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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.03.2024, RV/7100553/2024

Keine Berufsausbildung, wenn in insgesamt zwei Semestern die überwiegende Anzahl der Unterrichtsgegenstände nicht beurteilt wurde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die Kinder ***2***, geb. ***3***, ***4***, geb. ***5*** und ***6***, geb. ***7***, für den Zeitraum September 2022 bis Juli 2023, SVNr. ***1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Im Zuge der Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe betr. seine Tochter ***2*** legte der Beschwerdeführer (Bf.) am das Semesterzeugnis für das Sommersemester 2022 der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule Wien 10 vor.

Mit Bescheid vom wurden Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für die Kinder

***2***, geb. ***3******8***, geb. ***5*** und ***6***, geb. ***7***, für den Zeitraum September 2022 bis Juli 2023, zurückgefordert.

Zur Begründung wurde hinsichtlich ***2*** darauf verwiesen, dass abverlangte Unterlagen nicht vorgelegt worden seien und hinsichtlich der beiden anderen Kinder, dass im Rückforderungsbetrag die anteilige Geschwisterstaffel für jenes Kind, für das zu Unrecht Familienbeihilfe bezogen worden sei, enthalten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , eingelangt bei der Behörde am , in der der Beschwerdeführer (Bf.) darauf hinwies, dass seine Tochter ***2*** die Abendschule von Montag bis Freitag von 17:50 bis 21:45 besuche und die restliche Zeit für Lernen und Vorbereitung verwende.

Lt. beiliegender Schulbesuchsbestätigung der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule Wien 10 vom sei die Schule von (Sommersemester) bis besucht worden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, dass lt. vorliegender Bestätigung die Schule zwar besucht worden sei, aber keine Zeugnisse für das Wintersemester 2022/2023 und das Sommersemester 2023 vorgelegt worden seien.

In der Folge legte der Bf. weitere Unterlagen vor:

  1. Eine Abmeldebestätigung seitens der Schule, wonach die Tochter per von der Schule abgemeldet worden sei,

  2. ein ärztliches Attest vom , wonach die Tochter an leichter Demenz und chronischen Kopfschmerzen leide und "deswegen das Sommersemester nicht beenden könnte",

  3. ein Semesterzeugnis, vom , wonach von insges. 8 Gegenständen 7 nicht und einer negativ beurteilt wurde,

  4. ein Semesterzeugnis vom , wonach alle neun zu beurteilenden Gegenstände nicht beurteilt wurden.

Im Vorlageantrag vom beantragte der Bf. sinngemäß die Stattgabe und verwies auf die, wenn auch urlaubsbedingt verspätet vorgelegten Unterlagen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Tochter des Bf., ***2***, besuchte ab dem Sommersemester 2022 die Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule Wien 10, die als Abendschule geführt wird.

Am tt.mm.2022 vollendete sie das 18. Lebensjahr.

Im Sommersemester 2022 wurde die Tochter in allen Gegenständen benotet, zwei Gegenstände wurde negativ abgeschlossen.

Im Wintersemester 2022/2023 wurden von insges. 8 Gegenständen 7 nicht und einer negativ beurteilt und im Sommersemester 2023 wurden alle neun zu beurteilenden Gegenstände nicht beurteilt.

Per Semesterende wurde die Tochter von der Schule abgemeldet.

Ein ärztliches Attest bestätigte, dass die Tochter das Sommersemester, vermutlich gemeint das Sommersemester 2023, krankheitsbedingt nicht abschließen werde können.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idgF haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. […]

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 bestimmt: Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 idgF steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Was unter "Berufsausbildung" zu verstehen ist, ist im Familienlastenausgleichsgesetz nicht geregelt.

Ob von einem Kind eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 absolviert wird, ist letztlich eine Tatfrage, welche die Behörde in freier Beweiswürdigung gemäß § 167 Abs 2 BAO im Einklang mit den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung zu beantworten hat (vgl , ).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat in seinem Erkenntnis , ausgesprochen: "Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. etwa ; ; ; und ). Diese der Rechtsprechung des VwGH entnehmbare Definition der Berufsausbildung trifft nur auf die Fälle zu, welche außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besonders geregelten Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des StudFG liegen (z.B. einer Universität, vgl. ; ; und )."

Unzweifelhaft handelt es sich bei der von der Tochter des Bf. besuchten Schule um eine Ausbildungsform, die grundsätzlich Berufsausbildung im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sein kann. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Besuch nach außen erkennbar ernsthaft und zielstrebig erfolgt und die volle Zeit in Anspruch nimmt, was unter Inanspruchnahme der Mitwirkungspflicht des Bf. und in freier Beweiswürdigung zu ermitteln und zu beurteilen ist.

Dieses ernstliche und zielstrebige Bemühen manifestiert sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch im Ablegen von Prüfungen (vgl. mwN). Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht für sich allein aber noch nicht, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen. Hinzu muss vielmehr das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg treten, das sich im Antreten zu den erforderlichen Prüfungen bzw. Vorprüfungen zu manifestieren hat. Zwar ist nicht der Prüfungserfolg ausschlaggebend. Das anspruchsvermittelnde Kind muss aber durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung zu erfüllen (z.B. mit Hinweis auf ).

Die Anwendung dieser höchstgerichtlichen Judikatur auf den gegenständlichen Fall führt zu folgendem Ergebnis:

Die Tochter des Bf. hat im Februar (im Sommersemester) 2022 mit einer Berufsausbildung an der Abendschule begonnen. Sie ist zu Prüfungen angetreten und hat diese auch großteils erfolgreich abgelegt. Es besteht also kein Zweifel, dass sich die Tochter des Bf. in diesem Semester in Berufsausbildung befunden hat.

Für das Wintersemester 2022/2023 und für das Sommersemester 2023 wurden zwar Zeugnisse vorgelegt, jedoch geht aus beiden hervor, dass die meisten bzw. im Sommersemester 2023 alle Gegenstände nicht beurteilt wurden. Das bedeutet, dass die Schule keine ausreichende Grundlage hatte, eine Note zu vergeben. Daraus ist zu schließen, dass die Tochter nicht zu Prüfungen angetreten ist. Da sich ein ernsthaftes und zielstrebiges Bemühen um einen Ausbildungserfolg und damit eine Berufsausbildung im Antritt zu Prüfungen manifestiert, liegt mangels dieser im Wintersemester 2022/2023 und im Sommersemster 2023 keine Berufsausbildung vor.

Die bloße Anmeldung in der Schule reicht nicht aus, um von einer Berufsausbildung sprechen zu können (vgl. dazu , wonach alleine die Anmeldung zu einem Studium oder die Fortsetzungsmeldung einer tatsächlichen Berufsausbildung nicht gleichstehen).

Wenn die vorgelegte ärztliche Bestätigung so zu interpretieren sein sollte, dass die Tochter im Sommersemester 2023 die Schule krankheitsbedingt nicht besuchen habe können, so ist dazu auszuführen, dass eine Krankheit nur dann die Berufsausbildung unterbricht und damit zu keinem Verlust des Anspruches führt, wenn zuvor ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat und nach der Krankheit die Berufsausbildung fortgeführt wird. Im gegenständlichen Fall bestand aber bereits im Wintersemester 2022/2023 mangels Berufsausbildung kein Anspruch und wurde die Ausbildung auch nach dem Sommersemester 2023 nicht fortgeführt, sondern vielmehr abgebrochen.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich eine objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. , , ). Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 FLAG 1967 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG 1967), Gutgläubigkeit des Empfangs oder Verbrauchs der Familienbeihilfe sind nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich (vgl die bei Lenneis/Wanke, FLAG2,2020, § 26, Rz 13 zitierte Rechtsprechung).

Da sich die Tochter des Bf. somit in dem vom bekämpften Bescheid umfassten Zeitraum September 2022 bis Juli 2023 nicht in Berufsausbildung befand, waren die bereits ausbezahlte Familienbeihilfe und die Kinderansetzbeträge zurückzufordern.

Gemäß § 8 Abs. 3 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe monatlich für jedes Kind ab , wenn sie für zwei Kinder gewährt wird, um 7,10 € und wenn sie für drei Kinder gewährt wird, um 17,40 €.

Diese Beträge wurden ab angepasst und betragen nunmehr 7,50 bzw. 18,40.

Da die Familienbeihilfe an September 2022 nur mehr für zwei Kinder zusteht ist im Rückforderungsbetrag auch die Differenz der bisher für drei Kinder gewährten Geschwisterstaffel enthalten.

Ausbezahlt wurden für 2 von 3 Kindern (4x17,40 ) und (7x 18,40)x2=396,80,

Zustehende Geschwisterstaffel für 2 Kindern: für 9/22-7/23: (4x=9/22-12/22-7,10=28,40) und (7x=1/23-7/23-7,50=52,50)x2= 161,80,

Die Differenz zu 396,80 beträgt daher 235, die zurückzufordern sind.

Für Ihre Tochter ***2*** sind € 1.912,30 für 9/22-7/23 ausbezahlt worden und damit zurückzufordern. Insgesamt-1912,30+235-ergibt sich daher der Rückforderungsbetrag von €1.247,30 lt. Bescheid.

Der Rückforderungsbetrag betreffend die Kinder ***4*** und ***6*** erweist sich daher ebenfalls als rechtsrichtig.

Eine Verrechnung von zurückzuzahlenden Beträgen mit fälligen oder fällig werdenden Familienbeihilfen (für andere Kinder) ist gemäß § 26 Abs. 2 FLAG 1967 zulässig.

Ein allfälliger Antrag auf Ratenzahlung oder Nachsicht ist an das Finanzamt Österreich zu richten.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis weicht nicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weshalb die ordentliche Revision auszuschließen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100553.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at