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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.04.2024, RV/2100107/2022

Zur Beurteilung von Fahrtkosten in Zusammenhang mit Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer ***Bf1*** ist unter der Steuernummer ***BF1StNr1*** beim Finanzamt Österreich (belangte Behörde) veranlagt.

Am brachte er auf elektronischem Wege eine Einkommensteuererklärung (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2020 ein. Als Sonderausgaben machte der BF Personenversicherungen iHv € 6.583,80 und Kosten für Wohnraumschaffung/-Sanierung iHv € 494,18 geltend. Als Werbungskosten führte er Gewerkschaftsbeiträge iHv € 26,00 an. Als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt erklärte der BF Krankheitskosten iHv € 10.246,32.

Am ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer um die Übermittlung einer detaillierten Kostenaufstellung zu den außergewöhnlichen Belastungen.

Mit Schreiben vom nahm der BF zu den Krankheitskosten Stellung und führte zu den gegenständlichen Punkten aus, die Krankheitskosten bestünden aus Arzthonoraren, Kosten für Medikamente, Kosten für Zahnbehandlungen, für Sehbehelfe und für Fahrtkosten zum Arzt, zu den Apotheken, sowie zu Corona-Teststraßen. Diese Kosten beträfen einerseits den BF selbst, andererseits sein Gattin ***Gattin***. Sämtliche Fahrten hätten aufgrund des Umstandes, dass es am Wohnort keine öffentlichen Verkehrsmittel gebe, mit dem PKW durchgeführt werden müssen.
Als Beilagen übermittelte der BF diverse Aufstellungen von Arzthonoraren, Medikamentenkosten, Kosten für Sehbehelfe, dazugehörige Belege, sowie eine Kilometeraufstellung betreffend die Fahrten zu Ärzten und Apotheken, in dem er einen Satz von € 0,90 pro km geltend macht.

Am erließ die belangte Behörde den Einkommensteuerbescheid für 2020, der eine Gutschrift iHv € 493,00 ergab. Hierbei wurde von der zugrundeliegenden Erklärung abgewichen.
Anstatt der beantragten Sonderausgaben wurde lediglich ein Betrag von € 60,00 in Abzug gebracht, dies mit Verweis auf § 18 Abs 3 Z 2 EStG 1988.
Die beantragten Kilometer in Zusammenhang mit Krankheitskosten wurde von der belangten Behörde grundsätzlich in voller Höhe anerkannt, jedoch nur mit dem amtlichen Kilometergeld (mit einem Mitfahrer) iHv € 0,47 als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Von der belangten Behörde wurde somit nur ein Betrag von € 7.632,35 als außergewöhnliche Belastungen angenommen, der Selbstbehalt hierfür jedoch mit € 8.363,54 errechnet, wodurch sich keine steuerliche Auswirkung ergab.

Mit Schreiben vom , eingelangt beim Finanzamt am , erhob der BF binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde (als Berufung bezeichnet).
Es sei für die Fahrten zum Arzt, zum Krankenhaus und zu den Apotheken lediglich das amtliche Kilometergeld herangezogen worden, die tatsächlichen Fahrtkosten lägen jedoch bei € 0,90. Die außergewöhnlichen Belastungen mit Selbstbehalt lägen somit bei € 10.246,32, wovon ein Selbstbehalt von € 8.363,54 abzuziehen wäre.
Aus der dazu übermittelten Aufstellung ergibt sich für das Jahr 2020 folgende Berechnung:


Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus, Kosten im Zusammenhang mit einer Erkrankung würdendem Steuerpflichtigen regelmäßig zwangsläufig erwachsen, weil er sich ihnen aus rechtlichen Gründen nicht entziehen könne. Hierzu gehörten auch die Fahrtkosten, entweder in Höhe der tatsächlich nachgewiesenen Ausgaben (zB. Kosten des öffentlichen Verkehrsmittels oder Taxikosten) oder in Höhe des amtlichen Kilometergeldes. Die Berücksichtigung höherer Kilometersätze bei Verwendung des eigenen Kraftfahrzeuges sei nicht "zwangsläufig" iSd § 34 Abs 3 EStG 1988.

Mit Schreiben vom beantragte der BF die Vorlage der Bescheidbeschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Grundsätzlich werde auf die Beschwerde vom verwiesen, wobei nochmals auf die schlechte örtliche Infrastruktur des Wohnortes hingewiesen werde. Es gebe keine öffentlichen Verkehrsmittel, sämtliche Fahrten zu den ärztlichen Behandlungen müssten zwangsläufig mit dem privaten KFZ durchgeführt werden. Taxikosten seien mit € 1,05 pro Kilometer höher.
Als Beilage wurde nochmals eine Kostenaufstellung für das Jahr 2020 übermittelt, die rechnerisch deckungsgleich mit der obigen Darstellung ist.

Am wurde die gegenständliche Beschwerdesache an das Bundesfinanzgericht übermittelt.
Unter Verweis auf die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung führte die belangte Behörde ergänzend aus, der Einwand, es bestünden keine öffentlichen Verkehrsmittel am Wohnort, führe nicht dazu, dass sämtliche Aufwendungen iZm einem PKW als außergewöhnliche Belastungen anzusehen seien. Die Anschaffung eines (familien-)eigenen Kraftfahrzeuges sei nicht außergewöhnlich und erwachse nicht zwangsläufig. Der gegenständliche PKW sei ein gewöhnliches Kraftfahrzeug und ein typischer Gegenstand des Privatvermögens. Es liege hierbei keine spezielle Ausstattung vor, die kausal wegen einer konkreten Erkrankung und/oder Behinderung angeschafft worden sei.
Fahrtkosten in Zusammenhang mit der Anschaffung von Medikamenten seien nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, da diese Anschaffungen nach der allgemeinen Lebenserfahrung mit den Besorgungen des täglichen Lebens verbunden würden.
Es werde sohin die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Mit Vorhalt vom ersuchte das Bundesfinanzgericht den Beschwerdeführer einerseits um Konkretisierung seiner Berechnungen der Kilometerkosten betreffend des Privat-KFZ und Darlegung der Zwangsläufigkeit der einzelnen Punkte.
Er wurde zudem ersucht, darzulegen, wie die Fahrtkosten im Einzelnen ermittelt wurden und gefragt, ob er sämtliche Fahrten mit seiner Gattin gemeinsam zurückgelegt hat.
Weiters wurde der BF gefragt, ob er die Fahrten zu den Apotheken mit anderen Besorgungen verbunden hat, und ersucht, bekanntzugeben, wo er alltägliche Einkäufe erledigt habe und wie oft er einkaufen sei.
Hinsichtlich der Fahrten nach ***Zielort1*** zu Ärzten, Apotheken und Optikern, die auch im 70 Kilometer nähergelegenen ***Zielort2*** ansässig sind, wurde er ersucht, die Zwangsläufigkeit dieser längeren Fahrten darzulegen.
Er wurde zudem um Aufschlüsselung der restlich zurückgelegten Kilometer für Urlaubsfahrten, Besuche, etc. ersucht.

Mit Eingabe vom verwies der BF nochmals auf die äußerst schlechte Verkehrslage des Wohnortes. Die einzige Alternative zu Fahrten mit dem Privat-PKW sei ein Ruftaxi, welches jedoch zwischen € 1,10 - € 2,50 pro Kilometer koste, es musste daher zwangsläufig auf den privaten PKW zurückgegriffen werden. Es sei unverständlich, weshalb höhere Kosten eines Taxis berücksichtigt werden würden, nicht jedoch der individuelle Kilometersatz von € 0,90. Zu Zeiten der Corona-Pandemie sei es zudem schwierig gewesen eine Taxifahrt oder einen Arzttermin zu bekommen.
In den Wintermonaten falle in der Gebirgsgegend des Wohnortes reichlich Schnee, weshalb entsprechende Straßenbedingungen vorherrschen würden und daher die Anschaffung eines Fahrzeugs mit entsprechender Motorisierung und Winterausrüstung absolut notwendig sei. Ein Gebrauchtfahrzeug sei in einer Gebirgsgegend eine schlechte Wahl.
Der BF fahre seit 1957 Auto und besitze seit 1993 einen eigenen PKW. Das Vorgängerfahrzeug sei 5 Jahre alt und bereits reparaturanfällig gewesen, weshalb er sich für die Gegend und sein Alter passend, ein neues Fahrzeug zwangsläufig angeschafft habe.
An Zusatzausstattung weise das Fahrzeug Voll-LED-Scheinwerfer, ein Winterpaket, sowie Chestnut Bronze auf. Der Nettofahrzeugpreis sei bei € 26.384,62 gelegen, zuzüglich 20 % Umsatzsteuer und 10 % NoVA und abzüglich der NoVA Varianz von € 300 ergebe sich ein Bruttofahrzeugpreis von € 34.000.
Die Anschaffung des Fahrzeuges sei mit Leasing finanziert worden, wobei hierfür von Jänner bis Oktober 2020 die monatliche Leasingrate € 297,72 und für November und Dezember aufgrund der Senkung des Sollzinssatzes € 296,72 betragen habe. Die Leasingrate sei als Kostenfaktor angesetzt worden, da es sich dabei um Kosten handle, die mit dem Fahrzeug in Zusammenhang stünden.
Die KFZ-Versicherung setze sich zusammen aus Haftpflicht, Kasko-Versicherung und motorbezogener Versicherungssteuer, wobei die Finanzierung eines Autos mit Leasing zwingend den Abschluss einer Kaskoversicherung verlange.
Die Reparaturkosten bestünden aus Servicearbeiten, Motorölwechsel, AdBlue-Mittel und Reifenwechselarbeiten in einer Mechanikerwerkstätte. Enthalten sei auch ein Trinkgeld iHv € 10 an den Mechaniker.
Die Kosten für den ÖAMTC seien für die Mitgliedschaft, sowie den Schutzbrief angefallen. In einer dermaßen entfernten Gegend sei eine Mitgliedschaft bei einem Autofahrerclub zwangsläufig notwendig.
Angegebene Kosten von € 65,00 seien aufgrund von Parkgebühren angefallen.
Die Fahrtstrecken zu den einzelnen Zielen (Ärzte, Krankenhaus, Apotheken, Teststraßen, sonstigen Behandlungen) seien mittels dem Routenplaner ViaMichelin ermittelt worden. Die Gattin sei bei allen Fahrten dabei gewesen. Aufgrund neurologischer und psychologischer Probleme, sowie einer Corona-Schädigung sei das zwangsläufig nötig, da der BF sie nicht alleine lassen könne.
Lebensmitteleinkäufe im Jahr 2020 habe er im örtlichen Kaufgeschäft getätigt. Die Medikamenteneinkäufe seien stets mit Arztbesuchen verbunden worden. Hinsichtlich einer Apothekenfahrt sei jedoch eine falsche Kilometerangabe gemacht worden, und sei diese zu streichen.
Die Fahrten nach
***Zielort1*** seien deshalb unternommen worden, da der BF und seine Gattin dort die Kindheit und Jugend verbracht hätten, sowie aufgrund familiärer Bande mit der dortigen Ärzteschaft verbunden seien, was insbesondere in der Coronazeit besonders wichtig gewesen sei.
Eine konkrete Aufschlüsselung der restlichen Fahrten erfolgte nicht. Der BF stellte lediglich rechnerisch dar, dass die verbleibenden Restkilometer für Urlaube, Besuche und Ausflüge genutzt worden seien, ohne konkrete Daten oder Ziele anzugeben.
Der BF korrigierte die beantragten außergewöhnlichen Belastungen jedoch dahingehend, dass er 300 km für eine Apothekenfahrt nach
***Zielort1*** ausschied, weshalb lediglich 5.779 km verblieben, die mit € 0,90 pro km zu verrechnen seien, wodurch sich insgesamt außergewöhnliche Belastungen iHv € 9.976,32 ergäben, von denen der Selbstbehalt von € 8.363,54 abzuziehen sei.

Das Schreiben des BF wurde am der belangten Behörde zur allfälligen Äußerung weitergeleitet. Diese verwies auf ihr Vorbringen im Vorlagebericht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Dem BF sind im Jahr 2020 diverse Kosten in Zusammenhang mit eigenen Erkrankungen bzw. Erkrankungen seiner Gattin angefallen.

Im Jahr 2020 hat der BF mit seinem Privat-PKW insgesamt 5.779 km für Fahrten zu medizinischen Behandlungen, Ärzten, Apotheken und in Zusammenhang mit Corona-Tests für sich und seine Gattin zurückgelegt und wurde hierbei stets von seiner Gattin begleitet. Hierin sind 7 Fahrten nach ***Zielort1*** enthalten, die jeweils 300 km (hin- und retour) betragen.

Insgesamt hat der BF mit seinem Privat-PKW eine Strecke von 11.258 km zurückgelegt.

Folgende Zahlungen hat der BF in Zusammenhang mit seinem Privat-PKW im Jahr 2020 geleistet:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Leasingraten
€ 3.570,96
KFZ-Versicherung
€ 1.743,14
Treibstoff
€ 695,08
Reparatur
€ 430,09
Trinkgeld Mechaniker
€ 10,00
ÖAMTC Mitgliedschaft und Schutzbrief
€ 131,7
Parkgebühr
€ 65,00

Im ersten Halbjahr 2019 erwarb der BF ein neues KFZ "Nissan Qashqai 1,7 dCi ALL-MODE 4x4i N-Con" um € 33.999,99 brutto. Die Finanzierung erfolgte über ein Leasing mit der ***Bank1***. Die Eckdaten des Leasings stellen sich folgendermaßen dar:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kaufpreis (inkl. USt und NoVA)
€ 33.999,99
Leasingentgeltvorauszahlung (inkl. USt)
€ 10.200,00
Restwert (inkl. USt)
€ 10.800,00
Vertragslaufzeit
48 Monate
Sollzinssatz p.a. (variabel)
3,2 %
Effektivzinssatz
3,505 %
Gesamtbetrag
€ 35.585,88

2. Beweiswürdigung

Der grundlegende Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich als solches aus den vorliegenden Erklärungen bzw. Bescheiden. Strittig ist lediglich die Frage der Anerkennung, sowie die konkret zustehende Höhe der außergewöhnlichen Belastungen.

Die Anzahl der zurückgelegten Kilometer, sowie der Umstand, dass der BF sämtliche Strecken gemeinsam mit seiner Gattin zurückgelegt hat, ergibt sich aus dessen grundsätzlich glaubhaften und unbestritten gebliebenen Angaben.

Die Höhe der dem BF für den Betrieb seines PKW grundsätzlich anerlaufenen Kosten ergibt sich aus dessen unbestritten gebliebenen Aufstellungen bzw. aus dem übermittelten Leasingvertrag.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Nach § 34 Abs 1 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988) sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.
Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Nach § 34 Abs 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Nach § 34 Abs 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Nach § 34 Abs 4 EStG 1988 idF BGBl I Nr. 103/2019 beeinträchtigt die Belastung wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.
Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen von mehr als 36.400 Euro 12%.
Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6.000 Euro jährlich erzielt.

Mit einer Gesundheitsmaßnahme in Zusammenhang stehende Aufwendungen stellen nur dann eine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 dar, wenn sie zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit (oder sonstigen körperlichen Beeinträchtigung) nachweislich notwendig sind (vgl. mwN).

Das Merkmal der Zwangsläufigkeit muss auch der Höhe nach gegeben sein. Fahrtkosten sind demnach - so überhaupt - nur in notwendiger Höhe zu berücksichtigen. (vgl. mit Verweis auf )

Die Höhe der Fahrtkosten muss als unvermeidbar anzusehen sein, um als außergewöhnlich beurteilt werden zu können. (vgl. )

Aus § 34 Abs 3 EStG 1988 ergibt sich mit aller Deutlichkeit, dass freiwillig getätigte Aufwendungen nach § 34 EStG ebenso wenig Berücksichtigung finden können wie Aufwendungen, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden, oder die sonst die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat. (vgl. )

Ein Steuerpflichtiger, der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wissen will, hat selbst das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. mwN).

Zur Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit:

Die Bemessungsgrundlage für den Selbstbehalt liegt bei € 76.032,18. Da der BF im gegenständlichen Jahr 2020 mehr als 6 Monate verheiratet war und seine Gattin Einkünfte iSd § 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 von unter € 6.000,00 erzielt hat, vermindert sich der Selbstbehalt um einen Prozentpunkt auf 11 % und beträgt sohin € 8.363,54.

Zur Außergewöhnlichkeit:

Im gegenständlichen Fall werden Kosten für die Behandlung diverser Krankheiten geltend gemacht. Diese sind grundsätzlich als außergewöhnlich anzusehen, da eine Krankheit einen regelwidrigen Körperzustand darstellt, und ein im Vergleich zu gesunden Personen damit in Zusammenhang stehender Mehraufwand für Medikamente, Heilbehandlungen, etc. notwendig ist.

Zur Zwangsläufigkeit:

Krankheiten stellen grundsätzlich tatsächliche Gründe dar, mit denen die Zwangsläufigkeit einer Belastung begründet werden kann. (vgl. mwN) Im konkreten Fall ist jedoch vor allem die Höhe der als außergewöhnliche Belastung anzuerkennenden Kosten strittig.

Der BF hat zwar immer wieder darauf hingewiesen, dass ihm diverse Kosten zwangsläufig anfallen würden. Er konnte jedoch nicht darlegen, aufgrund welcher konkreten tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen, die nicht Folge eines freiwilligen Verhaltens des BF sind, diese Kosten getragen werden mussten, zumindest nicht in einem Ausmaß, dass es hinsichtlich der Höhe der zu berücksichtigen außergewöhnlichen Belastungen einen konkreten Unterschied mache.

Zwangsläufigkeit in Bezug auf die verrechenbaren Kilometer:

Der BF macht Kilometerersatz für 5.779 zurückgelegte Kilometer geltend. Hierin sind sieben Fahrten nach ***Zielort1*** zu je 300 km (hin und retour) enthalten. Da die aufgesuchten Ziele (2 x Optiker, 1 x Apotheke, 1 x Facharzt Neurologe, 1 x Facharzt Pneumologie, 1x Psychologe, 1 x Facharzt HNO) auch im näher gelegenen ***Zielort2*** vorhanden wären und die Behandlungen somit auch dort in Anspruch genommen werden hätten können, wofür jeweils nur 160 km (hin und retour) angefallen wären, wird auch nur diese Strecke als zwangsläufig anerkannt. Die Begründung, in ***Zielort1*** seien Kontakte zur Ärzteschaft vorhanden, sowie, dass ein persönlicher Bezug dorthin vorhanden sei, begründet keine Zwangsläufigkeit, die weitere Strecke zurückzulegen, sondern ist auf eine freiwillige Entscheidung des BF zurückzuführen, zudem ja 3 Fahrten nicht einmal zu Ärzten gingen. Die Mehrstrecke von 980 km war nicht unvermeidbar iSd Judikatur des VwGH, womit die aufgrund persönlicher Präferenzen entstandenen Mehrkosten mangels Zwangsläufigkeit auszuscheiden sind. Es verbleiben sohin verrechenbare Kilometer von maximal 4.799.

Zwangsläufigkeit in Bezug auf die Kosten pro Kilometer:

Die vom BF beigebrachten Berechnungen sind zu korrigieren.
Dem BF ist einerseits ein Rechen- bzw. Logikfehler bei der Berechnung der angefallenen KFZ-Kosten unterlaufen. Der BF hat nämlich die Anschaffungskosten doppelt berücksichtigt, einerseits über die AfA, verteilt auf die gewöhnliche Nutzungsdauer, andererseits über die monatlichen Kapitalrückzahlungen, die in den Leasingraten enthalten sind.
Aufgrund der Ausgestaltung des Leasingsvertrages ist von einem Finanzierungsleasing auszugehen, bei welchem das KFZ von Anfang an dem Leasingnehmer, also dem BF, als wirtschaftliches Eigentum zuzurechnen ist. Die Anschaffungskosten inkl. NoVA und Umsatzsteuer betrugen konkret € 33.999,99 zuzüglich einer Rechtsgeschäftsgebühr iHv € 245,40. Bei einer gewöhnlichen Nutzungsdauer von 8 Jahren gem. § 8 Abs 6 Z 1 EStG 1988 errechnet sich somit eine jährliche AfA von € 4.280,55. Dazu kommen noch die anteiligen Zinsen für die Finanzierung. Aus dem Leasingvertrag ergibt sich eine rechnerische Gesamtbelastung von € 35.585,88, was, abzüglich der Rechtsgeschäftsgebühr, eine Zinsbelastung auf die volle Laufzeit von € 1.340,49 ergibt, bei linearer Verteilung somit € 335,12 pro Jahr. Anstatt der vom BF angesetzten Kosten für AfA und Leasing iHv € 7.112,63, ergäbe sich somit lediglich ein Kostenfaktor von € 4.615,67, was gemeinsam mit den restlichen Kosten (Treibstoff, Reparatur, Mechaniker, ÖAMTC, Parkgebühren) Gesamtausgaben von € 7.721,36, und somit einen Kilometersatz von € 0,69/km ergäbe.

Unter Hochrechnung der oben dargestellten verrechenbaren Kilometer von 4.799 ergeben sich somit maximale Fahrtkosten iHv € 3.311,31. Gemeinsam mit den restlichen geltend gemachten Kosten für Arzthonorare, Medikamente, Zahnbehandlung und Sehbehelfen von € 5.014,69 abzüglich von der Zusatzversicherung erhaltener Kostenersätze von € 239,47 errechnen sich - selbst bei voller Anerkennung der restlichen Kosten - außergewöhnliche Belastungen von maximal € 8.038,54, was somit bereits unter dem Selbstbehalt von € 8.363,54 liegt.

Nach § 198 Abs 2 BAO haben Abgabenbescheide im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten.

Nachdem der Selbstbehalt im gegenständlichen Fall jedenfalls nicht erreicht würde und die abzugsfähigen außergewöhnlichen Belastungen somit immer bei € 0,00 liegen würden, ergäbe sich aufgrund der oben dargelegten Überlegungen keinesfalls eine Änderung der festzusetzenden Einkommensteuer bzw. der Bemessungsgrundlage. Eine weitergehende Befassung mit der Frage, ob die Mehrausstattung des Fahrzeuges im Vergleich zu normalen PKW, sowie die weiteren Kosten (Kaskoversicherung, ÖAMTC, Trinkgeld) überhaupt als zwangsläufig iSd § 34 Abs 3 EStG 1988 angesehen werden können, kann somit unterbleiben.

Da im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen nur ein tatsächlich angefallener Aufwand berücksichtigt werden kann (vgl. mwN) und keine fiktiven Kosten, geht im Übrigen das Argument, Taxikosten wären höher, als die Fahrten mit dem Privat-PKW, ins Leere.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der gegenständliche Fall konnte anhand der bisherigen Judikatur des VwGH gelöst werden und wird nicht von derselben abgewichen, weshalb ein Revision als nicht zulässig erachtet wurde.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100107.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at