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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.03.2024, RV/5100038/2024

Unkenntnis einer rechtswirksam erfolgten elektronischen Zustellung von Bescheiden - kein Wiedereinsetzungsgrund

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom über den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist zur Einbringung des Rechtsmittels der Beschwerde gegen die Haftungsbescheide Lohnsteuer, gegen die Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und gegen die Bescheide über die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2015 bis 2018, alle datiert mit , zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Streitpunkt:

Strittig ist, ob die Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist betreffend die Haftungsbescheide Lohnsteuer sowie Festsetzungsbescheide Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2015 bis 2018 vom zulässig ist.

2. Verfahrensgang vor dem Finanzamt

2.1.

Die Beschwerdeführerin führt seit 2015 eine Werbeagentur mit zwei Beschäftigten auf Teilzeitbasis. Die Betriebsanschrift war seit ***3***.

Mit Bescheid des damaligen Finanzamtes ***4*** vom wurde die Prüfung der lohnanhängigen Abgaben und Beiträge für die Jahre 2015 bis 2018 angeordnet. Am fand eine Schlussbesprechung statt. Darüber wurde eine Niederschrift aufgenommen, bei der vermerkt ist, dass keine Partei erschienen ist. Es wurde neuerlich ein Termin zu Schlussbesprechung am im Finanzzentrum ***4*** ausgeschrieben.

Auf Grundlage der von der Prüfung getroffenen Feststellungen hat das Finanzamt Österreich, datiert mit , Haftungsbescheide betreffend Lohnsteuer sowie Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und über die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2015 bis 2018 erlassen. Daraus resultierte eine Gesamtnachforderung lohnabhängiger Abgaben im Ausmaß von EUR 17.657,01. Mit selbem Datum erging der Bericht gem. § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung.

Die Zustellung der Bescheide und des Berichts erfolgte in elektronischer Form via FinanzOnline (FON) in die Databox der Beschwerdeführerin, im folgenden "die Bf.", am .

2.2.

Am langte der mit datierte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO sowie damit verbunden die Beschwerde gegen die Haftungsbescheide Lohnsteuer und Festsetzungsbescheide Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2015 bis 2018 ein.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde wie folgt begründet:

" Zum grundsätzlichen Verständnis sei vorausgeschickt, dass Frau ***Bf1*** seit Beginn 2023 ihren Hauptwohnsitz von ***5*** (FAÖ-DS ***4***) nach ***6*** (FAÖ-DS ***7***) verlegte.

Frau ***Bf1*** führt seit 2015 eine kleine Werbeagentur mit durchschnittlich 2 (Teilzeit-) Beschäftigten. Mit Bescheid des FA ***4*** vom erging der Auftrag betreffend Prüfung der lohnabhängigen Abgaben und Beiträge für die Jahre 2015 bis 2018.

Letztendlich dauerte die Prüfung - wohlgemerkt für durchschnittlich zwei Dienstnehmerinnen - insgesamt mehr als zwei Jahre und endete damit, dass unsere Mandantschaft - soweit ersichtlich irrtümlich - seitens des FAÖ-DS ***4*** nicht zur Schlussbesprechung im Dezember 2022 nach ***4*** geladen wurde.

Dennoch wurde die Prüfung - ohne Parteiengehör - abgeschlossen und die Bescheide dementsprechend einseitig zu Gunsten der Rechtsansicht des Prüfers ausgefertigt. Erst aus einem Schreiben der Österreichischen Gesundheitskasse von Ende Dezember 2022 bezüglich Nachverrechnung von Beiträgen für die Jahre 2015 bis 2018 erfuhr unsere Mandantin erstmals, dass die Prüfung offensichtlich bereits abgeschlossen war.

Im Auftrag unserer Mandantin haben wir uns als steuerliche Vertreter umgehend beim Außenprüfer ***16*** ***8*** gemeldet, das Parteiengehör für unsere Mandantin eingemahnt und hinsichtlich des Verbleibs der Abgabenbescheide nachgehakt.

[...]

Dennoch bleib der Außenprüfer bei seiner Behauptung zum Zustellversuch und ergänzte weiter, dass nach Rücksendung der Bescheide, diese durch Aushang am "Schwarzen Brett" der Dienststelle in ***4*** rechtskräftig zugestellt wären.

Dieser Aussage folgend nahm unsere Mandantin den Weg nach ***4*** auf sich (hin- und retour ca. 8 Stunden), um vor Ort nachzusehen. Das Ergebnis war ein leeres "Schwarzes Brett"! Entsprechende Handyfotos wurden angefertigt und können bei Bedarf jederzeit vorgelegt werden.

Durch den zwischenzeitigen Zuständigkeitswechsel infolge Verlegung des Hauptwohnsitzes haben wir Kontakt mit dem FAÖ-DS ***7*** aufgenommen und um Akteneinsicht bzw. um Mithilfe bei der Beibringung der "verschollenen" Bescheide ersucht. Dank des engagierten Verhaltens von zwei Herren (Veranlagungsreferat und Prüfdienst für Lohnabgaben und Beiträge) gelang es nach Tagen, den wahren Verbleib zu eruieren.

Demnach ergibt sich folgendes Bild:
• eine postalische Zustellung hat es nie gegeben,
• die Aussagen des Finanzbeamten
***16*** ***8*** aus ***4*** bezüglich postalischer Zustellung bzw. der Behauptung, dass die Zustellung wegen Annahmeverweigerung scheiterte sind unrichtig und nicht nachvollziehbar, warum sie getätigt wurden,
• ein Aushang am "Schwarzen Brett" hat es nie gegeben, denn
• die Bescheide sind elektronisch im Postfach unserer Mandantin eingelangt!

Aufgrund der intensiven und fokussierten Suche nach den in Papierform angekündigten Bescheiden und den glaubwürdigen Aussagen des zuständigen Finanzbeamten in ***4*** hat unsere Mandantschaft irrtümlich übersehen, dass diese in ihr elektronisches Postfach zugestellt wurden. Erst durch die Mithilfe der Mitarbeiter der FAÖ-DS ***7***, die sich u.a. auch mit ihrem Kollegen in ***10*** kurzgeschlossen hatten, konnte dieser Irrtum aufgeklärt werden. Unmittelbar nach Erhalt dieser Auskunft fragte Frau ***Bf1*** die Bescheide ab, das war am .

Im Vertrauen auf die Aussagen des Finanzbeamten ***16*** ***8*** hinsichtlich postalischer Zustellung war unsere Mandantin auf die Bescheide in Papierform dermaßen konzentriert, dass die elektronische Zustellung ihrer Aufmerksamkeit entging.

Nach § 308 Abs 1 letzter Satz BAO hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Im Vertrauen auf die Richtigkeit und Glaubwürdigkeit der Aussagen des Finanzbeamten ***16*** ***8***, welche sich letztlich nicht nur als absolut falsch, sondern auch als völlig unverständlich herausstellten, wurde unsere Mandantin in ihrem Handeln und in ihrer Aufmerksamkeit massiv beeinflusst und war auf die Suche nach den Bescheiden (in Papierform) fokussiert. Dass die Bescheide dagegen elektronisch zugestellt waren, entging ihrer Aufmerksamkeit und war auch in Anbetracht der Aussagen des Herrn ***8*** nicht zu erwarten, somit absolut unvorhergesehen.

Den Rechtsnachteil, den unsere Mandantin durch die Säumnis der Beschwerdefristen hat, ist evident, da sie bereits mangels Ladung zur Schlussbesprechung ihr Parteiengehör nicht wahrnehmen konnte.

Bezüglich der Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrages gern. § 308 BAO sei auf den - auch im Verkehr mit den Finanzbehörden - zum Tragen kommenden allgemeinen Grundsatz von "Treu und Glauben" verwiesen (Richtlinien zum Grundsatz von Treu und Glauben, 010103/0023-VI/2006).

Die Rechtzeitigkeit des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gewahrt, da (erst) am vom elektronischen Posteingang Kenntnis erlangt wurde und die Antragsfrist nach § 308 Abs 3 BAO mit endet."

2.3.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO betreffend die Frist gem. § 245 BAO zur Einbringung des Rechtsmittels der Beschwerde gegen die Haftungsbescheide Lohnsteuer 2015 bis 2018, Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages 2015 bis 2018 und die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag 2015 bis 2018, alle vom , als unbegründet abgewiesen. Die Begründung lautet:

"§ 308 Abs. 1 BAO lautet: "Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."

Die Antragstellerin begründet ihren Wiedereinsetzungsantrag damit, dass ein unvorhersehbares Ereignis vorlag. Sie habe den Bescheid in der Databox übersehen, da sie noch nicht mit einem die Lohnabgabenprüfung abschließenden Bescheid gerechnet habe. Als sie - infolge eines Schreibens der ÖGK bzgl. Nachverrechnung für die Jahre 2015 bis 2018 - beim Finanzamt über den Verbleib des Bescheides nachgefragt habe, hätte sie falsche Auskünfte erhalten. Deshalb sei sie nicht auf die Idee gekommen, in der Databox nachzusehen. Erst mehr als ein Monat nach der Zustellung sei der Verbleib des Bescheides aufgeklärt worden.

Ein Ereignis gilt dann als "unvorhergesehen", wenn die Partei es nicht einberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (; , 98/16/0051; , 2009/16/0098; , 2012/13/0051).

Die Wiedereinsetzungswerberin geht davon aus, dass die die Unvorhersehbarkeit der Zustellung in die Databox erst durch die unrichtigen Auskünfte des Finanzamtes zum Verfahrensgang entstanden sind. Tatsächlich ist die Wurzel bereits bei der Zustellung und nicht im Nachgang zu verorten. Die Wiedereinsetzungswerberin hat die Zustellung in die Databox übersehen. Selbst als das Schreiben der ÖGK einlangte, sah sich die Wiedereinsetzungswerberin nicht dazu veranlasst, in die Databox zu sehen. Während einer laufenden Prüfung müsste die Unternehmerin eigentlich damit rechnen, dass das Finanzamt jederzeit behördliche Schriftstücke zustellt (z.B. Ladung zur Schlussbesprechung). Offensichtlich hat sie sich auch nicht vergewissert, ob ihr eine Ladung für eine Schlussbesprechung per FinanzOnline (FOn) zugestellt worden ist. Ansonsten hätte sie die Abgaben- und Haftungsbescheide entdeckt.

Die Bestimmung des § 308 BAO normiert einen Begünstigungstatbestand. Bei Begünstigungstatbeständen tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabepflichtige hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (). Dem Antragsteller fällt die Behauptungslast und diesbezügliche Konkretisierungspflicht (erhöhte Mitwirkungspflicht) zu. Er hat alle maßgeblichen Umstände überzeugend darzulegen (; ).

Weshalb die Wiedereinsetzungswerberin von vornherein nicht damit rechnen konnte, dass der Bescheid per FinanzOnline zugestellt wird, erklärt sie in ihrem Antrag nicht. Selbst als sie davon ausging, dass es zumindest einen potenziell erfolgreichen Zustellversuch gab, überprüfte sie monatelang nicht ihre Databox. Von besonderen Umständen, wonach es der Wiedereinsetzungswerberin als Unternehmerin nicht zumutbar gewesen wäre, im Rahmen einer Lohnabgabenprüfung die FinanzOnline-Zustellung wesentlicher Schriftstücke zu erwarten, ist daher nicht auszugehen. Der Antrag ist folglich abzuweisen."

2.4.

Mit Anbringen vom wurde gegen den Bescheid betreffend die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist gegen die beschwerderelevanten Bescheide vom Beschwerde erhoben und beantragt, dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattzugeben.

Begründend wird ausgeführt:

"Sachverhalt

Mit Bescheid vom wurde die abgabenbehördliche Prüfung unserer Mandantin in Bezug auf lohnabhängige Abgaben und Beiträge (kurz: PLB-Prüfung) für die Jahre 2015 bis 2018 angeordnet.

Unsere Mandantin betreibt seit 2015 eine Werbeagentur mit durchschnittlich zwei Dienstnehmerinnen. Die PLB-Prüfung für die Jahre 2015-2018 wurde von der damals zuständigen Behörde in ***4*** vorgenommen und Ende 2022 von ihr formell abgeschlossen. Infolge Änderung des Hauptwohnsitzes mit Anfang Jänner 2023 ging die Zuständigkeit für das weitere Procedere auf die Dienststelle ***11*** über.

Die abgabenbehördliche Prüfung seitens der Behörde in ***4*** dauerte - wohl gemerkt bei rund zwei Jahre (!) und gipfelte in der anberaumten Schlussbesprechung vom , zu der unsere Mandantin seitens der Prüfbehörde nachweislich keine Ladung erhielt! In Abwesenheit unserer Mandantin wurde der Prüfungsfall am vor Ort in ***4*** abgeschlossen und sämtliche Prüfungsfeststellungen - logischerweise unwidersprochen - den Abgaben- und Haftungsbescheiden 2015-2018 in Bezug auf Lohnsteuer, DB und DZ zugrunde gelegt.

Von dieser Vorgangsweise der Behörde war unserer Mandantin - in Ermangelung einer Ladung zur Schlussbesprechung - nichts bekannt.

Erst durch den Eingang des Schreibens der Österreichischen Gesundheitskasse vom über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Jahre 2015- 2018 erlangte unsere Mandantin erstmals Kenntnis davon, dass die mehr als zweijährige PLB- Prüfung für sie völlig überraschend und ohne ihr Wissen augenscheinlich von der Behörde in ***4*** abgeschlossen wurde.

Frau ***Bf1*** übermittelte uns das ÖGK-Schreiben per E-Mail noch am .

Daraufhin haben wir - auch in der Weihnachtsferienzeit - versucht, den PLB-Prüfer, Herrn ***16*** ***8***, zu kontaktieren. Erst am Freitag, erreichten wir ihn telefonisch und teilten ihm mit, dass unsere Mandantschaft am das o.a. ÖGK-Schreiben erhalten hatte, sie aber weder eine Ladung zu einer Schlussbesprechung erhielt und bis dato auch keinen Prüfbericht gern. § 150 BAO noch entsprechende Abgaben- oder Haftungsbescheide.

Herr ***8*** war zum Zeitpunkt unseres Telefonats im Außendienst. Aufgrund der Dringlichkeit, insb. im Hinblick auf die im Gespräch thematisierten Rechtsmittelfristen, sagte er zu, sich augenblicklich um die Angelegenheit zu kümmern und tat dies auch!

Ca. eineinhalb Stunden später meldete sich Herr ***16*** ***8*** zurück und teilte mir mit, dass er bis jetzt gebraucht habe, in Rücksprache mit "dem Amt" den Verbleib der gegenständlichen Bescheide zu ***10***, demnach ergibt sich folgender Sachverhalt:

• Die Abgaben- und Haftungsbescheide 2015-2018 und der Bericht über Abschlussprüfung, jeweils datiert mit , wurden postalisch an die Wohnsitzadresse von Frau ***Bf1*** in ***5*** zugestellt. Dort wurde die Annahme am allerdings verweigert. Er führte detailliert aus, dass der Stiefvater von Frau ***Bf1***, Herr ***9***, (= Eigentümer des Wohnhauses), die Annahme der Finanzamtspost verweigerte. Die Schreiben wären somit wieder retour gegangen und die Zustellung wäre dann "durch Aushang am Schwarzen Brett" (elektronische Amtstafel) am erfolgt.

• Im Telefonat kamen wir überein, dass Herr ***8*** uns umgehend Abschriften der Bescheide und des Prüfungsberichts zukommen lassen werde.

An der wahrheitsgemäßen und glaubwürdigen Auskunft des PLB-Prüfers ***16*** ***8*** vom hatte ich als Parteienvertreter nicht den geringsten Zweifel. Zu detailreich waren die Informationen und Schilderungen zum Zustellvorgang. Die erhaltenen Informationen habe ich unserer Mandantin unmittelbar weitergeleitet.

Am Donnerstag, kontaktierte ich Herrn ***16*** ***8*** abermals und urgierte die vereinbarten Abschriften.

Wie bereits ausgeführt, hat unsere Mandantin mit Anfang Jänner 2023 ihren Hauptwohnsitz von ***5*** (***10***) nach ***17*** verlegt, damit wechselte auch die FAÖ-Dienststellenzuständigkeit nach ***11***. Also wandte ich mich am Montag, zusätzlich an die FAÖ-DS in ***7*** mit der Bitte um Akteneinsicht bzw. um Hilfestellung in Bezug auf die "vermissten" Bescheide.

Die angesprochenen Mitarbeiter der FAÖ-DS in ***7*** setzten sich in der Folge mit ihrem Kollegen ***8*** in ***4*** in Verbindung und ich erhielt am Dienstag, von Herrn ***16*** ***8*** schließlich das hier vorgelegte E-Mail, wonach seine Recherche (nun) ergäben hätte, dass bereits am eine Zustellung, nämlich in elektronischer Form, erfolgt sei. Die Rechtsmittelfrist war also bereits in Gang gesetzt und endete demnach bereits am .

Wohlweislich verliert er kein einziges Wort zu unseren Telefonaten vom und sowie zu seinen getätigten - retrospektiv - falschen Auskünften vom hinsichtlich der postalischen Zustellung.

Beweis: Einzelgesprächsnachweise vom 13. und It. Telefonprotokoll

Rechtliche Würdigung

Nach § 308 Abs 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Herr ***16*** ***8*** hat am durch die - retrospektiv - falsche Auskunftserteilung über den Verbleib der gegenständlichen Bescheide, durch die glaubwürdigen Schilderungen über die postalische Zustellung bzw. den Zustellversuch, die Retournierung der Unterlagen an die Behörde keinen Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage offengelassen.

Diese Informationen wurden von uns an Frau ***Bf1*** umgehend weitergegeben. Aufgrund der vermeintlichen postalischen Zustellung nimmt es nicht wunder, dass unsere Mandantin nicht "alarmiert" war im elektronischen Fach, also in ihrer FinanzOnline-Databox umgehend nachzusehen, um die für zutreffend und wahrheitsgemäß gehaltenen Aussagen des Finanzbeamten ***16*** ***8*** - in mißtrauscher Weise - sofort nachzuprüfen.

Wäre die behördliche Auskunftserteilung vom durch Herrn ***16*** ***8*** tatsachengemäß erfolgt, wäre es unserer Mandantin innerhalb offener Rechtsmittelfrist. diese endete bekanntlich erst am , möglich gewesen, entsprechend zu disponieren, etwa durch die umgehende Einreichung eines Antrags auf Rechtsmittelfristverlängerung.

Selbst wenn man unserer Mandantschaft eine (Mit-)Schuld an der Unkenntnis der elektronischen Bescheidzustellung bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist am unterstellen möchte, so darf nicht außer Acht gelassen werden, dass nach § 308 Abs 1 BAO ein Verschulden einer Partei an der Versäumung einer Frist jedenfalls NICHT die Bewilligung der Wiedereinsetzung hindert, wenn es sich bloß um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach einschlägiger Rechtsprechung ist ein "mindernder Grad des Versehens" mit leichter Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB gleichzusetzen, also wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. Ritz-Koran, BAO7, § 308 Rz 14).

Im Gegensatz zur leichten Fahrlässigkeit steht die "auffallende Sorglosigkeit", also ein grob fahrlässiges Verhalten. Ein solches Agieren kann in Anbetracht der Umstände und Anstrengungen, die von Seiten der Wiedereinsetzungswerberin als auch von uns als Parteienvertreter unternommen wurden, um der (körperlichen) Schriftstücke der Finanzbehörde habhaft zu werden, wohl nicht unterstellt werden.

Nach Ritz-Koran, BAO7, § 308 Rz 16 ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, ob ein Wiedereinsetzungsgrund vorliegt bzw ob ein grobes Verschulden anzunehmen ist.

Diese Ansicht scheint die belangte Behörde wohl nicht zu teilen, wenn sie in dem hier bekämpften Bescheid lapidar erklärt:

"Während einer laufenden Prüfung müsste die Unternehmerin eigentlich damit rechnen, dass das Finanzamt jederzeit behördliche Schriftstücke zustellt (z.B. Ladung zu Schlussbesprechung".

Es ist Aufgabe der belangten Behörde die konkreten Umstände des Einzelfalls festzustellen und zu würdigen und jedenfalls Mutmaßungen wie sich unsere Mandantin "eigentlich" zu verhalten gehabt hätte, zu unterlassen. Abgesehen davon, wurde während der laufenden PLB-Prüfung "eigentlich" kein einziges Mal ein Schriftstück auf elektronischem Weg zugestellt.

Weiters hielt es die belangte Behörde Sachverhaltswahrnehmung - trotz erkennbarer Lücken in ihrer Sachverhaltswahrnehmung - nicht für angezeigt, weitere Ermittlungsschritte zu setzen. Stattdessen verweist sie darauf, dass die Bestimmung des § 308 BAO einen "Begünstigungstatbestand" normieren würde und folgert daraus:

"Bei Begünstigungstatbeständen tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. "

In den "Hintergrund treten" heißt nach unserer Rechtsauffassung jedenfalls nicht, notwendige Ermittlungsschritte gänzlich zu unterlassen. Im Übrigen beschäftigt sich die belangte Behörde in keinem Satz mit der Verschuldensfrage, sondern geht - quasi wie selbstverständlich - vom Überschreiten der geringfügigen Fahrlässigkeitsgrenze und damit von "auffallender Sorglosigkeit" unserer Mandantin aus.

Weiters verwechselt die belangte Behörde Ursache mit Wirkung, wenn sie im Bescheid folgende tatsachenwidrige Feststellung trifft:

"Die Wiedereinsetzungswerberin geht davon aus, dass die (sic!) Unvorhersehbarkeit der Zustellung in die Databox erst durch die unrichtigen Auskünfte des Finanzamtes zum Verfahrensgang entstanden ist."

Die irrigen Auskünfte in Bezug auf die postalische Zustellung der Bescheide durch den Finanzbeamten ***16*** ***8*** waren nicht der Auslöser der "Unvorhersehbarkeit der Zustellung", sondern vielmehr der Auslöser dafür, dass die zu diesem Zeitpunkt, , noch verbliebene offene Rechtsmittelfrist im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft des Finanzbeamten ungenützt verstrichen ist! Unvorhergesehen war für unsere Mandantin das Ereignis der tatsachenwidrigen Auskunftserteilunq durch die Behörde in Bezug auf die Bescheidzustellung.

VerstoB gegen den Grundsatz von Treu und Glauben

Wir erachten die - nachträglich sich als unrichtig herausgestellte - Sachverhaltsauskunft des Finanzbeamten ***16*** ***8*** für einen klaren Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

Dieser Grundsatz ist jedenfalls auch im Abgabenrecht zu beachten (,0209) und besagt, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt (also auch die Finanzbehörde), zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben (. 2001/16/0063).

Auch die Finanzverwaltung hat für sich in den Richtlinien vom zum Grundsatz von Treu und Glauben, BMF-010103/0023-VI/2006, die Verbindlichkeit dessen niedergeschrieben.

So wird unter Pkt. 3.2. "Andere Amtshandlungen" ausgeführt, dass ein behördlicher Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben aus Sicht der Finanzverwaltung vorliegt, für den Fall ®

  1. "dass ein (Unrechtes) Verhalten der Behörde, auf das der Abgabepflichtige vertraut hat, eindeutig und unzweifelhaft für ihn bzw. für seinen Vertreter zum Ausdruck gekommen ist, und

  2. dass der Abgabepflichtige seine Dispositionen danach eingerichtet und er als Folge hievon einen abgabenrechtlichen Nachteil erlitten hat (zB ; ; )."

Es braucht wohl nicht wiederholt zu werden, dass exakt diese Voraussetzungen im hier gegenständlichen Beschwerdefall vorliegen. Wir erachten sämtliche Voraussetzungen für eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand iSd § 308 BAO gemäß unserem Antrag vom für erfüllt und ersuchen um Stattgabe unserer Beschwerde."

2.5.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das FAÖ die Beschwerde vom gegen den Bescheid betreffend Abweisung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO vom als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt:

"Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin führt seit 2015 eine Werbeagentur mit zwei Beschäftigten auf Teilzeitbasis. Die Betriebsanschrift war seit ***3***. Mit Bescheid des (damaligen) FA ***4*** vom wurde die Prüfung der lohnanhängigen Abgaben und Beiträge für die Jahre 2015 bis 2018 angeordnet. Laut Vorbringen der Beschwerdeführerin habe die Prüfung mehr als zwei Jahre gedauert und damit geendet, dass diese nicht zur mündlichen Schlussverhandlung am geladen worden sei. Folglich seien auch die Bescheide zu Lasten der Steuerpflichtigen erlassen worden. Erst durch ein Schreiben der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) bzgl. Nachverrechnung von Beiträgen für die Jahre 2015 bis 2018 habe diie Beschwerdeführerin erfahren, dass die Prüfung seitens des FA ***4*** bereits abgeschlossen sei. Auf Nachfrage beim zuständigen Sachbearbeiter des FA ***4*** (nunmehr PLAB PLBAED ***4***) sei der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, dass die Bescheide postalisch schon vor längerer Zeit zugestellt worden seien. Die Bescheide seien jedoch wieder an das Finanzamt Österreich Dienststelle 57 (Dienststelle ***4***) zurückgesendet worden, da ein Zustellversuch am an der Adresse der o.g. Betriebsstätte gescheitert sei, weil der Stiefvater der Beschwerdeführerin, Herr ***9***, die Annahme verweigert habe. Laut Aussage von Herrn ***9*** sei jedoch an der Zustelladresse kein Zustellversuch erfolgt. Daraufhin sei ihr seitens der Dienststelle 57 mitgeteilt worden, ihre Bescheide würden sich am "Schwarzen Brett" der selbigen Dienststelle befinden, woraufhin die Beschwerdeführerin von ihrem nunmehrigen Hauptwohnsitz in ***Bf1-Adr*** nach ***4*** gefahren sei, um vor Ort nachzusehen. Dort habe sie jedoch keine Bescheide

Aufgrund des Hauptwohnsitzwechsels der Beschwerdeführerin am nach ***12***, kam es zu einem Übergang der finanzamtsinternen örtlichen Zuständigkeit an die Dienststelle ***11*** (Dienststelle ***13***). Weitere Nachforschungen haben ergeben, dass es niemals zu einer Bescheidzustellung in Papierform an die Adresse der Betriebsstätte in ***14*** gekommen sei. Die Beschwerdeführerin habe auf die Aussagen des Sachbearbeiters vertraut, dass ihr die Bescheide in postalischer Form zugestellt worden seien. Sie sei im Vertrauen auf die Aussagen über den Verbleib der Bescheide einem Irrtum unterlegen, sodass sie ihre Databox (für elektronischen Zustellung) in FinanzOnline in dieser Zeit nicht kontrolliert habe. Mit Nachschau in der Databox am habe die Beschwerdeführerin schlussendlich sämtliche Bescheide vorgefunden.

Mit Antrag vom , eingebracht durch die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin, der ***15***, stellte sie einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand iSd § 308 BAO gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung des Rechtsmittels der Bescheidbeschwerde gegen sämtliche mit datierten Bescheide.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 -110 BAO) oder einer mündlichen Verhandlung, ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen (§ 308 Abs. 1 BAO - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand). Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen (§ 308 Abs.l letzter Satz BAO).

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist folglich an mehrere Voraussetzungen geknüpft ist, welche kumulativ vorliegen müssen.

Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung
Aus dem Verweis auf §§ 108-110 BAO ergibt sich, dass sowohl gesetzliche als auch behördliche Fristen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugänglich sind (vgl. ). Die Beschwerdeführerin macht die Versäumung der Frist zur Erhebung der Bescheidbeschwerde geltend. Dabei handelt es sich jedenfalls um eine Frist iSd §§ 108ff BAO (siehe BMF3.3.2006, AÖF2006/123, Abschnitt1] vgl. ).

Erleiden eines Rechtsnachteiles
Weitere Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist, dass die Antragstellerin durch die Versäumnis einen Rechtsnachteil erlitten hat. Ein Rechtsunterworfener erleidet dann einen Rechtsnachteil, wenn er eine ihm zustehende Prozesshandlung, die für die Wahrung seiner Rechte und seiner rechtlichen Interessen notwendig und zweckmäßig ist, nicht mehr vornehmen kann. Im vorliegenden Fall erlitt die Beschwerdeführerin einen Rechtsnachteil, da sie die befristete Prozesshandlung der Bescheidbeschwerde nicht mehr vornehmen konnte (vgl. RV7103761/2022).

Wiedereinsetzungsgründe
In weiterer Folge war zu prüfen, ob ein Ereignis iSd § 308 BAO vorlag, welches unvorhergesehen bzw. unabwendbar war und die Beschwerdeführerin daran hinderte, rechtzeitig Bescheidbeschwerde iSd § 245 BAO zu erheben. Laut stRSP des VwGH ist unter einem Ereignis jedes Geschehen zu verstehen. Nicht nur Vorgänge in der Außenwelt, sondern auch innere Geschehnisse sind darunter zu verstehen, daher auc sogenannte "psychologische Vorgänge", wie vergessen, verschreiben, sich irren (zB VwGH21.9. 1982, 81/11/0105-107; , 83/11/143; , 122, 158/80; , 91/13/0241; , 94/16/0164).

Das Ereignis muss jedoch als - zweite Bedingung - unvorhergesehen oder unabwendbar (gewesen) sein. Nach der Judikatur gilt ein Ereignis als "unvorhergesehen", wenn die Partei dieses tatsächlich nicht mit einberechnet hat und sie dessen Eintritt unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (vgl. etwa ; , 2009/15/0096; , 2009/16/0098; , 2012/13/0051; VwGH30.5. 1995, 95/05/0060).

Im Unterschied dazu, gilt ein Ereignis als "unabwendbar", wenn sein Eintritt von der Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mitteln nicht verhindert werden kann, auch wenn sie dieses Ereignis voraussah. Maßgebend für die Beurteilung ist also der durchschnittliche Ablauf der Ereignisse. Der Begriff "unabwendbar" stellt demgemäß auf die objektiven Hinderungsmöglichkeiten eines Durchschnittsmenschen ab (vgl. ; , 2009/16/0098; , 2012/13/0051).

Die Beschwerdeführerin hat - laut Vorbringen - vergessen, in der Databox nachzuschauen, ob sich dort die Bescheide befinden, mit denen die Lohnprüfung abgeschlossen wurde. Dies führte sie sowohl in ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung, als auch in ihrer Bescheidbeschwerde explizit an.

In seiner Entscheidung vom , 2009/15/0096 sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass ein bloßes "Vergessen" oder ein "schlichtes Übersehen" ohne das Hinzutreten besonderer Umstände, kein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis iSd § 308 Abs 1 darstelle und somit auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründe.

Der oben genannten Rechtsprechung folgend, lag somit im konkreten Fall kein unabwendbares bzw. unvorhersehbares Ereignis iSd § 308 BAO vor.

Selbst wenn man zu der Auffassung gelangen würde, dass die Unkenntnis über eine gesetzmäßig bewirkte Zustellung (zB Hinterlegung) ein Ereignis iSd § 308 Abs. 1 darstellt (wie ; ), so würde die Qualifikation dieses Ereignisses in weiterer Folge an den Eigenschaften der "Unvorhersehbarkeit" bzw. "Unabwendbarkeit" scheitern.

Ferner sei noch zu erwähnen, dass die Wiedereinsetzungswerberin im Wiedereinsetzungsantrag jene unvorhergesehene bzw. unabwendbare Ereignis konkret zu bezeichnen hat, welche sie an der Einhaltung der Frist hinderte (vgl. ua ). Die Antragstellerin hat das Ereignis nicht nur zu behaupten, sondern sie muss auch glaubhaft machen, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Ereignis und der Fristversäumnis besteht und hat im Wiedereinsetzungsantrag taugliche Beweismittel einzubringen. Dies geschah im vorliegenden Fall jedoch nicht. Die Beschwerdeführerin berief sich weder im Wiedereinsetzungsantrag noch in der Bescheidbeschwerde auf ein (unvorhergesehenes bzw. unabwendbares) Ereignis und brachte in beiden Fällen auch keine Beweismittel vor.

Verschulden an der Säumnis
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist jedoch nur dann zulässig, wenn dem Antragsteller ein minderer Grad des Versehens persönlich zum Vorwurf gemacht werden kann (§ 308 BAO).

Der minderer Grad des Versehens ist der leichten Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB gleichzusetzen (vgl. VwGH2.9. 2009, 2009/15/0096; , 2009/16/0098; , 2012/13/0051). Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VwGH22.11. 1996, 95/17/0112; VfGH30.9. 1997, B1222/97, B1948/97; , B 2290/96, G176/96).

Der Wiedereinsetzungswerber darf also "nicht auffallend sorglos" gehandelt haben (vgl. 86/14/177und24.5. 1991, 90/16/197, 229; , 2006/07/0028).

Die Beschwerdeführerin hat seit einen Zugang zu FinanzOnline. Diesen hat sie persönlich an der Dienststelle Graz-Stadt (Dienststelle 68) einrichten lassen. Aus den Grunddaten ist ersichtlich, dass ihr seit 2015 Bescheide nur noch in elektronischer Form zugestellt werden. Über die Zustellung ist keine gesonderte Verständigung über E-Mail erfolgt, da diese Funktion von der Antragstellerin bei FinanzOnline nicht aktiviert wurde.

Daraus kann gefolgert werden, dass wenn sich die Beschwerdeführerin als Teilnehmerin von FinanzOnline registriert und Kenntnis vom Bestehen einer FinanzOnline-DataBox hat, aber weder auf die elektronische Zustellung gemäß § 5b Abs. 3 FOnV 2006 verzichtet, noch ausreichende Maßnahmen setzt, dass sie zeitgerecht Kenntnis über elektronische Zustellungen erlangt, sie nicht nur schuldhaft handelt, sondern dieses Verschulden jedenfalls über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht (vgl. ).

Unterstrichen wird dies auch dadurch, dass Beschwerdeführerin seit mehr als 8 Jahren einen Zugang zu FinanzOnline besitzt und ihr seit mehr als 8 Jahren Bescheide der Finanzbehörden ausschließlich elektronisch zugestellt werden. Einem sorgfältig handelnden Menschen, als Vergleichsmaßstab, wäre so ein Fehler keinesfalls unterlaufen, den dieser würde in regelmäßigen Abständen seine Databox kontrollieren, sodass der Beschwerdeführerin ein auffallend sorgloses Verhalten vorgeworfen werden kann. Es wurden auch seitens der Beschwerdeführerin keine Gründe dargelegt, weshalb es ihr in all der Zeit nicht möglich war, FinanzOnline aufzurufen und in die Databox einzusehen.

Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass sie nur ein Mitverschulden trifft, da sie auf die Aussagen des Sachbearbeiters vertraut habe, vermag das grob fahrlässige Verhalten der Beschwerdeführerin nicht zu entschuldigen, da bereits höchstgerichtlich ausgesprochen wurde, dass der Grundsatz von Treu und Glauben iSd § 114 BAO keinen allgemeinen (Vertrauens)Schutz gegenüber Rechtsunterworfenen biete (vgl. VwGH 150117/96 = ÖStZB 1998, 491).

Zur Zustellung der elektronischen Bescheide in die Databox ist noch anzumerken, dass gemäß § 98 Abs. 2 BAO elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt gelten, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Die Erläuterungen zu § 98 Abs. 2 BAO enthalten den Satz, der Zeitpunkt, in dem die Daten "in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt" seien, sei "bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox" (vgl. 270 B/gNR 23.GP13, vgl. VwGH31.7.2013, 2009/13/0105). Die Nichtangabe einer E-Mailadresse zur Verständigung über die Zustellung per E-Mail hindert nach § 5b Abs. 2 FinanzOnline-Verordnung 2006 (FönV2006) die Wirksamkeit der Zustellung nicht (vgl. auch ).

Die Zustellung der Bescheide an die Beschwerdeführerin erfolgte nachweislich am um 05.16 Uhr. Mit diesem Zeitpunkt galten die Bescheide als rechtswirksam zugestellt, entfalteten Rechtswirkung und setzten die vierwöchige Beschwerdefrist in den Gang. Dass die Beschwerdeführerin die Bescheide erst am las und erst an diesem Tag Kenntnis vom Inhalt der Bescheide erlangte, ändert nichts an der rechtswirksamen Zustellung der Bescheide.

Rechtzeitigkeit der Bescheidbeschwerde
Die Bescheidbeschwerde gegen den abweisenden Bescheid vom wurde fristgerecht innerhalb der Rechtsmittelfrist erhoben."

2.6.

Mit Anbringen vom stellte die steuerliche Vertretung der Bf. unter Verweis auf die bisherigen Ausführungen den Antrag, die Beschwerde zur Entscheidung dem BFG vorzulegen.

2.7.

Die Beschwerde wurde dem BFG am zur Entscheidung vorgelegt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

I. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt.

Hinsichtlich des entscheidungswesentlichen Sachverhalt wird auf den Verfahrensablauf verwiesen.

Ergänzend wird festgestellt: Die Bf. führt seit 2015 eine Werbeagentur. Im Jahr der Gründung der Werbeagentur hat sie auch einer elektronischen Zustellung zugestimmt (Aktivierung am ), ohne die Funktion der gesonderten Verständigung einer Zustellung über E-Mail zu aktivieren.

Die Haftungsbescheide Lohnsteuer 2015 bis 2018, Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages 2015 bis 2018 und die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag 2015 bis 2018, alle vom , wurden am in die Databox der Bf. zugestellt und am gelesen.

Die aus diesen Bescheiden resultierenden Nachzahlungen an lohnabhängigen Abgaben wurden am auf dem Steuerkonto der Bf. verbucht. Als Zahlungsfrist wird dort jeweils der angegeben. Am wurden die Lohnabgaben für 11/22 verbucht und am durch Überweisung mit Verrechnungsweisung bezahlt. Am wurde die Umsatzsteuer 10/2022 und die Werbeabgabe 10/2022 verbucht, am die Anspruchszinsen für jedes Jahr der Lohnsteuernachforderung für 2015 bis 2018.

Der Bf. erhielt am ein Schreiben der Österreichischen Gesundheitskasse, datiert mit mit dem Betreff "Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge". Darin wird der Bf. mitgeteilt, dass ihr in der Anlage Prüfberichte der Österreichischen Gesundheitskasse zu der vom Prüfdienst für lohnabhängige Abgaben und Beiträge kürzlich abgeschlossenen Sozialversicherungsprüfung gemäß § 41a ASVG zur weiteren Verwendung übermittelt werden. Informationen über ihren Kontostand und die Fälligkeit der Beiträge könne Sie über das Online-Service WEBEKU abrufen.

Die Bf. war steuerlich vertreten. Ihr steuerlicher Vertreter verfügte über keine Zustellvollmacht.

II. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensablauf und dieser aus den vorgelegten Akten und ist unstrittig. Die ergänzenden Feststellungen stammen aus der Einsichtnahme in das Steuerkonto der Bf..

III. Rechtliche Beurteilung

III.1.

Gemäß § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Die Erläuterungen zu § 98 Abs. 2 BAO enthalten den Satz, der Zeitpunkt, in dem die Daten "in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt" seien, sei "bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox" (270 BlgNR 23. GP 13). Die Auffassung, "die Databox" im Sinne dieses Satzes könne nur eine solche sein, zu der der Empfänger Zugang habe, findet Deckung im Gesetz, weil sich ein Speicherbereich, zu dem der Empfänger keinen Zugang hat, nicht als sein "elektronischer Verfügungsbereich" verstehen lässt (vgl. ). Die Nichtangabe einer E-Mailadresse (bzw. die nicht erteilte Zustimmung) zur Verständigung über die Zustellung per E-Mail hindert nach § 5b Abs. 2 FinanzOnline-Verordnung 2006 (FOnV 2006) die Wirksamkeit der Zustellung nicht (vgl. auch ).

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die beschwerderelevanten Bescheide rechtswirksam am durch die Einstellung in die Databox der Bf. zugestellt worden sind. Die einmonatige Beschwerdefrist ist demnach am Montag, dem abgelaufen, da der ein Samstag gewesen ist. Innerhalb dieser Frist wurde keine Beschwerde eingebracht.

Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 -110 BAO) oder einer mündlichen Verhandlung, ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen (§ 308 Abs. 1 BAO - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand). Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Gem. § 308 Abs. 3 1. Satz BAO muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden.

Die Beschwerdeführerin sieht darin, dass sie auf die Zusage des Betriebsprüfers vertraut hat, die Bescheide seien ihr in postalischer Form zugestellt worden, einen von der Behörde veranlassten Irrtum. Aufgrund seiner Aussage habe sie erst nach Ablauf der Beschwerdefrist in ihre Databox Einsicht genommen und die beschwerderelevanten Bescheide vorgefunden. Dies sei ein "unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis", an dem sie lediglich einen minderen Grad des Versehens trage.

III.2.

Zur im Beschwerdefall relevanten Rechtsfrage, ob die Unkenntnis einer behördlichen elektronischen Zustellung eine Wiedereinsetzung in eine deshalb versäumte Frist rechtfertigt, hat sich das BFG in seinem Erkenntnis vom , RV/3100020/2021 beschäftigt. Im zugrundeliegenden Fall ging es um eine versäumte Mängelbehebungsfrist. Die dagegen erhobene außerordentliche Parteienrevision hat der , zurückgewiesen und damit die Rechtsansicht des BFG bestätigt. Das BFG führte in seinem Erkenntnis aus:

"Die Beschwerdeführerin hat in ihren Eingaben zugestanden, dass sie Kenntnis von der Existenz der DataBox hatte. Auch wird nicht bestritten, dass die Zustellung in diese DataBox eine gesetzmäßig bewirkte Bekanntgabe darstellt (§ 97 BAO). Ebenso nicht strittig ist, dass die Beschwerdeführerin von dieser Zustellung keine Kenntnis erlangte.
Dazu ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Unkenntnis einer gesetzmäßig bewirkten Zustellung (zB durch Hinterlegung) - in Ausnahmefällen - ein Ereignis iSd § 308 BAO sein (vgl , oder ) darstellen kann.
Grundlage für diese Rechtsprechung war wohl, dass zu diesem Zeitpunkt eine Zustellung mit Zustellnachweis regelmäßig das Antreffen einer zur Übernahme berechtigten Person an der Abgabestelle voraussetzte. Wurde niemand angetroffen, war das Schriftstück zu hinterlegen und darüber eine Verständigung an der Abgabestelle zu hinterlassen. Eine wirksame Zustellung liegt in diesem Zusammenhang aber nach dem ***10*** Gesetzestext und der darauf beruhenden Rechtsprechung (, ) selbst dann vor, wenn die Verständigung beschädigt oder entfernt worden ist (§ 17 Abs 4 ZustG). Im oben erwähnten Erkenntnis vom hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ganz allgemein gehalten auf die Möglichkeit zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages hingewiesen, ohne jedoch - weil auch nicht verfahrensgegenständlich - nähere Aussagen über allfällige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Antragsstellung zu machen.

Die Unkenntnis alleine rechtfertigt jedoch nach dem klaren Gesetzestext die Wiedereinsetzung noch nicht. Vielmehr ist zu untersuchen, ob diese Unkenntnis auf ein Verschulden der die Wiedereinsetzung anstrebenden Person zurückzuführen ist, der über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht.
Der Begriff des minderen Grads des Versehens wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als leichte Fahrlässigkeit verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl etwa , , mwN, und ).

Dazu ist festzuhalten, dass die Teilnahme an FinanzOnline nicht automatisch erfolgt, sondern eine Anmeldung bzw Registrierung voraussetzt. Im Rahmen dieser Registrierung muss eine gültige E-Mail-Adresse ebenso bekannt gegeben werden, wie ob eine Verständigung über elektronisch übermittelte Erledigungen mittels Mail erfolgen soll. Alternativ kann - im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten - auch auf die elektronische Zustellung vollständig verzichtet werden. Ein derartiger Verzicht ist jederzeit auch später möglich.

Wenn sich die Beschwerdeführerin als Teilnehmerin von FinanzOnline registriert und auch Kenntnis vom Bestehen einer DataBox hat, aber weder auf die elektronische Zustellung verzichtet (§ 5b Abs 3 FOnV 2006), noch ausreichende Maßnahmen setzt, dass sie zeitgerecht Kenntnis über elektronische Zustellungen erlangt, handelt nicht nur schuldhaft, sondern geht dieses Verschulden über einen minderen Grad des Versehens hinaus.
Die elektronische Zustellung, somit die Bekanntgabe amtlicher Erledigungen, löst regelmäßig Fristen aus, die gegebenenfalls von den Empfängerinnen bzw Empfängern derselben einzuhalten sind, um Rechtsnachteile vermeiden zu können. Dieser Umstand ist nicht nur weitesthin bekannt, sondern wird auch im Rahmen der Aktivierung und Teilnahme an FinanzOnline klar darauf hingewiesen. Aus diesem Grund wird von einem sorgfältigen und vorausschauenden Menschen entweder eine Erinnerung mittels gesondertem Mail angefordert, was den an sich üblichen Verhaltensweisen entspricht, oder besteht das Bewusstsein, dass man auf andere Weise Vorsorge zu treffen hat, dass elektronische Zustellungen nicht übersehen werden. Dies könnte beispielsweise durch regelmäßigen Aufruf der DataBox erfolgen. Dabei handelt es sich nicht um eine komplexe Vorgangsweise oder ist dafür (höheres) fachliches Wissen erforderlich, weshalb der Umstand, dass die Beschwerdeführerin unvertreten war, hier auch nicht von entscheidender Bedeutung sein kann. Dass der Beschwerdeführerin, wie sie im Antrag auf Wiedereinsetzung selbst ausführt, nicht einmal mehr bekannt ist, dass sie in ihrem "FinanzOnline-Konto" eine E-Mail-Adresse hinterlegt hat, ist ein zusätzliches Indiz für ihren auffallend sorglosen Umgang.

Wenn die Beschwerdeführerin darauf hinweist, dass alle Zustellungen vor dem Mängelbehebungsauftrag, aber auch die Beschwerdevorentscheidung vom nicht per DataBox, sondern per Post erfolgten, exkulpiert diese nicht. Nach § 5b Abs 1 FOnV haben die Abgabenbehörden Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von FinanzOnline sind, (nur) nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten elektronisch vorzunehmen. Es ist somit nicht entscheidend, ob das Finanzamt andere Erledigungen per Post zustellen ließ; entscheidend ist vielmehr, dass die Beschwerdeführerin (unstrittig) darüber in Kenntnis war, dass sie über eine DataBox für elektronische Zustellungen verfügt und nicht einmal ansatzweise entsprechende Vorkehrungen dafür getroffen hat, dass sie über elektronische Zustellungen Kenntnis erlangt.

Auch ein Rechtsirrtum (Unkenntnis von Rechtsvorschriften) könnte ein Ereignis darstellen, welches einen Antragsteller gehindert hat, eine Frist zu wahren. Bei einem Rechtsirrtum oder einer Unkenntnis der Rechtsvorschriften stellt sich die Frage, ob dieses Ereignis allerdings unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen ist. In diese Richtung zielen auch die Aussagen des Gerichtshofes, dass sich der Normunterworfene über die Rechtslage erkundigen kann. In Ausnahmefällen jedoch könnte es sein, dass ein solcher Rechtsirrtum auch ein unabwendbares Ereignis im Sinn des § 308 BAO darstellt (vgl ).
Auch außerhalb des Bereichs des Abgabenverfahrens hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis (dort zu § 46 VwGG), festgehalten, nach der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne auch ein Rechtsirrtum (Unkenntnis von Rechtsvorschriften) einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn die weiteren Voraussetzungen, insbesondere mangelndes oder nur leichtes Verschulden, vorliegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat auch im Erkenntnis , ausgesprochen, dass Rechtsunkenntnis und Rechtsirrtum in Ausnahmefällen ein maßgebliches Ereignis im Sinn des § 308 BAO sein können.
Gleiches ergibt sich aus dem Erkenntnis , mit dem der Verwaltungsgerichtshof zu § 308 Abs 1 BAO ausgesprochen hat, dass ein Rechtsirrtum ein maßgebliches Ereignis sein könne und im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen sei. Ein aus einer unrichtigen Rechtsauskunft eines behördlichen Organs resultierender Rechtsirrtum könne einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, führte der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich aus.

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin jedoch in keiner Weise, dass sie nicht gewusst hätte, dass Zustellungen in die ihr bekannte DataBox rechtswirksam erfolgen können, oder sie einem sonstigen Rechtsirrtum unterlegen sei. Vielmehr hat sie - was durch ihre Ausführungen im gegenständlichen Verfahren letztlich nur bestätigt wird - ganz offensichtlich nicht die notwendige und zumutbare Ernsthaftigkeit im Zusammenhang mit dem elektronischen Rechtsverkehr an den Tag gelegt, was auch im Fall einer Rechtsunkenntnis bzw eines Rechtsirrtums einer darauf bezogenen Wiedereinsetzung entgegenstehen würde.

Damit steht aber fest, dass die Entscheidung des Finanzamtes im vorliegenden Fall die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verwehren nicht zu beanstanden und die vorliegende Beschwerde daher abzuweisen ist."

III.3.

Der VwGH äußerte sich in mehreren Entscheidungen zu den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Vorliegen eines Rechtsirrtums, Unkenntnis der Rechtslage bzw. Unkenntnis über die erfolgte Zustellung.

Danach stellt nur in Ausnahmefällen die Unkenntnis der Rechtslage oder ein Rechtsirrtum oder die Unkenntnis einer gesetzmäßig bewirkten Zustellung (), ÖStZB 1992, 597) ein "Ereignis" iSd § 308 dar (Hinweis ; , 2002/15/0026). Ob aber auf Grund eines solchen "Ereignisses" die Wiedereinsetzung zu bewilligen ist, ist von der Verschuldensfrage abhängig (/00969). Es darf kein oder nur leichtes Verschulden vorliegen.

In Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 308 (Stand , rdb.at) finden sich dazu auszugweise die folgenden Judikatzusammenfassungen:

  1. Ein solcher Ausnahmefall liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn ein Mitbeteiligter durch eine objektiv unrichtige Auskunft des Finanzbeamten im Jahr 2012 darauf habe vertrauen können, die im Bescheid vom vorgenommene Abgabenberechnung entspreche insbesondere im Hinblick auf § 6a NoVAG der geltenden Rechtslage, und weil das Bundesministerium für Finanzen erst in einem Erlass vom Mai 2013 Gegenteiliges ausgesagt habe.

  2. Die der Steuererklärung anzuschließende Beilage 1a sieht für die Geltendmachung des in Rede stehenden Freibetrages [Sachverhalt: Freibetrag für investierte Gewinne - FBiG (§ 10 EStG)] einen eigenen Punkt vor. Beim sorgfältigen Ausfüllen der Beilage Punkt für Punkt wird eine allfällige Rechtsunkenntnis in Bezug auf diesen Freibetrag aufgeklärt. Unterläuft ein nach den Umständen leicht zu vermeiden gewesener (Rechts-)Irrtum einem Steuerberater, kann nicht von einem minderen Grad des Versehens gesprochen werden. .

  3. Kein minderer Grad des Versehens ist es, wenn der berufsmäßige Parteienvertreter den Beitritt zur Berufung - einer anderen Partei - erklärt, ohne vorher zu erkunden, ob nicht über die Berufung bereits eine BVE - gegen die weiters ein Vorlageantrag einzubringen wäre - ergangen ist. , ÖStZB 2002, 72.

  4. Rechtsirrtümer über den Beginn des Fristenlaufes können bei einer rechtskundigen Partei oder beim Einschreiten eines rechtskundigen Vertreters nur in besonderen Ausnahmefällen zur Bewilligung eines Wiedereinsetzungsantrages führen (vgl mwN). Ein aus einer unrichtigen Rechtsauskunft eines behördlichen Organs resultierender Rechtsirrtum kann einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen (vgl ; , 2003/17/0313). "Ordentliche Prozessparteien" trifft die Obliegenheit, sich bei geeigneten Stellen zu erkundigen und sich Gewissheit zu verschaffen, wann der Beginn des Fristenlaufes eingetreten ist (vgl ). .

  5. Rechtsirrtümer über den Beginn eines Fristenlaufes werden bei einer rechtskundigen Partei - ein Maßstab, der auch für den Antragsteller zu gelten hat - oder beim Einschreiten eines rechtskundigen Vertreters nur in besonderen Ausnahmefällen zur Bewilligung eines Wiedereinsetzungsantrages führen können. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber vor, weil der Antragsteller die Antwort auf die Rechtsfrage nach der Bedeutung der Eintragungen in das "Asylwerberinformationssystem" für den Beginn des Fristenlaufes nach § 26 Abs. 1 Z. 4 VwGG weder unmittelbar dem Gesetz entnehmen noch auf Literatur oder Rechtsprechung zu dieser Frage zurückgreifen konnte und der Umstand, dass er nicht von selbst zu der im Beschluss vom , Zl. 98/20/0283, näher dargelegten Rechtsansicht gelangte, nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes nicht geeignet ist, den Vorwurf grober Sorgfaltswidrigkeit zu begründen. Der Versäumung der Beschwerdefrist liegt daher kein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden zugrunde.

  6. Auch wenn ein aus einer unrichtigen Rechtsauskunft eines behördlichen Organs resultierender Rechtsirrtum einen Wiedereinsetzungsgrund iSd § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG darstellen kann (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Slg. 10.325/A), ist damit für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, geht er doch selbst davon aus, dass er anlässlich seiner Vorsprache beim Referenten der Erstbehörde eine grundsätzlich richtige Rechtsauskunft erhalten habe und nur die Eventualität einer Hinterlegung nicht diskutiert worden sei.

Für den Lauf der Wiedereinsetzungsfrist kommt es im Fall eines Rechtsirrtums auf den Zeitpunkt der zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums an, also auf den Wegfall des Irrtums oder der Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegenstehenden Weise vorwerfbar ist. Das Beharren auf einem irrigen Rechtsstandpunkt trotz Vorhalts der Behörde überschreitet den minderen Grad des Versehens iSd § 308 ( = AnwBl 10/2011 mit Anm Sutter). Da behördliche Vorhalte demnach grundsätzlich die (weitere) Nichtvorwerfbarkeit eines Rechtsirrtums ausschließen (können), ist - unabhängig von einer weiteren inhaltlichen Auseinandersetzung betr den Vorhalt - im Zweifelsfall aus Vorsichtsgründen zusätzlich rechtzeitig ein Wiedereinsetzungsantrag zu stellen.-

III.4.

Auch wenn nach der Rechtsprechung ein aus einer unrichtigen Rechtsauskunft eines behördlichen Organs resultierende Fristversäumnis unter bestimmten Voraussetzungen einen Wiedereinsetzungsgrund bilden kann, liegen diese Voraussetzungen im Beschwerdefall nicht vor.

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. , Rn 7 mwN).

Mit der Teilnahme an FinanzOnline ist verbunden, dass Schriftstücke der Behörde vorrangig durch Einstellung in die Databox der Bf. zugestellt werden. Die Bf. hat im Beschwerdefall jedoch keinerlei Vorsorge dafür getroffen, dass sie rechtzeitig von der Zustellung behördlicher Schriftstücke in ihre Databox Kenntnis erlangt. Im Zeitpunkt der Zustellung der beschwerderelevanten Bescheide war sie bereits langjährige Teilnehmerin von FinanzOnline und ihr wurden laut der unwidersprochen gebliebener Aussage des Finanzamtes seit 2015 sämtliche Bescheide nur noch in elektronischer Form zugestellt.

Die Nichtvorsorge stellt eine auffallende Sorglosigkeit dar, weil die Bf. es dadurch in Kauf nahm und nimmt, wichtige behördliche Schriftstücke nicht rechtzeitig wahrzunehmen und dadurch wichtige Fristen zu versäumen. Durch diese grobe Fahrlässigkeit ist die Versäumung von Fristen geradezu vorprogrammiert und es kann daher auch nicht vom Eintreten eines unabwendbaren oder unvorhergesehen Ereignisses gesprochen werden, wenn es durch die mangelnde Vorsorge in der Folge tatsächlich zu einer Fristversäumnis kommt. Der unrichtigen Auskunft des Prüfers vor Ablauf der Beschwerdefrist kommt im Beschwerdefall damit für die Fristversäumnis keine entscheidende Rolle mehr zu.

Die Außerachtlassung der mit der Teilnahme an FinanzOnline einhergehender Sorgfaltspflichten führt daher nach Ansicht des BFG zu einem den minderen Grad des Versehens übersteigenden Verschulden, was aber wiederum zur Folge hat, dass aufgrund der Schwere des Verschuldens die Unkenntnis einer rechtswirksam erfolgten elektronischen Zustellung nicht als unabwendbar oder und unvorhergesehenes Ereignis angesehen werden kann.

IV. Revision

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Die Beantwortung der Frage, ob die Unkenntnis einer rechtswirksamen elektronischen Zustellung von Bescheiden ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellt, unterliegt der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes und stellt daher regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 308 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100038.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at