Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.04.2024, RV/2100224/2024

Vertreterbestellung gemäß § 81 Abs. 2 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Adresse Bf***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Vertreterbestellung gemäß § 81 Abs 2 BAO zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird (ersatzlos) aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom bestellte das Finanzamt den Beschwerdeführer (Bf) "nach § 81 Abs 2 BAO als Vertreter zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der ***X GmbH & Co KEG***".

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde vom führte der Bf im Wesentlichen aus, die ***X GmbH & Co KEG*** habe vor ca 25 bis 30 Jahren ihren Betrieb eingestellt und sei im Firmenbuch gelöscht worden. Dies sei damals auch dem Finanzamt mitgeteilt worden. Den damaligen Steuerberater, der alle Formalien abgewickelt habe, gebe es schon länger nicht mehr, was vom Finanzamt vielleicht nicht registriert worden sei. Nunmehr, nach Jahrzehnten, werde eine "Karteileiche" wiederbelebt, für welche der Bf kein Vertreter sein könne.

In seiner abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, entgegen dem Vorbringen des Bf sei die ***X GmbH & Co KEG*** bis dato nicht im Firmenbuch gelöscht worden. Dies führe dazu, dass diese Gesellschaft der Meldepflicht gemäß § 5 WiEReG unterliege. Die Meldepflicht gemäß § 5 WiEReG bestehe nämlich - unabhängig von einer bereits erfolgten Betriebseinstellung - so lange, bis der Rechtsträger im Firmenbuch gelöscht sei.

Da die Komplementär-GmbH bereits am ***tt.mm.2005*** im Firmenbuch gelöscht worden sei und dem Finanzamt keine Namhaftmachung eines gemeinsamen Bevollmächtigten bekannt sei, gebe es laut Firmenbuch nur einen einzigen Kommanditisten, nämlich den Bf, der die abgabenrechtlichen Pflichten der ***X GmbH & Co KEG*** wahrnehmen könne. Aus diesem Grund sei der Bf mit dem angefochtenen Bescheid zum Vertreter gemäß § 81 BAO bestellt worden.

Folge man der Judikatur des VwGH (Hinweis auf ), hätte es der gegenständlichen Vertreterbestellung nicht zwingend bedurft, da der Bf als einziger noch existenter Gesellschafter der ***X GmbH & Co KEG*** auch ohne Bestellungsbescheid Adressat von an diese Gesellschaft gerichteten Bescheiden sein könne. Die mit dem angefochtenen Bescheid zulässigerweise vorgenommene Vertreterbestellung gemäß § 81 BAO diene zum einen der Absicherung des Finanzamtes. Zum anderen sei dadurch der Bf erstmals über seine abgabenrechtlichen Pflichten betreffend die ***X GmbH & Co KEG*** in Kenntnis gesetzt worden.

Darüber hinaus enthält die Beschwerdevorentscheidung folgenden "Hinweis":

"Mit Erinnerungsschreiben vom wurde die ***X GmbH & Co KEG*** unter Androhung einer Zwangsstrafe iHv EUR 1.000,- aufgefordert, eine Meldung gem. § 5 WiEReG durchzuführen. Sollte die Meldung gem. § 5 WiEReG nicht bis spätestens vorgenommen werden, die Gesellschaft bis zu diesem Zeitpunkt im Firmenbuch gelöscht sein oder zumindest dem Finanzamt Österreich nachweislich dargelegt werden, dass um Löschung der ***X GmbH & Co KEG*** im Firmenbuch angesucht wurde, wird die mit Erinnerungsschreiben vom angedrohte Zwangsstrafe iHv EUR 1.000,- festgesetzt. In Anbetracht der bereits erfolgten Betriebseinstellung wäre eine Löschung der ***X GmbH & Co KEG*** im Firmenbuch jedenfalls anzudenken."

Mit Schreiben vom beantragte der Bf die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Darin wies er darauf hin, dass um Löschung der ***X GmbH & Co KEG*** im Firmenbuch angesucht worden sei. Damit entfalle die Meldepflicht gemäß § 5 WiEReG. Seine Bestellung zum Vertreter gemäß § 81 BAO sei demnach hinfällig. Zu berücksichtigen sei überdies, "daß zufolge bereits erfolgter Firmenbuch-Löschung der Komplementär-GmbH der Kommanditist und einzige Gesellschafter als natürliche Person von der Meldepflicht befreit ist, weil in wirtschaftlicher Sicht die KEG gar nicht mehr besteht."

Daraufhin legte das Finanzamt den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht vom , in dem es die Abweisung der Beschwerde beantragte, gab es Teile des Inhaltes seiner Beschwerdevorentscheidung wieder. Darüber hinaus führte es ergänzend aus, dem Firmenbuchauszug der ***X GmbH & Co KEG*** (***FN***) sei zu entnehmen, dass die ***X GmbH*** (***FN***) Komplementärin sei und dem Bf die Stellung als Kommanditist zukomme. Da dem Finanzamt kein Gesellschaftsvertrag mit einer entsprechenden Vertreterregelung vorliege, im Firmenbuch kein Gesellschaftsvertrag ersichtlich sei und die Komplementär-GmbH als nachrangig in Betracht kommende Vertreterin bereits am ***tt.mm.2005*** im Firmenbuch gelöscht worden sei, sei der Bf mit dem angefochtenen Bescheid zum Vertreter der ***X GmbH & Co KEG*** gemäß § 81 Abs 2 BAO bestellt worden. Einziger Grund für die Bestellung eines § 81 BAO-Vertreters für die ***X GmbH & Co KEG*** sei das Bewirken der rechtswirksamen Zustellung eines Erinnerungsschreibens (und nachfolgend eines Zwangsstrafenbescheides) wegen Säumnis bei der Durchführung der Meldung gemäß § 5 WiEReG gewesen. Die ***X GmbH & Co KEG*** sei am ***tt.mm.2024*** im Firmenbuch gelöscht worden. Wenn der Bf im Vorlageantrag darauf hinweise, dass die Vertreterbestellung aufgrund der Einleitung der Löschung der ***X GmbH & Co KEG*** nunmehr hinfällig sei, so sei dem grundsätzlich zuzustimmen, weil mit der Erlassung der Beschwerdevorentscheidung im WiEReG-Zwangsstrafenverfahren sämtliche Rechtsverhältnisse zum Bund abgewickelt seien und daher mit der Firmenbuch-Löschung der ***X GmbH & Co KEG*** deren Vollbeendigung eingetreten sei.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt:

Mit Gesellschaftsvertrag vom ***tt.mm.2000*** errichteten die ***X GmbH*** (als einzige Komplementärin; in der Folge "Komplementär-GmbH") und der Bf (als einziger Kommanditist) die ***X GmbH & Co KEG*** (Kommanditerwerbsgesellschaft). Die Eintragung im Firmenbuch erfolgte am ***tt.mm.2000***.

Der Bf war weder Gesellschafter noch Geschäftsführer der Komplementär-GmbH.

Am ***tt.mm.2005*** wurde die Komplementär-GmbH - im Anschluss an einen Konkurs - von Amts wegen gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht.

Am wurde vom Finanzamt die ursprüngliche Steuernummer der ***X GmbH & Co KEG*** (***Steuernummer alt***) infolge der Bekanntgabe der Einstellung der betrieblichen Tätigkeit gelöscht.

Im Firmenbuch schien die ***X GmbH & Co KEG*** (ab dem in der geänderten Rechtsform einer "Kommanditgesellschaft"; siehe § 907 Abs 2 UGB) mit der im Firmenbuch gelöschten Komplementär-GmbH und dem Bf als Gesellschaftern weiterhin auf.

Mit Bescheid vom bestellte das Finanzamt den Bf "nach § 81 Abs 2 BAO als Vertreter zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der ***X GmbH & Co KEG***". Begründend wurde wie folgt ausgeführt:

"Bei der ***X GmbH & Co KEG***, St.Nr. ***Steuernummer neu***, kommen zur Erfüllung der in § 81 Abs 1 BAO umschriebenen Pflichten mehrere Personen in Betracht; da keine Person als vertretungsbefugte Person namhaft gemacht worden ist, werden Sie nunmehr vom oben bezeichneten Finanzamt als Vertreter bestellt."

Mit an das Firmenbuchgericht gerichtetem Schreiben vom ***tt.mm.2024*** beantragte der Bf die Löschung der gegenständlichen Personengesellschaft im Firmenbuch. Darin heißt es auszugsweise wie folgt:

"Bei dem Antragsteller handelt es sich um den einzigen (verbliebenen) Gesellschafter/Kommanditisten der ***X GmbH & Co KEG***.

Diese ist unter Firmenbuchnummer ***FN*** im Firmenbuch des Landesgerichts für Zivilrechtssachen ***Ort*** eingetragen.

Der Komplementär, die ***X GmbH*** (***FN***), ***Gericht***, wurde schon vor Jahren im Firmenbuch gelöscht.

Als einziger Gesellschafter/Kommanditist bin nur ich, der Antragsteller verblieben.

Der Betrieb des Unternehmens ist eingestellt, die Gewerbeberechtigung ist mit Löschung der ***X GmbH*** (***FN***) weggefallen."

Diesem Antrag entsprechend erfolgte am ***tt.mm.2024*** die Löschung der gegenständlichen Personengesellschaft im Firmenbuch.

2. Beweiswürdigung:

Dass die ursprüngliche Steuernummer der ***X GmbH & Co KEG*** (***Steuernummer alt***) vom Finanzamt am gelöscht wurde, ist den in der elektronischen Grunddatenverwaltung des Finanzamtes hinterlegten Daten zu entnehmen.

Die übrigen Feststellungen beruhen auf einer Abfrage des Firmenbuches und dem übereinstimmenden Vorbringen der Verfahrensparteien.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I. (ersatzlose Aufhebung):

Strittig ist, ob die gegenständliche, auf § 81 Abs 2 BAO gestützte Vertreterbestellung zu Recht erfolgte.

Gemäß § 81 Abs 1 BAO sind abgabenrechtliche Pflichten einer Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit von den zur Führung der Geschäfte bestellten Personen und, wenn solche nicht vorhanden sind, von den Gesellschaftern (Mitgliedern) zu erfüllen.

Kommen zur Erfüllung der in § 81 Abs 1 BAO umschriebenen Pflichten mehrere Personen in Betracht, so haben diese hiefür gemäß § 81 Abs 2 BAO eine Person aus ihrer Mitte oder einen gemeinsamen Bevollmächtigten der Abgabenbehörde gegenüber als vertretungsbefugte Person namhaft zu machen; diese Person gilt solange als zur Empfangnahme von Schriftstücken der Abgabenbehörde ermächtigt, als nicht eine andere Person als Zustellungsbevollmächtigter namhaft gemacht wird. Solange und soweit eine Namhaftmachung im Sinn des ersten Satzes nicht erfolgt, kann die Abgabenbehörde eine der zur Erfüllung der in § 81 Abs 1 BAO umschriebenen Pflichten in Betracht kommenden mehreren Personen als Vertreter mit Wirkung für die Gesamtheit bestellen. Die übrigen Personen, die im Inland Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz haben, sind hievon zu verständigen.

Das Finanzamt begründet die bescheidmäßige Bestellung des Bf zum § 81 BAO-Vertreter in der Beschwerdevorentscheidung und im Vorlagebericht im Wesentlichen damit, dass infolge der am ***tt.mm.2005*** erfolgten Löschung der Komplementär-GmbH im Firmenbuch nur noch der Bf die in § 81 Abs 1 BAO umschriebenen Pflichten der gegenständlichen Personengesellschaft erfüllen habe können.

Damit bringt das Finanzamt schon selbst zum Ausdruck, dass die in § 81 Abs 2 BAO normierten Voraussetzungen für eine bescheidmäßige Vertreterbestellung gegenständlich nicht erfüllt waren, setzt eine solche Bestellung nach der zitierten Bestimmung doch ua voraus, dass mehrere Personen zur Erfüllung der in § 81 Abs 1 BAO umschriebenen Pflichten der Personenvereinigung (Personengemeinschaft) in Betracht kommen.

Da sich der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund als rechtswidrig erweist und folglich ersatzlos aufzuheben ist, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, wie sich der Umstand, dass die Komplementär-GmbH gemäß § 40 FBG im Firmenbuch gelöscht wurde (womit jedenfalls der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der bisherigen Geschäftsführer verbunden ist; vgl zB ), auf den Fortbestand der gegenständlichen Personengesellschaft auswirkte (vgl in diesem Zusammenhang insbesondere [unter Verweis auf ua ], wonach eine Vollbeendigung einer Komplementärgesellschaft so lange nicht eintreten könne, als die Kommanditgesellschaft noch bestehe).

Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision):

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG vor (vgl , unter Hinweis auf Vorjudikatur).

Die vorliegende Entscheidung stützt sich auf den klaren und eindeutigen Wortlaut des § 81 Abs 2 BAO. Die Voraussetzungen für die Revisionszulassung sind demnach nicht erfüllt.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 81 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 81 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 81 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 40 FBG, Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100224.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at