Fahrtkosten eines Versicherungsvertreters
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Trummer & Partnerinnen Steuerberatung GmbH, Irdning Ahornerstraße 197, 8952 Irdning-Donnersbachtal, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ehem. Finanzamtes Judenburg Liezen, nunmehr Finanzamt Österreich, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der Einkommensteuerbescheid 2018 abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer ***Bf1*** (BF) brachte am elektronisch eine Einkommensteuererklärung (Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung, Formular L1) für das Jahr 2018 ein. Hierin wurden als Werbungskosten folgende Beträge angesetzt:
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Fachliteratur | KZ 720 | € 70,00 |
Reisekosten | KZ 721 | € 4.546,58 |
Aus-/Fortbildung-/Umschulungskosten | KZ 722 | € 7.021,06 |
Sonstige Werbungskosten | KZ 724 | € 1.252,55 |
Am forderte das damalige Finanzamt Judenburg Liezen, nunmehr Finanzamt Österreich (belangte Behörde) den BF mittels Vorhaltes dazu auf, zu den beantragten Werbungskosten Belege zu übermitteln und den konkreten beruflichen Zusammenhang zu begründen, sowie Fahrtaufzeichnungen zu übermitteln.
Am langte eine Beantwortung des Vorhaltes ein. Der BF gab an, die beantragten Ausbildungskosten stünden im Zusammenhang mit einer Weiterbildung seiner derzeitigen Tätigkeit im Versicherungs-Außendienst und seien notwendig, um zum Regionalleiter aufsteigen zu können. Der Arbeitgeber übernehme hierbei 2/3 der Kosten, 1/3 zahle er selbst.
Nach weiterem Vorhalt der belangten Behörde vom übermittelte der BF zur weiteren Ergänzung bzw. Konkretisierung der Nachweise zusätzliche Unterlagen.
Am erließ die belangte Behörde den Einkommensteuerbescheid für 2018. Die Fachliteratur iHv € 70,00, sowie die Reisekosten iHv € 4.546,58 wurde hierbei zur Gänze nicht anerkannt, die Fortbildungskosten lediglich in einer Höhe von € 5.494,40 (beantragt € 7.021,06) und sonstige Werbungskosten iHv € 985,26 (beantragt € 1.252,55).
Am erhob der BF gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 fristgerecht Beschwerde und beantragte die Zuerkennung weiterer Werbungskosten iHv insgesamt € 4.810,87, die sich folgendermaßen zusammensetzen:
1. Kilometergelder für berufliche Fahrten € 4.060,54 (19.353 Kilometer á 0,42 abzgl. vom Dienstgeber geleistete Ersätze iHv € 4.067,72). Diesbezüglich lägen entsprechende Abrechnungen mit dem Dienstgeber vor, die sämtliche für ein Fahrtenbuch notwendigen Informationen, außer die Kilometerstände enthielten. Zumindest hinsichtlich 15.408 km, für die vom Dienstgeber entsprechende Spesenersätze bezahlt worden seien, stünde das Kilometergeld zu
2. Diäten für Fahrten lt. RK-abrechnung iHv € 44,03
3. Fortbildungskosten: Kosten für Nächtigungen lt. Bestätigung des Dienstgebers iHv € 307,01 + Taggeld € 132 (5 Tage Graz)
4. Parteispende lt. Bestätigung Gemeinde iHv € 267,29.
Am erließ die belangte Behörde gem. § 262 BAO eine Beschwerdevorentscheidung. Bildungsfahrten seien nunmehr in der vom BF geltend gemachten Höhe berücksichtigt worden. Weitere Fahrten seien im Schätzungswege mit 9.685 Kilometern angenommen worden.Da vom Dienstgeber bereits ein Ersatz iHv € 4.067,72 gewährt worden sei, seien keine weiteren Werbungskosten anzusetzen.
Die Taggelddifferenzen seien iHv € 44,03 (wie beantragt) berücksichtigt worden. Die Nächtigungen seien in dem sich aus den beigebrachten Fahrtaufstellungen ergebenden Ausmaß (€ 219,83) gewährt worden, die in Zusammenhang mit den Fortbildungskosten geltend gemachten Taggelder in beantragter Höhe (€ 132).
Daneben sei ein Berufsgruppenpauschale für Politiker anerkannt worden.
Mit Schreiben vom beantragte der BF die Vorlage an das BFG hinsichtlich der weiteren, nicht anerkannten Werbungskosten für beruflich veranlasste Fahrten iHv € 2.503,20. Er wies darauf hin, dass in den Fahrten auch solche zum Dienstort ***Dienstort1*** inkludiert seien und beantragte im Falle der Nichtanerkennung die Berücksichtigung des großen Pendlerpauschales iHv € 1.476,00 und den Pendlereuro iHv € 42,00.
Mit erfolgte die Beschwerdevorlage an das Bundesfinanzgericht durch die belangte Behörde, die zusammengefasst folgendes ausführte:
Laut Pickerlgutachten habe der BF im Schnitt 25.848 km/Jahr zurückgelegt. Unter Berücksichtigung der 152 Fahrten zum Dienstort nach ***Dienstort1*** und der 22 Fahrten zum weiteren Dienstort nach ***Dienstort2***, sowie der Fahrten zum Universitätslehrgang im Gesamtausmaß von 12.565 km, verblieben 13.283 km. Abzüglich der bisher anerkannten beruflichen Fahrten von 9.685 km verbleiben noch 3.598 km für Privatfahrten. Dies entspreche der Lebenserfahrung, weshalb die vorgenommene Schätzung der belangten Behörde gerechtfertigt erscheine.
Die Arbeitsstätte in ***Dienstort1*** werde jedoch zumindest 11-mal im Monat angefahren, weshalb Anspruch auf ein Pendlerpauschale bestehe. Aufgrund der unterschiedlichen, nicht nachvollziehbaren, Arbeitsendzeiten, für die lt. Pendlerrechner einmal das kleine und einmal das große Pendlerpauschale zustehe, werde beantragt, der Beschwerde insoweit stattzugeben, und ein kleines Pendlerpauschale iHv € 696 und einen Pendlereuro von € 52 anzuerkennen.
Nach Durchsicht der vom BF vorgelegten Kilometergeldabrechnungen mit dem Arbeitgeber wurde vom BFG festgestellt, dass diese unvollständig waren, weil anstatt März 2018 die Daten für März 2017 übermittelt wurden. Mittels Vorhalt vom wurde der BF ersucht, eine Reisekostenaufstellung für März 2018 beizubringen, sowie anzugeben, ob das Ziel der Fahrten nach ***Dienstort1*** bzw. ***Dienstort2*** jeweils die Büros des Arbeitgebers waren.
Der BF übermittelte sodann eine Aufstellung für März 2018. Aus dem beiliegenden E-Mail des BF an den steuerlichen Vertreter ergab sich, dass das Büro in ***Dienstort2*** im März 2018 noch gar nicht bestanden habe.
Anhand der Ortsangaben in den beigebrachten Aufstellungen zu den Reisekostenabrechnungen wurden durch das Bundesfinanzgericht mittels Routenplaners die zurückgelegten Strecken ermittelt.
Zudem wurde im Zuge von Internetrecherchen eine Zeitschrift "***Zeitschrift1***" von Frühling 2019 aufgefunden, in der die Eröffnung des Büros des Dienstgebers in ***Dienstort2*** mit beworben wird.
Diese Ergebnisse wurden beiden Verfahrensparteien mit Vorhalt vom zur Kenntnis gebracht, wobei letztlich ein Einvernehmen dahingehend erzielt wurde, dass die vom Bundesfinanzgericht ermittelten dienstlichen Fahrten der Beurteilung zugrunde zu legen seien und dem BF daneben für die Fahrten vom Wohnort nach ***Dienstort1*** das große Pendlerpauschale zu gewähren.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Strittig war im gegenständlichen Fall das Ausmaß der durch den BF beruflich zurückgelegten Kilometer sowie die Höhe des anzuerkennenden Pendlerpauschales. Der BF hat im Jahr 2018 neben Fahrten zu Fortbildungen im Rahmen seiner unselbständigen Tätigkeit als Versicherungsvertreter 13.463,10 Kilometer mit seinem Privat-PKW zurückgelegt. Hiervon entfallen 6.384 km auf Fahrten zwischen dem Wohnort und seinem Dienstort in ***Dienstort1***.
Die Strecke zwischen dem Wohnort und dem Dienstort in ***Dienstort1*** beträgt 21 km.
Das Büro seines Dienstgebers in ***Dienstort2*** war im Jahr 2018 noch nicht eröffnet.
Der BF trat seine Arbeit üblicherweise um 8:00 Uhr an und beendete sie üblicherweise um 17:00 Uhr bzw. später.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ist letztlich unstrittig und ergibt sich insbesondere aus den mit Vorhalt vom an beide Parteien übermittelten Unterlagen, sowie den vorgelegten Auszügen aus dem Pendlerrechner.
Die restlichen steuerlich relevanten Sachverhaltselemente ergeben sich aus den unstrittigen Teilen der Abgabeerklärungen, sowie der unstrittigen Beurteilung der belangten Behörde in der Berufungsvorentscheidung vom .
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
Nach § 16 Abs 1 erster Satz des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988) sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Gem. § 16 Abs 1 Z 6 lit a EStG 1988 sind durch den Verkehrsabsetzbetrag grundsätzlich alle Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsstätte abgegolten. Nach Maßgabe des § 16 Abs 1 lit b - e leg. cit. kann daneben auch Anspruch auf ein Pendlerpauschale bestehen.
Arbeitsstätte ist jener Ort, an dem der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber regelmäßig tätig wird. ( mwN)
Der Mittelpunkt der Tätigkeit eines Arbeitnehmers bestimmt sich danach, wo er für den Fall, dass kein Außendienst versehen wird, regelmäßig tätig wird. ()
Das Büro des Dienstgebers in ***Dienstort1*** ist als Arbeitsstätte des BF anzusehen, weshalb grundsätzlich alle Fahrten dorthin durch den Verkehrsabsetzbetrag und ein allfälliges Pendlerpauschale abgegolten sind. Zusätzliche Werbungskosten stehen aus diesem Titel somit nicht zu.
Nach § 16 Abs 1 Z 6 lit d EStG 1988 beträgt das Pendlerpauschale bei einer Entfernung von mehr als 20 km bis 40 km € 1.476 jährlich, wenn dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar ist.
Voraussetzung für das volle Pendlerpauschale ist nach § 16 Abs 1 lit e EStG 1988, dass der AN an zumindest 11 Tagen im Monat von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt.
Nach § 3 Abs 1 der Pendlerverordnung idF BGBl. II Nr. 154/2014 ist für die Ermittlung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. zwischen Arbeitsstätte und Wohnung (§ 1) und für die Beurteilung, ob die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar oder unzumutbar ist (§ 2), ist für Verhältnisse innerhalb Österreichs der vom Bundesministerium für Finanzen im Internet zur Verfügung gestellte Pendlerrechner zu verwenden.
Nach Abs 2 leg. cit. sind dem Pendlerrechner sind die Verhältnisse zu Grunde zu legen, die für den abgefragten Tag bestehen.
Nach Abs 3 leg. cit. kann angenommen werden, dass das unter Verwendung des Pendlerrechners für den abgefragten Tag ermittelte Ergebnis mit dem übereinstimmt, das sich für alle maßgebenden Tage des Kalendermonats ergibt, wenn die zeitlichen und örtlichen Umstände der Erbringung der Arbeitsleistung während des gesamten Kalendermonats im Wesentlichen jenen entsprechen, die für den abgefragten Tag im Pendlerrechner bestehen.
Da der BF zumindest 11 Tage im Monat seine Arbeitsstätte in ***Dienstort1*** aufgesucht hat, die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte 21 km beträgt und die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar ist, steht ihm das volle Pendlerpauschale in Höhe von € 1.476 jährlich zu.
Fahrtkosten, die anlässlich einer beruflich veranlassten Reise anfallen, stellen im tatsächlichen Umfang, somit insbesondere nach Abzug allfälliger vom Arbeitgeber geleisteter Aufwandsersätze, Werbungskosten dar. (vgl. z.B. )
Beruflich veranlasste Fahrtaufwendungen sind - unabhängig vom Vorliegen einer Reise - stets in ihrer tatsächlichen Höhe gemäß § 16 Abs. 1 EStG als Werbungskosten anzusetzen. Eine Schätzung in Höhe des amtlichen Kilometergeldes führt in vielen Fällen zu einem zutreffenden Ergebnis. (vgl. mwN)
Der BF hat im gegenständlichen Fall 13.463,10 beruflich veranlasste Kilometer mit seinem Privat-PKW zurückgelegt. Hierin sind 6.384 km für Fahrten zwischen dem Wohn- und Dienstort angefallen, die nach § 16 Abs 1 Z 6 EStG 1988 mit Verkehrsabsetzbetrag und Pendlerpauschale abgegolten sind. Es verbleiben somit 7.079,10 verrechenbare Kilometer.
Da keine tatsächlichen Fahrtkosten nachgewiesen wurden, wird für die Schätzung das amtliche Kilometergeld von € 0,42 pro Kilometer herangezogen, was als Werbungskosten zu berücksichtigende Fahrtkosten iHv € 2.973,28 ergibt. Darüber hinaus geleistete Fahrtkostenersätze des Arbeitgebers sind mit dem Pendlerpauschale abgegolten und fallen somit nicht unter § 26 Z 4 EStG.
Nach § 33 Abs 5 Z 4 EStG 1988 steht bei Einkünften aus einem bestehenden Dienstverhältnis als Absetzbetrag ein Pendlereuro in Höhe von jährlich zwei Euro pro Kilometer der einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu, wenn der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 hat. Für die Berücksichtigung des Pendlereuros gelten die Bestimmungen des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b und lit. e bis j entsprechend.
Da der BF Anspruch auf ein Pendlerpauschale hat und die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte 21 km beträgt, steht der Pendlereuro somit iHv € 42 zu.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall ging es lediglich um Sachverhaltsfragen, insbesondere das Ausmaß der beruflich zurückgelegten Kilometer. Die sich daraus ergebenden steuerlichen Konsequenzen konnten unter Beachtung der einschlägigen Rechtsnormen, sowie der vorhandenen, einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gelöst werden.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100201.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at