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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.04.2024, RV/5100800/2021

Zulässigkeit der Erlassung eines Einkommensteuerbescheides innerhalb der Frist des § 295 Abs. 4 3. Satz BAO idF BGBl I Nr. 3/2021

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Mag. R. *** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BDO Austria GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Am Belvedere 4, 1100 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2008 und Einkommensteuer 2008 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt sowie Verfahrensgang

Da es sich im gegenständlichen Beschwerdeverfahren um eine verfahrensrechtliche Frage handelt, wird der festgestellte Sachverhalt und der Verfahrensgang im Folgenden in Einem dargestellt.

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) war im Jahr 2008 an der *** A GmbH & Co KG *** als Kommanditist beteiligt. Am wurde die Auflösung und Löschung der *** A GmbH & Co KG *** infolge Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB durch die *** A GmbH *** im Firmenbuch eingetragen (FN ***8*** des Landesgerichts ***7*** als Firmenbuchgericht).

Am ist vom Finanzamt ***6*** ein an die *** A GmbH & Co KG *** adressiertes Schreiben ergangen, mit dem eine erklärungsgemäße Einkünftefeststellung gemäß § 188 BAO für das Jahr 2008 intendiert war.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt ***5*** die Einkommensteuer 2008 des Bf. erklärungsgemäß mit € -408.693,53 fest. Am selben Tag erließ das Finanzamt ***5*** auch einen Anspruchszinsenbescheid für 2008 mit dem zugunsten des Bf. Anspruchszinsen in Höhe von 531,30 € festgesetzt wurden.

Mit einem als Berichtigungsbescheid gemäß § 293b BAO intendiertem Schreiben vom gegenüber der *** A GmbH & Co KG *** sollten die im Schreiben vom angesetzten Einkünfte aus Gewerbebetrieb der *** A GmbH & Co KG *** auf - € 4.817.574,77 korrigiert werden und sollte der Einkünfteanteil des Bf. demnach
- € 322.885,46 betragen.

Infolge einer bei der ehemaligen *** A GmbH & Co KG *** durchgeführten Betriebsprüfung wurde vom Finanzamt ***6*** am eine Wiederaufnahme der Einkünftefeststellung gemäß § 188 BAO für 2008 verfügt und ein neuer, den Feststellungen der Betriebsprüfung entsprechender Einkünftefeststellungsbescheid für das Jahr 2008 erlassen, wobei diese Erledigungen wiederum an die bereits im Firmenbuch infolge Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB durch die *** A GmbH *** gelöschte *** A GmbH & Co KG *** adressiert wurden.

Gegen den Wiederaufnahme- und Einkünftefeststellungsbescheid für 2008 vom wurde am Berufung erhoben, die vom Finanzamt dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Mit Beschluss vom , RV/7103130/2013, hat das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen, weil die Bescheide an eine infolge Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB nicht mehr existierende Gesellschaft ergangen sind.

Mit Bescheid vom änderte das Finanzamt ***5*** den Einkommensteuerbescheid 2008 des Bf. gemäß § 295 Abs. 1 BAO infolge des im wiederaufgenommenen Verfahren am ergangenen Einkünftefeststellungsbescheides für 2008 betreffend die *** A GmbH & Co KG *** ab und wurden nunmehr Einkünfte aus Gewerbetrieb in Höhe von 1.420.281,48 € des Bf. als Mitunternehmer der *** A GmbH & Co KG *** berücksichtigt, sodass sich nunmehr eine Einkommensteuer von 247.273,53 € ergeben hat. Ebenfalls am wurde ein weiterer Anspruchszinsenbescheid für 2008 erlassen, mit dem dem Bf. Anspruchszinsen in Höhe von 62.463,16 € für den Zeitraum bis vorgeschrieben wurden.

Mit Schreiben vom stellte der Bf. beim Finanzamt ***5*** gemäß § 295 Abs. 4 BAO den Antrag, den Einkommensteuerbescheid 2008 vom aufzuheben und wurde dieser Antrag damit begründet, dass mit Beschluss vom , GZ. RV/7103130/2013, das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der *** A GmbH & Co KG *** vom gegen den Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2008 vom als unzulässig zurückgewiesen hat, weil diesem Dokument keine Bescheidqualität zukommt ("Nichtbescheid"). Der Einkommensteuerbeschied 2008 vom (Änderungsbescheid gemäß § 295 Abs. 1 BAO zu Bescheid vom ) für den Bf. wäre auf dieses Dokument gestützt bzw. davon abgeleitet.

Am wurde im Feststellungsverfahren gem. § 188 BAO der ehemaligen *** A GmbH & Co KG *** durch das Finanzamt ***6*** ein Feststellungsbescheid für 2008 erlassen, der nunmehr an die ehemaligen Gesellschafter der *** A GmbH & Co KG *** adressiert wurde. In der Begründung dieses Bescheides wurde auf die im Jahr 2012 stattgefundene Betriebsprüfung verwiesen. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von
€ 13.512.924,13 sowie dass in diesen Einkünften Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinne in Höhe von € 18.330.498,90 enthalten sind sowie die Verteilung dieser Einkünfte auf die einzelnen Mitunternehmer entsprechen exakt jenen Beträgen, die im mit "Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO 2008" betitelten Schreiben des Finanzamtes ***6*** vom ausgewiesen sind. Es wird daher festgestellt, dass mit dem Bescheid vom jene Feststellungen übernommen wurden, die im Dokument vom enthalten waren.

Gegen diesen Bescheid erhob die ***4***, die einer der ehemaligen Gesellschafter der *** A GmbH & Co KG *** gewesen ist, sowie andere ehemalige Gesellschafter der *** A GmbH & Co KG ***, im März 2020 bzw. Anfang April 2020 Beschwerde, die nach Erlassung einer die Beschwerde abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom , dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vom Finanzamt Österreich vorgelegt wurde und die derzeit noch unerledigt ist.

Mit Schreiben vom nahm der Bf. Bezug auf den Aufhebungsantrag vom und verwies darauf, dass der in § 295 Abs. 4 BAO enthaltene Satz, wonach der Antrag vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 BAO maßgeblichen Frist zu stellen ist, durch den VfGH als verfassungswidrig aufgehoben worden wäre. Daher wären auf Nichtbescheide gestützte Änderungsbescheide auf Antrag der Partei ohne Berücksichtigung einer Antragsfrist aufzuheben. Diesem Schreiben wurde u.a. das BGBl I Nr. 2/2020 angeschlossen. Da der am gestellte Antrag seit über einem Jahr unerledigt wäre, wäre der Bf. für eine zeitnahe Entscheidung unter Berücksichtigung der seit geänderten Rechtslage sehr dankbar.

Für den Fall, dass der Antrag vom abgewiesen werden würde, wurde in eventu ein neuer Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom gemäß
§ 295 Abs. 4 BAO gestellt.

Als Folge der Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom wären die mit Bescheid vom festgesetzten Anspruchszinsen iHv € 62.463,16 ebenfalls nicht festzusetzen.

Mit Bescheid vom wurde vom nunmehr zuständigen Finanzamt Österreich dem Antrag des Bf. vom stattgegeben und der Einkommensteuerbescheid für 2008 vom gemäß § 295 Abs. 4 BAO aufgehoben, wobei diese Aufhebung auf die Regelung des
§ 295 Abs. 4 BAO in der Fassung BGBl I Nr. 3/2021 gestützt wurde.

Auf Grund dieser Aufhebung erging am ein weiterer Anspruchszinsenbescheid für 2008, mit dem dem Bf. Anspruchszinsen in Höhe von 62.463,16 € gutgeschrieben wurden.

Mit Bescheid vom erging ein neuerlich auf § 295 Abs. 1 BAO gestützter Einkommensteuerbescheid für 2008 mit dem Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von
€ 1.420.281,48 betreffend die Beteiligung des Bf. an der ehemaligen *** A GmbH & Co KG *** ausgewiesen wurden und die Einkommensteuer mit € 247.273,53 festgesetzt wurde. Dieser Bescheid wurde wie folgt begründet:
"Die Änderung gem. § 295 (1) BAO erfolgte aufgrund des Feststellungsbescheides vom zu StNr ***3***. Dieser Feststellungsbescheid ersetzt die als Feststellungsbescheid 2008 intendierte Erledigung vom , der keine Rechtswirksamkeit zukam (vgl. hierzu den Beschluss des BFG betreffend StNr ***3*** vom , RV/7103130/2013). Mit Bescheid vom wurde dem Antrag vom auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom gem. § 295 (4) BAO stattgegeben. Gem. § 295 (4) Satz BAO steht der Eintritt der Verjährung der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretenden Abgabenfestsetzung nicht entgegen, soweit sie im das Dokument ersetzenden Bescheid enthaltene Feststellungen übernimmt und wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab Aufhebung erfolgt. Diese Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall erfüllt."

Am wurde vom Finanzamt Österreich auch ein Anspruchszinsenbescheid für 2008 erlassen, der dem Bf. Anspruchszinsen in Höhe von € 62.463,16 vorgeschrieben hat.

Am stellte der Bf. über Finanzonline einen Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 und den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2008 vom bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens gegen den Feststellungsbescheid 2008 für die *** A GmbH & Co KG *** vom bzw. bis zum . In Eventu wurde eine Verlängerung der Beschwerdefrist gegen die beiden angeführten Bescheide bis zum beantragt. Dieser Antrag wurde damit begründet, dass das Verfahren mit einer hohen rechtlichen Komplexität behaftet wäre, weil zahlreiche Judikate zum Themenkreis Rechtskraftdurchbrechung und Verjährung zu analysieren wären. Zum anderen würden auch verfassungsrechtliche Bedenken bestehen.

Mit Bescheid vom wurde dem Fristverlängerungsansuchen teilweise entsprochen und die Frist für die Einbringung einer Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 und den Bescheid über die Festsetzung der Anspruchszinsen 2008 bis verlängert.

Mit am zur Post gegebenen Schreiben vom wurde vom Bf. gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 und den Bescheid über die Festsetzung der Anspruchszinsen 2008 jeweils vom Beschwerde erhoben.

In dieser Beschwerde wurde die ersatzlose Aufhebung der bekämpften Bescheide beantragt.

Außerdem wurde beantragt, dass eine Beschwerdevorentscheidung unterbleibt und die Beschwerde dem Gericht direkt vorgelegt wird. Auch wurden Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs. 2 Z 1 lit. a BAO und auf Entscheidung durch den Senat gemäß § 282 Abs. 2 Z 1 lit. a BAO gestellt.

Betreffend den bekämpften Einkommensteuerbescheid 2008 vom wurde in der Beschwerde nachstehendes Vorbringen erstattet:

Der Abgabenanspruch wäre mit dem Ablauf des entstanden. Die Festsetzungsverjährung für die Einkommensteuer würde grundsätzlich gem. § 207 Abs. 2 BAO 5 Jahre betragen. Nach § 209 Abs. 3 BAO würde das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens 10 Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruchs verjähren. Davon abweichend würde das Recht, im Falle einer vorläufigen Abgabenfestsetzung gem. § 200 Abs. 1 BAO einen endgültigen Bescheid zu erlassen, gem. § 209 Abs. 4 BAO erst nach 15 Jahren verjähren. Ein vorläufiger Bescheid iSd § 200 Abs. 1 BAO müsse als solcher bezeichnet sein, andernfalls würde ein endgültiger Bescheid vorliegen. Der oben bezeichnete Bescheid vom wäre nicht als bloß vorläufiger Bescheid erlassen worden, die absolute Festsetzungsverjährung würde daher 10 Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruchs betragen. Die absolute Festsetzungsverjährung für die Festsetzung der Einkommensteuer 2008 wäre somit mit eingetreten.

Maßnahmen gem. § 295 Abs. 1, 2 oder 3 BAO wären, wenn sie Abgabenbescheide betreffen,
§ 302 Abs. 1 BAO zufolge nur innerhalb der Bemessungs- oder Festsetzungsverjährungsfrist
(§§ 207 ff) zulässig, sofern nicht § 209a Abs. 2 BAO zur Anwendung kommt. Ein Anwendungsfall des § 209a Abs. 2 BAO wäre gegenständlich nicht vorgelegen. Die Abgabenfestsetzung wäre nicht unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Beschwerde oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85 BAO) abhängig gewesen. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheids vom wäre der Einkommensteuerbescheid 2008 vom in Kraft gewesen; die Abgabenfestsetzung wäre von keiner Beschwerde oder von Anträgen abhängig gewesen. Zwar wäre mit ein neuer Grundlagenbescheid zu Steuernummer ***3*** erlassen worden, was die Behörde grundsätzlich zur Erlassung eines Abänderungsbescheids nach § 295 Abs. 1 BAO verpflichten würde; § 295 Abs. 1 BAO würde jedoch keine taugliche Rechtsgrundlage zur Erlassung eines neuen Bescheids nach Eintritt der absoluten Festsetzungsverjährung bieten. Nach der Judikatur des VwGH wäre ein rechtswidriger abgeleiteter Festsetzungsbescheid, der auf einem ungültigen Grundlagenbescheid beruht, jedenfalls aufzuheben, auch wenn aufgrund eingetretener Verjährung kein neuer Festsetzungsbescheid erlassen werden dürfe; dies müsse umso mehr gelten, wenn es - wie im vorliegenden Fall - einen dem Rechtsbestand angehörenden Festsetzungsbescheid - den vom - gibt, der nun aufgrund des Eintretens der absoluten Verjährung durch die Behörde nicht mehr abgeändert werden könne.

Die Erlassung des Einkommensteuerbescheids 2008 vom auf Grundlage des § 295 Abs. 1 BAO nach Eintritt der absoluten Verjährung wäre somit mangels einer tauglichen Rechtsgrundlage und wegen des Vorliegens eines der Abänderung wegen Eintritts der absoluten Verjährung nicht mehr unterliegenden Bescheids rechtswidrig. Der Bescheid vom wäre daher ersatzlos aufzuheben.

Nach der Judikatur des VwGH würde die absolute Verjährung "die äußerste zeitliche Grenze für die Abgabenfestsetzung festlegen"; nach der Judikatur des BFG dürfe "ein Einkommensteuerbescheid [...] nur innerhalb der absoluten Verjährung erlassen werden, widrigenfalls ist er ersatzlos aufzuheben." Die absolute Verjährungsfrist wäre weder verlängerbar noch hemmbar.

Durch die eingetretene Verjährung wäre die bescheiderlassende Behörde unzuständig; in der Erlassung des beschwerdegegenständlichen Bescheids würde daher eine verfassungsrechtlich relevante Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter gem. Art. 83 Abs. 2 B-VG sowie eine Verletzung des Eigentumsrechts gem. Art 5 StGG vorliegen.

Der VfGH würde hierzu die folgende Rechtsauffassung vertreten: "Nach § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das "Recht, eine Abgabe festzusetzen", der Verjährung. Sind seit der Entstehung des Abgabenanspruches [...] 15 [Anm: heute 10] Jahre verstrichen, so darf ...] der Abgabenanspruch nicht mehr geltend gemacht werden (sog. "absolute Verjährung"). Diese absolute Verjährung schließt jede auf Realisierung des Abgabenanspruchs gerichtete steuerliche Maßnahme schlechthin aus." Die Erlassung eines Festsetzungsbescheids gem. § 295 Abs. 1 BAO nach Eintritt der absoluten Verjährung könne nach der zitierten verfassungsgerichtlichen Judikatur daher nur auf einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung beruhen.
Zur mangelnden tauglichen Rechtsgrundlage in § 295 Abs. 4 BAO:

Der gegenständlich bekämpfte Bescheid wäre laut seinem Spruch gemäß § 295 Abs. 1 BAO ergangen, welcher hierfür aufgrund der eingetretenen Verjährung keine taugliche Rechtsgrundlage bieten würde. Hierin würde ein maßgeblicher Rechtsmangel des Bescheids vorliegen, der zur Aufhebung desselben führen müsse.

Auch für die Erlassung eines Bescheids nach § 295 Abs. 4 BAO wäre aber trotz der Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 2008 vom durch Parteiantrag gem. § 295 Abs. 4 BAO kein Raum. Durch Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 2008 vom gem. § 295 Abs. 4 BAO wäre der Einkommensteuerbescheid 2008 vom wiederaufgelebt; der Einkommensteuerbescheid 2008 vom wäre am zum Zeitpunkt der Erlassung des beschwerdegegenständlichen Einkommensteuerbescheids 2008 im Rechtsbestand und rechtskräftig gewesen.

§ 295 Abs. 4 BAO würde nach dem eindeutigen Wortlaut lediglich eine an Stelle des aufgehobenen Bescheids tretende Abgabenfestsetzung vorsehen. Der bekämpfte Einkommensteuerbescheid 2008 vom solle nach dem Spruch und der Intention der Behörde an die Stelle des Einkommensteuerbescheids 2008 vom treten; dieser wäre jedoch eben nicht nach § 295 Abs. 4 BAO aufgehoben worden, sondern würde weiterhin dem Rechtsbestand angehören, weshalb diese Bestimmung schon wegen der vorliegenden rechtskräftigen und schon wegen Verjährung nicht mehr abänderbaren Erledigung derselben Sache - Einkommensteuerfestsetzung 2008 - ebenfalls keine taugliche Rechtsgrundlage für die Erlassung des gegenständlich bekämpften Abgabenbescheids bieten würde.

Auch wegen rechtskräftig entschiedener Sache könne sohin auf Grundlage des § 295 Abs. 4 BAO kein neuer Einkommensteuerbescheid 2008 erlassen werden, der den rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid 2008 vom aus dem Rechtsbestand nimmt und ersetzt. Eine Erlassung nach § 295 Abs. 4 BAO wäre aber auch gar nicht erfolgt, sondern eine Erlassung nach § 295 Abs. 1 BAO.

Für den Fall, dass das Gericht entgegen den Ausführungen des Bf. die (ausdrückliche!) Erlassung des beschwerdegegenständlichen Bescheids nach § 295 Abs. 1 BAO im Lichte oder unter sinngemäßer Anwendung des § 295 Abs. 4 BAO trotz eingetretener Verjährung für zulässig erachtet, würde wie folgt ausgeführt:

Zunächst wird die geltende Fassung des § 295 Abs. 4 BAO wiedergegeben. Sodann wird die im Zeitraum bis gültige Fassung dieser Bestimmung und im Anschluss die Fassung im Zeitraum bis dargestellt.

§ 295 Abs. 4 BAO in der Fassung BGBl I Nr. 76/2011 bzw. BGBl I Nr. 70/2013 wurde durch Erkenntnis des zur GZ G159/2019 teilweise (Entfall des letzten Satzes) wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben, die Aufhebung trat mit in Kraft. Mit hätte der Gesetzgeber einen neu adaptierten § 295 Abs. 4 BAO idF BGBl. I Nr. 3/2021 geschaffen.

Vor dem wäre die Erlassung eines neuen Abgabenbescheids nach Aufhebung eines Bescheids gem. § 295 Abs. 4 BAO nur gem. § 295 Abs. 1 BAO zulässig gewesen, der der Verjährung unterliegen würde. Die Anträge auf Aufhebung des Abgabenbescheids vom gem. § 295 Abs. 4 BAO wären unter der alten Rechtslage gestellt worden, nämlich am sowie am .

Mit Inkrafttreten des § 295 Abs. 4 BAO idF BGBl. I Nr. 3/2021 am wäre eine neue Rechtsgrundlage zur Erlassung eines neuen Abgabenbescheids trotz bereits eingetretener Verjährung nach Aufhebung eines Bescheids gem. § 295 Abs. 4 BAO geschaffen worden. Für diese Aussetzung der Verjährung wäre keine Übergangsvorschrift erlassen worden. Es wäre daher nach dem bloßen Wortlaut der Bestimmung möglich, dass ein nach § 295 Abs 4. BAO erlassener Abgabenbescheid in Jahre eingreift, für die zum bereits die absolute Verjährung eingetreten war und eine Abgabenfestsetzung nicht mehr zulässig gewesen wäre.

Dies würde für den Bf. eine maßgebliche Verschlechterung der Rechtslage zwischen Antragstellung und Entscheidung über die Aufhebung des Abgabenbescheids nach § 295 Abs. 4 BAO bedeuten, indem die Verjährung für ein bereits verjährtes Jahr rückwirkend ausgesetzt würde. Eine solche rückwirkende Aussetzung der Verjährung wäre unzulässig.

Diese Rechtsauffassung würde sich mit der Judikatur des VwGH decken. In seiner Entscheidung vom zu 89/15/0083 würde sich der VwGH mit einem ähnlich gelagerten Fall auseinandersetzen, bei dem die absolute Verjährung für die Abgabenfestsetzung bereits eingetreten gewesen wäre. Mit Ablauf des wäre eine Neufassung des § 209 Abs. 3 BAO in Kraft getreten, nach der - aufgrund mangelnder Übergangsvorschriften - eine Abgabenfestsetzung (theoretisch) auch für Jahre möglich geworden wäre, die zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt waren.

Unter Hinweis auf das Rückwirkungsverbot des § 5 ABGB hätte der VwGH ausgesprochen, dass eine rückwirkende Aussetzung der Verjährung für bereits verjährte Sachverhalte nicht möglich wäre und die Behörde berücksichtigen hätte müssen, dass das Recht zur Festsetzung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits ausgeschlossen gewesen wäre.

Diese Judikatur des VwGH würde sich auf den gegenständlichen Fall übertragen lassen. Die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 2008 vom hätte aufgrund der zwischen und geltenden Rechtslage des § 295 Abs. 4 BAO aufgehoben werden müssen. Nach dieser Rechtslage wäre die Neufestsetzung aufgrund der bereits eingetretenen Verjährung unzulässig. Erst mit Inkrafttreten des § 295 Abs. 4 BAO nF wäre eine Möglichkeit zur Erlassung eines neuen Abgabenbescheids geschaffen worden. Nach der zitierten Judikatur des VwGH dürfe sich die Aussetzung der Verjährung jedoch nur auf Sachverhalte beziehen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens noch nicht verjährt waren.

Abgabenpflichtige hätten einen Rechtsanspruch auf zeitnahe rechtskräftige Erledigung des Abgabenverfahrens - jedenfalls innerhalb der absoluten Verjährungsfristen. Im gegenständlichen Fall wäre es nicht vom Abgabenpflichtigen, sondern von der Finanzverwaltung zu vertreten gewesen, dass eine ordentliche rechtskräftige Erledigung des

Verfahrens nicht innerhalb der absoluten Verjährungsfrist erfolgen hätte können. Dieser Mangel könne nicht verfassungskonform durch einen gesetzgeberischen Eingriff (Änderung der materiellen Rechtslage nach Eintritt der absoluten Verjährung) saniert werden, der die längst eingetretene absolute Verjährung für bereits von der absoluten Verjährung umfasste Zeiträume und konkrete Einzelfälle rückwirkend außer Kraft setzt.

§ 295 Abs. 4 BAO wäre daher verfassungskonform dahingehend zu interpretieren, dass der Eintritt der Verjährung einer Abgabenfestsetzung nur dann nicht entgegensteht, wenn die Verjährung nicht bereits am eingetreten war. Eine rückwirkende Aussetzung, Aufhebung oder sonstige Durchbrechung der Verjährung für bereits absolut verjährte Zeiträume durch eine einfachgesetzliche Regelung würde einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gem. Art 5 StGG und gegen das Gleichheitsgebot des Art 7 Abs. 1 B-VG bedeuten.

Die zitierte Vorjudikatur und Literatur zur Verjährung iZm § 295 Abs. 1 BAO wäre sinngemäß auf § 295 Abs. 4 BAO zu übertragen. Die Abgabenfestsetzung nach § 295 Abs. 4 BAO wäre daher nach Eintritt der absoluten Verjährung ebenfalls unzulässig, umso mehr und jedenfalls dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein rechtskräftiger Festsetzungsbescheid bestehen würde.

Im gegenständlichen Fall wäre am für die Abgabenfestsetzung für das Jahr 2008 bereits die absolute Festsetzungsverjährung eingetreten. Eine Abgabenfestsetzung nach
§ 295 Abs. 4 BAO - die gegenständlich nach dem Spruch des Bescheids gerade nicht erfolgt wäre - wäre daher ebenfalls nicht zulässig gewesen.

Zur Rechtswidrigkeit des Bescheids über die Festsetzung von Anspruchszinsen:

Wie bereits ausgeführt wäre der Abgabenbescheid 2008 vom rechtswidrig und daher antragsgemäß ersatzlos aufzuheben. Da nach Aufhebung des Bescheids keine ausständige Abgabenschuld und somit kein Raum für die Festsetzung von Anspruchszinsen bestehen würde, wäre der Anspruchszinsenbescheid ebenfalls aufzuheben.

Die Festsetzung von Anspruchszinsen wäre im gegenständlichen Fall auch unbillig. Selbst wenn man von einer rechtskonformen Erlassung des beschwerdegegenständlichen Abgabenbescheids ausgeht - was ausdrücklich bestritten wird - so wäre dennoch zu beachten, dass es sich um einen Abgabenanspruch aus dem Jahr 2008 handelt, dessen Entstehung nunmehr bereits über 13 Jahre zurückliegt. Über diese Zeit würde sich ein fast 10 Jahre dauerndes Rechtsmittelverfahren vor der Behörde und dem BFG erstrecken, das in der für den Rechtsschutzsuchenden unzufriedenstellenden Nichtigerklärung des Grundlagenbescheids aus dem Jahr 2012 gemündet wäre.

Die Nichtigerklärung wäre aus einem von der Abgabenbehörde zu vertretenden Zustellfehler resultiert, welcher der Grund dafür wäre, dass das Abgabenverfahren für das Jahr 2008 nach wie vor nicht rechtskräftig abgeschlossen wäre. Da das BFG in seinem Erkenntnis vom zur GZ RV/7103130/2013 - nach sechsjähriger Verfahrensdauer - keine inhaltliche Entscheidung getroffen hätte, sondern die Beschwerde aus formalen Gründen zurückgewiesen hätte, hätte nach neuerlicher Erlassung eines Grundlagenbescheids gegen diesen mit eine neue Beschwerde eingebracht werden müssen, die derzeit beim BFG anhängig wäre. Dass sich diese maßgebliche Verzögerung der rechtskräftigen Abgabenfestsetzung für das Jahr 2008, die nicht vom Bf., sondern von den Abgabenbehörden zu vertreten wäre, sich in Form von Anspruchszinsen zu seinen Lasten auswirken sollte, wäre jedenfalls unbillig iSd § 236 Abs. 1 BAO.

Mit Vorlagebericht vom 27.28.2021 legte das Finanzamt Österreich - ohne vorher eine Beschwerdevorentscheidung erlassen zu haben - die Beschwerde vom betreffend Einkommensteuer und Anspruchszinsen 2008 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte mit näherer Begründung die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde diese Beschwerdesache der bisherigen Gerichtsabteilung GA 6026 per abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung GA 6029 zugeteilt.

Am erfolgte die Ladung zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat für den .

Mit Fax vom wurde vom Bf. zum einen der Antrag gem. § 272 Abs. 2 BAO auf Entscheidung durch den Senat zurückgenommen.

Zum anderen wurde ein Antrag auf Aussetzung der Entscheidung gem. § 271 Abs. 1 BAO mit folgendem Vorbringen gestellt:

Der Bf. wäre neben einer Reihe anderer Personen Kommanditist der *** A GmbH & Co KG *** (StNr ***3***), im Firmenbuch eingetragen zu FN ***8***, gelöscht am . Zum heutigen Tag wären sowohl im Feststellungsverfahren über Einkünfte der Gesellschaft als auch in den persönlichen Einkommensteuerverfahren mehrerer Kommanditisten Rechtsmittel anhängig. Das Vorbringen in den Einkommensteuerverfahren der Kommanditisten wäre dabei im Wesentlichen gleich und es wäre die gleichen Rechtsfragen zu behandeln.

Im Grundlagenverfahren vor dem BFG zu RV/7102514/2023 (Richterin ***1***) gegen den Feststellungsbescheid der KG für das Jahr 2008 (Finanzamt ***6***, vom ) wären zahlreiche Beschwerden anhängig. In diesem Verfahren würde am 18. Oktober die mündliche Verhandlung stattfinden. Der Ausgang dieses Verfahrens wäre von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache da eine materielle Änderung des Grundlagenbescheids - abseits der aufgeworfenen verfahrensrechtlichen Rechtsfragen - auch inhaltlich Auswirkungen auf den gegenständlichen Einkommensteuerbescheid hätte.

In einem Parallelverfahren eines anderen Kommanditisten gegen seinen persönlichen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 wären dieselben Rechtsfragen wie im gegenständlichen Verfahren zu klären. Dort wäre gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts zu GZ RV/7100157/2022 (Richter ***2***) aktuell eine Revision beim VwGH zu GZ Ra 2022/13/0071 anhängig.

Gründe für eine Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens wären daher in mehrfacher Hinsicht gegeben.

In der Folge hat das Bundesfinanzgericht die für den angesetzte mündliche Verhandlung vor dem Senat am abberaumt.

Mit Beschluss vom wurde dem Finanzamt Österreich das Fax des Bf. vom zur Äußerung innerhalb von zwei Wochen übermittelt.

Am erstattete das Finanzamt Österreich folgende Äußerung:

Seitens des FAÖ, Dienststelle ***5***, würden gegen die beantragte Aussetzung der Entscheidung gem. § 271 BAO keine Bedenken bestehen.

Wie bereits im Vorlagebericht vom angeführt, wären bzw. waren zur *** A GmbH & Co KG *** bzw. deren Gesellschafter diverse Verfahren anhängig. Im Antrag auf Aussetzung der Entscheidung vom würden nun weitere Geschäftszahlen angeführt, die dem Sachbearbeiter bislang nicht bekannt gewesen wären.

Insbesondere wenn in einem Parallelverfahren eines anderen Beteiligten zu denselben Rechtsfragen wie im gegenständlichen Verfahren bereits eine Revision beim VwGH anhängig ist und zusätzlich in absehbarer Zeit auch eine Entscheidung der anhängigen

Beschwerden im Feststellungsverfahren zu erwarten ist, würde die Aussetzung der Entscheidung durchaus zweckmäßig erscheinen.

Ein Abgabenausfall könne zudem ausgeschlossen werden, da die gesamte Abgaben nachforderung als Folge der im Jahr 2012 bei der *** A GmbH & Co KG *** durchgeführten Außenprüfung am entrichtet worden wäre (ESt 2008 iHv.
€ 655.967,06 samt Anspruchszinsen iHv. € 62.463,16). Im April 2021 wären diese Beträge im Zuge der Bescheidaufhebung gem. § 295 Abs.4 BAO wieder gutgeschrieben (ohne Rückzahlung an den Abgabepflichtigen) und wenige Tage später im Zuge der neuerlichen Erlassung eines Einkommensteuerbescheides für 2008 wieder am Abgabenkonto belastet worden.

Angemerkt sei, dass - wie auch im Vorlagebericht erwähnt - schon vor Vorlage der Beschwerde an das BFG seitens der Abgabenbehörde aufgrund der bereits bekannten anhängigen Verfahren eine Aussetzung der Entscheidung in den Raum gestellt worden wäre.

Damals hätte es dazu allerdings keine Zustimmung der steuerlichen Vertretung gegeben, weil im Hinblick auf eine allfällige Anrufung des VfGH alle Verfahren einen einigermaßen gleichen Verfahrensstand aufweisen sollten.

Mit Beschluss vom wurde die Entscheidung betreffend Einkommensteuer und Anspruchszinsen 2008 (angefochtene Bescheide des Finanzamtes Österreich vom ) gemäß § 271 Abs. 1 BAO bis zur Beendigung des beim Verwaltungsgerichtshof zur GZ Ra 2022/13/0071 anhängigen Verfahrens (Revision zu ) ausgesetzt, da der Ausgang dieses Verfahrens hinsichtlich der Frage, ob die Regelung des § 295 Abs. 4 dritter Satz BAO idF BGBl. I Nr. 3/2021 die Erlassung eines neuen Sachbescheides Einkommensteuer innerhalb der in dieser Bestimmung vorgesehenen Jahresfrist und zwar unabhängig vom Eintritt der absoluten Verjährung gem. § 209 Abs. 3 BAO ab Aufhebung des bisherigen auf § 295 Abs. 1 BAO gestützten Einkommensteuerbescheides gemäß § 295 Abs. 4 BAO zulässt, wenn nunmehr ein wirksamer Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO erlassen wurde, von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung in der vorliegenden Beschwerdesache ist.

Weiters wurde mit diesem Beschluss der Antrag des Bf. vom auf Aussetzung des Verfahrens gem. § 271 BAO bis zur Erledigung des zu Ra 2022/13/0071 beim Verwaltungsgerichts anhängigen Revisionsverfahrens bzw. bis zur Erledigung des zu RV/7102514/2023 beim Bundesfinanzgericht anhängigen Beschwerdeverfahrens (betrifft Feststellungsverfahren der ehemaligen Gesellschafter der *** A GmbH & Co KG *** für das Jahr 2008) zurückgewiesen.

Mit Erkenntnis vom , Ra 2022/13/0071, hat der VwGH über die gegen die BFG-Entscheidung vom , RV/7100157/2022, erhobene Parteirevision, entschieden.

Am wurden die Parteien des Beschwerdeverfahrens bzw. der steuerliche Vertreter des Bf. für mündliche Verhandlung am geladen.

Mit Fax vom zog der Bf. den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück, woraufhin die für angesetzte mündliche Verhandlung am abberaumt wurde.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die vom Finanzamt Österreich mit Vorlagebericht vom vorgelegten Aktenteile und ist zwischen den Parteien nicht strittig.

Die Feststellung, dass mit dem Einkünftefeststellungsbescheid gemäß § 188 BAO für 2008 vom , der an die ehemaligen Gesellschafter der *** A GmbH & Co KG *** gerichtet war, die Feststellungen übernommen wurden, die im Dokument "Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO 2008" des Finanzamtes ***6*** vom enthalten waren, gründet sich zum einen darauf, dass im Bescheid vom auf den Betriebsprüfungsbericht vom verwiesen wird und die festgestellten Einkünfte, die ausgewiesene Höhe des Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinnes sowie die Verteilung der festgestellten Einkünfte auf die einzelnen Mitunternehmer exakt in der gleichen Höhe erfolgt sind wie im Dokument vom . Überwies wurde dieser Umstand vom Bf. gar nicht in Abrede gestellt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist eingangs festzuhalten, dass über den mit Schreiben vom gestellten Aufhebungsantrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO betreffend den Einkommensteuerbescheid 2008 vom nicht abzusprechen ist, weil dieser Antrag als Eventualantrag zum Antrag vom gestellt wurde. Da dem Antrag vom mit Bescheid vom stattgegeben wurde, wurde der Eventualantrag damit gegenstandslos (vgl. zB ).

Die Vorlage der Beschwerde durch das Finanzamt Österreich ohne vorher eine Beschwerdevorentscheidung erlassen zu haben, war gem. § 262 Abs. 2 BAO zulässig, weil zum einen der Bf. in der Beschwerde auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verzichtet hat und das Finanzamt Österreich die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht innerhalb der in

§ 262 Abs. 2 lit. b BAO vorgesehenen Frist von drei Monaten nach Einlagen der Beschwerde vorgelegt hat.

Zum Vorbringen in der Beschwerde, dass der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 vom nicht vorläufig erlassen worden wäre, ist festzuhalten, dass dies aufgrund des festgestellten Sachverhaltes zutrifft, weil die Bezeichnung als vorläufig gemäß § 200 BAO Spruchbestandteil ist (vgl. zB ) und eine solche Bezeichnung im Bescheid vom nicht enthalten ist.

Die Bf. vertritt in der Beschwerde die Ansicht, dass Maßnahmen gem. § 295 Abs. 1, 2 oder 3 BAO, wenn sie Abgabenbescheide betreffen, § 302 Abs. 1 BAO zufolge nur innerhalb der Bemessungs- oder Festsetzungsverjährungsfrist (§§ 207 ff) zulässig wären, sofern nicht § 209a Abs. 2 BAO zur Anwendung kommt und stützt sich dabei auf das VfGH-Erkenntnis vom , B18/79.

Dieses Erkenntnis des VfGH ist zur Rechtslage vor der BAO-Novelle 1980, BGBl Nr. 151/1980, mit dem erst die Bestimmung des § 209a BAO in die BAO eingefügt wurde, ergangen und kann daher nicht als Stützung der im Vorabsatz wiedergegebenen Rechtsansicht des Bf. dienen. Daher können Durchbrechungen der in den §§ 207 bis 209 BAO getroffenen Regelung über die Verjährung der Festsetzung von Abgabenansprüchen nicht nur in § 209a BAO, sondern auch in anderen einfachgesetzlichen Bestimmungen getroffen werden, soferne sie nicht unsachlich (Art. 7 B-VG) sind. Genau eine solche Regelung wurde durch den letzten Satz des § 295 Abs. 4 BAO idF BGBl I Nr. 3/2021 getroffen.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2008 vom ist aufgrund der in § 295 Abs. 1 BAO enthaltenen Bestimmung, wonach dann, wenn ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten ist, dieser ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen ist, ergangen. Vom Bf. wird in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt, dass die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 295 Abs. 1 leg.cit. gegeben sind, zumal der Einkünftefeststellungsbescheid vom nach Auflösung der *** A GmbH *** & Co infolge Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB gemäß § 191 Abs. 2 BAO an alle beteiligten Gesellschafter ergangen ist (vgl. ).

Allerdings wird von der Bf. die Ansicht vertreten, dass § 295 Abs. 1 BAO keine taugliche Rechtsgrundlage zur Erlassung eines neuen Einkommensteuerbescheides nach Eintritt der absoluten Festsetzungsverjährung bieten würde.

Zu diesem Vorbringen ist zunächst darauf zu verweisen, dass in § 295 Abs. 4 BAO in der Fassung BGBl I Nr. 76/2011 bzw. BGBl I Nr. 70/2013 durch Erkenntnis des zur GZ G159/2019 der Satz "Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach

§ 304 maßgeblichen Frist zu stellen." wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben wurde. Die Aufhebung trat mit in Kraft. Diese Aufhebung wurde von der Bundeskanzlerin im BGBl I Nr. 2/2020, ausgegeben am , kundgemacht.

Entgegen der offenbaren Ansicht des Bf. ist die in § 295 Abs. 1 BAO getroffene Regelung nicht isoliert zu betrachten, sondern die in § 295 Abs. 4 BAO durch BGBl I Nr. 3/2021 enthaltene Bestimmung als "Rechtsgrundlage" miteinzubeziehen.

§ 295 Abs. 4 BAO in der Fassung BGBl. I Nr. 3/2021 lautet, wobei das Bundesgesetzblatt Nr. 3/2021 am im RIS veröffentlicht wurde, wie folgt:

"Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines Feststellungsbescheides (§ 188) oder eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat, gerichtet ist, als unzulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, sind auf das Dokument gestützte Bescheide auf Antrag der Partei aufzuheben. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. Der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretenden Abgabenfestsetzung steht, soweit sie im das Dokument ersetzenden Bescheid enthaltene Feststellungen übernimmt, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab Aufhebung erfolgt. § 209a Abs. 2 erster Satz gilt sinngemäß, wenn gegen den das Dokument ersetzenden Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben wird."

Die durch BGBl I Nr. 3/2021 geschaffene Rechtslage ist mangels ausdrücklicher Inkrafttretensbestimmung mit in Kraft getreten (§ 11 Abs. 1 BGBlG). Zum zeitlichen Anwendungsbereich des § 295 Abs. 4 BAO idF BGBl I Nr. 3/2021 hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom (, Rdnr. 17) folgendes ausgesprochen:

"Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind verfahrensrechtliche Bestimmungen grundsätzlich für ab ihrem Inkrafttreten erfolgende Rechtsvorgänge anzuwenden, auch wenn sich diese vor dem Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechts ereignet haben."

Die im letzten Satz des § 295 Abs. 4 BAO idF BGBl I Nr. 3/2021 getroffene Regelung ist entgegen der Rechtsansicht des Bf. in tatbestandsmäßiger Hinsicht für die Zulässigkeit der Erlassung des angefochtenen Änderungsbescheides (§ 295 Abs. 1 BAO) vom von Relevanz bzw. einschlägig, weil er an die Stelle des (mangels Feststellungsbescheids antragsgemäß aufgehobenen) Änderungsbescheids (§ 295 Abs. 1 BAO) vom getreten ist und die Feststellungen des Feststellungsbescheids (§ 188 BAO) vom , der die nicht als Feststellungsbescheid (§ 188 BAO) wirksam gewordene Erledigung vom ("Dokument") ersetzt hat, übernommen hat. Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, dass der bekämpfte Einkommensteuerbescheid 2008 vom nach dem Spruch und der Intention der Behörde an die Stelle des Einkommensteuerbescheides vom treten solle und dieser nicht nach § 295 Abs. 4 BAO aufgehoben worden wäre, sodass der Tatbestand des § 295 Abs. 4 BAO nicht erfüllt wäre, teilt das Bundesfinanzgericht dieses Verständnis der Regelung des § 295 Abs. 4 letzter Satz BAO nicht: In der Wortfolge "Der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretenden Abgabenfestsetzung" ist mit "aufgehobener Bescheid" jener gemeint, der gemäß § 295 Abs. 4 BAO aufgehoben wurde, was sich eindeutig aus der systematischen Stellung dieser Regelung sowie dem ersten Satz des § 295 Abs. 4 BAO ergibt.

Aus der Regelung des letzten Satzes des § 295 Abs. 4 BAO idF BGBl I Nr. 3/2021 lässt sich auch nicht ableiten, dass die Möglichkeit der Anpassung von Einkommensteuerbescheiden gemäß

§ 295 Abs. 1 BAO innerhalb der in dieser Bestimmung vorgesehenen Jahresfrist nur dann möglich wäre, wenn zum Zeitpunkt der Anpassung die absolute Verjährungsfrist des § 209 Abs. 3 BAO noch nicht abgelaufen wäre. Vielmehr ist es in der Regel so, dass sich in den Beschwerdeverfahren, die die Einkünftefeststellung gemäß § 188 BAO betreffen, oftmals komplizierte verfahrens- und materiellrechtliche Fragen stellen und entsprechend lange dauern zumal ja in diesen Beschwerdeverfahren § 209a Abs. 2 BAO zur Anwendung kommt. Auch der VwGH hat in seiner zu § 295 Abs. 4 idF BGBl I Nr. 3/2021 ergangenen Entscheidung vom , Ra 2022/13/0071, ausgesprochen, dass ebenso wenig wie der Aufhebung der Abgabenfestsetzung gemäß § 295 Abs. 4 3. Satz BAO der Eintritt der absoluten Verjährung vor Inkrafttreten der Bestimmung entgegensteht (vgl. Rdnr. 20 dieser Entscheidung).

Entgegen der Ansicht der Bf. gibt es auch keinen allgemeinen Grundsatz, dass Abgabenfestsetzungen nur innerhalb der Frist für die absolute Verjährung erfolgen dürfen (vgl. Punkt 3.5 der Beschwerde). Die von der Bf. in Beschwerde zitierte Entscheidung des , hat auch keinen solchen allgemeinen Grundsatz aufgestellt, sondern hat dieses Judikat zum einen die in § 209 Abs. 3 BAO wiedergegebene Regelung - ohne weitere Würdigung - wiedergegeben (Rdnr. 18 f). In der Folge trifft der VwGH in dieser Entscheidung aber nur Aussagen zum Beginn der Festsetzungsverjährung bei Erlassung von vorläufigen Bescheiden. Die in der Beschwerde ebenfalls zitierte Entscheidung des , kann ebenfalls nicht als einschlägig angesehen werden, weil in diesem Verfahren nicht zunächst im Feststellungsverfahren ein nicht wirksamer Bescheid ergangen ist und es daher nicht zu einer zwischenzeitigen Aufhebung des gemäß § 295 Abs. 1 BAO abgeänderten Einkommensteuerbescheides für 2001 gekommen ist.

Soweit sich der Bf. auf die in Ritz/Koran (BAO7, Tz 36 zu § 209 BAO) wiedergegebene Aussage stützt, dass die absolute Verjährungsfrist weder verlängerbar noch hemmbar ist, kann aus dieser Aussage für den Standpunkt des Bf. ebenfalls nichts gewonnen werden, weil sowohl die in § 209a BAO als auch § 295 Abs. 4 letzter Satz BAO getroffenen Regelungen Abgabenfestsetzungen auch nach Ablauf der Verjährungsfristen der §§ 207 ff BAO und zwar auch der absoluten Verjährung vorsehen (vgl. Ritz/Koran, aaO, Tz 5 zu § 209 BAO).

Da sohin in Anwendung des § 295 Abs. 4 letzter Satz BAO idF BGBl I Nr. 3/2021 die Festsetzung der Einkommensteuer 2008 mit Bescheid vom zulässig war, weil dieser Bescheid innerhalb eines Jahres ab Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für 2008 vom (die Aufhebung ist mit Bescheid vom erfolgt), kann auch keine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG vorliegen.

Auch eine denkunmögliche Gesetzesauslegung kann in der Festsetzung der Einkommensteuer 2008 gemäß § 295 Abs. 1 BAO mit Bescheid vom innerhalb der in § 295 Abs. 4 letzter Satz BAO idF BGBl I Nr. 3/2021 vorgesehenen Frist nicht erblickt werden und ist auch das auf Seite 3 unten der Beschwerde (Punkt 3.7) zitierte Erkenntnis des , genauso wie jenes vom , B18/79, zur Rechtslage vor der BAO-Novelle Nr. 151/1980, ergangen. Auch in diesem Erkenntnis hat der VfGH nicht ausgesprochen, dass Abgabenfestsetzungen außerhalb der Verjährungsfristen verfassungsrechtlich nicht zulässig wären, sondern ergibt sich durch die Erwähnung der BAO-Novelle BGBl Nr. 151/1980 implizit, dass eine solche Festsetzung verfassungsrechtlich möglich wäre, wenn es dafür eine gesetzliche Grundlage gibt. Im gegenständlichen Fall ist - wie bereits dargestellt - die Grundlage für die Festsetzung der Einkommensteuer 2008 mit Bescheid vom außerhalb der absoluten Verjährungsfrist § 295 Abs. 4 letzter Satz BAO, wobei diese Regelung genauso gut in § 209a BAO aufgenommen werde hätte können. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass für den Inhalt einer Norm dessen Wortlaut und Sinn maßgeblich ist und nicht an welcher Stelle eines Gesetzes diese Regelung getroffen wurde.

In der Beschwerde wird auch die Ansicht vertreten, dass die Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides für 2008 vom entgegenstehen würde bzw. offenbar der Grundsatz "ne bis in idem" verletzt wäre (Punkt 4.3 und 4.4 der Beschwerde).

Dieser Rechtsmeinung ist entgegenzuhalten, dass alle im 7. Abschnitt unter Punkt B. vorgesehenen Maßnahmen dazu führen, dass in die Rechtskraft von Bescheiden eingegriffen wird und daher bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 295 Abs. 1 BAO iVm § 295 Abs. 4 letzter Satz BAO eine zulässige Rechtskraftdurchbrechung vorliegt.

Gegen die Anwendung des § 295 Abs. 4 letzter Satz BAO wird in der Beschwerde vorgebracht, dass durch diese Regelung eine maßgebliche Verschlechterung der Rechtslage eingetreten wäre und die Regelung so interpretiert werden müsste, dass der Eintritt der Verjährung eine Abgabenfestsetzung nur dann entgegensteht, wenn die Verjährung nicht bereits am eingetreten wäre.

In der Begründung des Initiativantrages wurden zur Neuregelung des § 295 Abs. 4 BAO (1109/A, XXVII. GP, S 31 f zu Artikel 5 Ziffer 7) folgende Ausführungen gemacht:

"Der VfGH hat mit Erkenntnis vom , G 159/2019, den letzten Satz des § 295 Abs. 4 BAO als verfassungswidrig aufgehoben. In der Entscheidung hat der Gerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass er in der bisherigen Bestimmung des § 295 Abs. 4 BAO eine eigenständige Regelung zur Aufhebung von Bescheiden sieht, die unabhängig von der in § 302 Abs. 1 BAO mit dem Ablauf der Verjährungsfrist begrenzten Zulässigkeit von Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden besteht.

Dies führt zunächst dazu, dass nach Ablauf der durch den VfGH gewährten Frist zur Anpassung der gesetzlichen Regelung Aufhebungsanträge gemäß § 295 Abs. 4 BAO unbegrenzt zulässig wären. In weiterer Folge zeitigt die bisherige Regelung des § 295 Abs. 4 BAO in Zusammenhang mit der Aufhebung des letzten Satzes unsachliche Folgen: Der geltende Gesetzeswortlaut des

§ 295 Abs. 4 BAO lässt lediglich Aufhebungen abgeleiteter Bescheide zu. Feststellungsbescheide nach § 188 BAO können jedoch ohne Rücksicht auf die Verjährungsfristen der BAO erlassen werden. Stellt sich demnach im Beschwerde- oder Revisionsverfahren gegen einen Feststellungsbescheid heraus, dass dieser eine als Grundlagenbescheid intendierte Enunziation - somit ein "Nichtbescheid" - ist, kann die Abgabenbehörde zwar einen rechtswirksamen Feststellungsbescheid erlassen, ein von der als Grundlagenbescheid intendierten Enunziation abgeleiteter Bescheid könnte jedoch nur mehr aufgehoben werden. Damit tritt der ursprüngliche Erstbescheid oder ein zuvor ergangener abgeleiteter Bescheid wieder in den Rechtsbestand; derartige Bescheide entsprechen in den allermeisten Fällen aber inhaltlich nicht mehr dem geltenden Feststellungsbescheid. Dies führt zu unsachlichen Ergebnissen, die häufig dazu führen können, dass eigentlich nicht zustehende Verluste nur deshalb lukriert werden können, weil ein unwirksamer Feststellungsbescheid bestanden hat, der aber mittlerweile durch einen wirksamen Feststellungsbescheid ersetzt wurde.

Mit der Änderung wird für die Partei die Möglichkeit geschaffen, einen Antrag auf Aufhebung des Bescheides zu stellen, der sich auf den Nichtbescheid gestützt hat. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage betrifft die Aufhebung damit nicht nur Änderungsbescheide gemäß

§ 295 Abs. 1 BAO sondern alle Bescheide, die auf den Nichtbescheid gestützt sind. Die Aufhebung ist nur zulässig, wenn der Antrag innerhalb von einem Jahr ab Rechtskraft der Zurückweisung gestellt wird. Mit dieser Antragsbefristung wird den Ausführungen des VfGH, wonach das Antragsrecht seine rechtserhebliche Bedeutung im Zeitpunkt der Zurückweisung der Beschwerde erlangt, Rechnung getragen.

Zur Vermeidung von unsachlichen Ergebnissen ist vorgesehen, dass der Übernahme der im (neu) erlassenen Feststellungsbescheid (bzw. Nichtfeststellungsbescheid) getroffenen Feststellungen die Verjährung nicht entgegensteht, wenn der neue Abgabenfestsetzungsbescheid innerhalb von einem Jahr ab Aufhebung ergeht. Wird gegen den (neu) erlassenen Feststellungsbescheid (bzw. Nichtfeststellungsbescheid) fristgerecht Beschwerde erhoben, soll durch die Anwendung des § 209a Abs. 2 erster Satz BAO - zur Sicherstellung eines effektiven Rechtsschutzes - trotz Verjährungseintritt eine allfällige Anpassung des abgeleiteten Festsetzungsbescheides an den im Beschwerdeverfahren abgeänderten Feststellungsbescheid möglich sein."

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass vom Gesetzgeber nicht intendiert war, Aufhebungsanträge gemäß § 295 Abs. 4 BAO zeitlich unbegrenzt zuzulassen und es andererseits nicht möglich sein soll, durch die Antragstellung des § 295 Abs. 4 BAO zu erreichen, dass der ursprüngliche Erstbescheid oder ein zuvor ergangener abgeleiteter Bescheid endgültig wieder in den Rechtsbestand treten sollen, wenn diese Bescheide inhaltlich nicht mehr dem geltenden Feststellungsbescheid entsprechen. Dies führt zu unsachlichen Ergebnissen, die häufig dazu führen können, dass eigentlich nicht zustehende Verluste nur deshalb lukriert werden können, weil ein unwirksamer Feststellungsbescheid bestanden hat, der aber mittlerweile durch einen wirksamen Feststellungsbescheid ersetzt wurde.

Dieser Initiativantrag ist am im Nationalrat eingebracht worden weswegen nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts kein schützenswertes Vertrauen darauf bestanden hat, dass nach Ablauf der vom VfGH mit Erkenntnis vom , G 159/2019, gesetzten Frist , lediglich eine Aufhebung des von einem Nichtbescheid abgeleiteten Einkommensteuerbescheides möglich sein soll nicht aber die Neufestsetzung der Einkommensteuer im Einklang mit jenem Feststellungsbescheid, der sich nachträglich als Nichtbescheid herausgestellt hat und der in der Folge ordnungsgemäß erlassen wurde. Eine solche Auslegung würde dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gemäß § 114 Abs. 1 BAO widersprechen. Überdies hätte der Gesetzgeber für bis zum eingebrachte Anträge gar keine Änderung der in § 295 Abs. 4 BAO idF BGBl I Nr. 76/2011 vorgesehenen Frist vorsehen müssen.

Außerdem war der Grund für die Aufhebung der in § 295 Abs. 4 BAO vorgesehenen Frist (der Antrag war vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen) durch den VfGH gerade der, dass die Anknüpfung an die Verjährung oftmals dazu geführt hat, dass im Zeitpunkt, in dem festgestellt wurde, dass es sich beim Feststellungsbescheid, der Anlass für die Anpassung des Einkommensteuerbescheides gemäß

§ 295 Abs. 1 BAO war, um einen Nichtbescheid handelt, die Frist für die Stellung des Antrages bereits abgelaufen war (vgl. Punkt 3.2.2 des Erkenntnisses des ). Daher kann es nicht als unsachlich angesehen werden, wenn bei einer Neuregelung der Frist für die Antragstellung gemäß § 295 Abs. 4 BAO unabhängig von der eingetretenen Verjährung des Abgabenanspruches auch eine Möglichkeit der richtigen Neufestsetzung des Abgabenanspruches im Einklang mit dem nunmehr wirksam ergangenen Feststellungsbescheid vorgesehen wird, weil sonst der Fiskus einseitig mit den Folgen eines unwirksam ergangenen Feststellungsbescheides belastet werden würde.

In diesem Zusammenhang ist weiters zu bedenken, dass die Aufhebung eines von einem Nichtbescheid abgeleiteten Einkommensteuerbescheides gemäß § 295 Abs. 4 BAO idF BGBl I Nr. 3/2021 auch dann ermöglicht wird, wenn die absolute Verjährung betreffend das Jahr, für das die Einkommensteuer festgesetzt wurde, bereits eingetreten ist. Wird aber eine Aufhebung von bereits absolut verjährten Bescheiden gem. § 295 Abs. 4 BAO ermöglicht, kann es nicht als unsachlich angesehen werden, dass sodann - nach einer Aufhebung gem. § 295 Abs. 4 BAO - ein im Einklang mit einem nunmehr wirksam erlassenen Einkünftefeststellungsbescheid stehender neuer Einkommensteuerbescheid außerhalb der absoluten Verjährungsfrist erlassen werden kann soweit nur Feststellungen übernommen werden, die bereits im ursprünglichen Feststellungsbescheid gem. § 188 BAO, der sich als Nichtbescheid herausgestellt hat, bereits enthalten waren.

Überdies hat der VwGH die offenbar in der Beschwerde vertretene selektiven Anwendung des § 295 Abs. 4 BAO idF BGBl I Nr. 3/2021 mit der Entscheidung vom , Ra 2022/13/00071, verneint, weil er folgendes festgehalten hat (Rdnr. 22):

"Es handelt sich bei § 295 Abs. 4 BAO um ein Antragsrecht, das der Abgabepflichtige in Anspruch nehmen kann, aber nicht muss. Es liegt an ihm, ob er die Rechtswirkungen dieser Bestimmung in ihrer Gesamtheit für sich in Anspruch nehmen möchte oder nicht. Dass nicht nur ein Teil der neuen Bestimmung auf ihn anwendbar sein kann und der andere Teil nicht, bedarf keiner näheren Erörterung."

Soweit sich der Bf. auf die Entscheidung des , zu stützen versucht, ist festzuhalten, dass diese Entscheidung zu § 209 Abs. 3 letzter Halbsatz BAO in der vor dem zweiten Abgabenänderungsgesetz 1987, BGBl. Nr. 312/1987, geltenden Fassung ergangen ist und daher für die im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage nicht maßgeblich ist, wie auch der VwGH im Erkenntnis vom , Ra 2022/13/0071, ausgesprochen hat (Rdnr. 19):

§ 209 Abs. 3 letzter Halbsatz BAO idF vor BGBl Nr. 312/1987, hat nämlich vorgesehen, "dass ein Abgabenanspruch nicht mehr geltend gemacht werden durfte, wenn seit seiner Entstehung 15 Jahre verstrichen waren. Nach der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes war die zeitliche Schranke des § 209 Abs. 3 BAO aF nicht als Verjährungsbestimmung anzusehen; sie schloss vielmehr jede auf Realisierung des Abgabenanspruches gerichtete Maßnahme schlechthin aus. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu der Frage, ob § 209 Abs. 3 BAO in der Fassung BGBl. Nr. 312/1987 im Beschwerdefall anwendbar war, der nunmehr ausdrücklich eine Verjährung vorsah, ausgesprochen, dass sich die Frage der Anwendbarkeit mangels gesetzlicher Anordnung aus dem Regelungsgegenstand der Norm, um deren Anwendung es geht, implizit ergeben kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat damals entschieden, dass aufgrund § 209 Abs. 3 BAO alte Fassung, der die Geltendmachung des Abgabenanspruches nach Fristablauf ausdrücklich ausgeschlossen hatte, für jene Abgabensprüche, bei denen eine Geltendmachung bereits ausgeschlossen gewesen war, das neue Gesetz noch keine Anwendung finden konnte."

In der Beschwerde wird auch vorgebracht, dass es im gegenständlichen Fall nicht von Abgabepflichtigen, sondern von der Finanzverwaltung zu vertreten gewesen wäre, dass eine "ordentliche rechtskräftige Erledigung des Verfahrens nicht innerhalb der absoluten Verjährungsfrist erfolgen hätte können (Punkt 4.5.8). Diesbezüglich ist festzuhalten, dass dem Bf. sehr wohl verfahrensrechtliche Instrumentarien zur Verfahrensbeschleunigung zur Verfügung gestanden wären (Devolutionsantrag; Säumnisbeschwerde; Fristsetzungsantrag).

Überdies hat der VwGH im Erkenntnis vom , Ra 2022/13/0071, ausdrücklich die Zulässigkeit der Abgabenfestsetzung gem. § 295 Abs. 4 3. Satz BAO idF BGBl I Nr. 3/2021 für Sachverhalt wie den beschwerdegegenständlichen bejaht (vgl. Rdnr. 23: "Im Revisionsfall hat der Einkommensteuerbescheid 2008 vom die aus dem den Nichtbescheid ersetzenden Bescheid vom enthaltenen Feststellungen übernommen und ist innerhalb der in § 295 Abs. 4 BAO normierten Jahresfrist ergangen, weshalb der Eintritt der Verjährung der Abgabenfestsetzung nicht entgegenstand.").

Da der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2008 vom innerhalb der in § 295 Abs. 4 letzter Satz BAO idF BGBl I Nr. 3/2021 vorgesehenen Jahresfrist ergangen ist und diese Regelung auch bei Erlassung dieses Bescheides in Geltung gestanden hat, war die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 vom als unbegründet abzuweisen.

Zur Beschwerde gegen den Anspruchszinsenbescheid 2008:

Diesbezüglich wird in der Beschwerde vorgebracht, dass der Abgabenbescheid 2008 vom rechtswidrig und daher antragsgemäß ersatzlos aufzuheben wäre. Da nach Aufhebung des Bescheides keine ausständige Abgabenschuld und somit kein Raum für die Festsetzung von Anspruchszinsen bestehen würde, wäre der Anspruchszinsenbescheid aufzuheben.

Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabeergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des mit dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruches folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Bescheides zu verzinsen(Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus

a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden,

b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,

c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.

Die Anspruchszinsen betragen gemäß § 205 Abs. 2 BAO pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen.

Die Anfechtung des Anspruchszinsenbescheides 2008 vom lediglich mit dem Vorbringen, dass der diesem Anspruchszinsenbescheid zugrunde liegende Einkommensteuerbescheide 2008 rechtswidrig und daher antragsgemäß ersatzlos aufzuheben wäre, ist nicht mit Aussicht auf Erfolg möglich, weil Anspruchszinsen an die Höhe der im Bescheidspruch des Einkommensteuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung oder Gutschrift gebunden sind. Wegen dieser Bindung ist der Zinsenbescheid nicht (mit Aussicht auf Erfolg) mit der Begründung anfechtbar, der maßgebenden Einkommensteuerbescheid 2008 sei rechtswidrig (vgl. zB ).

Erweist sich nämlich der Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig und wird er im Beschwerdeverfahren entsprechend abgeändert (oder aufgehoben), so wird diesem Umstand mit einem an den Abänderungsbescheid (Aufhebungsbescheid) gebundenen Zinsenbescheid Rechnung getragen. Es ergeht daher ein weiterer Zinsenbescheid und es erfolgt keine Abänderung der ursprünglichen angefochtenen Zinsenbescheide (vgl. ; ).

Daher ist die Beschwerde gegen den Bescheid über die Anspruchszinsen 2008 vom als unbegründet abzuweisen.

Außerdem wird vorgebracht, dass wegen der langen Verfahrensdauer die Festsetzung von Anspruchszinsen gemäß § 236 Abs. 1 BAO unbillig wäre. Zu diesem Vorbringen ist festzuhalten, dass über die Frage der Unbilligkeit der Festsetzung von Anspruchszinsen für das Jahr 2008 mit Bescheid vom im Einhebungsverfahren durch die Abgabenbehörde zu entscheiden wäre und daher diesbezüglich (derzeit) keine Entscheidungsbefugnis des Bundesfinanzgerichts besteht.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dass bei Änderungen verfahrensrechtlicher Rechtsvorschriften im Allgemeinen das neue Recht ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens anzuwenden ist, und zwar auch auf solche Rechtsvorgänge, die sich vor Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechtes ereignet haben, ist durch die in der Entscheidung angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Der Umstand, dass nach einer auf Antrag erfolgten Aufhebung nach § 295 Abs. 4 BAO der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretenden Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegensteht, wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab Aufhebung erfolgt, gründet sich auf die seit durch BGBl I Nr. 3/2021 geschaffenen Rechtslage und ergibt sich somit unmittelbar aus dem Gesetz. Es liegen daher keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Revision spruchgemäß nicht zuzulassen war.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100800.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at