Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 17.04.2024, RV/2100121/2024

Keine wirksame Beschwerdevorentscheidung auf Grund fehlender (gesetzlicher) Vertretung der Verlassenschaft - Mitteilung nach § 281a BAO

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Verl. nach Bf1***, vertreten durch die Verlassenschaftskuratorin ***V***, diese vertreten durch die ***RAe***, ***RAe Adresse***, zur Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020, Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

I. Die Beschwerde wird an das vorlegende Finanzamt Österreich weiter- bzw. rückgeleitet.

II. Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig.

Begründung

1. Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist - im Allgemeinen - nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid über Bescheidbeschwerden abzusprechen.

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann nach § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden.

Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) ist das Bundesfinanzgericht daher im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde (vgl ; , Ro 2021/13/0009).

In der Verlassenschaftssache der am xx.xx.2020 verstorbenen ***Bf1*** wurde mangels Vertretung des ruhenden Nachlasses mit Beschluss des Bezirksgerichtes Graz-West vom zu GZ ***Beschluss 1*** (vgl OZ 7 des BFG-Beschwerdeaktes) Frau ***V*** als Verlassenschaftskuratorin nach § 156 Abs 2 AußstrG zur "Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Verstorbene samt Entgegennahme von Bescheiden" bestellt. Nach Einreichen der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 am erließ das Finanzamt Österreich am den Einkommensteuerbescheid 2020 und richtete diesen an: "***Verl. nach Bf1***, z.H. ***V***".

Am reichte ***V*** in ihrer Funktion als Verlassenschaftskuratorin, vertreten durch die ***RAe***, eine Beschwerde gegen den Bescheid ein. Die Legitimation der ***RAe*** als anwaltliche Vertretung der Verlassenschaftskuratorin wurde durch das Finanzamt Österreich erhoben (vgl OZ 12 und OZ 14 des BFG-Beschwerdeaktes).

Zwischenzeitig wurde die Verlassenschaftskuratorin mit Beschluss des Bezirksgerichtes Graz-West zu GZ ***Beschluss 2*** vom (rechtskräftig am ), welcher am im Finanzamt Österreich einlangte, ihres Amtes enthoben (vgl OZ 11 des BFG-Beschwerdeaktes).

Die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom wurde an "***Verl. nach Bf1***, z. Hd. ***RAe***, ***RAe-Adresse***" adressiert und zugestellt. Der sich gegen die Beschwerdevorentscheidung richtende Vorlageantrag vom wurde von der ***Verl. nach Bf1***, vertreten durch die Verlassenschaftskuratorin ***V***, vertreten durch die ***RAe***, beim Finanzamt Österreich eingebracht.

Mit Beschluss vom (rechtskräftig am ) zu GZ ***Beschluss 3*** (vgl OZ 16 des BFG-Beschwerdeaktes) wurde ***V*** auf Antrag des Finanzamtes Österreich vom Bezirksgericht Graz-West abermals zur Verlassenschaftskuratorin zur Vertretung des ruhenden Nachlasses beim Finanzamt bzw Bundesfinanzgericht bestellt.

Gegenständliche Beschwerdesache wurde dem Bundesfinanzgericht schließlich am vorgelegt.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, dass die Vertretung einer Verlassenschaft insbesondere einem Erben bzw einer Erbin, dem/der mit Gerichtsbeschluss die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft überlassen wurde (§ 810 ABGB) oder einem/einer Verlassenschaftskuratorin (§ 173 AußStrG) obliegt (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 82 Rz 9; Ritz/Koran, BAO7 § 82 Rz 5, 9). § 82 Abs 1 BAO soll ua gewährleisten, dass ein Abgabenverfahren abgewickelt werden kann, auch wenn die Partei dieses Verfahrens nicht voll handlungsfähig ist (Ritz/Koran, BAO7 § 82 Rz 1). Verlassenschaftskuratoren können sich nach Maßgabe des § 83 BAO durch gewillkürte Vertreter (zB Rechtsanwälte oder Steuerberater) vertreten lassen (vgl Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 80 Rz 12; Ritz/Koran, BAO7 § 80 Rz 9a).

Die ***RAe*** wird nach eigenen Angaben seit vielen Jahren für die Verlassenschaftskuratorin ***V*** in allen rechtlichen Belangen tätig (vgl OZ 14 des BFG-Beschwerdeaktes). In gegenständlicher Causa der ***Verl. nach Bf1*** sei eine mündliche Vollmacht erteilt worden; an § 8 Abs 1 RAO wurde erinnert.

Zum Zeitpunkt der Erlassung (und Zustellung) der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes am war die Verlassenschaft mangels gesetzlicher Vertretung durch die Verlassenschaftskuratorin handlungsunfähig (vgl den Beschluss des BG Graz West vom (OZ 11 des gegenständlichen Beschwerdeaktes), mit dessen Rechtskraft die Verlassenschaftskuratorin des Amtes enthoben wurde). Eine Wiederbestellung der Kuratorin erfolgte erst wieder am . Die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung direkt an die gewillkürte Vertreterin der Verlassenschaftskuratorin (***RAe***) ohne entsprechende Legitimation der Kuratorin selbst, für die Verlassenschaft Handlungen zu setzen, ging somit ins Leere.

Eine wirksame Beschwerdevorentscheidung durch das Finanzamt wurde daher nicht erlassen (vgl dazu etwa ).

Gemäß § 281a BAO hat das Verwaltungsgericht, wenn es nach einer Vorlage (§ 265 BAO) zur Auffassung gelangt, dass noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder ein Vorlageantrag nicht eingebracht wurde, die Parteien darüber unverzüglich formlos in Kenntnis zu setzen.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (190 BlgNR 26. GP 56) wurde zu dieser Bestimmung auszugsweise wie folgt ausgeführt: "Wenn wegen einer fehlenden Beschwerdevorentscheidung oder wegen eines fehlenden Vorlageantrages eine Zuständigkeit zur Erledigung der Bescheidbeschwerde oder des Vorlageantrages trotz erfolgter Vorlage (§ 265) nicht auf das Verwaltungsgericht übergehen konnte, besteht kein Erfordernis, dass das Verwaltungsgericht darüber einen Unzuständigkeitsbeschluss fasst (vgl. Ro 2015/15/0001). Auch aus Gründen des Rechtsschutzes ist es nicht erforderlich, über eine Unzuständigkeit durch das Verwaltungsgericht mittels eines Feststellungsbeschlusses abzusprechen. Im Interesse der Vereinfachung und Beschleunigung des Beschwerdeverfahrens soll das Verwaltungsgericht eine ihm von der Abgabenbehörde (zumeist nur irrtümlich) vorgelegte Beschwerde, über die es seiner Ansicht nach in Ermangelung einer Beschwerdevorentscheidung oder eines Vorlageantrages nicht zu entscheiden hat, der Abgabenbehörde ohne unnötigen Aufschub zurückschicken und den Beschwerdeführer davon verständigen. Die neue Verständigungspflicht gemäß § 281a BAO soll, insbesondere im Hinblick auf die Verständigung des Beschwerdeführers vom Zeitpunkt und Inhalt der zunächst erfolgten Vorlage, gewährleisten, dass beide Parteien rasch und einfach mittels formloser Mitteilung des Verwaltungsgerichtes davon Kenntnis erlangen, dass sich das Verwaltungsgericht für unzuständig hält."

Der Gesetzgeber geht somit davon aus, dass in den genannten Fällen das Verwaltungsgericht die vorgelegte Beschwerde an die Abgabenbehörde ohne unnötigen Aufschub zurückschicken soll, was der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge bereits kraft eines Größenschlusses aus § 53 iVm § 2a BAO folgt. § 281a BAO sieht in diesem Zusammenhang (lediglich) die ausdrückliche Verpflichtung des Verwaltungsgerichts vor, die Parteien über diese Weiterleitung zu verständigen (vgl , mwN).

Die Weiterleitung (Rückleitung) der Beschwerde durch das Verwaltungsgericht ist als verfahrensleitender Beschluss anzusehen. Wenn § 281a BAO vorsieht, dass die Verständigung "formlos" erfolgen soll, so ist dies dahin zu verstehen, dass eine bestimmte Form hiefür nicht vorgesehen ist. Zweckmäßig erfolgt diese Verständigung dadurch, dass eine Ausfertigung des verfahrensleitenden Beschlusses (samt Begründung, in der die Ansicht des Bundesfinanzgerichts dargelegt wird) den Parteien zugestellt wird (vgl , mwN).

Auf Grund der derzeitigen Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichts erübrigt sich die Abhaltung der beantragten mündlichen Verhandlung.

2. Zu Spruchpunkt II.

Die Weiterleitung (Rückleitung) der Beschwerde durch das Verwaltungsgericht ist als verfahrensleitender Beschluss anzusehen (vgl , mwN). Gegen verfahrensleitende Beschlüsse des Verwaltungsgerichts (vgl auch - zur Abgrenzung von sofort anfechtbaren Beschlüssen - , mwN) ist nach § 25a Abs. 3 VwGG eine abgesonderte Revision nicht zulässig; sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden.

Gegen einen Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht die Beschwerde an eine andere Stelle weiterleitet, ist demnach eine abgesonderte Revision nicht zulässig (vgl zB ; , Ra 2018/03/0072, mwN). Gleiches gilt auch für die "formlose" Verständigung über die Weiterleitung (Rückleitung) samt Mitteilung der Ansicht des Bundesfinanzgerichts, die der Bekanntgabe des Inhalts des verfahrensleitenden Beschlusses entspricht ().

Belehrung und Hinweise

Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig. Sie können erst in der Revision oder Beschwerde gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden (§ 25a Abs 3 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, § 88a Abs 3 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953).

Verneint das Bundesfinanzgericht nach der Vorlage der Beschwerde zu Unrecht seine Zuständigkeit, weil es fälschlich annimmt, es fehle (ohne Rechtfertigung durch eine der Ausnahmen des § 262 Abs. 2 bis 4 BAO) an einer (wirksam zugestellten) Beschwerdevorentscheidung oder es sei kein Vorlageantrag (wirksam) eingebracht worden, und unterlässt es daher die Erledigung der Beschwerde, so steht beiden Parteien (vgl zur Amtspartei ) des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht der Fristsetzungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof offen ().

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 281a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100121.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at