Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.04.2024, RV/5100170/2022

Familienbonus Plus für eine Grenzgängerin

Beachte

Revision eingebracht (Amtsrevision).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, AdresseBf., vertreten durch Stb., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2020 zu Recht erkannt:

I.
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem dem Ende der Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin wies in ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2020 vom Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von einem deutschen Arbeitgeber aus und gab an, dass sie Grenzgängerin im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 sei. In ihrer Erklärung beantragte sie unter anderem den Familienbonus Plus für ihre Tochter ***2***, für die sie im Jahr 2020 insgesamt 4.400,00 € an Unterhaltszahlungen geleistet habe.

Mit Ergänzungsvorhalt vom forderte das Finanzamt die aktuelle, gesetzliche Unterhaltsfestsetzung (Gerichtsbeschluss, Niederschrift/Jugendwohlfahrtsamt), einen lückenlosen Zahlungsnachweis über die Alimentationszahlungen und die Bekanntgabe der aktuellen Wohnadresse des nicht haushaltszugehörigen Kindes an. Außerdem wies es darauf hin, dass der FABO plus nur dann zustehe, wenn in Österreich für das Kind Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) gewährt werde. Es möge veranlasst werden, dass der Kindesvater einen "Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszahlung/ Differenzzahlung" (Formular Beih 38) beim Finanzamt einreiche.

Mit Einkommensteuerbescheid 2020 vom wurden vom Finanzamt sowohl der Unterhaltsabsetzbetrag als auch der Familienbonus Plus nicht berücksichtigt; dies mit folgender Begründung: "Der Familienbonus Plus steht nur dann zu, wenn für das Kind österreichische Familienbeihilfe bezogen wird bzw. Anspruch auf den Unterhaltsabsetzbetrag besteht. Da wir trotz Aufforderung nicht alle Unterlagen für die Berücksichtigung des Unterhaltsabsetzbetrages für Ihr Kind erhalten haben, konnte der Unterhaltsabsetzbetrag und der Familienbonus Plus nicht gewährt werden."

Mit Schreiben vom wurde Beschwerde erhoben und wie folgt begründet:
Sie habe für ihre Tochter ***2***, geboren am ***3***, den Unterhalt an deren Vater iHv monatlich 375 Euro bezahlt. Nachdem mit dem Vater Einvernehmen bestehe, gebe es keine Unterhaltsfestsetzung durch das Gericht oder Jugendamt. Die mit ihm getroffene Vereinbarung über die Unterhaltshöhe werde umgehend nachgereicht. Die Aufstellung über die Unterhaltszahlungen und die lückenlosen Zahlungsnachweise seien angeschlossen. Die Wohnadresse der Tochter sei in Deutschland. Auf Basis dieser Unterlagen stehe der Unterhaltsabsetzbetrag und damit auch der FABO Plus zu. Ein Antrag auf Ausgleichszahlung durch den Kindesvater sei nicht erforderlich. Diese Rechtsmeinung sei durch die BFG-Entscheidung , RV/5100069/2021, bestätigt worden. Trotz beantragter Amtsrevision habe das Finanzamt diese Entscheidung zu berücksichtigen und den FABO Plus zu gewähren.
Der Beschwerde war eine Aufstellung über die monatlichen Unterhaltszahlungen für ***2*** iHv 375,00 € - das sind im Jahr 2020 insgesamt 4.500,00 € - sowie Kopien der Kontoauszüge der Bank, aus denen die monatliche Überweisung an den Kindesvater hervorging, beigelegt. Ebenso wurde eine Abstammungsurkunde (= Geburtsurkunde) des Kindes sowie eine Bescheinigung der Familienkasse Bayern Süd vom über den Bezug von Kindergeld für die Tochter ***2*** durch den Kindesvater von Jänner bis Dezember 2020 von monatlich 204,00 € eingereicht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben, indem ein Unterhaltsabsetzbetrag in Höhe von 341,28 € berücksichtigt wurde. Der Familienbonus Plus wurde nicht gewährt, da kein Antrag auf Familienbeihilfe gestellt worden sei, sodass eine Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich nicht erfolgen könne. Der Familienbonus könne erst bei positivem Abspruch über einen Anspruch auf Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) für ein Kind im EU-EWR-Raum oder der Schweiz berücksichtigt werden.
Laut Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in der ab gültigen Fassung müsse jener Mitgliedsstaat vorrangig die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde. Seien die Elternteile in verschiedenen Mitgliedsstaaten erwerbstätig, treffe die vorrangige Verpflichtung zur Gewährung der Familienleistungen jenen Mitgliedsstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen. Seien die Familienleistungen im anderen Mitgliedsstaat höher, bestehe dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Unterschiedsbetrages (Art. 68 der VO).
Der Familienwohnsitz (Kindesvater und Tochter) befinde sich in Deutschland. Es werde weder vom Kindesvater noch von der Beschwerdeführer eine Beschäftigung in Österreich ausgeübt.
Der Familienbonus Plus könne daher für die in Deutschland lebende Tochter nicht berücksichtigt werden.
Gegen die zitierte Entscheidung , sei Amtsrevision beim VwGH (Ra 2021/15/0067) erhoben worden. Es bestehe keine Bindungswirkung.

Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht eingereicht. Begründend wurde ausgeführt, dass der FABO Plus laut Bescheidbegründung wegen des negativen Antrages auf Ausgleichszahlung nicht gewährt werden könne. Das Bundesfinanzgericht habe mit Entscheidung , RV/5100069/2021, in der gleichlautenden Rechtsfrage jedoch entschieden, dass kein Antrag auf Differenzzahlung notwendig sei. Es reiche vollkommen, dass der Unterhaltsabsetzbetrag zustehe. Im Bescheid vom sei der Unterhaltsabsetzbetrag für 12 Monate berücksichtigt und stehe daher auch der Familienbonus für 12 Monate zu. Über die Versicherungsnummer des Kindes sei gewährleistet, dass es zu keiner doppelten Berücksichtigung des FABO Plus komme. Obwohl gegen die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes Linz Amtsrevision eingebracht worden sei, sei diese Entscheidung das aktuelle geltende Recht und vom Finanzamt anzuwenden. Weiters werde in der Bescheidbegründung angeführt, dass der FABO Plus nicht gewährt werden könne, weil weder Kindesvater noch Kindesmutter in Österreich eine Beschäftigung ausüben würden. Ein Grenzgänger, der in Österreich sein Einkommen versteuert, hat das verfassungsmäßige Recht auf Gleichbehandlung wie ein in Österreich tätiger Dienstnehmer. Schon allein aus dieser Verfassungsbestimmung müsse der FABO Plus gewährt werden.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht mit dem Antrag auf Abweisung des Begehrens bezüglich Familienbonus Plus vor und verwies gleichzeitig darauf, dass gegen die Entscheidung , Amtsrevision zu GZ. Ra 2021/15/0067 erhoben worden sei. Im Übrigen wurde wie laut Beschwerdevorentscheidung begründet.

Am wurde folgender Ergänzungsvorhalt an die Amtspartei abgefertigt:
"1.
Laut Beschwerdevorentscheidung vom wurde ein Unterhaltsabsetzbetrag von 341,28 € anerkannt.
Nach Aktenlage steht der volle Unterhaltsabsetzbetrag für 12 Monate zu, weshalb das BFG von in Summe 350,40 € (29,20 € x 12) ausgeht.
Nehmen Sie dazu Stellung.
2.
Im Erkenntnis des
Ra 2021/15/0067,wurde Folgendes ausgeführt:
"Im Falle eines Anspruches auf eine der Familienbeihilfe vergleichbare ausländische Beihilfe besteht gemäß § 4 FLAG kein Anspruch auf Familienbeihilfe (Abs. 1) oder nur ein verminderter Anspruch im Ausmaß einer Ausgleichszahlung (Unterschiedsbetrag zwischen der gleichwertigen ausländischen Beihilfe und der höheren Familienbeihilfe, vgl. Abs. 2 bis 7). In solchen - in
§ 33 Abs. 3a EStG 1988 nicht ausdrücklich geregelten - Fällen, in denen also (teilweise) an Stelle der Familienbeihilfe eine gleichartige ausländische Beihilfe iSd § 4 FLAG gewährt wird, ist in gleicher Weise die in § 33 Abs. 3a erster Satz EStG 1988 normierte Voraussetzung der "Beihilfengewährung" erfüllt. Gemäß § 4 Abs. 6 FLAG gilt die Ausgleichszahlung als Familienbeihilfe. Aus der Sicht des Familienbonus Plus kann es keinen Unterschied machen, ob sich noch eine (geringfügige) Ausgleichszahlung iSd § 4 Abs. 2 FLAG ergibt, oder ob die Ausgleichszahlung wegen der Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe bloß Null beträgt.
…..
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes können, wenn die in Rede stehende Differenzzahlung iSd § 4 Abs. 2 ff FLAG "betragsmäßig Null" ist, Antragstellende auf Familienbonus Plus jedenfalls (subsidiär) auch in ihrem Einkommensteuerverfahren nachweisen, dass alle inhaltlichen Voraussetzungen für einen Familienbeihilfen- bzw. Ausgleichsanspruch erfüllt sind."
Nach Aktenlage wird davon ausgegangen, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Familienbeihilfe oder eine Ausgleichszahlung dem Grunde nach erfüllt sind.
3.
Aus dem dem oben angeführten Erkenntnis des VwGH zugrunde liegenden Sachverhalt geht hervor, dass weder die Kindesmutter, noch der Kindesvater in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind.
Für die gegenständliche Rechtssache lässt sich daher ableiten, dass es der Gewährung des Familienbonus Plus nicht entgegen steht, dass auch im vorliegenden Fall weder Kindesvater, noch Kindesmutter einer Erwerbstätigkeit in Österreich nachgehen.
Nehmen Sie dazu Stellung."

Mit Schreiben vom wurde unter anderem wie folgt geantwortet:

1. Unterhaltsabsetzbetrag
Zum Zeitpunkt der Bearbeitung hätte man noch die Rechtsmeinung der Indexierung der Absetzbeträge vertreten. Daher sei der indexierte Unterhaltsabsetzbetrag iHv 341,28 € berücksichtigt worden.
Der EuGH hätte mit Urteil vom , C-328/20, ausgesprochen, dass die ab geltende Indexierung der familienbezogenen Absetzbeträge (Familienbonus Plus, Kindermehrbetrag, Alleinverdiener-, Alleinerzieher- und Unterhaltsabsetzbetrag) für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufgehalten haben oder aufhalten, nicht dem EU-Recht entspreche.
Für Kinder, die sich ständig in Deutschland aufhalten würden, gelte folgendes:
Ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 2019 seien rückwirkend die nicht indexierten familienbezogenen Absetzbeträge anzuwenden (§ 124b Z 410 lit. a EStG 1988).
Es werde daher um Berücksichtigung des vollen Unterhaltsabsetzbetrages iHv 350,41 € gebeten.

2. Familienbonus Plus
Die zitierte Rechtsprechung des , beziehe sich nur auf die Gewährung des Familienbonus Plus ohne "Antrag" auf Familienbeihilfe, jedoch nicht auf die Gewährung des Familienbonus Plus ohne Anspruch auf Familienbeihilfe dem Grunde nach.
Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004, regle, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet sei. Vorrangig müsse grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde. Seien die Elternteile in verschiedenen Mitgliedstaaten erwerbstätig, treffe die vorrangige Verpflichtung zur Gewährung der Familienleistungen jenen Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen würden. Seien die Familienleistungen im anderen Mitgliedstaat höher, bestehe dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Unterschiedsbetrages (Artikel 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004). Werde in jenem Mitgliedstaat, der vorrangig zur Gewährung von Familienleistungen verpflichtet sei, kein Antrag gestellt, so könne der andere Mitgliedstaat dennoch jene Leistungen, die bei Antragstellung gewährt worden wären, bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages berücksichtigen.
Gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. c VO 883/2004 würden die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates, also jenes Staates, in welchem eine selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt werde, gelten, und zwar auch dann, wenn die Person im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates wohne (Beschäftigungsland).
Unstrittig übe im gegenständlichen Fall die Kindesmutter sowie der Kindesvater seine Erwerbstätigkeit in Deutschland aus (Beschäftigungslandprinzip). Daher unterliege die Kindesmutter auch den deutschen Rechtsvorschriften, unabhängig davon, ob sie in Österreich veranlagt werde.
Ausschlaggebend für die Beurteilung des Familienbeihilfenanspruches sei somit der Ort der Beschäftigung. Auch die Kindesmutter übe eine Beschäftigung in Deutschland aus und unterliege somit den deutschen Rechtsvorschriften. Weiters befinde sich auch der Wohnsitz der Kinder in Deutschland, womit wiederum alleinig Deutschland für die Auszahlung der Familienleistungen zuständig sei. Da somit kein grenzüberschreitender Sachverhalt zwischen Österreich und Deutschland vorliege, stehe der Kindesmutter schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Ausgleichs- oder Differenzzahlung in Österreich zu.
Das Familienlastenausgleichsprinzip stelle auf das Beschäftigungsprinzip ab, das in diesem Fall eindeutig in Deutschland liege. Nach Aktenlage seien beide Elternteile in Deutschland beschäftigt, somit bestehe schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Hinweis: In einem sachverhaltsmäßig gleich gelagerten Fall, , sei eine Revision beim VwGH anhängig. Es werde daher gebeten, diese Entscheidung des VwGH abzuwarten.

Mit Erkenntnis des , wurde das Erkenntnis des , infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Dass alle gesetzlichen Voraussetzungen für einen Familienbeihilfen- bzw. Ausgleichsanspruch (§§ 2ff FLAG 1967) erfüllt seien, hätte das BFG nicht festgestellt.

Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführerin der Ergänzungsvorhalt vom sowie das Antwortschreiben vom zur Kenntnis gebracht.

Mit Schreiben vom wurde von der Beschwerdeführerin wie folgt geantwortet:
Zu Punkt 1:
Schon bisher sei der volle Unterhaltsabsetzbetrag in Höhe von 350,40 € beantragt worden. Dieser Punkt sei nicht strittig.
Zu Punkt 2:
Bei diesem Punkt gehe es um die Frage, ob der Familienbonus bei Unterhaltszahlungen für Kinder mit Wohnsitz im Ausland zustehe oder nicht. Das Finanzamt stehe auf dem Standpunkt, dass österreichische Familienbeihilfe bezahlt werden müsse, damit der Familienbonus zustehe. Wenn im Ausland Kindergeld bezahlt werde, müsse in Österreich zumindest der Anspruch auf Ausgleichs- oder Differenzzahlung gegeben sein. Wenn der Unterhaltszahler in Österreich wohne, könne dieser die Ausgleichs- oder Differenzzahlung beantragen und somit stehe ihm der Familienbonus zu. Diese Rechtsansicht sei in der Entscheidung , auch bestätigt worden. Wenn dagegen der Unterhaltszahler zwar sein Einkommen in Österreich versteuere, aber im Ausland nichtselbständig beschäftigt sei (z.B. als Grenzgänger), dann werde der Familienbonus nicht gewährt. Diese Ungleichbehandlung sei diskriminierend und somit unionsrechtlich sicher nicht gedeckt.
Im § 33 Abs. 3a EStG 1988 sei angeführt, dass für ein Kind, für welches Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz bezahlt werde, der Familienbonus zustehe. Das Finanzamt stelle nur auf die österreichische Familienbeihilfe ab. Dabei werde übersehen, dass eine gleichartige Zahlung im EU-Ausland ebenfalls zu berücksichtigen sein würde.
Im Zuge der Veranlagung werde der Unterhaltsabsetzbetrag gewährt, aber der Familienbonus nicht. Der Unterhaltsabsetzbetrag bedinge, dass für dieses Kind in Österreich oder im EU-Ausland Familienbeihilfe oder eine gleichartige ausländische Familienleistung bezahlt werde. In diesem Fall werde deutsches Kindergeld bezogen. Somit seien grundsätzlich die gleichen Voraussetzungen wie für den Familienbonus gegeben. Obwohl der Familienbonus an den Bezug von Familienbeihilfe geknüpft sei, sei der Familienbonus keine Familienleistung. Der Familienbonus werde nicht aus dem Familienlastenausgleichsfonds bezahlt, sondern aus dem allgemeinen Steuertopf. Somit erscheine es rechtlich sinnvoll, den Familienbonus an den Bezug von Familienbeihilfe oder den Anspruch auf Unterhaltsabsetzbetrag zu knüpfen.
Nachdem diese Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen nicht erklärbar sei, ersuche man das BFG, die Sachlage dem EuGH vorzulegen. Nur weil der Unterhaltszahler zufällig im Ausland arbeite und in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig sei und somit hier seine Einkommensteuer zahle, werde er gegenüber einem Steuerpflichtigen mit Wohnsitz in Österreich schlechter gestellt.
Bei Nichtberücksichtigung des Familienbonus würde die Wahlfreiheit bzw. Dienstleistungsfreiheit bezüglich des Arbeitsplatzes nicht gegeben sein. Dies widerspreche eindeutig der Verordnung (EG) Nr. 883/2004. Dass ein Antrag auf Ausgleichs-oder Differenzzahlung für die Geltendmachung des Familienbonus nicht erforderlich sei, sei schon vom , festgestellt und vom VwGH mit Erkenntnis vom , Ra 2021/15/0067, bestätigt worden.
Es werde beantragt, die Rechtsfrage bei EuGH klären zu lassen. Sollte das BFG der Ansicht sein, dass dies nicht gemacht werde, so werde beantragt, der Beschwerde statt zu geben.

Mit Schreiben vom wurde durch die Amtspartei wie folgt Stellung genommen:
Richtig, das Finanzamt stehe auf dem Standpunkt, dass der Familienbonus Plus nur dann zustehe, wenn in Österreich ein Anspruch auf Familienbeihilfe oder Ausgleichszahlung/Differenzzahlung zustehe.
Die Rechtsprechung des , beziehe sich nur auf die Gewährung des Familienbonus Plus ohne "Antrag" auf Familienbeihilfe, jedoch nicht auf die Gewährung des Familienbonus Plus ohne Anspruch auf Familienbeihilfe dem Grunde nach.
Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 regle, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet sei. Vorrangig müsse grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde. Seien die Elternteile in verschiedenen Mitgliedstaaten erwerbstätig, treffe die vorrangige Verpflichtung zur Gewährung der Familienleistungen jenen Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen würden. Seien die Familienleistungen im anderen Mitgliedstaat höher, bestehe dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Unterschiedsbetrages (Artikel 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004). Werde in jenem Mitgliedstaat, der vorrangig zur Gewährung von Familienleistungen verpflichtet sei, kein Antrag gestellt, so könne der andere Mitgliedsstaat dennoch die Leistungen, die bei Antragstellung gewährt worden wären, bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages berücksichtigen.
Gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. c VO 883/2004 würden die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates gelten, also jenes Staates, in welchem eine selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt werde, und zwar auch dann, wenn die Person im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohne (Beschäftigungsland).
Unstrittig übten im gegenständlichen Fall die Kindesmutter sowie der Kindesvater ihre Erwerbstätigkeit in Deutschland aus (Beschäftigungslandprinzip). Daher unterliege die Kindesmutter auch den deutschen Rechtsvorschriften, unabhängig davon, ob die in Österreich veranlagt werde.
Ausschlaggebend für die Beurteilung des Familienbeihilfenanspruches sei somit der Ort der Beschäftigung. Auch die Kindesmutter übe eine Beschäftigung in Deutschland aus und unterliege somit den deutschen Rechtsvorschriften. Weiters befinde sich auch der Wohnsitz der Kinder in Deutschland, womit wiederum alleinig Deutschland für die Auszahlung der Familienleistungen zuständig sei. Da somit kein grenzüberschreitender Sachverhalt zwischen Österreich und Deutschland vorliege, stehe der Kindesmutter schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Ausgleichs- oder Differenzzahlung in Österreich zu.
Das Familienlastenausgleichsprinzip stelle auf das Beschäftigungslandprinzip ab, das in diesem Fall eindeutig in Deutschland liege. Nach Aktenlage seien beide Elternteile in Deutschland beschäftigt, somit bestehe schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Eine bezogenen ausländische Familienbeihilfe führe nicht zu einem Anspruch auf Familienbonus Plus.
Nach Meinung des Finanzamtes würde eine Gesetzesänderung notwendig sein, um den Familienbonus Plus gewähren zu können.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Dem Erkenntnis zugrunde liegender Sachverhalt

Unstrittig hatte die Beschwerdeführerin im Jahr 2020 ihren Wohnsitz in Österreich im Nahbereich der Grenze zu Deutschland und war auch hier ansässig. Sie bezog in diesem Jahr als Grenzgängerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ohne inländischem Steuerabzug von einem deutschen Arbeitgeber und war in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig.
Im Jahr 2020 leistete sie einen monatlichen Unterhalt für ihre am ***3*** geborene Tochter ***2*** in Höhe von 375 € (= 4.400 € im Jahr), der Unterhaltsabsetzbetrag steht unstrittig in voller Höhe zu. Die Tochter lebte in Deutschland bei ihrem Vater, der in Deutschland unselbständig beschäftigt war und dort auch Kindergeld (204,00 € monatlich) für sie bezog. An die Beschwerdeführerin wurde weder eine österreichische Familienbeihilfe, noch eine Ausgleichs-/Differenzzahlung geleistet.
Dass ein Antrag auf Ausgleichs-/Differenzzahlung an österreichischer Familienbeihilfe gestellt worden wäre, ist nicht aktenkundig und wurde auch nicht behauptet.

Strittig ist, ob der Beschwerdeführerin der Familienbonus Plus zusteht (der Unterhaltsabsetzbetrag wurde ihr im Zuge der Beschwerdevorentscheidung gewährt).

Rechtliche Beurteilung

Unterhaltsabsetzbetrag

Ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 € monatlich steht gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, zu, wenn
- das Kind nicht ihrem Haushalt zugehört (§ 2 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und
- für das Kind weder ihnen noch ihrem jeweils von ihnen nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird.

Nach § 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 in der Fassung vor BGBl I 135/2022 bestimmte sich die Höhe der Absetzbeträge für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, abweichend von Z 1 bis 3 nach Abs. 3a Z 2.
Aus den zitierten Bestimmungen des § 33 Abs. 3a Z 2 und Abs. 4 Z 4 EStG 1988 ergab sich eine Indexierung im Zusammenhang mit Kindern, die sich ständig in einem anderen Mitgliedsstaat der EU aufhielten.

Zwischenzeitig wurde aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes , wonach der Anpassungsmechanismus bei der Bemessung von Familienleistungen bzw. familienbezogenen Steuerbegünstigungen (ua des Familienbonus Plus und des Unterhaltsabsetzbetrages) nach der unterschiedlichen Kaufkraft in den einzelnen Mitgliedsstaaten (= Indexierung) als unionsrechtswidrig qualifiziert worden war, die Bestimmung des § 33 Abs. 3a EStG 1988 geändert:
Zufolge Art. II Z 4 des "Bundesgesetzes, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden", BGBl I 135/2022, entfallen unter anderem § 33 Abs. 3a Z 2 sowie Abs. 4 Z 4 EStG 1988. Diese Änderung ist gemäß § 124b Z 410 lit. a EStG 1988 bei Veranlagung der Einkommensteuer erstmalig für das Kalenderjahr 2019 anzuwenden (Art. II Z 11 leg.cit.).

Unstrittig war im vorliegenden Fall der volle Unterhaltsabsetzbetrag in Höhe von 350,41 € anzuerkennen.

Familienbonus Plus

Die Beschwerdeführerin unterliegt auf Grund ihres Wohnsitzes in Österreich gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 mit allen in- und ausländischen Einkünften, wozu nach § 2 Abs. 3 Z 4 EStG 1988 auch der Arbeitslohn aus nichtselbständiger Arbeit iSd § 25 zählt, in Österreich der Einkommensteuer.
Auf Grund des Art. 15 Abs. 6 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland vom , BGBl. III Nr. 182/2002 idF des Abänderungsprotokolls vom , BGBl. III Nr. 32/2012 (DBA BRD), verbleibt Österreich - abweichend von der Grundregel des Art. 15 Abs. 1, wonach dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zukommt - für in Österreich wohnende Grenzgänger das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn aus deren Tätigkeit in Deutschland.

Grenzgänger ist nach Art. 15 Abs. 6 des DBA BRD nämlich eine Person, die jeweils in der Nähe der Grenze in dem einen Staat ihren Wohnsitz und im anderen Staat ihren Arbeitsort hat (Z 1) und täglich von ihrem Arbeitsort an ihren Wohnort zurückkehrt (Z 2).
Nach Abs. 8 des Schlussprotokolls zu Art. 15 Abs. 6 des DBA BRD gilt als Nähe der Grenze die Lage in einer Zone von je 30 km beiderseits der Grenze.

Unstrittig sind die Voraussetzungen der Grenznähe und täglichen Rückkehr vom Arbeitsort zum Wohnsitz erfüllt, es verbleibt Österreich das Besteuerungsrecht aus dem Arbeitslohn der Beschwerdeführerin für ihre Tätigkeit in Deutschland.

§ 33 Abs. 3a EStG 1988 in der vor BGBl I 135/2022, ausgegeben am , geltenden Fassung lautete unter anderem wie folgt:
"Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedsstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:
1. Der Familienbonus Plus beträgt
a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro,
b) nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 41,68 Euro.
2. Abweichend von Z 1 ist für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, die Höhe des Familienbonus Plus sowie der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:
a) Die Höhe des Familienbonus Plus und der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 ist ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.
b) Der Bundesminister für Finanzen hat die Berechnungsgrundlagen und die Beträge mit Verordnung bis spätestens 30. September nach dem Stichtag gemäß lit. a kundzumachen.
3. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:
a) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder
- beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.
b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder
- beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.
Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.
…."

Die oben unter Punkt 3.2.1. zitierte Bestimmung des § 33 Abs. 3a EStG 1988 in der Fassung vor BGBl I 135/2022 war für den beschwerdgegenständlichen Zeitraum 2020 insoweit maßgeblich, als nicht die Indexierung gemäß dessen Z 2 betroffen war. Wie unter Punkt 3.2.3. dargestellt, entfällt § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 betreffend die Indexierung des Familienbonus Plus für in einem anderen EU-Mitgliedsstaat lebende Kinder bereits rückwirkend ab 2019.
Das bedeutet, dass im Falle der Gewährung des Familienbonus Plus die in Z 1 ausgewiesenen Beträge in Ansatz zu bringen sind.

Die Voraussetzungen für die Gewährung des Familienbonus Plus ergeben sich aus § 33 Abs. 3a EStG 1988. Danach steht für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedsstaat der EU aufhält, auf Antrag ein Familienbonus Plus zu. Dieser beträgt gemäß Z 1 lit. a bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro.

Im gegenständlichen Fall vollendete das in Deutschland, also einem EU-Mitgliedsstaat lebende Kind der Beschwerdeführerin im Jahr 2020 das 15. Lebensjahr, weshalb bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen ein Anspruch im Ausmaß von 125,00 € pro Monat, also insgesamt 1.500,00 € bestand.

Was die Tatbestandsvoraussetzung der Gewährung der Familienbeihilfe betrifft, so wurde festgestellt, dass der Kindesvater für das Kind im Jahr 2020 keine Familienbeihilfe-Ausgleichszahlung gemäß § 4 Abs. 2 FLAG 1967 beantragt hat.

Im Erkenntnis Ra 2021/15/0067, zu einem gleichgelagerten Sachverhalt hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang Folgendes festgestellt:
"… Im Falle des Anspruchs auf eine der Familienbeihilfe vergleichbare ausländische Beihilfe besteht gemäß § 4 FLAG kein Anspruch auf Familienbeihilfe (Abs. 1) oder nur ein verminderter Anspruch im Ausmaß einer Ausgleichszahlung (Unterschiedsbetrag zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der höheren Familienbeihilfe, vgl. Abs. 2 und 7). In solchen - in § 33 Abs. 3a EStG 1988 nicht ausdrücklich geregelten - Fällen, in denen also (teilweise) an Stelle der Familienbeihilfe eine gleichartige ausländische Beihilfe iSd § 4 FLAG gewährt wird, ist in gleicher Weise die in § 33 Abs. 3a erster Satz EStG 1988 normierte Voraussetzung der "Beihilfengewährung" erfüllt (vgl. Mayr/Gensluckner in Doralt et al, EStG22, § 33 Tz 34/2). Gemäß § 4 Abs. 6 FLAG gilt die Ausgleichszahlung als Familienbeihilfe. Aus der Sicht des Familienbonus Plus kann es keinen Unterschied machen, ob sich noch eine (geringfügige) Ausgleichszahlung iSd § 4 Abs. 2 FLAG ergibt oder ob die Ausgleichszahlung wegen der Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe bloß Null beträgt.
Das Finanzamt bringt vor, der Gewährung des Familienbonus Plus stehe entgegen, dass der Mitbeteiligte keinen ,Antrag' auf Familienbeihilfe bzw. auf eine Ausgleichszahlung iSd § 4 Abs. 2 FLAG gestellt habe; auch wenn bei höheren Familienleistungen im Ausland die Differenzzahlung iSd § 4 Abs. 2 ff FLAG ,betragsmäßig Null' sei, müsste eine entsprechende Antragstellung (auf Ausgleichszahlung von null Euro) nach dem FLAG erfolgen, sodass der Anspruch dem Grunde nach im Beihilfenverfahren geprüft werden könne.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs können, wenn die in Rede stehende Differenzzahlung iSd § 4 Abs. 2 ff FLAG ,betragsmäßig Null' ist, Antragstellende auf Familienbonus Plus jedenfalls (subsidiär) auch in ihrem Einkommensteuerverfahren nachweisen, dass alle inhaltlichen Voraussetzungen für einen Familienbeihilfen- bzw. Ausgleichsanspruch erfüllt sind. Gemäß § 13 zweiter Satz FLAG ist im Familienbeihilfenverfahren ein Bescheid dann zu erlassen, wenn dem Beihilfenantrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist.
Dass im Revisionsfall - entgegen der Annahme des BFG - für den 2002 geborenen Sohn in Österreich dem Grunde nach gar kein Familienbeihilfenanspruch bestünde, wurde vom Finanzamt nicht konkret behauptet. Der Umstand, dass sich das Kind ständig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, steht - unbeschadet des § 5 Abs. 3 FLAG - dem Beihilfenanspruch nicht entgegen (vgl. § 53 Abs. 1 zweiter Satz FLAG).
Ebenso wurde weder vom Finanzamt vorgebracht noch vom BFG festgestellt, dass auch von der Kindsmutter ein Antrag auf Familienbonus Plus gestellt worden wäre, womit in einer Gesamtbetrachtung das Höchstausmaß des möglichen Familienbonus Plus überschritten worden und eine Kürzung gemäß
§ 33 Abs. 3a Z 3 lit. c EStG 1988 vorzunehmen gewesen wäre.
Es kann dem BFG vor diesem Hintergrund daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn es dem Mitbeteiligten im Revisionsfall nach Prüfung der grundsätzlichen Familienbeihilfenberechtigung für den 2002 geborenen Sohn den Familienbonus Plus in voller Höhe zuerkannt hat…."

In der dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zugrundeliegenden, in Revision gezogenen Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes , war sachverhaltsmäßig festgestellt worden, dass weder der in Österreich lebende, unterhaltsleistende Kindesvater, noch die in Deutschland mit dem Kind lebende Kindesmutter einer Beschäftigung in Österreich nachgingen.
Dem diesbezüglichen Einwand, dass im gegenständlichen Fall von keinem der Elternteile eine Beschäftigung in Österreich ausgeübt worden sei, wurde in der Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes nach Darstellung des Unionsrechtes - insbesondere der maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sowie der bezughabenden Rechtsprechung - und der Feststellung, dass ein Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für die Zuerkennung des Familienbonus Plus genüge, die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Interpretation entgegengehalten:
"… Der in Österreich wohnende Bf ist zwar in Deutschland beschäftigt. Als Grenzgänger unterliegt Bf mit den aus dieser Tätigkeit resultierenden nichtselbständigen Einkünften nach obigen Ausführungen jedoch dem alleinigen Besteuerungsrecht Österreichs. Die Beschäftigung des Bf als Grenzgänger ist deshalb in verfassungskonformer Interpretation einer in Österreich ausgeübten Beschäftigung gleichzuhalten.
Es wäre unsachlich, dem in Österreich wohnenden und Einkommensteuer zahlenden Bf die diese Personensteuer mindernde Berücksichtigung des Familienbonus Plus für seinen jüngeren Sohn, für den er Unterhalt zahlt, bei Nichtbeanspruchung durch die Kindesmutter vorzuenthalten…."

Das Bundesfinanzgericht kam damit im Zuge der Prüfung der grundsätzlichen Familienbeihilfenberechtigung für den 2002 geborenen Sohn im Einkommensteuerverfahren unter Bedachtnahme auf diese dargelegten verfassungsrechtlichen Erwägungen zum Ergebnis, dass die Beschäftigung des Beschwerdeführers als Grenzgänger im grenznahen Ausland einer ausgeübten Beschäftigung in Österreich gleichzuhalten sei und deswegen der Familienbonus zustehe.
Im dazu ergangenen Erkenntnis , wurde diese Interpretation nicht beanstandet.

Das Bundesfinanzgericht schließt sich daher im gegenständlichen Fall der Auslegung iSd Erkenntnisses des , an. Beim deutschen Kindergeld handelt es sich - wie oben angeführt - um eine der Familienbeihilfe gleichartige ausländische Beihilfe. Dass die Beschwerdeführerin Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in Deutschland erzielt steht der Gewährung des Familienbonus Plus nicht entgegen (siehe auch und ).
Der Beschwerde war auch in Bezug auf den Familienbonus Plus Folge zu geben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Dass keiner der beiden Elternteile einer Beschäftigung in Österreich nachgeht steht einem Familienbeihilfenanspruch bzw. bzw. Anspruch auf Ausgleichs- oder Differenzzahlung dem Grunde nach - als Voraussetzung für die Anerkennung eines Familienbonus Plus - nicht entgegen.
Das geht aus der Rechtsprechung des BFG (, RV/5100069/2021, , RV/5100198/2022; , RV/5100548/2022) sowie des VwGH (, Ra 2021/15/0067) hervor. Eine Revision war daher nicht zuzulassen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 3a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 3a Z 3 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 68 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 11 Abs. 3 lit. c VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise






ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100170.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at