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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 28.03.2024, RV/1100247/2023

Direkte Zustellung der Bescheide an die Partei trotz eines bestellten Zustellungsbevollmächtigten; Nichtbescheide

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Josef Ungericht in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Welte Rechtsanwalt GmbH, Bahnhofstraße 13, 6830 Rankweil, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Festsetzung der Normverbrauchsabgabe beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Verfahrensgang

1. Mit zwei (gesondert) ergangenen "Bescheiden" vom jeweils setzte das Finanzamt gegenüber dem Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) für das Kraftfahrzeug der Marke M1 mit dem ausländischen Kennzeichen KZ xxx und für das Kraftfahrzeug der Marke M2 mit dem ausländischen Kennzeichen KZ yyy jeweils Normverbrauchsabgabe gemäß § 1 Z 3 NoVAG 1991 (widerrechtliche Verwendung) fest.

2. Gegen die beiden "Bescheide" betreffend Festsetzung der Normverbrauchsabgabe vom erhob der Bf. durch seine anwaltliche Vertreterin Beschwerde (mit zwei gesonderten Schriftsätzen vom jeweils ). Begründend wurde angeführt, der Bf. habe seinen Mittelunkt der Lebensinteressen nicht in Österreich sondern in Deutschland. Der dauernde Standort der streitgegenständlichen Kraftfahrzeuge sei aufgrund des Lebensmittelpunkts des Bf. ebenfalls in Deutschland und nicht in Österreich (im Detail wird auf die Beschwerden vom jeweils verwiesen).

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt die beiden Beschwerden gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen. Als Begründung hat das Finanzamt dazu angegeben:

"Die Abgabenbehörde adressierte und stellte an ***Bf1*** an der angegebenen deutschen Adresse zwei Bescheide über die Festsetzung von Normverbrauchsabgabe vom zu, gegen welche innerhalb offener Monatsfrist die beiden ggst Beschwerden eingebracht wurden. Herr ***Bf1*** hat jedoch seit 2019 einen Zustellungsbevollmächtigten, die Gerstgrasser WP u Stb GmbH in Bludenz, an welche gemäß § 9 Abs 3 ZustG zwingend zu adressieren und zuzustellen gewesen wäre. Eine Heilung im Sinne von § 9 Abs 3 zweiter Satz ZustG konnte nicht festgestellt werden. Mangels erfolgter Zustellung liegen daher keine wirksamen Bescheide vor.

Eine Beschwerde ist gemäß § 243 BAO nur gegen einen Bescheid zulässig. Da jedoch keine Bescheide bzw sog Nichtbescheide gegeben sind, ist eine Beschwerde nicht zulässig. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Hinweis:
Mit einer korrekten Adressierung und Zustellung von gleichlautenden NoVA-Festsetzungsbescheiden (an die Zustellungsbevollmächtigte) ist in Kürze zu rechnen. Ein Anwendungsfall des § 253 BAO liegt jedoch nicht vor. Rechtsmittel wären daher (ggf gleichlautend) formell erneut zu erheben, dh die ggst Beschwerden sind mit dieser BVE enderledigt."

4. Dagegen brachte die anwaltliche Vertretung des Bf. mit Schreiben vom einen Vorlageantrag ein. Begründend wurde im Vorlageantrag ausgeführt:

"Im gegenständlichen Fall hätte jedenfalls eine inhaltliche Entscheidung stattfinden müssen.

In den Bescheidbeschwerden vom berief sich die zeichnende Rechtsvertreterin auf die erteilte Vollmacht. Bei Rechtsanwälten, Steuerberatern/Wirtschaftsprüfern und Notaren genügt für die volle Vertretungsbefugnis eine (auch mündliche) Berufung auf die Bevollmächtigung (vgl ). Nach stRspr des Verwaltungsgerichtes umfasst eine allgemeine Vertretungsbefugnis auch eine Zustellbevollmächtigung, es sei denn, diese wäre (in der Vollmacht) ausdrücklich ausgeschlossen (zB , mwN; , mwN).

Der Beschwerdeführer beauftragte und bevollmächtigte die Welte Rechtsanwalt GmbH vollumfänglich und erteilte selbstverständlich auch die Zustellbevollmächtigung. Auf die Vollmacht wird in den Beschwerden vom ausdrücklich hingewiesen.

Gemäß § 9 Abs 3 ZustG gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Bereits anhand der Tatsache, dass die Beschwerde durch die beauftragte und Zustellbevollmächtigte Welte Rechtsanwalt GmbH fristgerecht eingebracht wurde, wird der Nachweis erbracht, dass die Zustellung an die Zustellbevollmächtigte erfolgt und somit die Heilung eingetreten ist."

5. Der eingebrachte Vorlageantrag vom wurde vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt (Vorlagebericht des Finanzamtes vom ).

II. Sachverhalt, Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Mit zwei (gesondert) ergangenen "Bescheiden" vom jeweils setzte das Finanzamt gegenüber dem Bf. für das Kraftfahrzeug der Marke M1 mit dem ausländischen Kennzeichen KZ xxx und für das Kraftfahrzeug der Marke M2 mit dem ausländischen Kennzeichen KZ yyy Normverbrauchsabgabe gemäß § 1 Z 3 NoVAG 1991 (widerrechtliche Verwendung) fest. Im Zeitpunkt der Abfertigung bzw. Erlassung dieser "Bescheide" vom jeweils war gegenüber dem Finanzamt die GERSTGRASSER Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, Werdenbergerstraße 39a, 6700 Bludenz, als steuerliche Vertreterin und Zustellungsbevollmächtigte des Bf. bevollmächtigt bzw. ausgewiesen. Die Zustellung der beiden "Bescheide" vom wurde vom Finanzamt nicht an die Zustellungsbevollmächtigte, sondern direkt an den Bf. an seine (deutsche) Adresse, ***Bf1-Adr***, vorgenommen. Die beiden "Bescheide" vom sind der im Zeitpunkt der Abfertigung der beiden "Bescheide" beim Finanzamt ausgewiesenen Zustellungsbevollmächtigten, der GERSTGRASSER Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, nicht tatsächlich zugekommen.

Die Feststellung, dass die Zustellung der beiden "Bescheide" vom betreffend Festsetzung der Normverbrauchsabgabe vom Finanzamt nicht an die dem Finanzamt angezeigte bevollmächtigte Vertreterin des Bf. GERSTGRASSER Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH als Zustellungsbevollmächtigte, sondern direkt an den Bf. an seine (deutsche) Adresse, ***Bf1-Adr***, vorgenommen wurde, ergibt sich auf Grund der dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Aktenlage und der ergänzenden Einsichtnahme in die elektronische Datenbank der Finanzverwaltung. Die weitere Feststellung, dass diese beiden "Bescheide" vom der Zustellungsbevollmächtigten GERSTGRASSER Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH nicht tatsächlich zugekommen sind, ergibt sich daraus, dass diesbezüglich keinerl gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen und insbesondere auch von der im Beschwerdeverfahren einschreitenden anwaltlichen Vertretung nichts Gegenteiliges behauptet wird. Dieser Sachverhalt ist auch unstrittig.

2. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

Nach § 260 Abs. 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie a) nicht zulässig ist oder b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Mit Beschwerde anfechtbar sind nur Bescheide. Daher sind Bescheidbeschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl., § 260 Rz 8, unter Hinweis auf zB ; , 2006/13/0001; , 2004/15/0131, 0132; , 2010/17/0066).

Zurückzuweisen ist eine Bescheidbeschwerde gegen einen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl., § 260 Rz 8, unter Hinweis auf ; , 93/17/0318; ).

§ 9 des Zustellgesetzes (ZustG) lautet auszugsweise:

"§ 9. (1) Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

(2) Einer natürlichen Person, die keinen Hauptwohnsitz im Inland hat, kann eine Zustellungsvollmacht nicht wirksam erteilt werden. Gleiches gilt für eine juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, wenn diese keinen zur Empfangnahme von Dokumenten befugten Vertreter mit Hauptwohnsitz im Inland hat. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des Zustellungsbevollmächtigten oder auf andere Weise sichergestellt sind.

(3) Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

…"

Der Zustellungsbevollmächtigte muss nach § 9 Abs. 1 ZustG "gegenüber der Behörde" bevollmächtigt sein. Dies bedeutet, dass das Vollmachtverhältnis der Zustellbehörde mitgeteilt werden muss (vgl. Riesz in Zustellrecht: Kommentar, Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely, § 9 Rz 25).

Erst infolge des Zugangs der Mitteilung bei der Behörde wird die Bevollmächtigung zwischen ihr und dem Bevollmächtigten wirksam. Die Behörde ist an diese Vollmacht solange gebunden und zur Zustellung an den namhaft gemachten Zustellungsbevollmächtigten verpflichtet, als der Vollmachtgeber die erteilte Vollmacht nicht widerruft bzw der Bevollmächtigte die Vollmacht aufkündigt (vgl. Riesz in Zustellrecht: Kommentar, Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely, § 9 Rz 31, mwN).

Der Zustellungsbevollmächtigte ist auf der Zustellungsverfügung als Empfänger zu bezeichnen. Die Adressierung an die Partei zu Handen des Zustellungsbevollmächtigten reicht (vgl zB ; , 2006/15/0206). Als Bescheidadressat (§ 93 Abs 2 BAO) ist jedoch stets die Partei zu nennen (vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl., ZustG, § 9 Rz 23).

Unterbleibt entgegen § 9 Abs 3 ZustG die Bezeichnung des Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger und erfolgt die Zustellung an den Vertretenen, so ist sie unwirksam (vgl. zB ; vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl., ZustG, § 9 Rz 23 f). Eine Sanierung ist nach § 9 Abs. 3 zweiter Satz ZustG möglich und gilt danach die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist, was allerdings im vorliegenden Fall, wie festgestellt, nicht der Fall ist.

Auch der Umstand, dass die anwaltliche Vertretung Beschwerde gegen die strittigen "Bescheide" eingebracht hat, vermag die fehlende Zustellung nicht zu sanieren. Eine "Heilung durch Einlassung" kennt das Zustellgesetz nicht. Die angefochtenen Bescheide haben daher mangels rechtswirksamer Zustellung keine Rechtswirkung entfalten können. Mit Beschwerde anfechtbar sind nur Bescheide. Daher sind Bescheidbeschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen. Gleiches gilt für eine Bescheidbeschwerde gegen einen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (vgl. ; vgl. , unter Hinweis auf Vorjudikatur).

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

3. Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar und eindeutig aus den gesetzlichen Bestimmungen, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 1 Z 3 NoVAG 1991, Normverbrauchsabgabegesetz, BGBl. Nr. 695/1991
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.1100247.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at