Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.03.2024, RV/3100541/2023

Rückforderung der Familienbeihilfe mangels Erfüllens des quantitativen Elements einer Berufsausbildung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die Monate Juli 2022 bis Jänner 2023, zur Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Beschwerdeführerin die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Juli 2022 bis Jänner 2023 in Höhe von insgesamt € 1.757,50 zurück und begründete dies mit der fehlenden Beantwortung von Fragen und Nichtvorlage angeforderter Unterlagen.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin im Wege von FinanzOnline mit Eingabe vom Beschwerde und führte begründet aus, dass sie derzeit noch die Berufsschule besuche, das genaue Datum der Lehrabschlussprüfung noch nicht feststehe und sie die Unterlagen an das Finanzamt senden wollte, sobald sie komplett gewesen wären. Der Beschwerde wurden die Schulnachricht vom und zwei Schulbesuchsbestätigungen vom angefügt.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.

Die Familienbeihilfe stehe nur dann zu, wenn das Kind in Berufsausbildung stehe. Die wesentlichen Merkmale einer Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes seien praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt werde, eine angemessene Unterrichtsdauer, sowie die Verpflichtung zur Ablegung der Abschlussprüfung. Von einer angemessenen Unterrichtsdauer könne erst ab einem Pensum von mindestens 20 Wochenstunden ausgegangen werden. Da die Berufsschule lediglich für 10 Wochenstunden besucht worden sei und seit kein aufrechtes Lehrverhältnis mehr bestanden habe, seien die genannten Kriterien nicht erfüllt worden.

Dagegen wurde mit Eingabe vom der Vorlageantrag gestellt und begründend im Wesentlichen ergänzend vorgebracht, dass sie die Lehre im Jahr 2020 begonnen habe und im Juni 2022 aufgrund verwaltungstechnischer Umstrukturierungen im Lehrbetrieb, welche eine ordnungsgemäße Ausbildung nicht mehr gewährleistet hätte, vorzeitig beendet habe. Im Hinblick auf den vorhergehenden Lehrerfolg habe sie die Lehre durch den weiteren Besuch der Berufsschule weitergeführt und keinen neuen Lehrbetrieb, was damals auch nicht nötig gewesen sei, gesucht.

Die geänderten Umstände habe sie dem Finanzamt mitgeteilt, trotzdem sei die Familienbeihilfe bis zum 24. Geburtstag weiter ausbezahlt worden.

Die Beschwerde habe sich inhaltlich hauptsächlich darauf bezogen, dass trotz Erfüllung der Mitwirkungspflicht, die Familienbeihilfe zurückgefordert worden sei.

Die Abweisung der Beschwerde sei im Wesentlichen damit begründet worden, dass nach dem Wegfall des Lehrverhältnisses nur noch die Berufsschule besucht worden sei und von keiner ernsthaften und zielstrebig betriebenen Berufsausbildung ausgegangen werden könne. Hierzu sei einzuwenden, dass die Lehre als Berufsausbildung aus einem Dualsystem aus der Ausbildung im Betrieb und der Ausbildung in der Berufsschule bestehe. Grundsätzlich sei nach wie vor von einer Berufsausbildung iSd FLAG zu sprechen, wenn die Berufsschule besucht werde und eine zielstrebige und ernsthaft betriebene Ausbildung vorliege. Diese Kriterien habe sie erfüllt. Das Finanzamt gehe von lediglich 10 Wochenstunden Präsenzzeit aus, verkenne jedoch völlig, dass das Ausbildungspensum damit nicht erschöpft gewesen sei. Ganz grundsätzlich werde jeder Lehrling ebenso wie jeder Schüler oder jeder Student das in der Schule gehörte Wissen durch Lernen, Vorbereitungen, Nachbearbeitungen, etc. weiter verinnerlichen müssen. Das gelte hier umso mehr, weil keine betriebliche Ausbildung mehr absolviert worden sei. Dementsprechend seien die 10 Wochenstunden an Präsenzzeiten mindestens zu verdoppeln um ein annähernd realistisches Bild der Ausbildungssituation zu erhalten.

Zur Anmerkung, dass erst ab 20 Wochenstunden Berufsschulausbildung von einer ernsthaft und zielstrebig betriebenen Berufsausbildung in der Berufsschule gesprochen werden könne, sei einzuwenden, dass man sich das Stundenausmaß nicht aussuchen könne, zwischen den verschiedenen Ausbildungsberufen variiere und die Lehrabschlussprüfung zum ehestmöglichen Zeitpunkt abgelegt und mit guten Erfolg bestanden worden sei. Es dürfte klar sein, dass dies nur mittels Eigeneinsatz, Zielstrebigkeit und Ernsthaftigkeit zu schaffen gewesen sei.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin, geboren am ***Bf1-GD***, bezog Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag bis einschließlich Jänner 2023 (Erreichung des 24. Lebensjahres) als Eigenanspruch.

Das Lehrverhältnis wurde mit vorzeitig beendet. Ein neuer Lehrbetrieb wurde nicht gesucht, die Berufsschule jedoch im Zeitraum bis und vom bis im Ausmaß von 10 Wochenstunden weiterbesucht. Die Lehrabschlussprüfung wurde am mit guten Erfolg abgelegt.

Daneben arbeitete die Beschwerdeführerin 30 Wochenstunden als Einzelhandelsangestellte.

Beweiswürdigung

Der relevante Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem vom Finanzamt vorgelegten Familienbeihilfenakt, insbesondere aus den vorgelegten Unterlagen im Beschwerdeverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

§ 6 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) lautet auszugsweise:

§ 6. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

(2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie

a) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. …

(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). …"

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 lautet:

"§ 26. (1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen"

Gemäß § 33 Abs. 3 Z 1 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) ist § 26 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 auch anzuwenden, wenn Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen wurden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter die Berufsausbildung alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätige Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 kommt es (überdies) nicht nur auf das "ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienerfolg" an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. ).

Die Lehrausbildung in einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis stellt unzweifelhaft eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs.1 lit. b und § 6 Abs. 2 lit. a FLAG 1967 dar. Diese Lehrausbildung steht auf zwei Säulen, zum einen die praktische Ausbildung im Betrieb und zum anderen die Ausbildung in der Berufsschule (so genanntes "duales System" der Lehrausbildung).

Das ernstliche und zielstrebige Bemühen um den erfolgreichen Abschluss der Lehrabschlussprüfung wird der Beschwerdeführerin auch nicht in Abrede gestellt. Es muss jedoch auch das quantitative Element einer Berufsausbildung erfüllt sein.

Auch wenn neben der Präsenzzeit in der Berufsschule noch Vor- und Nachbereitungszeiten anfallen, kann bei lediglich 10 Wochenstunden Präsenzzeit (an einem 1 Tag pro Woche) nicht davon gesprochen werden, dass die Ausbildung die volle Zeit in Anspruch genommen hätte. Die vom Finanzamt angeführten 20 Stunden sind in diesem Zusammenhang als Mindestaufwand zu sehen und umfassen den Zeitaufwand für Vor- und Nachbereitungszeiten bzw. Hausübungen ebenfalls noch nicht.

Die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe lagen daher im Zeitraum nach Auflösung des Lehrvertrages und damit Wegfall der praktischen Ausbildung im Lehrbetrieb nicht mehr vor. Die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag wurden zwischen Juli 2022 und Jänner 2023 zu Unrecht bezogen und sind gemäß § 26 Abs.1 FLAG zurückzuzahlen.

Nach der ebenfalls ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt § 26 Abs. 1 FLAG 1967 nämlich eine objektive Erstattungspflicht von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe dar. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. (vgl. zB ).

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der fehlende Anspruch auf Familienbeihilfe sowie die Rückerstattungspflicht ergeben sich aus dem Wortlaut des Gesetzes und die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen ist. Die (ordentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären.

Innsbruck, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at