Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 25.04.2024, RV/6100390/2023

Anfechtung eines Bescheides, der an die Stelle eines Bescheides aus einer antragslosen Arbeitnehmerveranlagung getreten ist

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht fasst durch den Richter Mag.Dr. Thomas Leitner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2019 den Beschluss:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs 1 lit b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich (im Folgenden: "belangte Behörde") vom wurde der Beschwerdeführer im Wege der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung zur Einkommensteuer 2019 veranlagt und ergab die Veranlagung eine Gutschrift von 1.238,00 Euro.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2019 wurde das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2019 gem § 303 Abs 1 BAO wieder aufgenommen, da es nachträglich eine oder mehrere der folgenden Änderungen gegeben habe:

  1. Eine Mitteilung von Spenden wurde berichtigt oder neu übermittelt;

  2. Eine Mitteilung des Beitrags an eine Kirche oder Religionsgesellschaft wurde berichtigt oder neu übermittelt;

  3. Eine Mitteilung der Beiträge für die freiwilligen Weiterversicherung oder für den Nachkauf von Versicherungszeiten wurde berichtigt oder neu übermittelt.

Mit Einkommensteuerbescheid der belangten Behörde vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2019 neu festgesetzt mit - 1.263,00 Euro.

Mit am über das FinanzOnline-Portal eingereichtem sonstigem Anbringen beantragte der Beschwerdeführer "den Familienbonus für 2019".

Mit weiterem am über das FinanzOnline-Portal eingereichtem Anbringen erhob der Beschwerdeführer gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 der belangten Behörde vom das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte die Berücksichtigung diverser bislang nicht in Abzug gebrachter Sonderausgaben und Werbungskosten sowie des Familienbonus Plus. Begründend führte der Beschwerdeführer dabei im Wesentlichen aus, er habe die in der Beschwerde erfolgte Ergänzung seiner Angaben erst jetzt gemacht, da er angenommen habe, 5 Jahre Zeit für die Vornahme des Steuerausgleichs zu haben und er den automatischen Ausgleich nie gewollt habe.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wurde die Beschwerde vom zurückgewiesen, da die Beschwerdefrist bereits abgelaufen sei.

Am brachte der Beschwerdeführer über das FinanzOnline-Portal einen Vorlageantrag ein und führte darin im Wesentlichen aus, dass er vom Finanzamt die telefonische Auskunft erhalten habe, bei einer antragslos ergangenen Arbeitnehmerveranlagung innerhalb von 5 Jahren noch einen "eigenen Antrag" einbringen zu können. Darüber hinaus beantragte der Beschwerdeführer die Berücksichtigung diverser bislang nicht in Abzug gebrachter Sonderausgaben und Werbungskosten sowie des Familienbonus Plus im Ausmaß von 50%.

Die belangte Behörde legte daraufhin Teile der Akten mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, da diese verspätet eingebracht worden sei.

In der Folge nahm das Bundesfinanzgericht Einsicht in die von der belangten Behörde unter der Steuernummer des Beschwerdeführers elektronisch geführten Akten. Dabei wurden vom Bundesfinanzgericht folgende von der belangten Behörde nicht vorgelegte Aktenteile erhoben:

  1. Einkommensteuerbescheid 2019 der belangten Behörde vom ;

  2. Bescheid der belangten Behörde vom über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2019;

  3. Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 der belangten Behörde vom .

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer im Wege der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung zur Einkommensteuer 2019 veranlagt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2019 wurde das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2019 gem § 303 Abs 1 BAO wieder aufgenommen.

Mit Einkommensteuerbescheid der belangten Behörde vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2019 neu festgesetzt. Dieser Bescheid wurde am in die "Databox" des Beschwerdeführers bei FinanzOnline eingebracht. Der Beschwerdeführer nahm zu diesem Zeitpunkt an FinanzOnline teil und hatte im Sinne des § 97 Abs 3 vierter Satz BAO der Mitteilung von Erledigungen durch FinanzOnline zugestimmt und diese Zustimmung nicht widerrufen.

Mit Anbringen vom , bei der belangten Behörde eingelangt am selben Tag, erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 der belangten Behörde vom .

2. Beweiswürdigung

Die obigen unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988 hat das Finanzamt auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Veranlagung vorzunehmen, wenn keine Pflichtveranlagung durchzuführen ist und der Antrag innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes gestellt wird.

§ 41 Abs 2 Z 2 EStG 1988 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl I 2021/3 lautet:

"2. Wurde bis Ende des Monats Juni keine Abgabenerklärung für das vorangegangene Veranlagungsjahr eingereicht, hat das Finanzamt von Amts wegen eine antragslose Veranlagung vorzunehmen, sofern der Abgabepflichtige nicht darauf verzichtet hat. Dabei gilt Folgendes:

a) Folgende Voraussetzungen müssen vorliegen:

  1. Aufgrund der Aktenlage ist anzunehmen, dass der Gesamtbetrag der zu veranlagenden Einkünfte ausschließlich aus lohnsteuerpflichtigen Einkünften besteht.

  2. Aus der Veranlagung resultiert eine Steuergutschrift.

  3. Aufgrund der Aktenlage ist nicht anzunehmen, dass die zustehende Steuergutschrift höher ist als jene, die sich aufgrund der übermittelten Daten gemäß § 18 Abs. 8, § 35 Abs. 8 und § 84 ergeben würde.

b) Wurde bis zum Ablauf des dem Veranlagungszeitraum zweitfolgenden Kalenderjahres keine Abgabenerklärung für den betroffenen Veranlagungszeitraum abgegeben, ist jedenfalls eine antragslose Veranlagung durchzuführen, wenn sich nach der Aktenlage eine Steuergutschrift ergibt.

c) Wird nach erfolgter antragsloser Veranlagung innerhalb der Frist der Z 1 eine Abgabenerklärung abgegeben, hat das Finanzamt darüber zu entscheiden und gleichzeitig damit den gemäß lit. a oder lit. b ergangenen Bescheid aufzuheben.

d) Der Bescheid auf Grund einer antragslosen Veranlagung ist ersatzlos aufzuheben, wenn dies in einer Beschwerde (§ 243 BAO) beantragt wird; die Beschwerde bedarf keiner Begründung.

e) Die Steuererklärungspflicht (§ 42) bleibt auch nach Vornahme der Veranlagung aufrecht."

Im Unterschied zur Regierungsvorlage, nach der die antragslose Arbeitnehmerveranlagung zu einem Veranlagungsbescheid führen sollte, der vom Steuerpflichtigen - ebenso wie in Fällen einer beantragten Veranlagung oder einer Pflichtveranlagung - bekämpfbar sein und den Regeln der BAO über Änderungen rechtskräftiger Bescheide (zB §§ 299 oder 303 BAO) unterliegen sollte (vgl ErläutRV 684 BlgNR XXV. GP 23), sollen die Rechtswirkungen einer antragslosen Veranlagung nach den letztlich vom Gesetzgeber beschlossenen Regelungen für den Steuerpflichtigen "auf einfache Weise durch Einreichung einer Abgabenerklärung beseitigt werden können" (vgl Begründung des Abänderungsantrags zur RV des StRefG 2015/2016, AA-93 XXV. GP 6). Gem § 41 Abs 2 Z 2 lit c iVm Z 1 EStG 1988 kann der Antrag auf Veranlagung dabei innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes gestellt werden.

Im Beschwerdefall wurde allerdings der antragslos ergangene Bescheid aufgrund einer nachträglich eingegangenen Meldung im Wege einer Wiederaufnahme des Verfahrens durch einen neuen Bescheid ersetzt. In einem derartigen Fall gelten für den neuen Bescheid die normalen Regelungen der BAO über Bescheidänderungen. § 41 Abs 2 Z 2 lit c EStG 1988 idF BGBl I 2021/3 (Bescheidänderung innerhalb von fünf Jahren) und § 41 Abs 2 Z 2 lit d EStG 1988 idF BGBl I 2021/3 (Antrag auf ersatzlose Behebung) gelten in einem solchen Fall nicht. Ein Bescheid, der an die Stelle eines Bescheides aus einer antragslosen Arbeitnehmerveranlagung tritt, kann demzufolge nicht mehr durch Abgabe einer Steuererklärung geändert werden (vgl auch ).

Zwar wurde mit dem Abgabenänderungsgesetz 2022 (BGBl I 2022/108) § 41 Abs 2 Z 2 EStG 1988 dahingehend geändert, dass § 41 Abs 2 Z 2 lit c EStG 1988 idF BGBl I 2022/108 (Bescheidänderung innerhalb von fünf Jahren) und § 41 Abs 2 Z 2 lit e leg cit (Antrag auf ersatzlose Behebung) auch dann anzuwenden sind, wenn der Bescheid aus der antragslosen Veranlagung aufgrund nachträglich übermittelter Daten im Sinne von § 41 Abs 2 Z 2 lit a dritter Teilstrich leg cit durch einen neuen Bescheid, der die Steuergutschrift gegenüber dem bisherigen Bescheid erhöht, ersetzt wurde (§ 41 Abs 2 Z 2 lit d leg cit). Gemäß § 124b Z 403 EStG 1988 gilt dies allerdings erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2022 und wirkt diese Änderung somit nicht auf den streitgegenständlichen Zeitraum (2019) zurück.

Eine Deutung des gegenständlichen als Beschwerde bezeichneten Anbringens als Veranlagungsantrag (vgl dazu ) scheidet vor diesem Hintergrund aus und sind im Beschwerdefall die das Rechtsmittel der Beschwerde betreffenden allgemeinen Bestimmungen anzuwenden:

Gemäß § 245 Abs 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat. Eine Verlängerung der Beschwerdefrist setzt gemäß § 245 Abs 3 BAO insbesondere einen diesbezüglichen (innerhalb offener Beschwerdefrist gestellten) Antrag voraus. Da im Beschwerdefall eine Verlängerung der Beschwerdefrist nicht beantragt wurde, beträgt diese einen Monat.

Wird der Lauf einer Frist durch eine behördliche Erledigung ausgelöst, so ist für den Beginn der Frist nach § 109 BAO der Tag maßgebend, an dem die Erledigung bekanntgegeben worden ist. Die Bekanntgabe erfolgt nach § 97 Abs 1 lit a BAO bei schriftlichen Erledigungen - wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen - vorgesehen ist, durch Zustellung. Elektronisch zugestellte Dokumente gelten gemäß § 98 Abs 2 erster Satz BAO "als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind." Demgemäß gilt der im Beschwerdefall angefochtene Bescheid mit seiner Einbringung in die "Databox" der Beschwerdeführerin bei FinanzOnline am als zugestellt, sodass dieser Tag Für den Beginn der Beschwerdefrist maßgebend ist (vgl dazu auch ). Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass ein Vorliegen von unter § 98 Abs 2 dritter Satz BAO fallenden Umständen vom Beschwerdeführer nicht behauptet wird.

Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden gemäß § 108 Abs 2 erster Satz BAO mit Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. Im Beschwerdefall endete die einmonatige Beschwerdefrist somit mit Ablauf des . Die gegenständliche Beschwerde wurde somit beinahe zwei Jahre nach Ablauf der Beschwerdefrist eingebracht.

Nach Ablauf der Beschwerdefrist eingebrachte Beschwerden sind gem § 260 Abs 1 lit b BAO als verspätet zurückzuweisen. Dies hat durch die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) bzw durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss (§ 278 BAO) zu erfolgen. Die Beschwerde ist somit gemäß § 260 Abs 1 lit b BAO in Verbindung mit § 278 Abs 1 lit a BAO zurückzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II.

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Rechtsfolge der Zurückweisung der Beschwerde unmittelbar aus § 260 Abs 1 lit b BAO ergibt, liegt im gegenständlichen Fall keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden ist.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 278 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 41 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 124b Z 403 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 245 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 245 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 109 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 108 Abs. 2 und 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 108 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100390.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at