Zurückweisung eines Vorlageantrages wegen Fristversäumnis
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Oktober 2021 bis September 2022 beschlossen:
Der Vorlageantrag vom wird gemäß § 264 Abs. 4 iVm § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Verfahrensablauf:
Mit Bescheid vom wurden Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für das Kind ***1*** für den Zeitraum Oktober 2021 bis September 2022 zurückgefordert.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin (Bf.) am Beschwerde.
Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Diese wurde am von der Bf. am zuständigen Postamt abgeholt.
Mit Postaufgabedatum übermittelte die Bf. einen Vorlageantrag samt Beilagen an die belangte Behörde.
Im Vorlagebericht vom verwies die belangte Behörde darauf, dass der Vorlageantrag verspätet eingebracht worden sei.
Das Bundesfinanzgericht bot der Bf. mit Vorhalt vom die Möglichkeit, zum Vorwurf der verspäteten Einbringung des Vorlageantrages gem. § 264 Abs. 1 BAO i.V.m. Abs. 4 lit.a und e sowie § 108 Abs. 2 BAO Stellung zu nehmen.
Folgendes Schreiben ging am beim Bundesfinanzgericht ein:
"Ihr Schreiben wurde mir am als Rückscheinbrief in den Briefkasten hinterlegt, da ich zudiesem Zeitpunkt nicht persönlich anwesend war. Ich konnte aus persönlichen, wichtigen Gründen den Brief erst am abholen. Dies habe ich auch in meinem Vorlageantrag ausgeführt.
Ich war von bis zum bei meiner Schwester, die aufgrund von Krankheit meineUnterstützung gebraucht hat. Mein Ehemann konnte wiederrum aufgrund seiner eigenen schlechten gesundheitlichen Verfassung die Abholung in Vertretung nicht tätigen. Die Verfassung meines Ehemannes, ist im Verfahren erklärt. Da er selber den Postkasten nicht nach Inhalt überprüft hat, war es mein minderjähriger Sohn, der den Bescheid am herausholte. Er selber war ebenfalls nicht in der Lage das Schreiben abzuholen. Am 1. Tag nach den Feiertagen holte ich sogleich denBescheid am ab.
§ 71 Abs 1 AVG sieht vor, dass gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen ist, wenn (Z 1) die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder (Z 2) die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung,keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
Ich stelle somit einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, da ich durch das
Versäumen der Rechtsmittelfrist betreffend die Familienbeihilfen-Rückforderung einen Rechtsnachteil erleide. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist in meinem Fall zulässig, da das Ereignis, welches zur Fristversäumnis führte, für mich unvorhersehbar war und mich daher kein oder nur ein geringfügiges Verschulden trifft. Folgendes hat sich zugetragen.
Die neue ständige Rechtsprechung betrachtet jedes Geschehen, insbesondere auch psychische Vorgänge, wie Vergessen, Verschreiben, Irrtum, auch unrichtige rechtliche Beurteilung der Rechtslage bzw. Rechtsirrtum oder Unkenntnis der Rechtslage als relevantes Ereignis im Zusammenhang mit derWiedereinsetzung in den vorigen Stand (; Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, 10. Auflage, 2014, Rz 629).
Abschließend stelle ich daher folgende Anträge: Meiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben und gleichzeitig meinen Vorlageantrag zuzulassen.
In eventu: Das Verfahren von Amts wegen wieder aufzunehmen und über meinen
Vorlageantrag zu entscheiden.- Falls nicht alle zu meinen Lasten gehenden Rechtswidrigkeiten im angefochtenen Bescheid in der Beschwerde geltend gemacht wurden, diese amtswegig aufzugreifen bzw. mir allenfalls einen Verbesserungsauftrag zu erteilen.- Bis zur inhaltlichen Entscheidung über die Rechtsfrage den Rückforderungsbetrag auszusetzen."
Die Bf. wurde daraufhin mit Schreiben des Bundesfinanzgerichtes vom darauf aufmerksam gemacht, dass der gegenständliche Rückschein betr. Übernahme der Beschwerdevorentscheidung am aktenkundig sei und auch auf diesem eindeutig die Übernahme durch sie mit Ihrer Unterschrift bestätigt worden sei. Der Bf. wurde eine Kopie dieses Rückscheines übermittelt.
Die Bf. erwiderte darauf mit Schreiben vom u.a. folgendes:
……………………..
Wir haben zunächst einen Brief vom Finanzamt erhalten, der uns eine Frist von einem Monat
zur Beantwortung einräumte, den ich am abholte, der für die ersten Tage
ungeöffnet blieb. Erst beim Öffnen dieses Briefes, sahen wir, dass es mit äußerster
Dringlichkeit versehen war, da bei Nichtbeantwortung innerhalb dieser Frist ernsthafte
Folgen drohten. In dem Zeitraum haben wir einen 2ten Brief erhalten, ebenfalls vom
Finanzamt, bzgl demselben Fall, selber GZ Nummer, selbes Layout etc. den wir am
abholten, der ebenfalls eine 4 Wochenfrist hatte.
Ich muss Ihnen mitteilen, dass ich in diesem Zeitraum aufgrund gesundheitlicher Gründe und
der Krankheit meiner Schwester, auf die ich mich spontan in diesem Zeitraum konzentrieren
musste, die notwendige Aufmerksamkeit vernachlässigen musste. Die gesundheitlichen
Probleme von mir und meinem Mann, sind in den vorherigen Briefen mitenthalten (Ärztliche
Befunde). Dies hat zu einer Situation geführt, in der wichtige Dokumente "unbeachtet"
blieben und wir bedauern zutiefst die daraus resultierenden Konsequenz. Beim Antworten
wurden die Fristen der 2 Briefe verwechselt, da auf den tatsächlichen Brief, die Frist bis zum
15.1 war, es dadurch der 27.1 wurde und ich davon mit der Antwort ausginge. Auf das
wichtigste Detail wurde da leider nicht geachtet. Der 2te Brief hatte meiner Seite her nämlich
keine Antwort erfordert, nur wenn ich musste.
In diesem Zusammenhang verwies sie darauf, dass auch dem Finanzamt unlängst ein Fehler bezügl. Pfändung ihres Kontos unterlaufen sei, der auf ihr Engagement hin behoben werden habe können.
Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
Die Beschwerde vom wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Diese wurde am von der Bf. am zuständigen Postamt abgeholt.
Mit Postaufgabedatum übermittelte die Bf. einen Vorlageantrag samt Beilagen an die belangte Behörde.
Nach Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht stellte die Bf. im Schreiben vom einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der First zur Stellung eines Vorlageantrages.
Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt sowie weitere Ermittlungen durch das Bundesfinanzgericht.
Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 264 Abs. 1 erster Satz Bundesabgabenordnung (BAO) kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).
Gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO ist § 260 Abs. 1 BAO sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO ist eine Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung der Abgabenbehörde (§ 262 BAO) oder mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.
Gemäß § 264 Abs. 5 BAO obliegt die Zurückweisung nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge dem Verwaltungsgericht.
Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind.
Gemäß § 97 Abs 1 lit. a BAO erfolgt die Bekanntgabe bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.
Beschwerden und Vorlageanträge sind fristgerecht, wenn sie spätestens am letzten Tag der Frist eingebracht werden.
Wie die Bf. in ihrem Schreiben an das Bundesfinanzgericht vom , eingelangt am , selbst bestätigt, wurde die Beschwerdevorentscheidung vom von ihr am übernommen und gilt daher als an diesem Tag zugestellt. Die vierwöchige Frist zur Stellung eines Vorlageantrages begann daher mit dem zu laufen und endete am . Der nachweislich am zur Post gegebenen Vorlageantrag ist daher verspätet und daher gem. § 264 Abs. 4 iVm § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückzuweisen.
Die von der Bf. im Schreiben vom und vom vorgebrachten Argumente, wonach es zu einer Verwechslung von Beschwerdevorentscheidung und einem anderen am zugestellten Schriftstück der belangten Behörde gekommen sein soll, wird Gegenstand des vom Finanzamt Österreich zu entscheidenden Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sein. Gem. Ritz in BAO, Kommentar, 7. Aufl. , Rz 25 zu § 308 kann der die Vorlageantragsfrist betreffender Wiedereinsetzungsantrag auch beim Verwaltungsgericht eingebracht werden, zur Erledigung ist jedoch die Abgabenbehörde zuständig.
Der bis dato unerledigte Wiedereinsetzungsantrag steht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Zurückweisung des Vorlageantrages im Übrigen nicht entgegen (vgl zB , verstärkter Senat; , 92/04/0280; , 2005/16/0039; , 2009/13/0156; , 2013/21/0240).
Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Hinweis: Im Falle einer stattgebenden Erledigung des offenen Wiedereinsetzungsantrages durch das Finanzamt tritt der gegenständliche Zurückweisungsbeschluss außer Kraft.
Anzumerken ist: Das Finanzamt Österreich wird gem. § 308 BAO zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für die Stattgabe des Antrages auf Wiedereinsetzung vorliegen, widrigenfalls diesen abzuweisen haben.
Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Verschuldens handelt.
Der Begriff des "minderen Grads des Versehens" iSd § 308 Abs. 1 BAO ist leichter Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB gleichzusetzen. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt.
Welches angeblich weitere Schreiben des Finanzamtes, das am abgeholt worden sein soll, Anlass zur Verwechslung gewesen sein könnte, wird im Zuge der Bearbeitung des Wiedereinsetzungsantrages zu prüfen sein. Wenn die Bf. vermeint, das Verwechseln dieser beiden Schreiben, wobei jenes vom keine Frist zur Beantwortung enthalten haben soll, würde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen, so ist auf die Ausführungen in Ritz/Koran, BAO7, § 308, Rz 9 ff und der dort angeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu verweisen, wonach ein Ereignis dann unvorhergesehen ist, wenn die Partei es nicht einberechnet hat und den Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte.
Die Bf. verweist in diesem Zusammenhang auf ihren Gesundheitszustand sowie den ihres Mannes und ihrer Schwester.
Dass ihr eigener Gesundheitszustand sowie der ihres Mannes sie gehindert hätte, die Rechtsmittelfrist einzuhalten lässt sich aus dem Sachverhalt jedoch nicht erkennen, war es ihr ja auch möglich am persönlich ein Schriftstück abzuholen, sowie, wie sie selbst vorbringt, ihre kranke Schwester in deren Haushalt zu betreuen. Weiteres bringt sie selbst vor, am , also zumind. drei Wochen vor Ablauf der Rechtsmittelfrist, nach Hause zurückgekehrt zu sein. Ein "ungeöffnetes Liegenlassen" eines behördlichen Schriftstückes kann jedenfalls nicht als minderer Grad des Versehens gewertet werden.
Beilagen für die belangte Behörde:
Schreiben der Bf. vom und vom
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor; die Vorlageantragsfrist sowie die Rechtsfolge der Überschreitung ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz. Zur Rechtsfrage, ob der Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet ein unerledigter Wiedereinsetzungsantrag entgegensteht, liegt die angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor. Die ordentliche Revision ist daher unzulässig.
SAMT BEILAGEN
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100837.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at