Reduktion Abgabenhaftung aufgrund langem Zeitraum zwischen Entstehen des Abgabenanspruchs und der Haftungsinanspruchnahme
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Dr Karl Renner Promenade 10, 3100 St. Pölten, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des***FA*** vom zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der Haftungsbetrag wird von ursprünglich EUR 17.433,24 auf EUR 8.678,70 reduziert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** (Primärschuldnerin) gem § 9 BAO iVm § 80ff BAO zur Haftung für ausstehende Abgabenschuldigkeiten von EUR 17.433,24 herangezogen.
Mit Schriftsatz vom erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Haftungsbescheid.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Mit Schriftsatz von stellte der Beschwerdeführer fristgerecht den Vorlageantrag gem § 264 BAO.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war ab alleiniger Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin***.
Mit Beschluss des Landesgerichts St. Pölten wurde am (14 S 112/11b) ein Sanierungsverfahren betreffend die Primärschuldnerin eröffnet.
Mit Beschluss des Landesgerichts vom wurde die Bezeichnung des Insolvenzverfahrens von Sanierungs- auf Konkursverfahren geändert.
Mit Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom wurde der Konkurs nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben.
Zum wurde die Gesellschaft gem. § 40 FBG aus dem Firmenbuch gelöscht.
Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer für die folgenden aushaftenden Abgaben der Primärschuldnerin zur Haftung herangezogen:
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Abgabenart | Zeitraum | EUR |
Umsatzsteuer | 05/2010 | 1.415,85 |
Umsatzsteuer | 06/2010 | 7.270,53 |
Umsatzsteuer | 03/2011 | 2.880,26 |
Umsatzsteuer | 04/2011 | 3.769,32 |
Körperschaftsteuer | 07-09/2010 | 437,00 |
Körperschaftsteuer | 07-12/2010 | 75,85 |
Kammerumlage | 01-06/2011 | 54,90 |
Dienstgeberbeitrag | 06/2010 | 634,55 |
Zuschlag zum DB | 06/2010 | 102,27 |
Verspätungszuschlag | 03/2011 | 159,50 |
Stundungszinsen | 2010 | 70,66 |
Säumniszuschlag A | 2010 | 251,31 |
Säumniszuschlag A | 2011 | 238,53 |
Säumniszuschlag C | 2010 | 72,71 |
Summe | 17.433,24 |
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat sich herausgestellt, dass der Haftungsbescheid in Bezug auf die Körperschaftsteuer 07-12/2010 iHv EUR 75,85 nicht korrekt ist. Der Haftungsbetrag ist daher auf EUR 17.357,39 zu reduzieren.
2. Beweiswürdigung
Die Geschäftsführerstellung des Beschwerdeführers sowie der Verfahrensgang des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Primärschuldnerin ergibt sich unzweifelhaft aus dem amtlichen Firmenbuchauszug der Primärschuldnerin.
Die Abgaben, für die der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen wurde, ergibt sich unzweifelhaft aus dem Haftungsbescheid vom .
Die Reduktion des Haftungsbetrages beruht auf den Ausführungen des Finanzamtes bei der mündlichen Verhandlung.
Der Sachverhalt konnte damit der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts zugrunde gelegt werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Die Haftungsbestimmung des § 9 Abs 1 BAO lautet wie folgt:
"Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."
Damit eine Person nach diesen Bestimmungen zur Haftung für eine fremde Abgabenschuld herangezogen werden kann, müssen daher die folgenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sein:
1. Persönlicher Anwendungsbereich - Vertreter iSd §§ 80ff BAO
2. Bestehen einer Abgabenschuld
3. Uneinbringlichkeit der Abgabe
4. Schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher oder sonstiger Pflichten durch den Vertreter
5. Ursächlichkeit zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit der Abgabe
• Persönlicher Anwendungsbereich - Vertreter iSd §§ 80ff BAO
Der Beschwerdeführer war ab Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Zeitpunkt, in dem die in Haftung gezogenen Abgaben fällig waren, und gehört damit zu dem in § 80 Abs 1 BAO angeführten Personenkreis. Er kann daher gemäß § 9 BAO grundsätzlich zur Haftung für ausständige Abgabenrückstände herangezogen werden.
• Bestehen einer Abgabenschuld
Das Bestehen des Abgabenanspruchs ist zwischen den Parteien unstrittig und ergibt sich auch klar aus dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin.
Daher geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die Abgabenschuld gegenüber der Primärschuldnerin bestanden hat.
• Uneinbringlichkeit der Abgaben
Ein Geschäftsführer kann gem § 9 BAO nur zur Haftung herangezogen werden, wenn die Abgabe bei der Primärschuldnerin im Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme uneinbringlich ist.
Der Haftungsbescheid wurde am erlassen.
Zu diesem Zeitpunkt war die Primärschuldnerin nach Abschluss des Insolvenzverfahrens bereits aus dem Firmenbuch amtswegig gem § 40 FBG gelöscht.
Da im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung die Gesellschaft bereits aus dem Firmenbuch gelöscht war, steht fest, dass die ausständigen Abgaben bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind und dieses Tatbestandsmerkmal daher erfüllt ist.
• Schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher oder sonstigen Pflichten durch den Vertreter
Allgemeine Rechtslage/erhöhte Mitwirkungspflicht des Vertreters
Gem § 80 Abs 1 BAO haben die Vertreter von juristischen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Die vorgeschriebenen und schlussendlich im Haftungsbescheid genannten Abgaben sind nicht zum Fälligkeitszeitpunkt entrichtet worden.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH besteht bei der Frage, ob der Vertreter schuldhaft eine Abgabenpflicht verletzt hat, eine qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters. Der Vertreter hat dabei darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten nicht möglich war. Andernfalls kann eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden (vgl zB , 2011/16/0184; , 2013/16/0166; , 2013/16/0208; , 2013/16/0016). In diesem Zusammenhang muss der Vertreter allerdings keinen negativen Beweis dafür vorbringen, dass keine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt, sondern lediglich eine konkrete, schlüssige Darstellung der Gründe, die einer rechtzeitigen Abgabenentrichtung im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben entgegengestanden sind (vgl zB , 89/13/0212; , 2005/17/0259).
Die Haftung kann in diesem Zusammenhang insbesondere dann begrenzt werden, wenn der Haftungspflichtige nachweist, dass ihm im Haftungszeitraum nicht ausreichend liquide Mittel zur Verfügung gestanden sind und er den Abgabengläubiger nicht schlechter behandelt hat (sogenannter Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung).
Nachweis der Gläubigergleichbehandlung
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die fehlende Benachteiligung des Abgabengläubigers nur dann nachgewiesen werden, wenn die liquiden Mittel im Haftungszeitraum zu keiner Zeit ausreichten, um sämtliche fällige Verbindlichkeiten zu tilgen. Im Abgabenrecht gilt der Grundsatz der vollständigen Mittelausschüttung. Der Vertreter handelt schuldhaft, wenn die Primärschuldnerin über Mittel verfügt hätte, um sämtliche fällige Verbindlichkeiten zu bedienen und die Abgaben dennoch nicht vollständig bezahlt wurden. Reichen diese Mittel nicht aus, kann allerdings ein Gleichbehandlungsnachweis angetreten werden (vgl eine übersichtliche Darstellung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Lachmayer, Einzelfragen zur Haftung gem § 9 BAO, RdW 2023, 682ff).
Erbringt der Vertreter den Nachweis, dass der Abgabengläubiger ebenso viel an vorhandenen Mitteln erhalten hat, wie andere Gläubiger, dann haftet er überhaupt nicht (vgl ). Dabei ist nachzuweisen, dass kein einziger Gläubiger dem Abgabengläubiger vorgezogen wurde (vgl ; ; 2002/13/0196; , 98/14/0082). Es ist daher nicht darzustellen, dass der Abgabengläubiger nicht weniger als der Durchschnitt der Gläubiger bekommen hat, sondern dass kein anderer Gläubiger mehr als der Abgabengläubiger erhalten hat. Wird also ein einziger Gläubiger (z.B. ausstehende Löhne, Lieferanten, Bankverbindlichkeiten, Zug-um-Zug-Geschäfte etc) voll bezahlt, liegt eine Schlechterstellung des Abgabegläubigers iSd Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor (vgl ; , 2001/14/0126; , 2003/13/0111; , 2008/15/0085; ,89/14/0132; , 93/17/0051). In diesem Zusammenhang ist es nicht relevant, dass solche Zahlungen betriebsnotwendig waren (). Tilgt der Vertreter andere Verbindlichkeiten voll oder in einem höheren Ausmaß, dann ist der Abgabengläubiger im gleichen Ausmaß zu befriedigen.
Zu den Umsatzsteuerforderungen Mai bis Juni 2010 und den dazu gehörenden Nebengebühren, bringt der Beschwerdeführer vor, dass der Tagessaldo des Abgabenkontos für Mai 2010 bereits EUR 15.811,12 betragen habe. Anschließend sei der Tagessaldo im Zeitraum der Fälligkeit der in Haftung gezogenen Abgaben nicht angestiegen. Daher sei von einer 100%igen Befriedigung des Finanzamtes auszugehen. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass laut Abgabenkonto tatsächlich Zahlungen betreffend ausständiger Abgaben geleistet worden sind.
Unter Beachtung des § 214 Abs 1 BAO, wonach bei zusammengefasster Verbuchung der Gebarung, Zahlungen (insbesondere ohne Verrechnungsweisung) und sonstige Gutschriften grundsätzlich auf die ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen sind, ist es für das Bundesfinanzgericht nicht nachvollziehbar, warum die Beschwerde von einer 100% Befriedigung des Abgabengläubiger ausgeht, wenn nach wie vor fällige Abgaben ausständig sind.
Wenn der Beschwerdeführer abschließend auf Seite 4 seiner Beschwerde behauptet, dass er stets eine anteilige Befriedigung sämtlicher Gläubiger vorgenommen habe und in den haftungsgegenständlichen Zeiträumen regelmäßig Zahlungen auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin geleistet wurden und somit der Stand des Kontos im Wesentlichen gleichgeblieben ist, ist im Sinne der oben dargestellten Judikatur festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer damit kein Nachweis gelungen ist, dass der Abgabengläubiger nicht schlechter behandelt wurde. Vielmehr wäre ein konkreter, zahlenmäßiger Nachweis erforderlich, dass sämtliche Gläubiger mit der gleichen Quote befriedigt worden sind wie der Abgabengläubiger. Ein solcher Nachweis wurde im vorliegenden Fall nicht erbracht.
Nachweis einer fiktiven Gläubigergleichbehandlungsquote
Gelingt dem zur Haftung herangezogenen Vertreter der Nachweis nicht, dass er sämtliche Gläubiger im Zeitpunkt der Fälligkeit der in Haftung gezogenen Abgabenschuld tatsächlich gleichbehandelt hat (alle Gläubiger haben dieselbe Quote erhalten), besteht in einem zweiten Schritt die Möglichkeit eine fiktive Quote nachzuweisen, die der Abgabengläubiger erhalten hätte, wenn sämtliche Gläubiger aus den vorhandenen Mitteln gleich befriedigt worden wären. Im Rahmen der Haftung des § 9 BAO haftet der Vertreter nämlich nicht für die volle Abgabenschuld der Primärschuldnerin, sondern nur in jenem Ausmaß in dem der Abgabengläubiger ungleich behandelt wurde (vgl zB ).
Bei der Berechnung der Quote obliegt dem Vertreter eine qualifizierte Mitwirkungspflicht. Er hat die fiktive Gleichbehandlungsquote zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu berechnen und diese entsprechend nachzuweisen.
Beim Nachweis der fiktiven Quote spielen die Zahlungen an andere Gläubiger keine Rolle. Die fiktive Gleichbehandlungsquote betrachtet nur, wie viel an Abgabenschulden getilgt worden wären, wenn der Vertreter die vorhandenen Mittel gleichmäßig auf alle Verbindlichkeiten verteilt hätte. Diese Quote ist dann der Quote der tatsächlich bezahlten Abgabenschulden gegenüberzustellen. Für den Differenzbetrag haftet der Vertreter (vgl Lachmayer, Einzelfragen zur Haftung gem § 9 BAO, RdW 2023, 683).
Bei der Berechnung der Quote hat der Vertreter für den Gleichbehandlungsnachweis, zum jeweiligen Fälligkeitstag der Abgaben die fälligen Verbindlichkeiten und liquiden Mitteln gegenüberzustellen (vgl zB ). Mit anderen Worten sind daher der Betrag der liquiden Mitteln durch den Betrag der fälligen Verbindlichkeiten zu dividieren. Bei dieser Betrachtung wären gegebenenfalls auch später eingehenden liquide Mittel zu berücksichtigen (vgl ), wobei die Quote, die sich aus den liquiden Mitteln zum jeweiligen Fälligkeitstag ergibt, die Untergrenze für die Haftung darstellt. Später eingehende liquide Mittel können den Haftungsbetrag nur erhöhen.
Gelingt dem Vertreter der Nachweis einer entsprechenden Quote, haftet er lediglich im Ausmaß der Quote. Wird keine Quote nachgewiesen haftet der Vertreter für die vollen Abgabenrückstände (vgl Lachmayer, Einzelfragen zur Haftung gem § 9 BAO, RdW 2023, 683).
In der Beschwerde wird für die Periode März bis April 2011 versucht, das Verschulden des Beschwerdeführers durch das Fehlen von liquiden Mitteln zu begründen. So wird angeführt, dass laut übermittelten Bankkontoauszug im Zeitraum bis lediglich EUR 19.291,58 an Fremdzahlungen aus das Geschäftskonto der Primärschuldnerin eingegangen seien. Daraus schließt die Beschwerde offenbar, dass der Primärschuldnerin lediglich EUR 19.291,58 an liquiden Mittel zur Verfügung gestanden sind.
Anschließend wird in der Beschwerde noch eine vermeintliche Gleichbehandlungsquote von 2,78% berechnet. Dabei wird der Haftungsbetrag von EUR 17.433,24 durch den Gesamtbetrag der anderen Konkursforderungen von EUR 626.512,64 dividiert.
Somit ergebe sich nach Ansicht des Beschwerdeführers, dass er nur mit EUR 536,31 (19.291,58*2,78%) zur Haftung herangezogen werden könne.
Im Zeitraum bis seien nur Leistungsentgelte von EUR 6.295,35 der Primärschuldnerin zugeflossen. Unter Anwendung der Quote ergebe sich daher ein maximaler Haftungsbetrag von EUR 175,01 für in diesem Zeitraum fällige Abgaben.
Mit dieser Ansicht verkennt der Beschwerdeführer in mehrfacher Hinsicht die Rechtslage und hier insbesondere die oben im Detail dargestellte Systematik der Berechnung der fiktiven Gläubigergleichbehandlungsquote auf Basis der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Zum einen ist herauszustreichen, dass zu den zur Verfügung stehenden liquiden Mitteln nicht nur Zuflüsse in der Periode der Fälligkeit der Abgabe zählen. In die vorhandenen liquiden Mittel, sind sämtliche liquide Mittel, die der Gesellschaft zur Verfügung stehen einzubeziehen. So wäre bspw auch ein zur Verfügung stehender Kontokorrentkredit (Kontorahmen), wie er der Primärschuldnerin offensichtlich laut dem übermittelten Bankkontoauszug zur Verfügung stand, in den Betrag der liquiden Mittel einzuberechnen gewesen.
Zum anderen entspricht die Berechnung der vermeintlichen Gläubigergleichbehandlungsquote nicht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Für eine fiktive Gläubigergleichbehandlungsquote, sind zu jedem Fälligkeitszeitpunkt die vorhandenen liquiden Mittel dem Gesamtbetrag der fälligen Forderungen gegenüberzustellen. Eine Division der Finanzamtsforderung durch die Summe der anderen Insolvenzforderungen entspricht nicht der Berechnungsmethode, die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichthofes gefordert ist.
Mit Vorhalt vom , der im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung ergangen ist, wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass seine in der Beschwerde dargelegten Argumente und Berechnungen nicht der höchstgerichtlichen Judikatur entsprechen. Dabei wurde er unter Erläuterung der Rechtslage aufgefordert, Nachweise, die der Rechtsprechung entsprechen, vorzulegen. Bis zur mündlichen Verhandlung wurden dem Bundesfinanzgericht keine weiteren Berechnungen vorgelegt. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte der Beschwerdeführer auf nochmaliges Nachfragen des Richters, keine Berechnung vorlegen, die den dargestellten Vorgaben der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprechen.
• Ursächlichkeit zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit der Abgabe
Die Haftungsinanspruchnahme setzt eine Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall voraus.
Wie im Vorpunkt dargestellt, geht das Bundesfinanzgericht auf Basis der Aktenlagen und mangels anderer Vorbringen des Beschwerdeführers davon aus, dass er seine abgabenrechtlichen Pflichten als Geschäftsführer schuldhaft verletzt hat. Nach der Judikatur des VwGH spricht bei schuldhafter Pflichtverletzung die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgabe. (vgl zB , 2012/16/0001; , 2013/16/0016; , Ra 2020/13/0027). Da der Beschwerdeführer auch in diesem Zusammenhang keine gegenteiligen Nachweise vorlegen konnte, geht das Bundesfinanzgericht der ständigen Rechtsprechung des VwGH folgend von einer Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführers und der Uneinbringlichkeit der Abgabe aus.
Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass alle Tatbestandsmerkmale der anwendbaren Haftungsbestimmung im vorliegenden Fall erfüllt sind.
Ermessen
Wenn alle Tatbestandsmerkmale für eine Haftung erfüllt sind, liegt die Inanspruchnahme eines zur Haftung Verpflichteten schlussendliche im Ermessen der Abgabenbehörde. Die Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde hat sich gem § 20 BAO innerhalb der Grenzen zu halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl ; , 91/13/0181; , 99/13/0060).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ist eine Erwägung, die in diese Ermessensübung miteinzubeziehen ist, ein langer Zeitabstand zwischen der Haftungsinanspruchnahme des Vertreters und dem Entstehen der Abgabenschuld oder dem Feststehen der Uneinbringlichkeit der Forderung bei der Primärschuldnerin (vgl zB ; Ra 2019/13/0066; , Ra 2021/13/0132; , 91/13/0037; , Ra 2015/16/0044; , Ra 2015/16/0044; ; ).
Im vorliegenden Fall wurde der Haftungsbescheid am erlassen. Damit wurde die Haftung mehr als 5 Jahre nach Löschung der Primärschuldnerin aus dem Firmenbuch und rund 7 bis 8 Jahre nach der ursprünglichen Fälligkeit der offenen Abgabenansprüche geltend gemacht. Dieser lange Zeitabstand zwischen der Fälligkeit der Abgaben und dem Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit der Abgaben bis zur Geltendmachung der Haftung ist daher bei der Haftungsinanspruchnahme des Vertreters jedenfalls zu berücksichtigen.
Im konkreten Fall ist daher der Haftungsbetrag aufgrund des Zeitabstandes um 50% zu reduzieren (vgl ).
Eine persönliche Unbilligkeit, ist im vorliegenden Fall nicht in das Ermessen einzubeziehen. Der nunmehr reduzierte Haftungsbetrag sollte aus den Pensionseinkünfte evtl. unter Gewährung einer Zahlungserleichterung nach § 212 BAO (zB Ratenzahlung) des Beschwerdeführers von rund EUR 2.000,00 zu bestreiten sein.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die vorliegende Entscheidung beruht auf der zitierten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht waren ausschließlich Tatsachenfragen zu beurteilen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101107.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at