungsbescheid konnte dem Bf. daher nicht übermittelt werden. Die Höhe der Abgabe wurde nicht bestritten.
Andere Abgaben sind im Haftungsbescheid nicht angeführt. Es bleibt daher offen, welche weiteren Unterlagen das Finanzamt dem Bf. hätte übermitteln müssen.

Zur vorgebrachten Entrichtung der festgesetzten Lohnabgaben 2018 ist festzuhalten, dass diese, wie der Vertreter des Finanzamtes in der mündlichen Verhandlung richtig vorgebracht hat, durch die Zahlung eines Betrages in der Höhe von 6.561 € am auf das Abgabenkonto der GmbH abgedeckt wurden (insgesamt aushaftende Abgaben zu diesem Zeitpunkt am Abgabenkonto der Gesellschaft 24.570 €) und, da diese Abgaben nicht aushaften, eine Haftungsinanspruchnahme des Bf. für diese Abgaben nicht in Frage kam.
Dass die Verbuchung der Zahlung nicht entsprechend der Vorschrift des § 214 BAO erfolgte, wird nicht vorgebracht.
Insoweit damit dem Bf. eine Beschwerde gegen den (seiner Ansicht nach ebenfalls unrichtigen) Bescheid vom über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2018 gemäß § 248 BAO verwehrt bleibt, wird darauf verwiesen, dass dieser Bescheid an die GmbH erlassen, von ihr aber nicht angefochten wurde und daher in Rechtskraft erwachsen ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfährt die Haftung des Vertreters nur dann eine Einschränkung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher Abgabenbetrag auch bei gleichmäßiger Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre.
Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, die Primärschuldnerin habe "eigentlich" über keine liquiden Mittel verfügt, ist auf die Feststellungen der Prüferin zu verweisen, wonach von Oktober 1919 bis Ende 2020 Rechnungen für erbrachte Leistungen ausgestellt wurden. Hat die Gesellschaft aber Leistungen erbracht, müssen - zumindest in geringem Ausmaß - finanzielle Mittel für Betriebskosten, Arbeitsmittel etc. vorhanden gewesen sein. Auch die von der Prüferin festgestellte Verbuchung zahlloser privater Ausgaben auf dem Verrechnungskonto der GmbH beweist, dass finanzielle Mittel vorhanden waren, die aber zur privaten Bedürfnisbefriedigung und nicht zur Entrichtung der Abgabenverbindlichkeiten verwendet wurden.
Aus der vorgelegten Saldenliste Kreditoren I ergibt sich, dass neben dem Finanzamt auch andere Gläubiger aufscheinen.

Damit der Geschäftsführer seine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast erfüllt, ist die Darstellung der konkreten finanziellen Situation der Gesellschaft und ihrer Gebarung im fraglichen Zeitpunkt erforderlich. Konsequenterweise haftet der Geschäftsführer ansonsten für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze (, mwN).

Ein Nachweis, ob dem Bf. ausreichende Mittel zur Abgabenentrichtung fehlten bzw. ob sämtliche Gläubiger der Gesellschaft gleich behandelt wurden, wurde vom Bf. trotz Aufforderung im Vorhalt vom ebensowenig erbracht wie die Berechnung des Betrages, der - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre.

Das Finanzamt ist auch nicht verpflichtet, selbst aus der Buchhaltung der Gesellschaft oder aus vorgelegten Saldenlisten Berechnungen vorzunehmen. Ein allgemein gehaltenes Vorbringen, das jede zahlenmäßige Festlegung unterlässt und sich in Wahrheit in einer bloßen Rechtsfolgebehauptung erschöpft, ist nicht geeignet, eine Ermittlungspflicht der Behörde im Hinblick auf das Fehlen eines Verschuldens im Sinne des § 9 BAO auszulösen und sie zur Vornahme bestimmter Beweisaufnahmen zu verhalten (). Eine Ermittlungspflicht des Finanzamtes bestand im vorliegenden Fall mangels Vorlage jedweder konkreter Zahlen oder Berechnungen nicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. z.B. , mwN).

Hat der Geschäftsführer im Haftungsverfahren nicht den ihm obliegenden Entlastungsbeweis in Bezug auf die Abgabenentrichtung erbracht, kann die Behörde schon deshalb eine die Inanspruchnahme zur Haftung rechtfertigende schuldhafte Pflichtverletzung annehmen ().

Dem hier vorliegenden Haftungsbescheid gingen die oben angeführten Abgabenbescheide voran. Wie bereits ausgeführt und vom Finanzamt vertreten, ist im Haftungsverfahren nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Richtigkeit dieser Abgabenfestsetzung auszugehen und diese der Verschuldensprüfung zu Grunde zu legen. Demnach ist im gegenständlichen Haftungsverfahren davon auszugehen, dass der Bf. keine Lohnabgaben erklärt und entrichtet hat.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles.

Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Zu den Ausführungen zur geltend gemachten derzeitigen schlechten Einkommens- und Vermögenslage des Bf., die eine Einbringlichkeit der Haftungsschuld als zweifelhaft darstellen, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die wirtschaftliche Lage eines Haftungspflichtigen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung steht ().

So kann die Haftung auch nicht nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden (). Dem Vorbringen des Finanzamtes ist daher zuzustimmen, dass die wirtschaftliche Lage des Bf. im Zuge der Ermessensentscheidung unmaßgeblich ist.

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist jedoch ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf ().

Ein solcher Umstand liegt hier nicht vor, wurden doch die Abgaben der Jahre 2019 und 2020 bereits im Haftungsbescheid vom Jänner 2023 geltend gemacht.

Weitere zu Gunsten des Bf. sprechende Billigkeitsgründe liegen nicht vor und wurden auch vom Bf. nicht vorgebracht. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung waren im vorliegenden Fall nicht zu lösen. Die Entscheidung beruht auf der zitierten ständigen Rechtsprechung des VwGH. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Beilage für die Parteien: Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100555.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at