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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.03.2024, RV/7103295/2023

Steuerpflicht für veruntreute Gelder des Arbeitgebers.

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 1689/2024 anhängig. Ablehnung der Beschwerde mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Haim in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2021 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am erging der verfahrensgegenständliche Einkommensteuerbescheid 2021. In ihm wurden Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug in Höhe von € 179.060,63 angesetzt. In der Bescheidbegründung wird dazu angeführt: "Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH stellen auch rechtswidrig gegen den Willen des Arbeitgebers angeeignete Einnahmen (zB Veruntreuung, Diebstahl, etc. steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar."

Mit Schriftsatz vom wurde gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben und ausgeführt: "Wir teilen die behördliche Auffassung nicht, dass es sich bei den Frau Bf zugeeigneten Beträgen um eine Einkunftsquelle gehandelt hätte, welche im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2021 zu berücksichtigen wären. Tatsächlich entspricht unsere Auffassung sowohl dem Gesetz, als auch der herrschenden Rechtsprechung des OGH. Gemäß § 25 EStG und den vorhergehenden Bestimmungen, nämlich § 19 EStG 1934, welcher im Wesentlichen vom EStG 1953 unverändert neu beschlossen wurde, zählt zu den nichtselbständigen Einkünften neben den Gehältern und Löhnen nur solche Vorteile, die für eine Beschäftigung gewährt werden.

Nachdem es sich bei einer Bereicherung aus Veruntreuung um keine Vorteile handelt, die aus einer Beschäftigung gewährt werden, handelt es sich naturgemäß nicht um eine Einkunftsquelle, welche im Rahmen der Einkommensteuerveranlassung erklärt hätte werden müssen. Folgt man dem Gesetzestext und dem Telos des Gesetzes, kann es sich bei einer Veruntreuung um keine einkommensteuerrechtliche Einkunftsquelle aus nichtselbständigen Einkünften handeln, gibt es doch keinen Beruf der Veruntreuung zum Inhalt hat.

Der VwGH hat trotz unveränderter Rechtslage im Jahr 1991 den Geschäftsführer einer GmbH, der mehr als fünf Millionen Schilling veruntreute unter ungeprüfter Zitierung Schuch's, nämlich "Zu den Vorteilen aus einem Dienstverhältnis gehören auch solche, die sich ein Arbeitnehmer ohne Willensübereinstimmung mit dem Arbeitgeber aneignet, den veruntreuten Betrag als einkommensteuerpflichtig qualifiziert und zudem eine Finanzstrafe über den Geschäftsführer verhängt. ( ebenso zB VwGH 25,02.1997, 95/14/0112) Entgegen der ungeprüften und nicht argumentierten Rechtsmeinung des VwGH hat der OGH in einem gerichtlichen Finanzstrafverfahren bereits 1992 den VwGH dahingehend kritisiert, dass nämlich die Veruntreuung eines Arbeitnehmers nach dem allgemeinen Sprachgebrauch keinswegs die Bedeutung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, also Arbeitslohn, beizumessen sei. () Ebenso hat der OGH im Jahr 2004 einen Rechtsanwalt, der Klientengelder veruntreut hatte und der vom Finanzamt mit den veruntreuten Geldern einkommensteuerrechtlich veranlagt wurde, im Rahmen des Finanzstrafverfahrens vom Vorwurf der Abgabenhinterziehung freigesprochen. Begründet hat dies der OGH dergestalt, dass der Umstand, dass eine kriminelle Geldbeschaffung unter Ausnutzung einer dem Täter durch seine Berufstätigkeit als Rechtsanwalt gebotene Gelegenheit erfolgt, keine Einkünfte aus der Berufstätigkeit des Rechtsanwalts darstellt. (OGH 24,06.2004, 15 Os 64/04)

Der Sukus aus der Judikatur des OGH lautet klarstellend also, dass nicht die berufliche Gelegenheit steuerliche Einkünfte begründet, sondern die entscheidende Frage ist vielmehr, ob die Einkünfte und Vorteile beruflich veranlasst sind, also für die Beschäftigung gewährt werden.

Frau Bf wurde von ihrem Arbeitgeber angestellt für den Bereich Auftragsannahme, Buchhaltung und Fakturierung, nicht jedoch für die Veruntreuung von Geld. Insofern unterliegen die veruntreuten Beträge nicht der Einkommensteuerpflicht, dies im Sinne der zitierten Judikatur des OGH. Der VwGH hat hinsichtlich der konträren Judikatur des OGH die sogenannte Wurzeltheorie erfunden, wonach steuerpflichtige Einnahmen auch dann gegeben seien, wenn der Steuerpflichtige dazu eine durch das Dienstverhältnis gebotene Gelegenheit nutzt, dazu genüge es, wenn die Einnahmen ihre Wurzel im Dienstverhältnis haben.

Die Wurzeltheorie des VwGH widerspricht aber dem Gesetz und der eigenen Rechtsprechung und hat keine gesetzliche Grundlage.

Anhand des oben zitierten Judikaturbeispiels, des Klientengeider veruntreuenden Rechtsanwalts, kommet es darauf an, was zum Berufsbild des Rechtsanwalts gehört, also welches Handeln in Ausübung des Berufs als Rechtsanwalt gesetzt wird, oder aber, ob die Berufsausübung nur die Gelegenheit dazu schafft, womit der VwGH seine eigene von ihm kreierte Wurzeltheorie ad absurdum führt, weil nicht die Wurzel im Dienstverhältnis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit begründet, sondern die berufliche Veranlassung, also der Vorteil wegen des Dienstverhältnisses.

Bezeichnenderweise hat der oben zitierte Ministerialbeamte des BMF, Schuch, in der dritten Auflage des Est-Handbuchs 1993 seine ursprüngliche Aussage aus dem Jahr 1973 korrigiert und einschränkend erklärt, dass nur die für ein Dienstverhältnis üblichen Vorteile der Einkommensteuer unterliegen. Die geänderte Rechtsmeinung von Schuch ist jedoch bis dato nicht bis zum VwGH durchgedrungen.

Aufgrund der dargestellten und widerstreitenden Judikatur des OGH und des VwGH und unter Heranziehung der Argumentation ergibt sich nachvollziehbar, dass sich die ständige Judikatur des VwGH unreflektiert an einer nicht argumentierten Aussage eines Ministerialbeamten aus dem Jahr 1973 orientiert, welche Rechtsmeinung derselbe Ministerialbeamte im Jahr 1993 in ein und demselben Kommentar, zwei Auflagen später, selbst widerruft und korrigiert hat, obschon der OGH diese Vorgehensweise des VwGH widerspricht und in gleichgelagerten Finanzstrafverfahren Freisprüche verkündet. Auf die herrschende Rechtsprechung und die dazu erstatteten und zutreffenden Ausführungen von em. Univ.-Prof. Dr. Werner Doralt in SWK-Heft 3, , Seite 113 ff; ÖJZ 2020/120, 1013, wird verwiesen.

Auf Frau Bf umgelegt, ergibt sich sohin unzweifelhaft, dass diese durch die Veruntreuungshandlungen nicht der Einkommensteuer unterliegt, weil es nicht zu ihrem Aufgabebereich bzw. ihrem Berufsbild gezählt hat, von ihrem Arbeitgeber Geldbeträge zu veruntreuen. Darüber hinaus weisen wir darauf hin, dass unsere Klientin im Zuge der tätigen Reue bereits große Teile der angeeigneten Beträge im Jahr 2022 rückgezahlt hat, diese aber in Bezug auf die Einkommensteuer aufgrund geringer Einkünfte eine zusätzliche Härte bedeutet (die vom Gesetzgeber wie ausgeführt nicht vorgesehen ist). Der Verweis auf ausländische Einkünfte in der Bescheidbegründung ist für uns nicht nachvollziehbar und wohl falsch."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde ab und führte aus: "Mit Bescheid vom wurde die Entscheidung über die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 bis zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht hinsichtlich Einkommensteuer 2020 (GZ, RV/7101374/2023) gemäß § 271 Abs. 1 BAO ausgesetzt. Das Bundesfinanzgericht hat im Erkenntnis vom (GZ RV/7101374/2023) hinsichtlich des Einkommensteuerverfahrens 2020 auf Basis desselben zu Grunde liegenden Sachverhaltes (rechtswidrige Aneignung von Geldern des Arbeitgebers im Rahmen eines Dienstverhältnisses) erkannt, dass die erlangten Vorteile zu Recht den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzuordnen wären. Gemäß § 271 Abs. 2 BAO ist das ausgesetzte Beschwerdeverfahren von Amts wegen fortzusetzen, wenn das Verfahren rechtskräftig beendet wurde, das Anlass zur Aussetzung gegeben hat. Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 ist daher auf Basis der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes vom als unbegründet abzuweisen."

Im rechtzeitig am eingebrachten Vorlageantrag wurde auf die Beschwerde verwiesen. Es wurde angemerkt, dass das Verfahren betreffen Einkommensteuer 2020 dem VfGH vorgelegt worden sei (E 2094/2023). Aus verwaltungsökonomischen Gründen werde angeregt, mit der Bearbeitung bis zur Erledigung dieses Verfahrens zuzuwarten.

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht vom vorgelegt.

Mit Beschluss vom wurde das Verfahren bis zur Beendigung des beim VfGH anhängigen Verfahrens zu VfGH E 2094/2023 ausgesetzt.

Mit Beschluss vom hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde abgelehnt, das Beschwerdeverfahren wurde daraufhin fortgesetzt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Aus dem Beschwerdeverfahren zur Einkommensteuer 2020 () ergibt sich folgender Sachverhalt: Die Beschwerdeführerin (Bf) war im Streitjahr bei einer Kfz-Spenglerei angestellt und bezog aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Rahmen einer am bei der Staatsanwaltschaft erstatteten Selbstanzeige gab die Bf bekannt, dass sie ihrem Arbeitgeber einen Betrag in Höhe von insgesamt 331.601,79 € widerrechtlich entzogen habe. Sie sei überwiegend alleine im Büro beschäftigt gewesen, und zwar mit Auftragsannahme, Buchhaltung und Fakturierung der Lackier- und Spenglerarbeiten. Beginnend mit habe sie Rechnungen für tatsächlich erbrachte Werkaufträge auf einem ausgedienten Computersystem erstellt und auf diesen die Kontonummer ihres Sohnes, der davon nichts gewusst habe, angegeben, von diesem Konto habe sie das Geld auf ein Konto in Deutschland transferiert bzw. bar behoben. Das Beschäftigungsverhältnis sei, als sie dem Arbeitgeber ihre Malversationen gestanden habe, am beendet worden, seit diesem Zeitpunkt leiste sie Zahlungen zur Schadenswiedergutmachung.

Für 2021 setzte das Finanzamt diesbezüglich Einkünfte in Höhe von € 179.060,63 fest. Eine Schadensgutmachung erfolgte ab 2022.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Es wird auf die Ausführungen im oben zitierten Erkenntnis zum Jahr 2020 verwiesen. Dort wird ausgeführt:

"Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 zählen Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Gemäß § 23 Abs. 2 BAO steht der Erhebung einer Abgabe nicht entgegen, wenn dem Steuerpflichtigen die Einnahmen auf Grund einer strafbaren Tätigkeit zufließen.

Es ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es zur Herstellung des Veranlassungszusammenhanges mit nichtselbständigen Einkünften genügt, wenn die Einnahmen ihre Wurzel im Dienstverhältnis haben, dass Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorliegen, wenn ein Dienstnehmer eine ihm durch das Dienstverhältnis gebotene Gelegenheit nutzt, um sich zu bereichern, und solcherart Vorteile erzielt, dass zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht nur die im Dienstvertrag vereinbarten Entgelte zählen, sondern auch alle anderen Vorteile, zu denen auch solche gehören, auf die kein Rechtsanspruch besteht und die sich der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers - etwa durch Veruntreuung oder Untreue - verschafft (z.B. ). Vorteile, die sich der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers verschafft, unterliegen nicht dem Steuerabzug, sondern sind im Veranlagungsweg zu erfassen (z.B. ).

Den Ausführungen der Bf in der von ihr erstatteten Selbstanzeige vom ist unmissverständlich zu entnehmen, dass sie ihre Stellung als für Auftragsannahme, Buchhaltung und Fakturierung zuständige Angestellte dazu ausgenutzt hat, sich Kundengelder zuzueignen. Vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung hat die belangte Behörde diese von der Bf erlangten Vorteile zu Recht den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugeordnet."

Diesen Ausführungen schließt sich die Richterin auch für das Jahr 2021 an.

Kommt es zur Rückzahlung von Beträgen, die als Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen waren, liegen Werbungskosten nach § 16 Abs. 2 EStG vor (). Solche Werbungskosten kommen aber nur bei der Veranlagung des Kalenderjahres in Betracht, in dem die Rückzahlung der Einnahmen erfolgt (). Eine Schadensgutmachung erfolgte nach dem Vorbringen der Bf ab dem Jahr 2022, weshalb eine Berücksichtigung im Streitjahr 2021 nicht möglich ist.

Zum Jahr 2020 wurde eine VfGH-Beschwerde eingebracht (VfGH E 2094/2023). Die Behandlung der Beschwerde wurde mit Beschluss vom abgelehnt. Das Verfahren war daher fortzusetzen. Die Judikatur des VwGH zur gegenständlichen Rechtsfrage ist eindeutig und klar.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Zur gegenständlichen Rechtsfrage besteht eine umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Es ist daher keine Revision zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103295.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at