Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.04.2024, RV/7500015/2024

Parkometer: Ungültiger § 29b StVO Ausweis hinterlegt; Unzuständigkeit des Magistrats Wien und des BFG

Beachte

Revision eingebracht (Amtsrevision).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, idF. ABl. der Stadt Wien Nr. 20/2020 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006, LGBl. für Wien Nr. 9/2006, idF. LGBl. für Wien Nr. 71/2018, über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen die Straferkenntnisse des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67 vom , GZlen. MA67/Zahl1/2023 und MA67/Zahl2/2023, zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) wird der Beschwerde stattgegeben, die angefochtenen Straferkenntnisse aufgehoben und die Verfahren nach § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei keine Kosten der verwaltungsgerichtlichen Strafverfahren zu tragen.

III. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen Vienna ist auf ZL, wohnhaft in 1230 Wien, S-Gasse, zugelassen.

An derselben Adresse wohnt auch der Beschwerdeführer (Bf.).

Der Parkausweis gemäß § 29b StVO Nr. 1234 wurde für PA, geb. 1980, wohnhaft in 1230 Wien, B-Gasse, ausgestellt. ZL besitzt keinen Parkausweis (Auskunft des Sozialministeriumservice vom , Akt MA67/Zahl1/2023, Seite 4).

***Bf1*** wurde von der Zulassungsbesitzerin im Zuge der eingeholten Lenkererhebungen als jene Person namhaft gemacht, der das Fahrzeug zu den unter Pkt. 1) und 2.) angeführten Zeiten überlassen war.

1)MA67/Zahl1/2023

Das gegenständliche Fahrzeug wurde am um 21:40 Uhr vom Kontrollorgan KO1 der Parkraumüberwachung der Landespolizeidirektion Wien in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1230 Wien, S-Straße 203 und 205, zur Anzeige gebracht, da es sich nach dessen eigenen Wahrnehmungen bei dem im Fahrzeug eingelegten Parkausweis Nr. 1234 um eine Farbkopie gehandelt hat.

Das Kontrollorgan merkte Folgendes an: "29b Ausweis Nummer 1234 farbkopiert erkannt an eckigen Kanten blasser Farbe geklebter seitenstelle ohne Hinterlegung"

Die Magistratsabteilung 67 richtete am an die Inhaberin des Parkausweises, PA, folgendes Auskunftsersuchen:

"Anlässlich einer Verwaltungsübertretung nach dem Wiener Parkometergesetz wurde angegeben, dass nur eine Farbkopie eines Ausweises gemäß § 29b StVO im Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen Vienna hinterlegt war. Das beanstandete Fahrzeug wurde zum Tatzeitpunkt von Herrn Bf. gelenkt.

Bitte beantworten Sie innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens brieflich oder per E-Mail folgende Fragen:

  1. Wurden Sie am von Herrn Bf. mit dem Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen Vienna befördert?

  2. Wurden Kopien Ihres Ausweises gemäß § 29b StVO gemacht? Bejahendenfalls wem (Personendaten) wurden diese Kopien ausgehändigt?"

PA bestätigte in ihrer E-Mail vom , dass der Bf. sie zum besagten Tag mit dem gegenständlichen Fahrzeug unter Verwendung des § 29b Ausweises zu diversen Erledigungen gefahren habe (Verweis auf den beigefügten Ausweis mit dem Vermerk "von der Sonne und unabsichtlicher Nässe schon etwas gekennzeichnet". Sie sei seit über 30 Jahren querschnittgelähmt und Rollstuhlfahrerin und auf Hilfe im Alltag angewiesen. Sie habe persönliche Assistenz und der Bf. sei einer ihrer Assistent:innen (Verweis auf den beigefügten Lohnzettel). Sie habe keine Kopien anfertigen lassen und verteilt, weil sie ja einen § 29b Ausweis besitze und diesen verwende, wenn sie von ihrer Assistenz befördert werde, was sie ja auch dürfe.

Der Magistrat der Stadt Wien, MA 67, lastete dem Bf. mit Strafverfügung vom an, dass er das gegenständliche Fahrzeug am in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1230 Wien, S-Straße 203 und 205 ohne einen für den Beanstandungszeitpunkt 21:40 Uhr gültigen Parkschein abgestellt habe. Im Fahrzeug habe sich lediglich die Farbkopie des Ausweises gemäß § 29b StVO 1960 Nr. 1234 befunden. Die Parkometerabgabe sei daher fahrlässig verkürzt worden.

Wegen Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 wurde über den Bf. eine Geldstrafe von € 60,00 verhängt und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden festgesetzt.

Der Bf. brachte in seinem Einspruch vom (E-Mail) vor, dass die Ausführungen der Behörde nicht korrekt seien. Er sei bei der Ausweisinhaberin Frau PA, 1980, 1230 Wien, B-Gasse als persönlicher Assistent angestellt (Verweis auf Lohnbestätigung). Da seine Schwester seit ihrem 12. Lebensjahr im Rollstuhl sitze, benötige sie entsprechende Hilfe und Unterstützung. Am besagten Tag habe er sie zu verschiedenen Örtlichkeiten gefahren. Er habe das Kfz zentral zu den angepeilten Geschäften abgestellt. Seine Schwester habe verschiedene Erledigungen zu tätigen gehabt. Wenn er und seine Schwester Tätigkeiten mit dem Auto erledigen müssten, dann verwende er natürlich den Behindertenausweis.

Am wurde mit dem Bf. im Beisein von PA bei der Magistratsabteilung 67 folgende Niederschrift aufgenommen:

"… Der Beschuldigte legt einen Ausweis mit der Nummer 1234 im Original vor, welcher eingescannt und dem Akt beigelegt wird.

Nach Akteneinsicht gebe ich folgendes an:

Ich habe den heute vorgelegten Ausweis immer im Original im Fahrzeug hinterlegt gehabt. Um ihn vor dem Verrutschen zu schützen, habe ich ihn in eine Folie gelegt bzw. ihn mit Klebestreifen fixiert, weil der Ausweis einmal schon in den Lüftungsschlitz gerutscht ist. Wir haben keine Kopien des Ausweises angefertigt.

Auf dem Anzeigenfoto 3 zur GZ. Zahl3/2023 sehen meine Schwester und ich kein "COPY"-Merkmal, aber rechts unten eine blasse, runde Ecke.

Ich möchte meinen Unmut dazu äußern, dass ich von den ganzen Anzeigen nur drei Anzeigenverständigungen auf dem Fahrzeug hinterlegt vorgefunden habe."

Mit Straferkenntnis vom wurde der Bf. vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, wegen der bereits näher bezeichneten Verwaltungsübertretung für schuldig befunden und wegen Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 eine Geldstrafe von € 60,00 verhängt und für den Fall der Uneinbringlichkeit 14 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe festgesetzt. Zudem wurde gemäß § 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz ein Betrag von € 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.

Begründend stellte die Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Einspruchsvorbringens zunächst fest, dass die Lenkereigenschaft als auch die Abstellung des gegenständlichen Fahrzeuges zum Tatzeitpunkt an der in Rede stehenden Örtlichkeit unbestritten geblieben seien.

§ 6 der Parkometerabgabeverordnung zähle jene Fälle, für die die Abgabe nicht zu entrichten sei, taxativ auf. Die Abgabe sei nicht zu entrichten für Fahrzeuge, die von Inhabern eines Ausweises gemäß § 29b Abs. 1 oder 5 StVO 1960 abgestellt werden oder in denen solche Personen gemäß § 29b Abs. 3 StVO 1960 befördert werden, wenn die Fahrzeuge mit dem Ausweis gemäß § 29b Abs. 1 oder 5 StVO 1960 gekennzeichnet seien (§ 6 lit. g Wiener Parkometerabgabeverordnung).

Aus der Regelung ergebe sich, dass die Kennzeichnung mit dem Ausweis im Original zu erfolgen habe, die Anbringung einer Farbkopie erfülle diese Voraussetzung nicht und falle daher nicht unter die Ausnahmebestimmungen.

Wie aus der Anzeige, den Zusatzvermerken und den Fotos der Anzeige zu entnehmen sei, sei im Fahrzeug eine Farbkopie eines Ausweises gemäß § 29b StVO 1960 mit der Nummer 1234 hinterlegt gewesen. Zu erkennen sei diese daran gewesen, dass die Ecken des Ausweises nicht abgerundet seien, sowie an der blassen Farbe und der geklebten Seitenstelle.

Im Zuge einer persönlichen Vorsprache bei der Magistratsabteilung 67 am sei der Bf. mit der Ausweisinhaberin PA erschienen und habe den Ausweis im Original vorgelegt. Der Bf. habe angegeben, diesen Ausweis immer im Original im Fahrzeug hinterlegt gehabt zu haben. Um ihn vor dem Verrutschen zu schützen, habe er den Ausweis in eine Folie gelegt bzw. ihn mit Klebestreifen fixiert, da der Ausweis schon einmal in den Lüftungsschlitz gerutscht sei. Kopien des Ausweises seien laut Angaben des Bf. nicht angefertigt worden. Bei Vorlage mehrerer Anzeigenfotos hätten der Bf. und PA angegeben, dass sie kein "COPY" - Merkmal erkennen könnten, jedoch rechts unten eine blasse, runde Ecke.

Auf den Anzeigenfotos sei ersichtlich, dass ein verblasster, in einer sich lösenden Hülle gelegter Ausweis mit der Nummer 1234 im Fahrzeug hinterlegt gewesen sei und links oben sowie rechts unten spitze Ecken aufweise. Der Originalausweis hingegen sei laminiert, zudem weise dieser abgerundete Ecken auf.

Bei Vergleich der Anzeigenfotos im gegenständlichen Verfahren mit dem vorgelegten Originalausweis habe festgestellt werden können, dass es sich bei dem im Fahrzeug hinterlegten Ausweis nicht um den Originalausweis gemäß § 29b StVO gehandelt habe.

Es bestehe für die erkennende Behörde keinerlei Veranlassung, die schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben des Kontrollorganes und dessen Objektivität zu bezweifeln. Einem zur Überwachung von Kurzparkzonen bestellten Organ könne die Wahrnehmung und richtige Wiedergabe maßgeblicher Sachverhalte wohl zugemutet werden, noch dazu, wo nur abgestellte Fahrzeuge kontrolliert werden. Außerdem seien Kontrollorgane der Wahrheit verpflichtet.

Die Mitwirkungspflicht des Beschuldigten im Strafverfahren erfordere es, seine Verantwortung nicht nur darauf zu beschränken, die ihm vorgehaltenen konkreten Erhebungsergebnisse für unrichtig zu erklären, ohne diesen Erhebungsergebnissen ebenso konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und entsprechende Beweise anzubieten. Unterlasse er dies, so bedeute es keinen Verfahrensmangel, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Beweiserhebungen durchführe (Verweis auf das Erkenntnis des ). Der Bf. habe trotz gebotener Gelegenheit keine schlüssige Gegendarstellung und keine Beweismittel vorgelegt, welche geeignet gewesen seien, den erhobenen Tatvorwurf zu entkräften.

Dass es sich lediglich um einen abgenützten Ausweis und nicht um eine Kopie handle, konnte im Verfahren nicht glaubhaft gemacht werden, zumal keine geeigneten Beweismittel dafür vorlagen.

Die Einwendungen des Bf. seien somit nicht geeignet gewesen, ihn vom gegenständlichen Tatvorhalt zu entlasten.

Im Zuge des Verfahrens seien somit keine Tatsachen oder Umstände hervorgekommen, die zu dessen Einstellung führen hätten können.

Ein Rechtfertigungsgrund, also eine Norm, die das tatbestandsmäßige Verhalten ausnahmsweise erlaubt hätte bzw. welche die Strafbarkeit aufheben würde, liege im gegenständlichen Fall nicht vor.

Es werde somit der Sachverhalt als erwiesen angenommen, wie er aus den schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben in der Anzeige sowie aus der Tatumschreibung in diesem Straferkenntnis ersichtlich sei.

Der Bf. sei seiner Verpflichtung gemäß § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, wonach jeder Lenker eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges, der ein solches in einer Kurzparkzone abstellt, bei Beginn des Abstellens die Parkometerabgabe entrichten muss, nicht nachgekommen.

Nach näheren Ausführungen zum Fahrlässigkeitsbegriff stellte die Behörde fest, dass auf Grund der Aktenlage Fahrlässigkeit anzunehmen gewesen sei.

Somit seien sowohl die objektiven als auch die subjektiven Voraussetzungen für die Strafbarkeit gegeben gewesen.

Der Bf. habe die Parkometerabgabe nicht entrichtet und somit fahrlässig verkürzt.

Weiters enthält das Straferkenntnis die maßgeblichen Bestimmungen für die Strafbemessung (§ 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, § 19 Abs. 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991), und erläutert diese näher.

2)MA67/Zahl2/2023

Das gegenständliche Fahrzeug wurde am um 20:31 Uhr vom Kontrollorgan KO2 der Parkraumüberwachung der Landespolizeidirektion Wien in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1230 Wien, S-Straße 205, zur Anzeige gebracht, da es sich nach dessen eigenen Wahrnehmungen bei dem im Fahrzeug eingelegten Parkausweis Nr. 1234 um eine Farbkopie gehandelt hat.

In der Anzeige vermerkte der Meldungsleger "29b nr. 1234 farbkopie graues Feld komplett strichliert, Druck grieselig unregelmäßig, einweißung offen, eckig"

Mit Schreiben vom (Aufforderung zur Rechtfertigung) wurde dem Bf. unter Anführung der ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretung die Möglichkeit zu einer mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eingeräumt.

Innerhalb selber Frist wurde dem Bf. die Möglichkeit geboten, die Beförderung der Ausweisinhaberin durch Vorlage geeigneter Beweismittel (zB Namhaftmachung von Zeugen, etc.) glaubhaft zu machen.

Die vom Kontrollorgan zur Beanstandungszeit angefertigten drei Fotos wurden dem Schreiben beigelegt.

Der Bf. machte in seiner Rechtfertigung vom folgende Ausführungen:

"ihre Ausführungen sind nicht korrekt! Ich bin bei der Ausweisinhaberin Frau PA, 1980 1230 Wien, B-Gasse als persönlicher Assistent angestellt (siehe Lohnbestätigung). Da meine Schwester, PA seit ihrem 12 Lebensjahr im Rollstuhl sitz, benötigt Sie entsprechende Hilfe und Unterstützung. Am besagten Tag habe ich PA zu verschiedenen Örtlichkeiten gefahren. Ich habe das KFZ zentral zu den angepeilten Geschäften abgestellt, Sie hatte verschiedene Erledigungen, wie z.B. Einkauf Tankstelle (diverse Autofüllmittel), Blumengeschäft, griechisches Restaurant, zu erledigen.

Frau PA kann meine Aussage bestätigen. Wir können auch mit dem Ausweis vor Ort zu Ihnen und diesen vorweisen. Ich hoffe das, das nicht notwendig ist. Es ist natürlich sehr zeitintensiv.

Sie sehen, dass ich persönliche Assistenz für PA verrichte. Wenn wir Tätigkeiten mit dem Auto erledigen müssen, dann verwende ich natürlich den Behindertenausweis.

Ich hoffe Sie schenken meinen Ausführungen Gehör und befreien mich von dieser Anzeige."

Am richtete die Magistratsabteilung 67 an PA folgendes Auskunftsersuchen:

"Anlässlich einer Verwaltungsübertretung nach dem Wiener Parkometergesetz wurde angegeben, dass nur eine Farbkopie eines Ausweises gemäß § 29b StVO im Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen Vienna hinterlegt war. Das beanstandete Fahrzeug wurde zum Tatzeitpunkt von Herrn ***Bf1*** gelenkt.

Bitte beantworten Sie innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens brieflich oder per E-Mail folgende Fragen:

Wurden

- Sie innerhalb der letzten 2 Monate, insbesondere am , von Herrn ***Bf1*** mit dem Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen Vienna befördert oder haben Sie dieses selbst gelenkt?

- Kopien Ihres Ausweises gemäß § 29b StVO gemacht? Bejahendenfalls wem (Personendaten) wurden diese Kopien ausgehändigt?"

PA bestätigte der Magistratsabteilung 67 mit E-Mail vom , dass der Bf. sie zum besagten Datum mit dem gegenständlichen Fahrzeug unter Verwendung des § 29b Ausweises zu diversen Erledigungen gefahren habe (Verweis auf den beigefügten Ausweis mit dem Vermerk "von der Sonne und unabsichtlicher Nässe schon etwas gekennzeichnet". Sie sei seit über 30 Jahren querschnittgelähmt und Rollstuhlfahrerin und auf Hilfe im Alltag angewiesen. Sie habe persönliche Assistenz und der Bf. sei einer ihrerAssistent:innen (Verweis auf den beigefügten Lohnzettel der geringfügigen Beschäftigung) Natürlich habe sie keine Kopien anfertigen lassen und verteilt … warum solle sie das auch tun? Sie besitze ja einen § 29b Ausweis und verwende ihn, wenn sie von ihrer Assistenz befördert werde, was sie ja auch dürfe.

Mit Straferkenntnis vom wurde der Bf. vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, wegen der bereits näher bezeichneten Verwaltungsübertretung für schuldig befunden und wegen Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 eine Geldstrafe von € 60,00 verhängt und für den Fall der Uneinbringlichkeit 14 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe festgesetzt. Zudem wurde gemäß § 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz ein Betrag von € 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.

Begründend stellte die Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Einspruchsvorbringens zunächst fest, dass die Lenkereigenschaft als auch die Abstellung des gegenständlichen Fahrzeuges zum Tatzeitpunkt an der in Rede stehenden Örtlichkeit unbestritten geblieben seien.

Nach Anführung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen (§ 6 lit. g Wiener Parkometerabgabeverordnung) führte die Behörde aus, dass sich aus der Regelung ergebe, dass die Kennzeichnung mit dem Ausweis im Original zu erfolgen habe. Die Anbringung einer Farbkopie erfülle diese Voraussetzungen nicht und falle daher nicht unter die Ausnahmebestimmungen.

Wie aus der Anzeige, den Zusatzvermerken und den Fotos der Anzeige zu entnehmen sei, sei im Fahrzeug eine Farbkopie des Ausweises gemäß § 29b StVO 1960 mit der Nummer 1234 hinterlegt gewesen. Die Farbkopie sei daran zu erkennen gewesen, dass das graue Feld komplett strichliert und der Druck grieselig gewesen sei. Die Einschweißungen seien offen gewesen und die Ecken des Ausweises nicht abgerundet (eckig).

Im Zuge einer persönlichen Vorsprache bei der Behörde am sei der Bf. mit der Ausweisinhaberin erschienen und habe den Ausweis im Original vorgelegt. Der Bf. habe angegeben, diesen Ausweis immer im Original im Fahrzeug hinterlegt gehabt zu haben. Um ihn vor dem Verrutschen zu schützen, habe er den Ausweis in eine Folie gelegt bzw. ihn mit Klebestreifen fixiert, da der Ausweis schon einmal in den Lüftungsschlitz gerutscht sei. Kopien des Ausweises seien laut Angaben des Bf. nicht angefertigt worden. Bei Vorlage mehrerer Anzeigenfotos hätten der Bf. und PA angegeben, dass sie kein "COPY" - Merkmal erkennen könnten, jedoch rechts unten eine blasse, runde Ecke.

Auf den Anzeigenfotos sei ersichtlich, dass ein verblasster, in einer sich lösenden Hülle gelegter Ausweis mit der Nummer 1234 im Fahrzeug hinterlegt gewesen sei und links oben sowie rechts unten spitze Ecken aufgewiesen habe. Der Originalausweis hingegen sei laminiert und weise zudem abgerundete Ecken auf.

Bei Vergleich der Anzeigenfotos im gegenständlichen Verfahren mit dem vorgelegten Originalausweis habe festgestellt werden können, dass es sich bei dem im Fahrzeug hinterlegten Ausweis nicht um den Originalausweis gemäß § 29b StVO gehandelt habe.

Die weiteren Ausführungen sind ident mit den unter Punkt 1.) gemachten Ausführungen im Straferkenntnis vom zur GZ. MA67/Zahl1/2023.

Zu 1.) und 2.)

Der Bf. erhob gegen die unter Pkt. 1.) und 2.) angeführten Straferkenntnisse Beschwerde und bringt vor, dass er fast täglich von Parkraumüberwachern angezeigt werde. Kein einziges Mal habe er eine Anzeige in der Windschutzscheibe seines Fahrzeuges erhalten, was unerhört und eine bodenlose Frechheit sei. Die Vorwürfe gegen ihn seien nicht korrekt. Seine Schwester PA sitze im Rollstuhl und er sei ihr persönlicher Assistent. Das habe er bereits mehrmals ausführlich an die MA67 geschickt. Er fahre seine Schwester täglich mit dem Auto und verwende den Behindertenausweis. Dieser sei in einer Folie verwahrt und durch die Sonne ausgebleicht. Er verlange zur Vorgehensweise des Parkraumüberwachers eine Stellungnahme, weshalb keine Anzeigen ausgestellt wurden. Das sei disziplinär zu ahnden.

Die Magistratsabteilung 67 legte die Beschwerde samt Verwaltungsakten dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor (Datum des Einlangens: ).

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1.Sachverhalt

Der Bf. hat als Lenker des mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen Vienna dieses,

  1. am um 21:40 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1230 Wien, S-Straße 203 und 205 und

  2. am um 20:31 in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1230 Wien, S-Straße 205,

ohne Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein abgestellt. Der Bf. hat vielmehr im Beanstandungszeitpunkt hinter der Windschutzscheibe einen auf seine Schwester lautenden Parkausweis für Behinderte gemäß § 29b StVO 1960 mit der Ausweisnummer 1234 angebracht. Bei dem im Fahrzeug hinterlegte Parkausweis gemäß § 29b StVO handelte es sich laut den Feststellungen der Kontrollorgane der Landespolizeidirektion um eine Farbkopie des Ausweises (siehe Vermerke der Kontrollorgane bei den Beanstandungen).

Der Ausweis, welcher von der Schwester des Bf. den E-Mails von ihr an die MA 67 in Beantwortung der Auskunftsersuchen als Foto beigefügt wurde und der vom Bf. laut der Schwester verwendet wurde, wenn er sie befördert hat, zeigt eindeutig eine Kopie des Ausweises (die Folierung hat keine runden Ecken, die Folie ist oben offen und unten uneben geschnitten und seitlich ist ein weißer Rand erkennbar). Dies ist eindeutig auf dem Bild der die Ausweisrückseite zeigt beim Vergleich mit dem Originalausweis, der am am Magistrat vorgelegt wurde, zu erkennen (links weißer Rand, rechts Schrift geht bis zum Ende der hellblauen Fläche und ebenfalls weißer Rand).

Der am im Zuge einer Vorsprache beim Magistrat laut Niederschrift vorgelegt Originalausweis weist "Gebrauchsspuren" wie in den E-Mails der Schwester des Bf. angeführt (von der Sonne und unabsichtlicher Nässe schon etwas gekennzeichnet) nicht auf (Folieneinschweißung intakt, abgerunde Ecken). Der Ausweis ist nicht unterschrieben.

Beim Vergleich des Anzeigefotos, auf dem man den Ausweis erkennen kann, mit der im Akt befindlichen Kopie des Originalausweises zeigt sich für die Richterin eindeutig, dass es sich bei den im Auto laut Anzeigefoto liegenden Ausweis um eine Farbkopie handelt (Rand unterhalb der grauen Fläche ist am Anzeigefoto schmäler als am Originalausweis, Folie oben offen).

2.Rechtliche Würdigung

2.1. Zu Spruchpunkt I (Stattgabe und Aufhebung)

§ 22 Abs. 1 VStG 1991 normiert:

"Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet."

Durch das Einlegen eines kopierten Behindertenparkausweises, welcher auf die Schwester ausgestellt ist, wurde gemäß § 5 Abs. 2 iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 die Parkometerabgabe hinterzogen. Es steht dadurch die mögliche Täuschung eines kontrollierenden Organs über die Berichtigung zur kostenlosen Nutzung des Parkplatzes im Raum, wodurch es zu einer Vermögensschädigung der Gemeinde Wien kam.

Nach der jüngsten Rechtsprechung des OGH (vgl. , Rz 9), ist die gegenständliche Tat sowohl unter "[...] § 146 StGB als auch § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 subsumierbar. Aufgrund des tateinheitlichen Zusammentreffens der gerichtlich strafbaren Handlung mit der Verwaltungsübertretung ist Letztere (ungeachtet der Herkunft konkurrierender Normen von unterschiedlichen Gesetzgebern [Bund/Land]) gemäß § 22 Abs. 1 VStG nicht strafbar und darf die Tat nur wegen des gerichtlichen Tatbestands verfolgt werden".

Der Magistrat der Stadt Wien war daher zur Erlassung der gegenständlichen angefochtenen Straferkenntnisse nicht zuständig.

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

Keine Verwaltungsübertretung liegt vor, wenn eine an sich bestehende verwaltungsgerichtliche Strafbarkeit hinter eine gerichtliche zurücktritt, sodass im Ergebnis auch keine (verfolgbare) Verwaltungsübertretung anzunehmen ist (vgl. mwN auf die VwGH-Rsp Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG3 § 45 Rz 3).

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden, die Straferkenntnisse aufzuheben und die Verfahren einzustellen (siehe dazu auch die vergleichbaren Beschwerdefälle und , RV/7500196/2023). Vor diesem Hintergrund konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen (§ 44 Abs. 1 VStG).

Wird einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle der Verdacht einer Straftat bekannt, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, so ist sie gemäß § 78 Abs. 1 StPO zur Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft verpflichtet.

Da dem Bundesfinanzgericht in amtlicher Eigenschaft der Verdacht der Straftat bekannt geworden ist, wird das gegenständliche Erkenntnis samt Sachverhaltsdarstellung und Kopien der Verwaltungsakte an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelt.

2.2. Zu Spruchpunkt II (Kosten)

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist. Da der Beschwerde stattgegeben wird, sind keine Kosten aufzuerlegen.

2.3. Zu Spruchpunkt III (Zulässigkeit der Revision)

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision durch die belangte Behörde zulässig. Der gegenständlichen Rechtsfrage kommt deswegen grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Rechtsprechung des VwGH zur Zuständigkeitsfrage im konkreten Fall fehlt.

Die Revision der beschwerdeführenden Partei ist hingegen unzulässig. Nach § 25a Abs. 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu 750 € und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 € verhängt wurde.

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall vor, ist in § 4 Abs. 1 des (Wiener) Parkometergesetzes 2006 doch lediglich eine Geldstrafe bis zu 365 € vorgesehen und muss es sich bei der in § 25a Abs. 4 Z 1 VwGG in der Strafdrohung vorgesehenen "Freiheitsstrafe" um eine primäre Freiheitsstrafe handeln (vgl. , Rn 3f; , Ra 2021/16/0020, mwN).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 29b StVO 1960, Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960
§ 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005
§ 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006
§ 25a Abs. 4 Z 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 29b Abs. 1 oder 5 StVO 1960, Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960
§ 29b Abs. 3 StVO 1960, Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960
§ 6 lit. g Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005
§ 19 Abs. 1 und 2 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 22 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 146 StGB, Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974
§ 45 Abs. 1 Z 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 44 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 78 Abs. 1 StPO, Strafprozeßordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975
§ 52 Abs. 8 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 25a Abs. 4 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7500015.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at