Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.04.2024, RV/5100803/2023

Kein Familienbeihilfenanspruch bei Abbruch der Berufsausbildung nach krankheitsbedingter Unterbrechung (vgl VwGH 24.09.2009, 2009/16/0088 mwN)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***USt*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Martin Kasbauer, Franz-Keim-Straße 17, 4600 Wels, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 08.2021-09.2022 Sozialversicherungsnummer ***Nr*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit Rückforderungsbescheid vom wurde die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Sohn der Beschwerdeführerin für den Zeitraum August 2021 bis September 2022 zurückgefordert. Begründet wurde dieser Bescheid wie folgt:

"Für ein volljähriges Kind steht die Familienbeihilfe während einer Berufsausbildung bzw. - fortbildung zu. Bei Ihrem Kind trifft diese Voraussetzung nicht zu (§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967).Sie haben für mehr als ein Kind Familienbeihilfe bezogen. Im Rückforderungsbetrag ist die anteilige Geschwisterstaffel für sämtliche Kinder enthalten, für die Sie im Rückforderungs-zeitraum zu Unrecht Familienbeihilfe erhalten haben (§ 8 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967)."

2. In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom begründet die Beschwerdeführerin ihr Begehren auf ersatzlose Aufhebung des Rückforderungsbescheides wie folgt:

"Bei meinem Sohn ***Name*** traten im Frühjahr 2021, wie aus heiterem Himmel, vermutlich auch bedingt durch das Homeschooling und die Einflüsse von Corona, zum ersten Mal epileptische Anfälle auf. Diese Anfälle steigerten sich bis zum Sommer bis zu dreimal die Woche einhergehend mit starken Krampfanfällen, Verletzungen und mehreren Krankenhausaufenthalten.

Eine medikamentöse Behandlung braucht bei dieser neurologischen Erkrankung seine Zeit und er hatte, wie sich mehr und mehr herausstellte, in dieser Zeit auch schwere Konzentrations-, Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen, die eine gewisse Zeit zur Heilung brauchten.

Bei einem Gespräch mit der behandelnden Ärztin des ***Klinikum*** im August 2021 stellte diese in Aussicht, dass durch die medikamentöse Einstellung und eine angedachte Operation mit voraussichtlichem Termin im Frühjahr 2022, der Schulbesuch mit September 2022 wiederaufgenommen werden kann. Um nicht jahrelang ständig hochdosierte Medikamente einnehmen zu müssen, entschied sich ***Name*** für die Operation mit guten Heilungschancen.

***Name*** verblieb daher mit der Schulleitung der HTL ***Ort*** so, dass er für das Schuljahr 2021/2022 den Schulunterricht unterbrechen würde um gesundheitlich so stabil zu werden um im Herbst 2022 wieder den Schulbesuch fortsetzten zu können.Daher gibt es von unserer Seite auch keine Abmeldung zum Schulunterricht in der HTL ***Ort***, lediglich wurde mit der Schulleitung vereinbart, dass ***Name*** den Schulbesuch aussetzt bzw. unterbricht und nach der Gesundung wieder im Herbst 2022 die Ausbildung fortzusetzen.

Die Zeiten von Corona gingen auch am ***Klinkikum*** nicht spurlos vorbei, mit Mitarbeitermangel, eingeschränktem Betrieb, Wichtigkeit der OPs, usw. Der OP-Termin verzögerte sich somit von dem am Anfang zugesagten Termin im Frühjahr 2022 auf Sommer 2022, ***Name*** wurde weiter vertröstet auf Herbst 2022 bzw. dann Spätherbst 2022 bis jetzt ins Frühjahr 2023. Der fixierte Termin ist jetzt der gewesen.

Soweit es der Gesundheitszustand von ***Name*** zuließ, hatte er im Winter 2021 und Frühjahr 2022 eine geringfügige Beschäftigung angenommen. Durch die Schwere der Erkrankung litt auch sein psychischer Zustand unter der neurologischen Erkrankung.Ich fand es zu diesem Zeitpunkt wichtig, dass ***Name***, soweit es gesundheitlich gehen würde, in kleinen Schritten wieder eine gewisse Regelmäßigkeit durch das Arbeiten in sein Leben bringen würde. Als Überbrückung bis zum nächsten Schuljahr im Herbst 2022 bzw. bis zur geplanten OP, hatte sich ***Name*** im April 2022 als nächsten Schritt der Wiedereingliederung ins Schul- bzw. Berufsleben und auch zur mentalen Gesundung einen Job als Hilfsarbeiter für leichte Tätigkeiten gesucht.

Mit Beginn des Schuljahres im September 2022 war leider wieder mal der OP-Termin verschoben worden und es würde wieder ein Schuljahr vergehen wo er die Schulausbildung in der HTL nicht fortsetzen könne. Da entschied sich ***Name*** im September 2022 eine Lehre zu machen und fand im Oktober 2022 auch einen Lehrbetrieb. Der Lehrvertrag liegt Ihnen bereits vor.

Ich bitte unter diesen Umständen von einer Rückforderung der Familienbeihilfe von August 2022 bis September 2023 (Anmerkung der Richterin: gemeint wohl August 2021 bis September 2022) abzusehen, da es sich, so finde ich, um eine Unterbrechung der Ausbildung aus gesundheitlichen Gründen handelte, da der Wille zur Fortsetzung der Ausbildung immer gegeben war."

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und begründete dies wie folgt:

"Ihr Sohn war laut vorgelegter Bestätigung bis Schüler der HTL ***Ort***. Danach konnte er krankheitshalber die Schule nicht fortsetzen, wobei jedoch mit der Schule eine Vereinbarung getroffen wurde, dass bei Genesung der Schulbesuch fortgesetzt wird. Bis dato hat er diese Ausbildung an der HTL nicht wiederaufgenommen.

Seit 3.0ktober 2022 ist ***Name*** Lehrling bei der ***X*** GmbH. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom ,90/14/0108 ausgesprochen, dass bei einer mehrjährigen Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung der Familienbeihilfenanspruch nach §2 Abs.l lit.b FLAG nicht bestehen bleibe, weil in einem solchen Fall die Berufsausbildung nicht mehr aufrecht sei. Ist also das Anspruch vermittelnde Kind auf Grund einer Erkrankung durchgehend gehindert, die für die Ausbildung erforderliche Schule zu besuchen und regelmäßig Prüfungen abzulegen, kann in diesem Zeitraum eine Ausbildung nicht angenommen werden.

Da ***Name*** bereits seit Oktober 2022 als Lehrling in Berufsausbildung steht, kann eine vorübergehende Unterbrechung der Schulausbildung ausgeschlossen werden.

Aufgrund der fehlenden Berufsausbildung im Zeitraum 08/2021 - 09/2022 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe."

4. Im Schreiben vom wurde die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt und ergänzend wie folgt begründet:

"[…] Aus Gründen, die ***dem Sohn*** bzw. auch der Beschwerdeführerin nicht zuzurechnen waren und zuzurechnen sind erfolgte die Operation erst viel später als geplant, sodass aus gesundheitlichen Gründen erst nachdem die Entscheidung gefallen war, dass der Sohn das Ausbildungsverhältnis an der HTL nicht mehr aufnehmen wird können, erst ab Oktober 2022 ein Lehnverhältnis begonnen wurde.

Die Operation erfolgte erst am .

Ab Oktober 2022 hat sich der gesundheitliche Zustand soweit gefestigt gehabt, dass ein Lehrverhältnis begonnen werden konnte.

Beweis: einzuholendes Med-SV-Gutachten aus dem Bereich Neurologie; weitere Beweise ausdrücklich Vorbehalten.

Es kann der Beschwerdeführerin bzw. deren Sohn nicht zum Nachteil gereichen, dass dieser aus gesundheitlichen Gründen ein Ausbildungsverhältnis unterbrochen hat und auch überein Jahr hinaus unterbrochen hat und nicht mehr fortsetzen konnte und erst danach ein anderes Ausbildungsverhältnis begonnen hat.[…]"

Hinweis: Die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

5. Mit Vorlagebericht vom wurde der Akt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sohn der Beschwerdeführerin wurde am *** Monat*** 1999 geboren und vollendete somit das 18. Lebensjahr am *** Monat*** 2017.

Er war bis Schüler der HTL für ***XY*** in der Klasse 4B***XY***. Auf Grund von gesundheitlichen Problemen musste die Schulausbildung bis nach einer notwendigen Operation unterbrochen werden. Es erfolgte keine Abmeldung vom Schulbesuch und die Schule wurde mit der Vereinbarung verlassen, dass nach Genesung die Ausbildung fortgesetzt werden sollte. Die Operation musste von Seiten des Krankenhauses mehrfach verschoben werden und erfolgte schlussendlich im April 2023.

Seit Oktober 2022 steht der Sohn der Beschwerdeführerin in einem Lehrverhältnis mit der Firma ***X*** GmbH.

Die Schulausbildung an der HTL wurde nicht mehr fortgesetzt.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig bzw ergeben sich diese aus den nicht der Aktenlage widersprechenden und auch von der belangten Behörde nicht widerlegten Ausführungen der Beschwerdeführerin.

Von der Beschwerdeführerin vorgelegte Beweismittel: Bestätigung des Schulleiters der HTL für ***XY*** ***Ort*** vom ; Ärztliche Bestätigung vom über die medizinische Notwendigkeit der Unterbrechung der Schulausbildung zwischen Juli 2021 und September 2022.

Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig ist im Beschwerdefall, ob der 22/23-jährige Sohn der Bf. von Juli 2021 bis September 2022 für einen Beruf ausgebildet wurde und daher für diesen Zeitraum Anspruch auf Familienbeihilfe bestand.

Nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, ua Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl etwa ; ; ; und ).

Krankheitsbedingte Unterbrechung/Abbruch der Berufsausbildung

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich. Hiezu gehören Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen, genauso wie Urlaube und Schulferien (vgl ). Im Erkenntnis , hat der Gerichtshof neuerlich und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass solche Unterbrechungen nur dann nicht schädlich für einen bestehenden Beihilfenanspruch sind, wenn sie die Ausbildung auf (nur) begrenzte Zeit unterbrechen und gleichzeitig festgehalten, dass im Falle einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung der Beihilfenanspruch (nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967) nicht bestehen bleibt. Abgeleitet aus dieser Rechtsprechung wurde vom Verwaltungsgerichtshof auch judiziert, dass eine Unterbrechung der Ausbildung durch die Geburt eines Kindes für einen bereits vorher entstandenen Anspruch (nur dann) nicht schädlich ist, wenn diese den Zeitraum von zwei Jahren nicht deutlich übersteigt (vgl , und ). Aus einer Gesamtschau dieser Rechtsprechung ist ableitbar, dass besonders begründete Unterbrechungen einer Ausbildung von bis zu zwei Jahren sich grundsätzlich nicht schädlich auf einen bereits vorher bestehenden Familienbeihilfenanspruch auswirken müssen, obwohl in dieser Zeit die Anspruchsvoraussetzung nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 nicht erfüllt ist.

Allen diesen Fällen ist jedoch gemein, dass "lediglich" eine Unterbrechung der (konkreten) Ausbildung, nicht aber ein Abbruch dieser vorliegen darf. Eine Unterbrechung liegt dann vor, wenn die Ausbildung, die zum Beihilfenanspruch geführt hat, nach Wegfall des Hinderungsgrundes wiederaufgenommen wird.

Das bloße Aufrechterhalten eines Ausbildungs- oder Berufswunsches über die oben genannte Frist hinaus ohne die Ausbildung (frühestmöglich) wiederaufzunehmen, reicht hingegen für das Fortbestehen eines Anspruches auf Familienbeihilfe iSd oben angeführten Rechtsprechung nicht aus (idS vgl mwN).

Ohne Wiederaufnahme der Ausbildung erlischt somit der Anspruch auf Familienbeihilfe zu dem Zeitpunkt, zu dem der tatsächliche und ernsthaft und zielstrebig betriebene Ausbildungvorgang nicht mehr fortgesetzt wurde. Dies gilt auch dann, wenn der Entschluss die Ausbildung zu beenden gar nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt (innerhalb der zwei Jahre) getroffen worden sein sollte.

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass ein Beihilfenanspruch im Zeitraum der krankheitsbedingten Verhinderung nur dann bestanden haben kann, wenn der Sohn nach Wegfall der Verhinderung die vor Auftreten der Verhinderung betriebene Ausbildung fortgesetzt hat, dies ist gegenständlich nicht der Fall.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht hat sich bei der gegenständlichen Entscheidung an der vorhandenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes orientiert und ist dieser bei der Entscheidungsfindung gefolgt. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren nicht zu lösen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100803.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at