Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.03.2024, RV/5100548/2022

Familienbonus Plus eines Grenzgängers für seine in Deutschland lebenden Kinder

Beachte

Revision eingebracht (Amtsrevision).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch August Proßegger, Fichtenweg 3 Tür 1, 5122 Hochburg-Ach, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der Berechnung am Ende von Punkt II. 3.1. zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2021 veranlagt. Vom Antrag abweichend wurde der Familienbonus Plus nur für zwei Kinder (beantragt für vier Kinder) gewährt und die als Werbungskosten beantragten Sozialversicherungsbeiträge auf 12/14 der Beiträge bei den laufenden Bezügen und 2/14 bei den sonstigen Bezügen berücksichtigt.

Dagegen richtete sich die Beschwerde vom : "Das Finanzamt hat den Unterhaltsabsetzbetrag für die beiden Kinder ***Kind1*** und ***Kind2*** zugestanden aber den Familienbonus nicht berücksichtigt. Das BFG hat mit Entscheidung vom ZI. RV/5100069/2021 entschieden, dass kein Antrag auf Ausgleichs/Differenzzahlung für die Berücksichtigung des Familienbonus notwendig ist. Diese Vorgangsweise wurde durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom ZI. Ra 2021/15/0067-3 bestätigt. Daher ist für diese beiden Kinder der Familienbonus zu gewähren. Weiters wurden die Daten zum Lohnzettel L17 falsch erfasst. Die gesamten Sozialversicherungsbeiträge im Jahr 2021 betrugen 10.826,94. Diese Sozialversicherungsbeiträge sind im Verhältnis laufender Bezug zu Sonderzahlungen aufzuteilen. Der laufende Bezug betrug 49.088,41 und die Sonderzahlungen 5770,12. Daraus ergeben sich für die KZ 357 der Wert 9.688,14 und die KZ 347 der Wert 1.138,79. Jede andere Aufteilung ist rechtlich nicht gedeckt."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde dem Beschwerdebegehren insofern stattgegeben, als die als Werbungskosten beantragten Sozialversicherungsbeiträge aliquot auf die laufenden und sonstigen Bezüge aufgeteilt wurden. Der Familienbonus Plus für die Kinder ***Kind1*** und ***Kind2*** wurde mit folgender Begründung nicht gewährt: "Der Familienbonus Plus steht gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur für ein Kind zu, für das Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich gewährt wird oder dem Grunde nach zusteht.
In Ihrem Fall besteht für Ihre Kinder in Österreich kein Anspruch auf die Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung):
Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in der ab gültigen Fassung regelt, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet ist. Vorrangig muss grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.
Sind die Elternteile in verschiedenen Mitgliedstaaten erwerbstätig, trifft die vorrangige Verpflichtung zur Gewährung der Familienleistungen jenen Mitgliedsstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen.
Sind die Familienleistungen im anderen Mitgliedsstaat höher, besteht dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Unterschiedsbetrages (Artikel 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004). Wird in jenem Mitgliedstaat, der vorrangig zur Gewährung von Familienleistungen verpflichtet ist, kein Antrag gestellt, so kann der andere Mitgliedsstaat dennoch jene Leistungen, die bei Antragstellung gewährt worden wären, bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages berücksichtigen.
Der Familienwohnsitz (Kindesmutter und Kind/er) befindet sich in Deutschland. Sie sind in Deutschland beschäftigt. Es wird somit weder von der Kindesmutter noch von Ihnen eine Beschäftigung in Österreich ausgeübt.
Der Familienbonus plus kann für Ihre in Deutschland lebende Kinder daher nicht berücksichtigt werden
."

Im Vorlageantrag vom wurde vorgebracht, dass auf die Begründung der Beschwerde nicht eingegangen worden sei. Es habe den Anschein, als hätte der Bearbeiter keine Kenntnis von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes. Er habe nur die Standardbegründung eingegeben und den Familienbonus nicht gewährt. Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100069/2021, zu der gleich gelagerten Steuersituation betreffend Familienbonus sei vom Verwaltungsgerichtshof am , Ra 2021/15/0067, bestätigt worden und sei daher geltendes Recht. Das Finanzamt könne sich über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen. Es werde daher beantragt, den Familienbonus für die in Deutschland lebenden Kinder für das Jahr 2021 zu gewähren. Weiters müsste das Finanzamt für 2019 und 2020 die Einkommensteuerbescheide hinsichtlich des nicht gewährten Familienbonus berichtigen.

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerdesache dem Bundesfinanzgericht vor. Ergänzend zur Begründung der Beschwerdevorentscheidung wurde darauf hingewiesen, dass gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100220/2022, Revision eingebracht worden sei. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2021/15/0067, beziehe sich nur auf Gewährung des Familienbonus Plus ohne "Antrag" auf Familienbeihilfe, jedoch nicht auf die Gewährung des Familienbonus Plus ohne Anspruch auf Familienbeihilfe dem Grunde nach.

Mit Schreiben vom legte das Bundesfinanzgericht die gesetzlichen Regelungen dar und verwies auf die Entscheidungen des , , RV/7100274/2022 und , RV/5100220/2022, sowie des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2021/15/0067.
Danach könne die Zuerkennung des Familienbonus Plus für die beiden älteren in Deutschland lebenden Kinder des Beschwerdeführers nicht deshalb verweigert werden, weil der Beschwerdeführer keine Erwerbstätigkeit in Österreich ausübt.
Sollten nach Ansicht des Finanzamtes dennoch Gründe vorliegen, die gegen eine Berücksichtigung des strittigen Familienbonus Plus sprechen, mögen diese binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens bekannt gegeben werden.

Mit Schreiben vom nahm das Finanzamt wie folgt Stellung:
"Die vom Bundesfinanzgericht Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes , bezieht sich nur auf die Gewährung des Familienbonus Plus ohne "Antrag" auf Familienbeihilfe, jedoch nicht auf die Gewährung des Familienbonus Plus ohne Anspruch auf Familienbeihilfe dem Grunde nach. Um dies zu klären wurde gegen die Entscheidung des Revision eingebracht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ra 2021/15/0067 festgehalten, dass es aus der Sicht des Familienbonus plus keinen Unterschied machen kann, ob sich noch eine (geringfügige) Ausgleichzahlung iSd § 4 Abs. 2 FLAG ergibt oder ob die Ausgleichzahlung wegen der Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe bloß Null beträgt. Der Familienbonus Plus sei auch dann zu gewähren, wenn kein Antrag auf Familienbeihilfe bzw. auf eine Ausgleichszahlung iSd § 4 Abs. 2 FLAG 1967 gestellt wurde, aber alle inhaltlichen Anspruchsvoraussetzungen für einen Familienbeihilfen- bzw. Ausgleichsanspruch erfüllt sind.
Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zielt alleinig auf die Beschäftigung ab und regelt, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet ist. Vorrangig muss grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Sind die Elternteile in verschiedenen Mitgliedstaaten erwerbstätig, trifft die vorrangige Verpflichtung zur Gewährung der Familienleistungen jenen Mitgliedsstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen. Sind die Familienleistungen im anderen Mitgliedsstaat höher, besteht dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Unterschiedsbetrages (Artikel 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004). Wird in jenem Mitgliedstaat, der vorrangig zur Gewährung von Familienleistungen verpflichtet ist, kein Antrag gestellt, so kann der andere Mitgliedsstaat dennoch jene Leistungen, die bei Antragstellung gewährt worden wären, bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages berücksichtigen.
Gemäß Art. 11 Abs 3 lit. c VO 883/2004 gelten die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates, also jenes Staates, in welchem eine selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt wird, und zwar auch dann, wenn die Person im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt (Beschäftigungsland).
Unstrittig übte im gegenständlichen Fall der Kindesvater seine Erwerbstätigkeit in Deutschland aus (Beschäftigungslandprinzip). Daher unterliegt er auch den deutschen Rechtsvorschriften, unabhängig davon, ob er in Österreich veranlagt wird.
Bezüglich der "Familienleistungen/Familienbeihilfen" (Art. 4 Abs 1 lit. h der VO) an Grenzgänger ist die VO-Bestimmung des Art. 13 Abs 2 lit. a von grundlegender Tragweite. Danach unterliegen natürliche Personen, die im Gebiet eines Mitgliedsstaates in einem Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt sind, in Familienleistungsansprüchen den Rechtsvorschriften dieses Staates; und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates hat "Beschäftigungslandprinzip") (vgl. Holzapfel in SWI Heft-Nr 10/2001, 426).
Ausschlaggebend für die Beurteilung des Familienbeihilfenanspruches ist somit der Ort der Beschäftigung. Auch die Kindesmutter übt eine Beschäftigung in Deutschland aus und unterliegt somit den deutschen Rechtsvorschriften. Weiters befindet sich auch der Wohnsitz der Kinder in Deutschland, womit wiederum alleinig Deutschland für die Auszahlung der Familienleistungen zuständig ist. Da somit kein grenzüberschreitender Sachverhalt zwischen Österreich und Deutschland vorliegt, steht schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Ausgleichs- oder Differenzzahlung in Österreich zu. Das Familienlastenausgleichsprinzip stellt auf das Beschäftigungslandprinzip ab, das in diesem Fall eindeutig in Deutschland liegt.
Da auch zur Entscheidung des (komplett gleichgelagerter Fall) eine Revision an den VwGH eingebracht wurde, wird beantragt, diese Entscheidung vom Verwaltungsgerichtshof abzuwarten und erst anschließend zu entscheiden."

Nach einem entsprechenden Vorhalteverfahren setzte das Bundesfinanzgericht die Entscheidung in der gegenständlichen Beschwerdesache bis zur Beendigung des beim Verwaltungsgerichtshof zur GZ Ra 2022/15/0079 anhängigen Verfahrens aus.

Mit Erkenntnis vom , Ra 2022/15/0079, hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100220/2022, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Das Bundesfinanzgericht habe nicht festgestellt, ob alle gesetzlichen Voraussetzungen für einen Familienbeihilfen- bzw. Ausgleichsanspruch (§§ 2 ff FLAG 1967) erfüllt seien.

Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer zum wiederholten Male zur Vervollständigung des Sachverhalts ersucht, bekanntzugeben und die entsprechenden Beweismittel vorzulegen, ob die Mutter der in Deutschland lebenden Kinder ***Kind1*** und ***Kind2*** in Deutschland für diese Kinder Familienbeihilfe beantragt bzw. bewilligt bekommen habe sowie ob die Ausgleichszahlung der Familienbeihilfe beantragt/bewilligt/ abgelehnt worden sei.

Dieses Schreiben wurde nicht beantwortet, worauf der steuerliche Vertreter infolge einer telefonischen Urgenz bekanntgab, dass die Kindesmutter nicht kooperativ sei und die Bestätigung betreffend Familienbeihilfe nicht aushändigen würde.

Schließlich gab das Finanzamt per Email vom bekannt, dass es eine telefonische Auskunft der Familienkasse Bayern Süd über den Kindergeldbezug der Mutter erhalten habe. Danach habe die Kindesmutter ***KM*** für ***Kind1*** und ***Kind2*** im Kalenderjahr 2021 pro Kind Kindergeld in Höhe von 219,00 € monatlich erhalten.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Strittig ist gegenständlich, ob für die beiden in Deutschland lebenden Kinder des Beschwerdeführers ***Kind1*** und ***Kind2*** diesem jeweils der Familienbonus Plus zusteht. Für die Beurteilung dieser Frage ist folgender Sachverhalt entscheidungsrelevant:
Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz in ***Bf1-Adr***, und arbeitet in Deutschland. Aus dieser Tätigkeit als Grenzgänger bezog er im Veranlagungsjahr 2021 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ohne Steuerabzug in Höhe von 48.987,96 €.
Der Beschwerdeführer hat insgesamt vier Kinder, die beiden älteren Kinder leben in Deutschland bei ihrer Mutter:

  1. ***Kind1***, geb. am ***Gebdatum1***

  2. ***Kind2***, geb. am ***Gebdatum2***

  3. ***Kind3***, geb. am ***Gebdatum3***

  4. ***Kind4***, geb. am ***Gebdatum4***

Der Beschwerdeführer hat für alle Monate im Streitjahr Anspruch auf den Unterhaltsabsetzbetrag für ***Kind1*** und ***Kind2***. Dieser Anspruch ist unstrittig. Die Höhe des Unterhaltsabsetzbetrages wurde bereits im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung von Amts wegen infolge des , korrigiert und wurde dem Beschwerdeführer ein Unterhaltsabsetzbetrag von insgesamt 876,00 € gewährt (vgl. BVE vom ).

Die Kindesmutter ***KM*** hat im beschwerdegegenständlichen Zeitraum für ***Kind1*** und ***Kind2*** in Deutschland Kindergeld bezogen.

Eine Beantragung des Familienbonus Plus durch die Kindesmutter ist aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

2. Beweiswürdigung

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung sowie den Ermittlungen des Finanzamtes bei der Familienkasse Bayern Süd, und ist nicht strittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Auf Grund seines Wohnsitzes in Österreich unterliegt der Beschwerdeführer gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 grundsätzlich mit allen in- und ausländischen Einkünften in Österreich der Einkommensteuer. Zu diesen Einkünften gehören auch solche aus nichtselbständiger Arbeit.

Aufgrund des Art. 15 Abs. 6 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland verbleibt Österreich für in Österreich wohnende Grenzgänger das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn aus deren Tätigkeit in Deutschland.

Der Beschwerdeführer unterliegt mit seinen in Deutschland als Grenzgänger erzielten nichtselbständigen Einkünften daher der Einkommensteuer in Österreich und somit den österreichischen Rechtsvorschriften. (vgl. )

§ 33 Abs. 2 EStG 1988 in der für das Veranlagungsjahr 2021 anzuwendenden Fassung lautet:
Von dem sich nach Abs. 1 ergebenden Betrag sind Absetzbeträge in folgender Reihenfolge abzuziehen:
1. Der Familienbonus Plus gemäß Abs. 3a; der Familienbonus Plus ist insoweit nicht abzuziehen, als er jene Steuer übersteigt, die auf das gemäß Abs. 1 zu versteuernde Einkommen entfällt.
2. Die Absetzbeträge nach Abs. 4 bis 6.

§ 33 Abs. 3a EStG 1988 in der für das Veranlagungsjahr 2021 anzuwendenden Fassung lautet:
"Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:
1. Der Familienbonus Plus beträgt
a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro,
b) nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 41,68 Euro.
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 2 Z 4, BGBl. I Nr. 135/2022)
3. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:
a) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder
- beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.
b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder
- beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.
Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu."

§ 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 in der für das Veranlagungsjahr 2021 anzuwendenden Fassung lautet:
"Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, steht ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 Euro monatlich zu. Dabei gilt:
a) Der Unterhaltsabsetzbetrag steht zu, wenn das Kind nicht dem Haushalt des Steuerpflichtigen zugehört (§ 2 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und weder ihm noch seinem von ihm nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe für das Kind gewährt wird.
b) Leistet ein Steuerpflichtiger für mehr als ein nicht haushaltszugehöriges Kind den gesetzlichen Unterhalt, steht für das zweite Kind ein Absetzbetrag von 43,90 Euro und für jedes weitere Kind ein Absetzbetrag von jeweils 58,40 Euro monatlich zu.
c) Erfüllen mehrere Personen in Bezug auf ein Kind die Voraussetzungen für den Unterhaltsabsetzbetrag, steht der Absetzbetrag nur einmal zu.
d) Wird die Unterhaltsverpflichtung im Kalenderjahr nicht zur Gänze erfüllt, steht der Unterhaltsabsetzbetrag nur für jene Monate zu, für die rechnerisch die volle Unterhaltsleistung erfüllt wurde, wobei vorrangig die zeitlich am weitesten zurückliegende Unterhaltsverpflichtung getilgt wird.
e) Nachzahlungen von gesetzlichen Unterhaltsleistungen sind ausschließlich im Kalenderjahr der Zahlung zu berücksichtigen."

Dass dem Beschwerdeführer der Alleinverdienerabsetzbetrag und der Familienbonus Plus jeweils für seine beiden in Österreich lebenden Kinder zusteht, ist unbestritten.

Ebenso unbestritten ist, dass ihm für seine beiden in Deutschland lebenden Kinder jeweils der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht. Aufgrund der zur Gänze geleisteten Unterhaltszahlungen anerkannte das Finanzamt im angefochtenen Einkommensteuerbescheid den Unterhaltsabsetzbetrag jeweils für volle zwölf Monate. Obwohl in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung auf den indexierten Unterhaltsabsetzbetrag verwiesen wurde, wurde in der Beschwerdevorentscheidung korrekt die für Österreich geltenden (höheren) Beträge anerkannt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
29,2 x 12 für ***Kind1***
350,40 €
43,8 x 12 für ***Kind2***
525,60 €
für beide Kinder
876,00 €

Ungeachtet der Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100068/2021, und des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2021/15/0067, verweist das Finanzamt (zuletzt in der Stellungnahme vom ) darauf, dass für die beiden in Deutschland lebenden Kinder kein Anspruch auf Familienbeihilfe bzw. auf Ausgleichs- oder Differenzzahlung in Österreich bestehe, weil weder vom Beschwerdeführer noch von der Kindesmutter in Österreich eine Beschäftigung ausgeübt wird.

Im zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgesprochen:
"Im Falle eines Anspruchs auf eine der Familienbeihilfe vergleichbare ausländische Beihilfe besteht gemäß § 4 FLAG kein Anspruch auf Familienbeihilfe (Abs. 1) oder nur ein verminderter Anspruch im Ausmaß einer Ausgleichszahlung (Unterschiedsbetrag zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der höheren Familienbeihilfe, vgl. Abs. 2 bis 7). In solchen - in § 33 Abs. 3a EStG 1988 nicht ausdrücklich geregelten - Fällen, in denen also (teilweise) an Stelle der Familienbeihilfe eine gleichartige ausländische Beihilfe iSd § 4 FLAG gewährt wird, ist in gleicher Weise die in § 33 Abs. 3a erster Satz EStG 1988 normierte Voraussetzung der "Beihilfengewährung" erfüllt (vgl. Mayr/Gensluckner in Doralt et al, EStG22, § 33 Tz 34/2). Gemäß § 4 Abs. 6 FLAG gilt die Ausgleichszahlung als Familienbeihilfe. Aus der Sicht des Familienbonus plus kann es keinen Unterschied machen, ob sich noch eine (geringfügige) Ausgleichzahlung iSd § 4 Abs. 2 FLAG ergibt oder ob die Ausgleichzahlung wegen der Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe bloß Null beträgt." ….. "Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs können, wenn die in Rede stehende Differenzzahlung iSd § 4 Abs. 2 ff FLAG "betragsmäßig Null" ist, Antragstellende auf Familienbonus Plus jedenfalls (subsidiär) auch in ihrem Einkommensteuerverfahren nachweisen, dass alle inhaltlichen Voraussetzungen für einen Familienbeihilfen- bzw. Ausgleichsanspruch erfüllt sind. Gemäß § 13 zweiter Satz FLAG ist im Familienbeihilfenverfahren ein Bescheid dann zu erlassen, wenn dem Beihilfenantrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist."

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Mutter der Kinder ***Kind1*** und ***Kind2*** des Beschwerdeführers in Deutschland im Jahr 2021 durchgehend das deutsche Kindergeld bezogen hat. Beim deutschen Kindergeld handelt es sich um eine der österreichischen Familienbeihilfe gleichartige ausländische Beihilfe, welche ebenfalls die grundlegende Versorgung von Kindern bis zum 18. Geburtstag sicherstellen soll.

Daraus folgt im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 Abs. 3a erster Satz EStG 1988 insofern erfüllt sind, als die Anspruchsvoraussetzungen in Form der Beihilfengewährung im gegenständlichen Fall entgegen den Ausführungen des Finanzamts Österreich im bekämpften Bescheid gegeben sind. Dem Beschwerdeführer steht daher gem. § 33 Abs. 3a EStG 1988 der Familienbonus Plus auch für seine beiden in Deutschland lebenden Kinder zu. (vgl. auch )

Dass die Mutter der beiden in Deutschland lebenden Kinder einen Antrag auf Berücksichtigung des Familienbonus Plus gestellt hätte, wurde vom Finanzamt nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus der Aktenlage. Dem Beschwerdeführer steht der Unterhaltsabsetzbetrag für ***Kind1*** und ***Kind2*** daher jeweils in voller Höhe zu.

Es wäre unsachlich, dem in Österreich wohnenden und in Österreich Einkommensteuer zahlenden Beschwerdeführer die diese Steuer mindernde Berücksichtigung des Familienbonus Plus für seine beiden in Deutschland lebenden Kinder, für die er Unterhalt zahlt, bei Nichtbeanspruchung dieser Begünstigung durch die Kindesmutter, nicht zu gewähren.

Sohin steht dem Beschwerdeführer der Familienbonus Plus für das Jahr 2021 für die Kinder ***Kind1*** und ***Kind2*** nach zu.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Berechnung der Einkommensteuer 2021
Beträge in Euro
Einkommen lt. BVE
37.843,14
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge lt. BVE
8.824,12
Familienbonus Plus (bisher 3.000,000)
  1. 6.000,00
Alleinverdienerabsetzbetrag (unverändert)
  1. 669,00
Unterhaltsabsetzbetrag lt. BVE
  1. 876,00
Verkehrsabsetzbetrag (unverändert)
  1. 400,00
Pendlereuro (unverändert)
  1. 32,00
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
  • 847,12
Steuer für sonstige Bezüge (lt. BVE)
  • 240,68
  • 0,20
Festgesetzte Einkommensteuer
  • 1.088,00
(bisher: bekämpfter Bescheid 4.276,00; BVE 4.088,00)

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die strittige Rechtsfrage wird im Einklang mit , gelöst. Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100548.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at