Anspruch auf Kinderabsetzbetrag und halben Familienbonus Plus bei vereinbartem und geleistetem Naturalunterhalt
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Albert Salzmann in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 zur Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichts-hof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Österreich (FA) die Einkommensteuer für 2022 veranlagt und ist dabei von der Steuererklärung der beschwerdeführenden Partei (bP) abgewichen.
Mit FinanzOnline-Eingabe vom hat die bP gegen den og Bescheid Beschwerde erhoben.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das FA die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Mit FinanzOnline-Eingabe vom hat die bP die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (BFG) beantragt.
Mit Vorlagebericht vom hat das FA - nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens - die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Am fand ein Erörterungsgespräch mit der bP statt. Neben der Beantwortung offener Sachverhaltsfragen hat die bP die Berücksichtigung des Unterhaltsabsetzbetrages für ein Kind beantragt. In der Folge wurden am die vom Gericht angeforderten Unterlagen von der bP beigebracht.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die bP hat in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2022 vom den Familienbonus Plus für seinen Sohn ***S1***, geboren am ***Datum1*** geltend gemacht.
Die bP ist von der Mutter des gemeinsamen Sohnes seit dem xx.7.2020 geschieden. Seit dem ***Datum2*** leben die Eltern in getrennten Haushalten. Im gerichtlichen Vergleich vom xx.7.2020, BG ***1***, ***GZ 0815***, wurde die Obsorge beider Eltern und die gleichteilige Betreuung durch beide Eltern vereinbart. Aufgrund der ähnlich hohen Einkommensverhältnisse ergab sich kein Unterhaltsergänzungsanspruch.
Im genannten Vergleich wird ua vereinbart, das die hauptsächliche Betreuung im Sinne der primären Wahrnehmung jener Aufgaben, deren Grundlage ein bestimmter Aufenthaltsort des Kindes ist, also beispielsweise die Bestimmung eines Hauptwohnsitzes oder Bezug der Familienbeihilfe, nicht jedoch die alleinige Bestimmung des Wohnortes des Kindes, der Mutter zukommt.
Dem folgend ist der gemeinsame Sohn seit ***Datum2*** unter der Wohnadresse der Mutter mit Hauptwohnsitz gemeldet und bezieht die Mutter die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag.
Der og gerichtliche Vergleich wird umgesetzt, indem die Eltern abwechselnd den gemeinsamen Sohn betreuen, wobei sich die vereinbarten Betreuungstage alle 14 Tage wiederholen:
- Montag und Dienstag betreut die bP den gemeinsamen Sohn
- Mittwoch und Donnerstag betreut die Mutter den gemeinsamen Sohn
- Freitag bis Sonntag betreut die bP den gemeinsamen Sohn
- Montag und Dienstag betreut die Mutter den gemeinsamen Sohn
- Mittwoch und Donnerstag betreut die bP den gemeinsamen Sohn
- Freitag bis Sonntag betreut die Mutter den gemeinsamen Sohn
Sohin leisten beide Elternteile je zur Hälfte den Naturalunterhalt. Darüber hinaus werden monatlich von jedem Elternteil € 220,00 auf ein gemeinsames Konto einbezahlt und damit die sonstigen Unterhaltsleistungen (Versicherung, Sonderkosten für Schule usw) bestritten.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Akten, insbesondere der Beschwerde, der Beschwerdevorentscheidung, der Anfragenbeantwortung der bP vom und dem Vorlagebericht, sowie durch die Angaben der bP im Zuge des Erörterungs-gespräches am und den am übermittelten Kontoauszügen für 2022.
Als Nachweis für die Vereinbarung und tatsächliche Leistung des Naturalunterhalts wurden der gerichtliche Vergleich, die detaillierte und glaubwürdige Aussage der bP, eine Bestätigung der Mutter und die laufenden Kontoauszüge betreffend das für den gemeinsamen Sohn eingerichtete Bankkonto beigebracht.
3. Rechtliche Beurteilung
§ 33 Abs 3a EStG 1988 idgF lautet:
"(3a) Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:
1. Der Familienbonus Plus beträgt
a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 166,68 Euro,
b) ….
3. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:
a) ….
b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder
- beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.
Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsver-pflichteten kein Familienbonus Plus zu.
c) …."
§ 33 Abs 4 EStG 1988 idgF lautet:
"Darüber hinaus stehen folgende Absetzbeträge zu, wenn sich das Kind ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält:
1. ….
3.Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, steht ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 Euro monatlich zu. Dabei gilt:
a)Der Unterhaltsabsetzbetrag steht zu, wenn das Kind nicht dem Haushalt des Steuerpflichtigen zugehört (§ 2 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und weder ihm noch seinem von ihm nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe für das Kind gewährt wird.
b) …."
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 33 Abs 4 Z 3 EStG 1988 steht einem Steuerpflichtigen, der für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leistet, ein monatlicher Unterhaltsabsetzbetrag zu, wenn sich das Kind in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Staat des Europäischen Wirtschafts-raumes oder in der Schweiz aufhält und
- das Kind nicht seinem Haushalt angehört und
- für das Kind weder ihm noch seinem nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird.
Ob beide Elternteile die Obsorge über das Kind gemeinsam ausüben oder nur einem Elternteil das Sorgerecht eingeräumt ist, hat auf die Berücksichtigung des Unterhaltsabsetzbetrages grundsätzlich keinen Einfluss. Im hier vorliegenden Fall einer gemeinsamen Obsorge haben die Elternteile eine Vereinbarung getroffen, bei welchem Elternteil sich das Kind hauptsächlich aufhalten soll. Laut og gerichtlichem Vergleich über den Kindesaufenthalt ist der gemeinsame Sohn dem Haushalt der Mutter zugehörig. Die bP kann daher dem Grunde nach den Unterhaltsabsetzbetrag geltend machen, weil sich das Kind im Sinne der getroffenen Vereinbarung nicht überwiegend bei der bP aufhält. Der Mutter, bei der das Kind somit haushaltszugehörig ist, steht der Kinderabsetzbetrag zu.
Das FA beantragt im Vorlagebericht die Abweisung der Beschwerde, da die Kindesmutter die Familienbeihilfe für das Kind beziehe und nach dem Wortlaut der Abs 3a und 4 des § 33 EStG 1988 dem getrenntlebenden Elternteil, der nicht Familienbeihilfe bezieht, der halbe Familienbonus Plus nur dann zustehe, wenn dieser (hier die bP) Anspruch auf den Unterhaltsabsetzbetrag habe. In Ermangelung von festgesetzten Unterhaltszahlungen bestehe jedoch kein Anspruch auf den Unterhaltsabsetzbetrag und somit bestehe auch kein Anspruch auf den halben Familienbonus Plus.
Der Rechtsansicht des FA liegt offenbar der Gedanke zugrunde, dass der Anspruch auf Unterhaltsabsetzbetrag die Unterhaltsleistung in Form eines festgesetzten und regelmäßig geleisteten Geldbetrages voraussetzt.
§ 33 Abs 4 Z 3 EStG 1988 spricht jedoch vom "gesetzlichen Unterhalt", der zu leisten ist. Der "gesetzliche Unterhalt" ist im vorliegenden Fall in einem gerichtlichen Vergleich vereinbart und diese Vereinbarung seither bis heute laufend erfüllt worden. Die Unterhaltsleistung erfolgt von den Eltern gleichteilig als Naturalunterhalt und darüber hinaus durch Überweisungen auf ein gemeinsames Konto in Form von Geldleistungen. Demzufolge erbringen beide Elternteile den "gesetzlichen Unterhalt" teilweise in Form von Naturalleistungen und teilweise in Form von Geldleistungen.
Wird bei getrenntlebenden Elternteilen die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung durch Natural-unterhalt erfüllt, steht der unterhaltsverpflichteten Person der Unterhaltsabsetzbetrag zu (siehe etwa ; , RV/7102217/2022; , RV/7103423/2022).
Auch das Bundesministerium für Finanzen vertritt diese Ansicht. In der Rz 797 der LStRL 2002 wird ausgeführt: "Wird bei getrennt lebenden Elternteilen die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung durch Naturalunterhalt (Sachleistungen) erfüllt, steht der unterhaltsverpflichteten Person der Unterhaltsabsetzbetrag zu."
Demzufolge besteht der Anspruch auf Unterhaltsabsetzbetrag aufgrund des wirksam vereinbarten und tatsächlichen geleisteten Naturalunterhalts.
Gleichzeitig sind damit auch alle Tatbestände des § 33 Abs 3a Z 3 lit b 2. Teilstrich EStG 1988 erfüllt und steht der bP - neben dem Unterhaltsabsetzbetrag iHv € 350,40 - auch der halbe Familienbonus Plus in Höhe von € 1.000,00 zu.
Hinweis: Aufgrund der von der bP dem Gericht vorgelegten Nachweise steht fest, dass der Natural- und Geldunterhalt auch 2023 laufend geleistet worden ist.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die vorliegende Entscheidung stützt sich auf den klaren und eindeutigen Wortlaut der zitierten gesetzlichen Bestimmungen. Die (ordentliche) Revision an den Verwaltungs-gerichtshof war daher nicht zuzulassen.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 Abs. 3a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 33 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100572.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at