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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.04.2024, RV/7101282/2017

Haftung gemäß § 9 BAO (liquide Mittel von dritter Seite, kein Gleichbehandlungsnachweis)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag.Dr. Katrin Allram in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid abgeändert. Der Haftungsbetrag für die Umsatzsteuer 2011 wird um Euro 107,35 reduziert, sodass der Haftungsbetrag für die Umsatzsteuer 2011, 2012, 2013, 2/2014 und 3/2014 insgesamt Euro 22.497,71 beträgt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Streit besteht im gegenständlichen Fall darüber, ob der Beschwerdeführer (Bf.) infolge der Insolvenz der ***GmbH*** (Primärschuldnerin) als ehemaliger Geschäftsführer für die aushaftenden Abgabenschulden zur Haftung herangezogen werden kann.

Mit Schreiben vom ersuchte die belangte Behörde den Bf., Angaben zu den Abgabenrückständen der ***GmbH*** zu machen sowie einen Fragebogen zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zu beantworten.

Im Antwortschreiben vom bestritt der Bf. die Haftung als ehemaliger Geschäftsführer und verwies auf das laufende Betriebsprüfungsverfahren sowie auf die Annahme einer Quote von 20% im Insolvenzverfahren, weshalb infolge Akzessorietät keine Haftung des Bf. bestehe.

Mit Haftungsbescheid vom wurde der Bf. als ehemaliger Geschäftsführer für die aushaftende Abgabenschuld der ***GmbH*** in Höhe von Euro 22.605,06 in Anspruch genommen.

Dagegen erhob der Bf. mit Eingabe vom Beschwerde und brachte vor, dass betreffend die Gesellschaft das Insolvenzverfahren mit einer Zwangsausgleichsquote von 20% abgeführt wurde. Da die Steuerschuld der Gesellschaft erloschen sei, sei auch eine Haftung des Geschäftsführers infolge Akzessorietät nicht möglich. Liquide Mittel seien unter den Gläubigern anteilig verwendet worden und so habe es im Insolvenzverfahren keine Anfechtungstatbestände gegeben. Den Bf. treffe kein Verschulden. Der Bf. beantragte überdies die Beischaffung des Konkursaktes der GmbH.

Mit Schreiben vom forderte die belangte Behörde den Bf. zur Behebung von Mängeln in der Beschwerde auf. Der Bf. wurde aufgefordert, Nachweise zur Verwertung der liquiden Mittel durch die Gesellschaft und eine Aufstellung über die anteilige Aufteilung der Mittel an die Gläubiger vorzulegen.

Der Bf. antwortete nicht auf das Schreiben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus, dass ein Zwangsausgleich des Primärschuldners der Haftung für die die Ausgleichsquote übersteigenden Abgabenschulden nicht entgegenstehe. Der Nachweis einer gleichmäßigen Verteilung liege in der Verpflichtung des Bf. und sei trotz Aufforderung bislang nicht erfolgt.

Mit Eingabe vom beantragte der Bf. die Beschwerdevorlage an das Bundesfinanzgericht. Es seien alle Obligos der GmbH, die im Sanierungs- bzw. Konkursvefahren angemeldet wurden, durch Drittzahlung im Ausmaß der Quote erledigt worden. Die Gesellschaft habe selbst keine Mittel aufgewendet. Eines Nachweises über die Gleichbehandlung aller Gläubiger durch die Vorlage einer Berechnung bedürfe es nicht. Zusätzlich beantragte der Bf. die Einvernahme des ehemaligen Insolvenzverwalters.

Mit Vorlagebericht vom erfolgte die Vorlage der Beschwerde samt Verwaltungsakt an das Bundesfinanzgericht.

Mit Vorhalt vom ersuchte das Bundesfinanzgericht den Bf., einen Gleichbehandlungsnachweis bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitstage der haftungsgegenständlichen Umsatzsteuer nachzureichen.

Nach Fristverlängerung übermittelte der Bf. am eine Stellungnahme zum Vorhalt. Darin brachte er vor, dass die Gesellschaft bereits im Jahr 2011 keine liquiden Mittel mehr gehabt habe, weshalb eine Gläubigerungleichbehandlung nicht vorliege. Für Zahlungen an die Gläubiger der Gesellschaft seien Mittel der Gesellschafter oder von dritter Seite verwendet worden.

Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die gegenständliche Beschwerdesache mit Stichtag der GA 1017 zur Entscheidung zugeteilt.

In der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom wurde der Bf. nochmals darauf hingewiesen, dass der Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger dem Vertreter obliegt, und ihm die Möglichkeit zu einer ergänzenden Stellungnahme gegeben. Die Ladung enthielt außerdem den Hinweis, dass das Fernbleiben des Bf. der Durchführung der Verhandlung nicht entgegensteht. Die Ladung wurde dem Bf. ordnungsgemäß zugestellt.

Am fand die beantragte mündliche Verhandlung statt, zu der der Bf. unentschuldigt nicht erschienen ist. Es wurde in Abwesenheit des Bf. mit der belangten Behörde die Sache erörtert und festgehalten, dass Zahlungen von dritter Seite in Höhe von Euro 107,35 betreffend Umsatzsteuer 2011 geleistet wurden. Daraufhin beantragte die belangte Behörde die teilweise Stattgabe unter Berücksichtigung der Zahlungen von dritter Seite. Es erging der Beschluss, dass die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten bleibt.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. war von bis zum Geschäftsführer der Primärschuldnerin.

Mit Beschluss des ***Gericht*** vom wurde über die Primärschuldnerin das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Mit Beschluss vom wurde die Bezeichnung von Sanierungs- auf Konkursverfahren geändert. Mit Beschluss vom wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und der Konkurs aufgehoben.

Der Sanierungsplan wurde mit einer Quote von 20% bestätigt. Die Quote von 20% wurde an die Gläubiger entrichtet. 80% der aushaftenden Umsatzsteuerschuld sind uneinbringlich.

Mit Haftungsbescheid vom wurde der Bf. als ehemaliger Geschäftsführer für die aushaftende Abgabenschuld der Primärschuldnerin in Höhe von Euro 22.605,06 in Anspruch genommen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag
80%
Umsatzsteuer
2011
264,51
211,61
Umsatzsteuer
2012
4.331,02
3.464,82
Umsatzsteuer
2013
1.858,87
1.487,10
Umsatzsteuer
2/2014
1.627,50
1.302,00
Umsatzsteuer
3/2014
20.174,43
16.139,54
Summe
28.256,33
22.605,06

Jedenfalls wurden bis zum Überweisungen auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin geleistet.

Die Primärschuldnerin selbst hatte bereits im Jahr 2011 keine liquiden Mittel, um laufende Zahlungen zu leisten und Gläubiger zu befriedigen. Die liquiden Mittel wurden von den Gesellschaftern und von dritter Seite zur Verfügung gestellt. Der Bf. konnte über die liquiden Mittel verfügen und auf die Zahlungen Einfluss nehmen.

Der Bf. erbrachte keinen Nachweis über die gleichmäßige Verteilung der liquiden Mittel an die Gläubiger der Primärschuldnerin. Eine Feststellung über die Gleichbehandlung aller Gläubiger in Bezug auf die Verteilung der liquiden Mittel konnte nicht getroffen werden.

Am erfolgte durch eine weitere Person eine Zahlung in Höhe von Euro 53,68 und am in Höhe von Euro 53,67 auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin betreffend Umsatzsteuer 2011. Die Umsatzsteuer 2011 haftet daher in Höhe von Euro 104,26 aus.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, Abfragen aus dem Firmenbuch, Datenbankabfragen (Abgabenkonto der Primärschuldnerin) sowie ergänzende Ermittlungen durch das Bundesfinanzgericht (Ergänzungsvorhalte, mündliche Verhandlung).

Laut Angabe des Bf. wurden der Primärschuldnerin von den Gesellschaftern und von dritter Seite liquide Mittel zur Verfügung gestellt. Es gibt für das Bundesfinanzgericht keine Anhaltspunkte, diesen Umstand in Zweifel zu ziehen, und hat auch die belangte Behörde keine gegenteiligen Angaben gemacht. Weiters ist nicht hervorgekommen und wurde vom Bf. auch nicht behauptet, dass er über die liquiden Mittel nicht verfügen konnte und die Zahlungen an die Gläubiger nicht von ihm zu beeinflussen waren (etwa bei einer Drittschuldnerexekution). Das Vorbringen des Bf. beschränkt sich darauf, dass alle Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin und auch die Quotenzahlung im Insolvenzverfahren von dritter Seite bezahlt wurden. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse darf das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung davon ausgehen, dass die Zahlungen an die Gläubiger vom Bf. zu beeinflussen waren.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Die in den §§ 80 ff. Bundesabgabenordnung (BAO) bezeichneten Vertreter haften gemäß § 9 Abs. 1 BAO neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben gemäß § 80 Abs. 1 BAO alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

3.1.1. Zur Vertreterstellung

Der Bf. war im Zeitraum bis Geschäftsführer der Primärschuldnerin und damit zur Vertretung der GmbH berufen. Der Bf. kommt folglich grundsätzlich als Haftungsschuldner gemäß §§ 9 iVm 80 BAO in Betracht.

3.1.2. Zur Uneinbringlichkeit der vom Vertretenen geschuldeten Abgaben

Gegenüber der Primärschuldnerin bestehen Abgabenforderungen betreffend Umsatzsteuer für die Zeiträume 2011, 2012, 2013, 2/2014 und 3/2014.

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung (vgl. ). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (vgl. ). Die Einbringung einer möglichen Konkursquote vom Primärschuldner ist zu berücksichtigen (vgl. ).

Mit Beschluss vom wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und der Konkurs aufgehoben. Die Gläubiger erhielten eine Quote in Höhe von 20%. Damit stand fest, dass 80% der aushaftenden Umsatzsteuerschuld uneinbringlich sind. Die Uneinbringlichkeit stand folglich im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Bf. als Haftender mit Bescheid vom fest.

3.1.3. Zur schuldhaften Pflichtverletzung

Bei der Inanspruchnahme als Haftender nach § 9 BAO ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Bestimmungen relevant (vgl. ). Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter diese Pflicht getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre (vgl. ).

Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (vgl. ). Auf den Zeitpunkt der bescheidmäßigen Festsetzung der Selbstbemessungsabgabe kommt es für die Prüfung der Haftungsvoraussetzungen nicht an (vgl. ).

Die Umsatzsteuer für die Zeiträume 2011, 2012, 2013, 2/2014 und 3/2014 wurde zu ihren jeweiligen Fälligkeitstagen nicht entrichtet. Die Zahlungstermine (Fälligkeiten) der aushaftenden Umsatzsteuerschulden fallen alle in den Zeitraum der Vertreterstellung des Bf. Die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Bf. besteht darin, dass er die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Umsatzsteuern zu deren jeweiligen Fälligkeitstagen unterlassen hat.

Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform ist nicht gefordert (auch leichte Fahrlässigkeit, vgl. bspw ).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war. Nur der Vertreter wird in der Regel jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht (vgl. ).

Nach der ebenfalls ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haftet der Vertreter für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (vgl. ).

Mit Vorhalt der belangten Behörde vom wurde der Bf. aufgefordert, Angaben zu den Abgabenrückständen der Primärschuldnerin zu machen. Überdies wies die belangte Behörde in der Beschwerdevorentscheidung vom , der Vorhaltscharakter zukommt (vgl. ), unter Anführung der einschlägigen Rechtsprechung des VwGH darauf hin, dass der Nachweis der gleichmäßigen Verteilung der liquiden Mittel in der Verpflichtung des Bf. liegt. Ebenso forderte das Bundesfinanzgericht den Bf. mit Schreiben vom zur Erbringung eines Gleichbehandlungsnachweises auf. Schließlich wurde der Bf. in der Ladung vom nochmals darauf hingewiesen, dass es dem Bf. obliegt, einen Nachweis zur Gleichbehandlung aller Gläubiger der Primärschuldnerin zu erbringen.

Der Bf. machte in seinen Eingaben keinerlei Angaben dazu, weshalb ihm die Entrichtung der aushaftenden Umsatzsteuerbeträge zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten nicht möglich war. Die Angaben des Bf. beschränken sich im Wesentlichen auf den Hinweis der im Sanierungs- bzw. Konkursverfahren angenommenen Quote und darauf, dass die Gesellschaft selbst keine Mittel aufgewendet habe, um die Obligos zu bezahlen. Die Zahlungen stammten aus dem Gesellschaftervermögen bzw. von dritter Seite.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es betreffend die Beurteilung, ob eine Gleichbehandlung der Gläubiger erfolgte, auf die jeweiligen Fälligkeitstage der streitgegenständlichen Abgabenschulden und nicht auf die Gleichbehandlung im Insolvenzverfahren ankommt. Dass im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin eine Gleichbehandlung der Gläubiger stattgefunden hat, wird nicht in Zweifel gezogen und ist nicht entscheidungserheblich.

Es steht unstrittig fest, dass liquide Mittel vorhanden waren, da bis zum Überweisungen auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin geleistet wurden. Zum Vorbringen des Bf., wonach der Gesellschaft keine liquiden Mittel zur Verfügung standen und Zahlungen durch die Gesellschafter und von dritter Seite erfolgten, ist das Folgende auszuführen:

Leistet der Vertreter an Gläubiger des Abgabepflichtigen aus eigenen Mitteln in Erfüllung einer Verbindlichkeit des Vertreters gegenüber dem Abgabepflichtigen, so liegt darin eine Verfügung über Mittel des Abgabepflichtigen; dabei unterliegt er der Verpflichtung zur Gleichbehandlung des Abgabegläubigers. Aber auch dann, wenn er Mittel dem Abgabepflichtigen zur Verfügung stellt, ohne dadurch eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Abgabepflichtigen zu erfüllen, bewirkt dieses Zur-Verfügung-Stellen (auch bei Direktzahlung an den Gläubiger), dass es sich damit um Mittel des Abgabepflichtigen handelt; diese Mittel unterliegen der Gleichbehandlungspflicht.

Zahlt ein Dritter an einen Gläubiger des Abgabepflichtigen auf Anweisung des Vertreters des Abgabepflichtigen in Erfüllung einer Verbindlichkeit dieses Dritten gegenüber dem Abgabepflichtigen, so liegt in dieser Anweisung eine Verfügung des Vertreters über liquide Mittel des Abgabepflichtigen. Insoweit ist aber der Vertreter zur Gleichbehandlung des Abgabengläubigers verpflichtet; ein Verstoß gegen diese Verpflichtung führt zu seiner Haftung.

Gleiches gilt für den Fall, wenn der Geschäftsführer Kredite aufgenommen oder in anderer Weise Mittel beschafft. Die damit gewonnenen Mittel (unabhängig davon, ob diese formal in den Rechenkreis des Abgabepflichtigen aufgenommen werden) unterliegen der Verpflichtung zur Gleichbehandlung (vgl. zum Vorstehenden ausführlich ).

Nach dem in freier Beweiswürdigung festgestellten Sachverhalt konnte der Bf. über die liquiden Mittel verfügen und auf die Zahlungen Einfluss nehmen. Damit bestand aber eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Gläubiger in Bezug auf die vorhandenen liquiden Mittel. Trotz mehrfacher Aufforderung machte der Bf. keine Angaben zur gleichmäßigen Verteilung der vorhandenen liquiden Mittel auf die Gläubiger der Primärschuldnerin.

Vor diesem Hintergrund ist von einer schuldhaften Verletzung der den Bf. treffenden abgabenrechtlichen Pflichten auszugehen.

3.1.4. Zur Kausalität

Die Haftungsinanspruchnahme setzt eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. ).

In Hinblick auf die festgestellte schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. und mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist von der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit auszugehen.

3.1.5. Zum Ermessen

Die Haftungsinanspruchnahme liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben, müssen sich gemäß § 20 BAO in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl. ).

Da die streitgegenständliche Abgabenschuld bei der Primärschuldnerin nicht einbringlich ist, dient die Geltendmachung der Haftung dem öffentlichen Interesse an der Sicherung und Einbringung der Abgabenschulden. Demnach erscheint die Haftungsinanspruchnahme des Bf. als zweckmäßig.

Der Bf. bringt in diesem Zusammenhang vor, dass es unangemessen und unbillig sei, ihn mit diesen Obligos zu belasten, ohne dieses Vorbringen näher zu konkretisieren.

Für das Bundesfinanzgericht sind keine berechtigten Interessen des Bf. ersichtlich, die gegen die Haftungsinanspruchnahme sprechen würden. Insbesondere wurde die Haftung kurze Zeit nach Bekanntwerden der Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin geltend gemacht.

3.1.6. Zum Ausmaß der Haftung

Die Geltendmachung abgabenrechtlicher Haftungen setzt voraus, dass eine Abgabenschuld entstanden und noch nicht durch Entrichtung erloschen ist. Auch im Rechtsmittelverfahren ist zu berücksichtigen, ob die haftungsgegenständliche Abgabenschuld zwischenzeitig - allenfalls teilweise - durch andere Personen als den Haftungspflichtigen entrichtet wurde (vgl. ).

Da durch eine weitere Person insgesamt ein Betrag in Höhe von Euro 107,35 auf die streitgegenständliche Umsatzsteuerschuld für das Jahr 2011 entrichtet wurde, ist die Haftungsschuld in diesem Ausmaß zu reduzieren. Der aushaftende Umsatzsteuerbetrag für das Jahr 2011 beträgt daher Euro 104,26.

3.1.7. Zur Akzessorietät

Weiters bringt der Bf. vor, dass die Steuerschuld der Primärschuldnerin infolge Abschlusses des Sanierungsverfahrens und Auszahlung der Quote erloschen sei. Der Bf. könne daher nach dem Grundsatz der Akzessorietät nicht zur Haftung herangezogen werden.

Die Haftung des Geschäftsführers ist nur insofern akzessorisch, als sie das Bestehen eines Abgabenanspruches zur Zeit der Verwirklichung des die Haftung auslösenden Sachverhaltes voraussetzt. Ob ein Erlöschen der Schuld auch dem als Geschäftsführer Haftenden zugute kommt, ist hingegen nach dem Zweck der den Schulderlöschungsgrund beinhaltenden jeweiligen Vorschrift zu prüfen (vgl. ).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt der Ausgleich (auch der Zwangsausgleich) - nunmehr Sanierungsplan - des Primärschuldners keinen Grund für die Befreiung des Haftungspflichtigen dar, weshalb eine rechtskräftige Bestätigung des Ausgleiches des Primärschuldners der Geltendmachung der Haftung des Vertreters für die die Ausgleichsquote übersteigenden Abgabenschulden nicht entgegensteht (vgl. mwN).

Danach steht die Bestätigung des Sanierungsplans mit Beschluss vom der Inanspruchnahme des Bf. als Haftenden für die die Quote von 20% übersteigenden Umsatzsteuerschulden für die Zeiträume 2011, 2012, 2013, 2/2014 und 3/2014 nicht entgegen.

3.1.8. Zu den Einwendungen betreffend die Grundlagenbescheide

Außerdem bestreitet der Bf. die Richtigkeit der der Haftung zugrundeliegenden Abgabenbescheide.

Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann gemäß § 248 BAO unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen.

Wenn ein zur Haftung Herangezogener sowohl gegen die Geltendmachung der Haftung als auch gemäß § 248 BAO gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Beschwerde einbringt, ist zunächst nur über die Beschwerde gegen die Geltendmachung der Haftung zu entscheiden, weil sich erst aus dieser Entscheidung ergibt, ob eine Legitimation zur Beschwerde gegen den Abgabenanspruch überhaupt besteht. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen (vgl. ).

Demnach ist auf die Einwendungen, die sich gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung gegenüber der Primärschuldnerin richten, im gegenständlichen Verfahren betreffend die Haftungsinanspruchnahme des Bf. nicht einzugehen.

3.1.9. Zu den Beweisanträgen

Der Bf. beantragte, Beweis durch die Beischaffung des Insolvenzaktes der Primärschuldnerin sowie durch die Einvernahme des Insolvenzverwalters zu erheben.

Gemäß § 183 Abs. 3 BAO sind von den Parteien beantragte Beweise aufzunehmen, soweit nicht eine Beweiserhebung gemäß § 167 Abs. 1 BAO zu entfallen hat. Von der Aufnahme beantragter Beweise ist abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden oder unerheblich sind, wenn die Beweisaufnahme mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand verbunden wäre, es sei denn, dass die Partei sich zur Tragung der Kosten bereit erklärt und für diese Sicherheit leistet, oder wenn aus den Umständen erhellt, dass die Beweise in der offenbaren Absicht, das Verfahren zu verschleppen, angeboten worden sind.

Das Vorbringen des Bf., wonach im Insolvenzverfahren eine Gleichbehandlung der Gläubiger erfolgte, wird seitens des Bundesfinanzgerichtes nicht in Zweifel gezogen. Dieser Umstand ist jedoch unerheblich, weil damit eine Gleichbehandlung der Gläubiger der Primärschuldnerin zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der hier gegenständlichen Umsatzsteuerschulden nicht nachgewiesen wird. Weitere für den Beschwerdefall relevante, konkrete Umstände, die sich aus den beantragten Beweisen ergeben sollen, hat der Bf. nicht dargelegt. Vor diesem Hintergrund ist von der beantragten Beweisaufnahme abzusehen.

Insgesamt war der Beschwerde daher teilweise stattzugeben und der angefochtene Bescheid wie im Spruch ersichtlich abzuändern.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist bei der Lösung der streitgegenständlichen Rechtsfrage der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt, weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt und die ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101282.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at