Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.04.2024, RV/7103034/2023

Bemessungsgrundlage für den Durchschnittssteuersatz gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Einkommensteuer 2022 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der Beschwerdevorentscheidung zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Bisheriger Verfahrensgang

Mit Einkommensteuerbescheid vom erfolgte für 2022 die Arbeitnehmerveranlagung des Beschwerdeführers (Bf). Dem Bescheid lagen Bezüge aus einer Vollbeschäftigung bis und ab Einkünfte aus geringfügiger nichtselbständiger Tätigkeit sowie gleichzeitig ein steuerfreier Bezug von Weiterbildungsgeld zugrunde. Die Bezüge aus geringfügiger nichtselbständiger Tätigkeit wurden in die Hochrechnung zur Berechnung des Progressionsvorbehaltes mit einbezogen.

Der Bf ersuchte in der Beschwerde vom um Korrektur des Progressionsvorbehaltes. Die im Zeitraum 1.1. - bezogenen Einkünfte seien zum Zweck der Berechnung des Durchschnittssteuersatzes aufs Jahr umzurechnen. Dies seien die steuerpflichtigen Bezüge von 11.330,38 Euro, nicht aber die 4.053,99 Euro aus dem zweiten Lohnzettel. Der VwGH habe festgestellt, dass die während des steuerfreien Bezuges erhaltenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht in die Hochrechnung einzubeziehen seien (VwGH Ra 2018/13/0024).

Im Bescheid seien jedoch die Bezüge beider Lohnzettel für die Berechnung des Durchschnittssteuersatzes herangezogen worden. Daraus habe sich eine Bemessungsgrundlage von 58.183,13 Euro und ein Durchschnittssteuersatz von 28,6% ergeben. Richtig wäre eine Bemessungsgrundlage von 42.274,79 Euro und ein Durchschnittssteuersatz von 23,56%.

Das Finanzamt folgte in der Beschwerdevorentscheidung vom dem Beschwerdebegehren insofern, als die Bezüge aus der geringfügigen Beschäftigung von 4.053,99 Euro aus der Hochrechnung herausgenommen wurden, sodass sich eine Umrechnungsbasis von lediglich 10.336,92 Euro und eine Bemessungsgrundlage für den Durchschnittssteuersatz von 45.795,94 Euro ergab.

Im Vorlageantrag vom wandte der Bf ein, dass die Bemessungsgrundlage für den Durchschnittssteuersatz (45.795,94 Euro) weiterhin die geringfügigen Einkünfte enthalte. Der Durchschnittssteuersatz sei lediglich aus der Hochrechnung der für die Monate Jänner bis März bezogenen Einkünfte zu errechnen. Die Bemessungsgrundlage sei daher richtigerweise mit 41.741,95 Euro anzusetzen, wodurch sich ein Durchschnittssteuersatz von 22,13% ergebe.

Das geringfügige Dienstverhältnis beim gleichen Arbeitgeber während der Bildungskarenz stehe mit dieser in ursächlichem Zusammenhang: Wäre er nicht ab 1.4. in Bildungskarenz gegangen, wäre er auch nicht neben seinem Vollzeitjob einer zusätzlichen Beschäftigung nachgegangen und wäre einem Durchschnittssteuersatz von 22,13% unterlegen. Die geringfügigen Einkünfte seien daher, genauso wie die Einkünfte des ersten Quartals mit 22,13% zu versteuern. Auch der UFS ist der Auffassung gefolgt, dass geringfügige Einkünfte während des Bezugs einer Ersatzleistung gänzlich von der Berechnung des Durchschnittssteuersatzes auszunehmen seien ().

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf war im gesamten Jahr 2022 beim selben Arbeitgeber beschäftigt und hatte folgende Bezüge:

Steuerpflichtig:
1.1. - 31.3. nichtselbständige Einkünfte 11.330,38
1.4.-31.12. geringfügige Beschäftigung 4.053,99

Steuerfrei:
1.4. - 24.12. AMS Weiterbildungsgeld 12.968,52
25.12.- 30.12. ÖGK Krankengeld 290,34
31.12. AMS Weiterbildungsgeld 48,39

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den von der Abgabenbehörde übermittelten Akten des Verwaltungsverfahrens und ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

§ 3 EStG 1988 lautet (auszugsweise):

"(1) Von der Einkommensteuer sind befreit:
Z 5 lit a: das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen."

"(2) Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z 5 lit. a oder ... nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde. ..."

Zweck der Regelung - so die Erl. zur RV 277 BlgNR 17. GP, 6 ff - ist es, einen rechtspolitisch unerwünschten Effekt zu beseitigen, der sich ergibt, wenn steuerfreie, soziale Transferleistungen in einem Kalenderjahr mit anderen, steuerpflichtigen Einkünften zusammentreffen. Dies könnte, insbesondere im Fall saisonaler Arbeitslosigkeit, wegen der zum Teil erheblichen Milderung der Steuerprogression dazu führen, dass das Nettoeinkommen eines nicht ganzjährig (voll) Beschäftigten unter Berücksichtigung der im Wege der Einkommensteuerveranlagung erhaltenen Lohnsteuererstattung höher wäre als das Nettoeinkommen eines ganzjährig Beschäftigten.

Im vorliegenden Fall erhielt der Bf für einen Teil des Jahres, nämlich für 4-12/2022, steuerfreie Transferleistungen gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit a EStG 1988 (Krankengeld und Weiterbildungsgeld) und waren daher gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit "für das restliche Kalenderjahr" (für 1-3/2022) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. In der Zeit der steuerfreien Bezüge erwirtschaftete geringfügige nichtselbständige Einkünfte vom selben Arbeitgeber sind nicht hochzurechnen ().

Da dies der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht (siehe zB auch ), stimmen die Verfahrensparteien nunmehr darin überein, dass lediglich die nichtselbständigen Einkünfte aus 1-3/2022 in Höhe von 10.336,92 Euro hochzurechnen sind und sich daraus ein Umrechnungszuschlag von 31.585,03 Euro ergibt.

Das Finanzamt erhöhte sodann in der Beschwerdevorentscheidung das Einkommen von 14.210,91 Euro (Bezüge aus der Vollbeschäftigung + Bezüge aus der geringfügigen Beschäftigung abzüglich der Werbungskosten und der Sonderausgaben) um den Umrechnungszuschlag und kam auf einen Jahresbetrag von 45.795,94 Euro als Bemessungsgrundlage für den Durchschnittssteuersatz.

Nach Auffassung des Bf seien hingegen die Bezüge aus der geringfügigen Beschäftigung gänzlich aus der Berechnung des Durchschnittssteuersatzes auszuschließen, sodass diese in der Bemessungsgrundlage nicht enthalten sind. Es sei daher von einer Bemessungsgrundlage von 41.741,95 Euro (45.795,94 minus 4.053,99) auszugehen.

Strittig ist daher nur mehr die Berechnung des Durchschnittssteuersatzes.

Das Einkommen ist gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt.

Dass der Durchschnittssteuersatz ausschließlich aus den hochgerechneten Einkünften zu berechnen ist - wie der Bf meint, ist dieser Bestimmung jedoch nicht zu entnehmen.

Während der Transferleistung bezogene Einkünfte sind ebenso wie Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen (erst) beim Gesamtbetrag der sich nach Umrechnung ergebenden Einkünfte zu berücksichtigen (Kuprian in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG, § 3 Anm 164).

Die prozentuelle Durchschnittssteuerbelastung ist somit aus den hochgerechneten Einkünften zuzüglich der nicht umgerechneten steuerpflichtigen Einkünften zu ermitteln. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts (zB ; ) und des Verwaltungsgerichtshofes ().

Dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes lag ein Fall zugrunde, in dem die Steuer vom Finanzamt unter Anwendung des Progressionsvorbehaltes gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 in der Weise ermittelt wurde, dass die hochgerechneten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um die nichtselbständigen Einkünfte, die während der steuerfreien Transferleistungen bezogen wurden, erhöht wurden. Auf das so nach Abzug der Sonderausgaben errechnete fiktive Einkommen wurde der Steuertarif angewendet und der Gesamtbelastungsprozentsatz festgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung gegen diese Berechnung des Durchschnittssteuersatzes keine Bedenken erhoben.

Das Bundesfinanzgericht folgt aus den dargelegten Gründen nicht der vom Bf vertretenen Ansicht. Dass die Einkünfte aus der geringfügigen Beschäftigung laut Bf mit der Bildungskarenz in Zusammenhang stehen, ist für die Berechnung des Durchschnittssteuersatzes nicht von Relevanz.

Kontrollrechnung (ohne Hochrechnung, aber unter Einbeziehung der steuerfreien Bezüge):


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steuerpflichtige Einkünfte lt. Bescheid
14.390,91
Krankengeld
290,34
Weiterbildungsgeld
12.968,52
Weiterbildungsgeld
48,39
Gesamtbetrag der Einkünfte
27.698,16
Sonderausgaben
-180,00
Einkommen
27.518,16
Berechnung der Einkommensteuer
0% für 11.000
0,00
20% für 7.000
1.400,00
32,5% für 9.518,16
3.093,40
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
4.493,40
Verkehrsabsetzbetrag
-400,00
Teuerungsabsetzbetrag
-500,00
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
3.593,40
Steuer sonstige Bezüge
48,67
Steuer Einkünfte aus Kap.verm.
3.198,51
Einkommensteuer
6.840,58
Lohnsteuer
-2.869,45
ausländische Quellensteuer
-0,15
Rundung
0,02
Einkommensteuer
3.971,00

Aus der gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 gebotenen Gegenüberstellung des Ergebnisses dieser Kontrollrechnung mit der Einkommensteuer laut Beschwerdevorentscheidung in Höhe von 3.773,00 Euro ergibt sich, dass die Steuerberechnung mit Hochrechnung laut Bescheid zu einem für den Bf günstigeren Ergebnis führt und daher - wie in der Beschwerdevorentscheidung - für die Berechnung der Einkommensteuer heranzuziehen war.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid war wie in der Beschwerdevorentscheidung abzuändern und war dem Beschwerdebegehren daher teilweise Folge zu geben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen dieses Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Erkenntnis folgt der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere und .

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103034.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at