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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.03.2024, RV/7100137/2020

Einkunftsquelleneigenschaft der privaten Ordination einer pensionierten Ärztin

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Julia Carola Cermak-Kapl MA in der Beschwerdesache Dr. ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch LEDERER & WEBER Steuerberatungs GmbH, Nibelungengasse 8 Tür 5, 1010 Wien, über die Beschwerden vom und gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2016 und Einkommensteuer 2017, Steuernummer ***BF-StNr***, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Strittig im vorliegenden Fall ist die Eigenschaft der privaten Ordination einer in Pension befindlichen Ärztin als Einkunftsquelle.

Der Einkommensteuerbescheid 2016 der Beschwerdeführerin wurde nach durchgeführten Vorhalteverfahren am erlassen. In diesem wurden die erklärten Verluste aus selbstständiger Arbeit iHv EUR 3.785,14 nicht anerkannt und dies dahingehend begründet, dass das in § 1 Abs 1 LVO vorausgesetzte subjektive Element einer Gewinnerzielungsabsicht nicht unmittelbar erkennbar sei. Es sei anhand objektiver Kriterien (§ 2 Abs 1 LVO) darauf zu schließen, ob ein Ertragsstreben vorliege. Das objektiv erkennbare Ertragsstreben des Steuerpflichtigen müsse darauf gerichtet sein, innerhalb eines absehbaren, mehrjährigen Zeitraumes Gewinne in einer Höhe zu erwirtschaften, die nicht nur die angefallenen Verluste ausgleichen würden, sondern darüber hinaus bei einer betrieblichen Einkunftsquelle zu einer Mehrung des Betriebsvermögens (Gesamtgewinn) führten. Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen von Einkünften sei nicht nur ein tatsächlich erwirtschafteter Gesamtgewinn, sondern die objektive Eignung einer Tätigkeit zur Erwirtschaftung eines solchen, welche als Kennzeichen des subjektiven Ertragsstrebens nach außen in Erscheinung trete. Im Schreiben vom handle es sich um moralische Argumente, jedoch komme diesen und dem hippokratischen Eid im Steuerrecht keine Relevanz zu. Auf Grund der obigen Ausführungen sei die Betätigung als Liebhaberei einzustufen.

Am selben Tag wurde eine Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO bei der bereits veranlagten Einkommensteuer 2017 durchgeführt und im Aufhebungsbescheid auf die Ausführung im Sachbescheid und die nicht lediglich geringfügigen Auswirkungen verwiesen, weswegen der Einkommensteuerbescheid vom aufzuheben gewesen sei. Die Begründung des verbundenen neuen Sachbescheides erfolgte wortgleich mit jener des Einkommensteuerbescheides 2016.

Am erhob die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 und begründete dies dahingehend, dass die Beschwerdeführerin eine Arztpraxis führe, die als Wahlarztpraxis der Allgemeinheit zur Verfügung stehe. Sie habe einen ausgezeichneten Ruf in ihrem Fach, besonders in der konservativen Behandlung. Dieser Ruf verhelfe ihr nicht nur zum Erhalt, sondern auch zum Ausbau ihres Patientenstocks. Selbstverständlich führe sie diese Praxis in der Absicht, einen Gewinn zu erzielen, jedoch sei es ihr aufgrund vorübergehender familiärer Sorgepflichten in den letzten Jahren nur etwas eingeschränkter möglich gewesen, die Praxis zu führen. Da es ihr ein großes Anliegen sei, die Praxis wieder intensiver zu betreiben und Gewinne zu erwirtschaften, könne hier keinesfalls von einer Liebhabereitätigkeit gesprochen werden und zusätzlich sei sie bereit bei Notfällen an Sonn-u. Feiertagen zu ordinieren. Unter der Erfüllung des hippokratischen Eides sei zu verstehen, dass sich ihre Behandlung nicht an betriebswirtschaftlichen Kriterien orientiere, sondern einzig von den Kriterien der besten Heilmethoden geleitet werde.

Am Folgetag, dem wurde auch gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 Beschwerde erhoben. In dieser wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin eine Arztpraxis führe, die mind 6-12 h Wochenstunden u. bei Bedarf auch am Wochenende geöffnet sei. Selbstverständlich führe sie diese Praxis in der Absicht, einen Gewinn zu erzielen, das sei unbestritten, zumal für sie der Gewinn eine Abgeltung ihrer Mühen und Kosten darstelle, den sie gewohnt und bestrebt sei zu erzielen. Die gewinnorientierte Weiterführung habe daher erfordert, dass sie ihre Leistungen auch am Wochenende anbiete und dass sie bemüht sei, alternative Behandlungen anzubieten. Bei der Preisgestaltung ihrer Leistungen müsse jedoch auf die Preispolitik der Gebietskrankenkasse Rücksicht genommen werden, um den Patienten eine Refundierung ihrer Kosten zu gewährleisten. Aufgrund der Mundpropaganda und der zunehmenden Beschwerden in der Umgebung werde auch die Nachfrage nach ihrer Dienstleistung zunehmen, da sie eine gute Ergänzung zu den allgemeinen Heilmethoden der Kollegen darstelle.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im Zuge der Veranlagung der letzten 5 Jahre Verluste in einer Gesamthöhe von EUR 23.680,30 erklärt worden seien. Die Betriebsausgaben in dieser Zeit hätten die Einnahmen im Schnitt um etwa das Doppelte überstiegen. Die Behörde rechne daher nicht, dass innerhalb eines absehbaren Zeitraumes ein Gesamtgewinn erzielt werde.

Weiters werde von der Beschwerdeführerin begründet, dass die Tätigkeit auf Basis und mit der Motivation, den Hippokratischen Eid zu erfüllen, durchgeführt werde. Eine mit Schwerpunkt auf dieser Basis durchgeführte Tätigkeit stelle keine Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht und damit keine Einkunftsquelle gemäß § 1 Abs 1 Liebhabereiverordnung dar. Daher sei die Beschwerde abzuweisen gewesen.

Fristgerecht stellte die Beschwerdeführerin durch ihre steuerliche Vertretung am einen Vorlageantrag und führte darin aus, dass der hippokratische Eid in Form des Genfer Gelöbnis bekannt sei und Ärzte auf der ganzen Welt sich darauf beriefen. Er sei in vielen Ländern ein Teil der ärztlichen Berufsordnung, in manchen habe er sogar Gesetzescharakter, so finde in Österreich der Hippokratische Eid in seinem wesentlichsten Teil sinngemäß Eingang in § 7 Abs. 1 Ärztegesetz (ÄG). So wie der Rechtsanwalt zur Pflichtverteidigung gerufen werden könne, so sei der Arzt verpflichtet, den Patienten allein zu seinem Wohle zu behandeln. Diese Motivation stelle keine Absage an die Gewinnerzielungsabsicht dar und sie stelle damit auch nicht in Abrede, die Arztpraxis als Einkunftsquelle zu führen.

Die Beschwerdevorentscheidung sei unter Ignorierung der Ausführungen über die von der Steuerpflichtigen getroffenen Maßnahmen zur gewinnorientierten Führung getroffen worden. Insbesondere habe sie sich weder mit den Ursachen auf Grund derer kein Gewinn erzielt werde, noch mit dem Ausmaß der Bemühungen zur Verbesserung der Ertragslage auseinandergesetzt. Die Würdigung der in der Gegenäußerung vorgebrachten Argumente sowie ihrer Prüfung hätte zu einer anderslautenden Beschwerdevorentscheidung geführt. Es seien keine der folgenden Kriterien geprüft worden: Ausmaß und Entwicklung der Verluste - Verhältnis der Verluste zu den Gewinnen oder Überschüssen - Ursachen dafür, wieso im Vergleich zu anderen gleichartigen Betrieben / Tätigkeiten kein Überschuss / Gewinn erzielt werde - Marktgerechtes Verhalten im Hinblick auf die angebotene Leistung - Marktgerechtes Verhalten im Hinblick auf die Preisgestaltung - Art und Ausmaß der Bemühungen zur Verbesserung der Ertragslage.

Die Beschwerdeführerin sei bereit an Sonn- und Feiertagen zu ordinieren und sie sei bemüht, aufgrund der allgemein zunehmenden Nachfrage nach alternativen Methoden diese verstärkt anzubieten. Neben der Verpflichtung allein zum Wohle des Patienten zu behandeln, schränkten auch die Honorarvorgaben der Gebietskrankenkasse, bei der sich die Patienten die Kosten ihres Wahlarztes refundieren lassen könnten, die Freiheit der Preisgestaltung ein. Aus diesem Grund solle der für die Gewinnerzielung eines Gewerbebetriebes gemäß den Richtlinien vorgegebene Beobachtungszeitraum nicht ungeprüft auf die Führung eines freiberuflichen Betriebes angewendet werden.

Beantragt werde die Entscheidung durch einen Senat sowie die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt, wobei das Finanzamt nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens ua unter Verweis auf und ausführte, dass wenn eine Tätigkeit, welche zuvor nichtselbständig ausgeübt wurde, nach erfolgter Pensionierung in ähnlicher Form in einer Art und Weise weitergeführt werde, dass ua die Aufwendungen die Erlöse um ein Vielfaches übersteigen, so Liebhaberei iSd § 1 Abs 2 LVO vor liege, da die Tätigkeit, die ihrer Art nach an sich typisch erwerbswirtschaftlich sei, nicht in einer erwerbstypischen Art und Weise ausgeübt werde. Dieser Sachverhalt liege vor, da die pensionierte Ärztin einige Patienten weiter betreue.

Die angefallenen Betriebsausgaben überstiegen die Betriebseinnahmen bei weitem. Die Tätigkeit werde als Hobby betrieben, keinesfalls aber um Gewinne zu erzielen. Die Art der "Betriebsführung" lasse auf mangelndes subjektives Ertragsstreben schließen, da sich die Beschwerdeführerin ohnehin durch ihre hohe Pension die selbständige Tätigkeit ohne Existenzängste haben zu müssen als Hobby leisten könne. Dass sich die Beschwerdeführerin dem hippokratischen Eid nach wie vor verpflichtet fühle, sei ethisch und moralisch verständlich, ändere aber nichts an dem seit 2006 eingetretenen mangelnden subjektiven Ertragsstreben.

Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin sei auf Grund ihrer Gesamtgestaltung nicht geeignet zu einem wirtschaftlichen Gesamterfolg zu führen. Es handle sich somit um eine objektiv nicht ertragsfähige und daher spätestens ab dem Jahr 2016 eindeutig als Liebhaberei zu beurteilende Tätigkeit. Das Finanzamt beantragte, dass Bundesfinanzgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen.

Nach Erhalt der Ladung für die Senatsverhandlung am zog die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom die Anträge auf Entscheidung durch den Senat sowie auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist im Jahr 2001 als unselbständig beschäftigte Ärztin in Pension gegangen und hat danach ihre private Ordination weiter betrieben. Die Betriebseröffnung erfolgte wie aus dem elektronischen Akt ersichtlich am .

In den Jahren 2001 bis 2005 - nach ihrer Pensionierung - erwirtschaftete die Beschwerde-führerin Gewinne, ab dem Jahr 2006 mit Ausnahme des Jahres 2012 Verluste. Der Gewinn im Jahr 2012 gründete auf einem Erlös aus dem Verkauf von Anlagevermögen iHv EUR 7.000,- und ergibt um diesen bereinigt ebenfalls einen Verlust iHv EUR 3.709,-.

In den Jahren zuvor wurden Einkünfte aus selbständiger Arbeit iHv in Summe EUR 28.986,65 (ATS 398.865,-) im Jahr 1998, EUR 24.225,05 (ATS 333.344,-) im Jahr 1999 und EUR 7.001,74 (ATS 96.346,-) im Jahr 2000 erklärt. In welchem Verhältnis diese auf den Betrieb der Praxis und auf Sonderklassegebühren aufzuteilen sind, kann durch das Bundesfinanzgericht nicht (mehr) festgestellt werden.

Im Detail ergaben sich je Jahr:


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Jahr
Gewinn / Verlust
Jahr
Gewinn / Verlust
2001
2.321,00
2009
-8.452,00
2002
2.733,00
2010
-3.562,00
2003
3.959,00
2011
-2.878,00
2004
416,00
2012
-3.709,00
2005
625,00
2013
-5.797,00
2006
-5.790,00
2014
-4.637,00
2007
-9.668,00
2015
-5.082,00
2008
-9.352,00

Bis inklusive des Jahres 2015 ergab sich somit ein Gesamtverlust für die Jahre 2001 bis 2015 iHv EUR 48.873,-.

In den beschwerdegegenständlichen Jahren wurde 2016 ein weiterer Verlust von EUR 3.785,- und im Jahr 2017 iHv EUR 4.379,- erklärt.

Bei der Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben nach dem letzten Gewinn im Jahr 2006 ergibt sich folgendes Bild:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr
Einnahmen
Ausgaben
Jahr
Einnahmen
Ausgaben
2007
11.205,81
20.873,50
2012
8.667,73
11.884,70
2008
12.268,00
21.620,05
2013
4.649,00
10.445,67
2009
10.051,00
18.502,77
2014
6.620,00
11.257,23
2010
6.582,36
9.702,20
2015
5.087,00
10.168,83
2011
5.697,79
8.575,63
2016
6.831,49
10.616,63

Die Einnahmen des Jahres 2012 wurden ohne den Erlös aus der Veräußerung von Anlagevermögen angesetzt, da dieser bei der Beurteilung, ob eine Einkunftsquelle vorliegt, außer Acht zu lassen ist.

Die Beschwerdeführerin wurde im Jahr 2016 76 Jahre alt. Es wurden auch nach 10 Jahren, in denen ein Verlust erzielt wurde, keine Maßnahmen zur Verbesserung der Ertragslage vorgenommen.

Die private Ordination der Beschwerdeführerin stellt daher ab dem Jahr 2016 keine Einkunftsquelle mehr dar.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht übermittelten Aktenteilen, den Parteienvorbringen und der Einsichtnahme in den elektronischen Steuerakt.

Nach der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes stellt die gegenständliche ärztliche Tätigkeit iSd höchstgerichtlichen Rechtsprechung eine Betätigung gem. § 1 Abs 1 LVO dar, die hinsichtlich Art und Umfang typisch erwerbswirtschaftlich ist (vgl ).

Ob eine konkrete Betätigung objektiv geeignet ist, sich innerhalb eines bestimmten Zeitraumes lohnend zu gestalten, ist eine auf der Ebene der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung zu lösende Tatfrage (vgl. ).

Im Rahmen der Beweiswürdigung kommt das Bundesfinanzgericht aufgrund der Prüfung der objektiven Kriterien gemäß § § 2 Abs 1 Z 1 bis 6 LVO zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit der Beschwerdeführerin nicht (mehr) von einer subjektiven Gewinnerzielungsabsicht geprägt ist.

Ausmaß und Entwicklung der Verluste (Z 1):

Ab dem Jahr 2007 wurden dauerhaft Verluste erzielt, wobei auch die Ausgaben die Einnahmen des jeweiligen Jahres wie aus der oa Tabelle ersichtlich deutlich überstiegen haben. Daher sprechen im vorliegenden Fall das Ausmaß und die Entwicklung der Verluste grundsätzlich gegen die Ertragsfähigkeit der Einkunftsquelle.

Verhältnis der Verluste zu Gewinnen/Überschüssen (Z 2):

In den beschwerdegegenständlichen Jahren kam es nicht zu Gewinnen. Es wurden Verluste iHv EUR 3.785,- bzw EUR 4.379.- erklärt.

Gewinne wurden in den Jahren bis 2005 erzielt und ab dem Jahr 2006 jährliche Verluste. Es wurde ein Gesamtverlust für die Jahre 2001 bis 2015 iHv EUR 48.873,- erlitten. Auch dies spricht grundsätzlich gegen die Ertragsfähigkeit der Einkunftsquelle.

Ursache der Verluste in der Gegenüberstellung mit vergleichbaren Betätigungen (Z 3):

Das Bundesfinanzgericht gelangt auf Basis der Ausführungen der steuerlichen Vertreterin zum Ergebnis, dass die Verluste mit der Patientenstruktur in Zusammenhang stehen. Insbesondere wurde in der Vorhaltsbeantwortung vom angegeben, dass die Anzahl der Patienten aufgrund des höheren Lebensalter etwas geringer werde. Neue Patienten kämen zwar hinzu, aber aufgrund des Werbeverbotes für Ärzte nur in eingeschränkter Anzahl.

Es entspricht der Lebenserfahrung, dass bei zunehmendem Alter von Ärzten im Regelfall auch die Patienten zunehmend älter werden. Dass keine subjektive Gewinnerzielungsabsicht vorliegt, lässt sich aus der Gegenüberstellung mit vergleichbaren Betätigungen aber nicht schließen.

Marktgerechtes Verhalten hinsichtlich der angebotenen Leistungen (Z 4) bzw marktgerechtes Verhalten hinsichtlich der Preisgestaltung (Z 5):

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei der Beschwerdeführerin kein marktgerechtes Verhalten hinsichtlich des Leistungsangebotes oder der Honorare vorliege, auch wenn von der Beschwerdeführerin eingeräumt wurde, dass auf die Preispolitik der Gebietskrankenkasse Rücksicht genommen würde, um den Patienten eine Refundierung ihrer Kosten zu gewährleisten.

Art und Ausmaß der strukturverbessernden Maßnahmen (Z 6):

Aus der Entwicklung der Gewinne bzw Verluste sowie dem Verhältnis der Einnahmen zu den Ausgaben ist abzuleiten, dass die Betätigung nicht durch eine subjektive Gewinnerzielungsabsicht geleitet wird. Auch wenn keine Anhaltspunkte bestehen, dass das Verhalten der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die angebotenen Leistungen oder im Hinblick auf die Preisgestaltung nicht marktgerecht ist, so ist - der Rechtsprechung des VwGH folgend, besonderes Gewicht auf die strukturverbessernden Maßnahmen zu legen (vgl. , Rn 31 mwN). Von der Beschwerdeführerin wurde diesbezüglich lediglich vorgebracht, dass sie selbstverständlich die Praxis in der Absicht führe einen Gewinn zu erzielen, jedoch sei es ihr aufgrund vorübergehender familiärer Sorgepflichten in den letzten Jahren nur etwas eingeschränkter möglich gewesen, die Praxis zu führen.

Da von der Beschwerdeführerin die Vornahme strukturverbessender Maßnahmen weder vorgebracht wurde, noch solche dem Akteninhalt zu entnehmen sind, kommt das Bundesfinanzgericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung zum Schluss, dass keine subjektive Gewinnerzielungsabsicht mehr vorliegt und die Tätigkeit somit keine Einkunftsquelle mehr darstellt.

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 2 Abs 2 EStG 1988 ist unter Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte aus dem im Abs 3 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus den einzelnen Einkunftsarten ergeben und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18), und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) sowie der Freibeträge nach den §§ 104 und 105 zu verstehen.

Gemäß Abs 3 leg cit unterliegen gemäß Z 2 Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 22) der Einkommensteuer.

Zu § 2 Abs 3 EStG 1988 wurde vom Bundesminister für Finanzen die Liebhabereiverordnung (LVO) erlassen (BGBl. 1993/33 in der Fassung BGBl II 1997/358 und 1999/15).

Gemäß § 1 Abs 1 Liebhabereiverordnung (idF LVO) liegen Einkünfte bei einer Betätigung (einer Tätigkeit oder einem Rechtsverhältnis) vor, die

- durch die Absicht veranlasst ist, einen Gesamtgewinn oder einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 3) zu erzielen, und

- nicht unter Abs 2 fällt.

Voraussetzung ist, dass die Absicht anhand objektiver Umstände (§ 2 Abs. 1 und 3) nachvollziehbar ist. Das Vorliegen einer derartigen Absicht ist für jede organisatorisch in sich geschlossene und mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattete Einheit gesondert zu beurteilen.

Im Gegensatz dazu stellt Liebhaberei gemäß § 1 Abs. 2 LVO eine Betätigung dar, wenn Verluste entstehen

1. aus der Bewirtschaftung von Wirtschaftsgütern, die sich nach der Verkehrsauffassung in einem besonderen Maß für eine Nutzung im Rahmen der Lebensführung eignen (zB Wirtschaftsgüter, die der Sport- und Freizeitausübung dienen, Luxuswirtschaftsgüter) und typischerweise einer besonderen in der Lebensführung begründeten Neigung entsprechen oder

2. aus Tätigkeiten, die typischerweise auf eine besondere in der Lebensführung begründete Neigung zurückzuführen sind oder

3. aus der Bewirtschaftung von Eigenheimen, Eigentumswohnungen und Mietwohngrundstücken mit qualifizierten Nutzungsrechten.

Abs 3 leg cit legt fest, dass Liebhaberei dann nicht vorliegt, wenn eine Betätigung bei einer einzelnen Einheit im Sinn des Abs. 1 vorletzter Satz, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit weiteren Einheiten steht, aus Gründen der Gesamtrentabilität, der Marktpräsenz oder der wirtschaftlichen Verflechtung aufrechterhalten wird.

§ 2 Abs 1 LVO normiert, dass bei Anfall von Verlusten bei Betätigungen im Sinn des § 1 Abs. 1 das Vorliegen der Absicht, einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen, insbesondere anhand folgender Umstände zu beurteilen ist:

1. Ausmaß und Entwicklung der Verluste,

2. Verhältnis der Verluste zu den Gewinnen oder Überschüssen,

3. Ursachen, auf Grund deren im Gegensatz zu vergleichbaren Betrieben, Tätigkeiten oder Rechtsverhältnissen kein Gewinn oder Überschuß erzielt wird,

4. marktgerechtes Verhalten im Hinblick auf angebotene Leistungen,

5. marktgerechtes Verhalten im Hinblick auf die Preisgestaltung,

6. Art und Ausmaß der Bemühungen zur Verbesserung der Ertragslage durch strukturverbessernde Maßnahmen (zB Rationalisierungsmaßnahmen).

§ 3 Abs 1 LVO legt fest, dass unter Gesamtgewinn der Gesamtbetrag der Gewinne zuzüglich steuerfreier Einnahmen abzüglich des Gesamtbetrags der Verluste zu verstehen ist.

Ob die Betätigung insgesamt typisch erwerbswirtschaftlich ist oder sich für die Nutzung im Rahmen der Lebensführung eignet bzw einer in der Lebensführung begründeten Neigung entspricht, ist im Einzelfall zu beurteilen. Entscheidend für die Beurteilung (die zu lösende Rechtsfrage), ob Liebhaberei vorliegt, sind die Erfolgsaussichten für den jeweiligen Bemessungszeitraum (; , 95/14/0010).

Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung handelt es sich bei der Beurteilung der Ertragsfähigkeit einer Betätigung um eine auf Ebene der Sachverhaltsermittlung und freier Beweiswürdigung zu lösende Tatfrage (vgl , 2012/129, 270; ).

Für das Bundesfinanzgericht besteht kein Zweifel darüber, dass der Betrieb der Wahlarztordination durch die Beschwerdeführerin auf keine besondere, in der Lebensführung begründete Neigung zurückzuführen ist (vgl. § 1 Abs. 2 Z 2 LVO), weshalb die Liebhabereibetrachtung in Anwendung des § 1 Abs. 1 LVO zu erfolgen hat.

Insbesondere hat auch der Verwaltungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall in seinem Erkenntnis vom , 2002/13/0131, erwogen, dass die Führung der Ordination eines Facharztes, auch wenn sie nicht als Vertragsarzt (vgl. etwa § 338 ASVG), sondern als so genannter Wahlarzt ausgeübt wird, nach der Verkehrsauffassung keine Tätigkeit darstellt, die typischerweise auf eine besondere, in der Lebensführung begründete Neigung zurückzuführen ist. Eine solche Ordination ist auch kein Wirtschaftsgut, das sich nach der Verkehrsauffassung in einem besonderen Maß für eine Nutzung im Rahmen der Lebensführung eignet und typischerweise einer besonderen, in der Lebensführung begründeten Neigung entspricht. Daran ändert auch nichts, dass "die Lebensführung des Abgabepflichtigen insgesamt durch seinen Beruf als Arzt bestimmt" gewesen sein mag und er von einer darin "begründeten Neigung" geleitet gewesen sein mag.

Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend, ist im gegenständlichen Fall § 1 Abs 1 LVO anwendbar. Ergänzend ist anzuführen, dass die Beschwerdeführerin ihre private Ordination im beschwerdegegenständlichen Fall auch nicht erst nach ihrer Pensionierung, sondern bereits zuvor - wenn auch Jänner 1998 bereits im zeitlichen Nahebereich der Pensionierung zu sehen ist - eröffnet hat und es erscheint alleine schon aufgrund der in den Jahren bis inklusive 2006 erzielten Gewinne die Beurteilung als von vornherein vorliegende Liebhaberei iSd § 1 Abs 2 LVO nicht gerechtfertigt.

Es ist vielmehr davon auszugehen, dass iSd § 1 Abs 1 LVO für die Qualifizierung als Einkunftsquelle zunächst die Vermutung der maßgeblichen Absicht, einen Gesamtgewinn zu erzielen, greift. Im Fall, dass sich die Erfolglosigkeit objektiv erst nach mehreren Jahren herausstellt, kann die Betätigung bis zu diesem Zeitpunkt dennoch eine Einkunftsquelle sein (; , 2002/13/0095) und bleibt solch eine bis zur objektiven Feststellung, dass die Betätigung niemals erfolgbringend ist (; , 2002/14/0083).

Auch rechtfertigt nicht allein das Auftreten von Verlusten die Feststellung, dass keine Einkunftsquelle vorliegt. Die Liebhabereiverordnung stellt diesbezüglich auf das subjektive Ertragstreben ab, wobei der innere Willensentschluss nach Außen treten muss.

Nicht von einer subjektiven Gewinnerzielungsabsicht auszugehen ist etwa im Fall privater Motive (zB zu einer echten stillen Beteiligung), der Aufrechterhaltung des Betriebes für den Fall der Arbeitslosigkeit (), oder der Inkaufnahme von Verlusten wegen des persönlichen Interesses eines Arztes für die Homöopathie ().

Kommt es bei solch einer Tätigkeit nach § 1 Abs 1 LVO zu Verlusten, so ist nach Ablauf des Anlaufzeitraumes gemäß § 2 Abs 2 LVO das Vorliegen der Absicht, einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen, insbesondere anhand der im § 2 Abs 1 Z 1 bis 6 LVO genannten objektiven Kriterien zu beurteilen. Diese Kriterien stellen Indizien dar, auf Grund derer auf das subjektive Gewinnstreben des Steuerpflichtigen im maßgeblichen Veranlagungsjahr geschlossen werden kann.

Schwerpunkt der Kriterienprüfung stellt dabei die bis zum jeweiligen Kalenderjahr eingetretenen Entwicklung dar (; , 2002/13/0158).

Im Rahmen der Kriterienprüfung kommt vor allem dem Kriterium der Vornahme strukturverbessernder Maßnahmen nach ständiger Rechtsprechung besondere und entscheidende Bedeutung zu (zB , ; , 2020/15/0050). Unter die strukturverbessernden Maßnahmen fallen alle Schritte, die dazu führen, dass die Absicht erkennbar wird, die Betätigung längerfristig gewinnbringend anzulegen und die nicht nur kurzfristig gewinnbringend sind ().

Das Setzen solch einer strukturverbessernden Maßnahme bewirkt idR keine Änderung der Bewirtschaftung, daher führt eine rechtzeitig gesetzte Maßnahme zur Eigenschaft als Einkunftsquelle im gesamten Betätigungszeitraum; die Aktivitäten müssen nicht tatsächlich zum Erfolg führen bzw objektiv geeignet sein, Gewinne abzuwerfen, sondern nur der Art nach dazu bestimmt sein, die Ertragslage zu verbessern (; , 2004/15/0038; , 2006/15/0075; , 2020/15/0050).

In einer Gesamtwürdigung der Kriterien des § 2 Abs 1 LVO und unter der Berücksichtigung, dass strukturverbessernden Maßnahmen im Lichte der Rechtsprechung des VwGH besondere und entscheidende Bedeutung zukommt (vgl. wiederum , Rn 31 mwN), ist - wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt - nicht von einer subjektiven Gewinnerzielungsabsicht auszugehen.

Dieses Ergebnis gründet sich im Wesentlichen auf das Ausmaß und die Entwicklung der Verluste, insbesondere wurden ab dem Jahr 2007 dauerhaft Verluste erzielt, wobei auch die Ausgaben die Einnahmen des jeweiligen Jahres deutlich überstiegen haben. Auch wenn keine Anhaltspunkte vorliegen, dass die Beschwerdeführerin kein marktgerechtes Verhalten hinsichtlich der Preisgestaltung und der angebotenen Leistungen an den Tag gelegt hätte, mangelt es vor allem am Vorliegen strukturverbessernder Maßnahmen, auf welche nach der Rechtsprechung des VwGH besonderes Augenmerk zu legen ist (vgl. , Rn 31 mwN). Da solche auch nach zehn Jahren erlittener Verluste nicht vorgenommen wurden, war ab dem Jahr 2016 keine subjektive Gewinnerzielungsabsicht erkennbar und somit die Tätigkeit in der Ordination nicht mehr als Einkunftsquelle anzusehen.

Nach der Rechtsprechung des VwGH kann eine Tätigkeit, bei der sich nach § 1 Abs 1 LVO objektiv nach mehreren Jahren herausstellt, dass sie niemals erfolgbringend sein kann, dennoch bis zu diesem Zeitpunkt als Einkunftsquelle anzusehen sein. Erst wenn die Tätigkeit dann nicht eingestellt wird, ist sie für Zeiträume ab diesem Zeitpunkt als Liebhaberei zu qualifizieren (; , 99/15/0209).

Wie lange die (vorübergehende) Fortsetzung einer an sich aussichtslosen Tätigkeit noch als wirtschaftlich vernünftige Reaktion angesehen werden kann, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Von Liebhaberei ist jedenfalls auszugehen, wenn bei Erkennbarkeit der Aussichtlosigkeit des Erfolges die Betätigung nicht eingestellt wird.

Im beschwerdegegenständlichen Fall ist davon auszugehen, dass nach 10 Jahren (2006 - 2015), in denen durchgehend Verluste erzielt wurden, die Aussichtslosigkeit des Erfolges erkennbar war.

Da in den beschwerdegegenständlichen Jahren die subjektive Gewinnerzielungsabsicht nicht (mehr) durch objektive Merkmale in Erscheinung tritt, und auch keine strukturverbessernden Maßnahmen gesetzt wurden, liegt (jedenfalls ab dem Jahr 2016) keine Einkunftsquelle mehr vor. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin in ihrer privaten Ordination ist als Liebhaberei anzusehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, ob eine subjektive Gewinnerzielungsabsicht vorliegt, ist eine Frage der Beweiswürdigung (vgl. ). Das Bundesfinanzgericht folgt in seinem Erkenntnis der zitierten ständigen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere wonach strukturverbessernden Maßnahmen entscheidende Bedeutung beizumessen ist (vgl. ).

Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100137.2020

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