Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.02.2024, RV/3100076/2024

Alleinerzieherabsetzbetrag bei aufrechter Ehe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Adelsberger & Thaler Steuerberatungsgesellschaft OG, Oberndorferstraße 44, 6322 Kirchbichl, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Im Fokus gegenständlicher Entscheidung steht die Rechtsfrage, ob bei aufrechter Ehe aber getrennten Wohnsitzen der Eheleute Anspruch auf den Alleinerzieherabsetzbetrag besteht.

I. Verfahrensgang

Mit Erklärung zur Arbeitnehmerinnenveranlagung 2022 vom beantragte die Beschwerdeführerin (in Folge kurz: Bf) die Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages.

Mit Einkommensteuerbescheid 2022 vom wurde der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht berücksichtigt, zumal laut der Begründung des Finanzamtes die Bf im Veranlagungsjahr mehr als 6 Monate in einer Gemeinschaft mit ihrem Ehepartner gelebt habe.

In weiterer Folge brachte die Bf fristgerecht am das Rechtsmittel der Beschwerde ein und brachte anspruchsbegründend vor, ihr Ehepartner habe seinen ständigen Wohnsitz in Deutschland, da er die Obsorge für seine zwei minderjährigen Kinder zu tragen habe. Die Bf selbst habe die Obsorgepflicht für ihren minderjährigen Sohn. Daher sei kein gemeinsamer Wohnsitz der Eheleute vorhanden, sondern lägen vielmehr zwei völlig getrennte Haushalte vor. Dies sei auch schon vor ihrer Ehe klar gewesen und werde sich bis zur Volljährigkeit der Kinder auch nicht ändern. Im Übrigen sei sie in dieser Ehe wirtschaftlich völlig unabhängig und deshalb stehe ihr der Alleinerzieherabsetzbetrag zu.

Im Zuge eines Vorhalteverfahrens reichte die Bf eine Erklärung ihres Ehegatten sowie die Geburtsurkunden seiner Kinder bei der Abgabenbehörde ein. Des Weiteren wurde ein gerichtlicher Vergleich vom ***1*** vorgelegt, der unter anderem die Obsorge ihrer Kinder regelt, sowie eine Eingabe vom .

Schließlich wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass beide Eheleute seit ***2020*** einen gemeinsamen Wohnsitz in ***Ort*** haben. Ferner sei die Ehe erst kürzlich geschlossen und nicht geschieden worden. Eine tatsächliche Trennung werde zudem auch nicht behauptet. Die Obsorge für die in Deutschland lebenden Kinder und die etwaig damit verbundene regelmäßige Abwesenheit hebe das gemeinsame Wohnen in einer bestehenden Lebensgemeinschaft dann nicht auf, wenn beide (Ehe-)Partner außerhalb dieser erforderlichen Abwesenheit miteinander in Gemeinschaft leben.

Mit fristgerecht eingebrachtem Vorlageantrag vom brachte die steuerliche Vertreterin der Bf ergänzend vor, aufgrund der Lebensumstände der Eheleute sei immer klar gewesen, dass ein gemeinsamer Wohnsitz aktuell und mittelfristig nicht geplant sei. Darüber hinaus habe der Ehegatte der Bf lediglich einen Nebenwohnsitz in ***Ort***. Die Anmeldung in ***Ort*** sei nur aufgrund der durch die Corona- und Reisebeschränkungen bedingten Umstände erforderlich gewesen, da ansonsten nicht einmal Besuche möglich gewesen wären.

Die Beschwerde wurde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf ist im Veranlagungsjahr 2022 bei einem Steuerberater in ***Ort2*** nichtselbständig beschäftigt (Lohnzettel).

Die erste Ehe der Bf wurde mit Beschluss des BG ***Ort3*** vom ***1*** geschieden. Dieser Ehe entstammen drei Kinder: ***2***, ***3*** (Vergleich des BG ***Ort3***).

Die Bf hat seit ihren Hauptwohnsitz an der Adresse ***4***. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum wohnte sie dort gemeinsam mit ihrem minderjährigen Sohn ***x***. Die volljährigen Kinder ***x2 und x3*** wohnen in Graz (ZMR).

Am ***x.x.2021*** heiratete die Bf ***5***. Der Ehegatte der Bf hat seinen Wohnsitz in ***D***. Der Ehegatte der Bf hat zwei minderjährige Kinder (***6***). Das Sorgerecht teilt er sich mit der Mutter der Kinder und die Betreuung erfolgt im Wechselmodell. Die Kinder verbringen jeweils die Hälfte der Zeit bei der Mutter und die andere Hälfte bei ihm (unstrittig). Bereits seit ***2020*** hat der Ehegatte der Bf einen Nebenwohnsitz am Hauptwohnsitz der Bf in ***Ort*** gemeldet (ZMR).

Ein gemeinsamer Wohnsitz der Bf und ihres Ehegatten bestand im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht.

Die Eheleute haben die Absicht, spätestens ab Volljährigkeit der Kinder einen gemeinsamen Wohnsitz zu begründen.

2. Beweiswürdigung

Zunächst ist auf die bei den einzelnen Feststellungen in Klammern angeführten Beweismittel zu verweisen, die - sofern im Folgenden keine näheren beweiswürdigenden Erwägungen dargelegt werden - im jeweiligen Zusammenhang schlüssig und widerspruchsfrei waren und daher den entsprechenden Feststellungen zu Grunde gelegt werden konnten.

Soweit zwischen den Verfahrensparteien Sachverhaltselemente unstrittig waren, konnte sich das Bundesfinanzgericht diesen Ansichten bedenkenlos anschließen und diese Feststellungen seiner Entscheidung zu Grunde legen.

Die Feststellung, dass die Eheleute die Absicht haben, spätestens ab Volljährigkeit der Kinder einen gemeinsamen Wohnsitz zu begründen, ergibt sich aus dem glaubwürdigen Vorbringen der Bf:
Einerseits betont die Bf in ihrer Erklärung vom , dass es keine freiwillige Entscheidung sei, keinen gemeinsamen Haushalt zu führen, sondern dass dies den Umständen (Obsorgeverpflichtung) geschuldet sei. Bedauerlicherweise werde sich dies bis zur Volljährigkeit der Kinder nicht ändern lassen.
Andererseits führt auch der Ehegatte der Bf in seiner "Eigenerklärung" vom aus, dass solange schulpflichtige Kinder zu betreuen seien, es keine Haushaltsehe geben könne.
Aus diesen Aussagen ergibt sich nach Ansicht des erkennenden Gerichts zweifelsfrei, dass zwar gegenwärtig keine Möglichkeit besteht, dauerhaft an nur einem Wohnsitz dauernd zu leben, jedoch bereits jetzt die feste Absicht besteht, dies zu einem späteren Zeitpunkt - bei Volljährigkeit der Kinder - zu tun.

In diesem Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, dass die Ehe erst im Herbst 2021 geschlossen wurde. Es ist grundsätzlich üblich, dass eine Eheschließung die Verpflichtung zur Aufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft mit sich bringt, insbesondere zur gemeinsamen Wohnungsnahme, wenn auch erst Jahre später. Insofern konnte diese Feststellung bedenkenlos getroffen werden.

Die Feststellung, dass kein gemeinsamer Wohnsitz im betreffenden Veranlagungsjahr vorhanden war, war aufgrund des glaubwürdigen Vorbringens der Bf in Zusammenschau mit der Eigenerklärung ihres Ehegatten zu treffen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 33 Abs 4 Z 2 EStG 1988 steht Alleinerziehenden ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich bei einem Kind 494 Euro, bei zwei Kindern 669 Euro. Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich. Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben.

Der Voraussetzung, "nicht in einer Gemeinschaft" zu leben, entspricht - als Gegensatz - für den Alleinverdienerabsetzbetrag bei aufrechter Ehe die Voraussetzung, vom Ehegatten "nicht dauernd getrennt" zu leben. Alleinverdienerabsetzbetrag und Alleinerzieherabsetzbetrag schließen einander aus, der "Status des Alleinerziehers" ist "gleichsam der entgegengesetzte Status eines Alleinverdieners" ().

Eine aufrechte Ehe spricht grundsätzlich gegen eine dauernd getrennte Lebensführung. Diese Vermutung ist allerdings widerlegbar (). Im Regelfall wird die Absicht der Ehegatten, dauernd oder nur vorübergehend getrennt zu leben, festzustellen und der behördlichen Entscheidung zugrunde zu legen sein (). Besteht die Absicht der Ehegatten, eine Wohngemeinschaft aufzunehmen, ist bei einer "intakten" Ehe auch dann nicht vom Merkmal des "Dauerndgetrennt-Lebens" auszugehen, wenn die Ehegatten noch über keine geeignete gemeinsame Wohnung verfügen, sondern eine solche erst (gemeinsam) schaffen müssen ().

Nach den getroffenen Feststellungen ist das von der höchstgerichtlichen Judikatur aufgestellte Kriterium des "Dauerndgetrennt-Lebens" beim gegenständlich zu beurteilenden Sachverhalt gerade nicht gegeben. Die Eheleute haben nur vorübergehend zwei Wohnsitze und haben die feste Absicht, spätestens nach Volljährigkeit der Kinder einen gemeinsamen Wohnsitz zu begründen. Wann die Wohnsitzbegründung erfolgen wird, ist dabei nicht von Relevanz.

Die Bf behauptet zwar, dass sie von ihrem Ehepartner dauernd getrennt lebt, jedoch ist es für ein tatsächliches Zusammenleben nicht zwangsläufig hinderlich, wenn Ehepartner unterschiedliche Hauptwohnsitze haben. Entscheidend dafür, ob sie dauernd getrennt leben, ist (u. a.) nicht die Anzahl der Wohnsitze oder polizeiliche Meldungen, sondern allein die Frage, ob der Steuerpflichtige, der den Alleinerzieherabsetzbetrag beantragt, trotz einer bestehenden Ehe tatsächlich mit seinem Partner in Gemeinschaft lebt oder nicht. (). Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung kann die für ein Leben in Gemeinschaft geforderte "Wohnungs-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft" durchaus auch unterschiedlich ausgeprägt sein, es kann sogar eines dieser Merkmale zur Gänze fehlen, ohne dass eine Gemeinschaft nicht mehr vorliegen würde. (). Obwohl die "Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtergemeinschaft" als wesentliche Merkmale einer Ehe gelten, ist der Begriff der ehelichen Lebensgemeinschaft weiter zu interpretieren: Wesentliche Elemente sind auch die geistigen, seelischen, körperlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Gemeinsamkeiten der Eheleute; die eheliche Lebensgemeinschaft geht daher insbesondere über eine bloße räumliche Gemeinschaft der Ehegatten weit hinaus (Stabentheiner/L. Kolbitsch in Rummel/Lukas, ABGB4 § 90 Rz 4). Insofern ist davon auszugehen, dass die Eheleute trotz der unterschiedlichen Wohnsitze, jedoch aufgrund der zweifellos bei einer erst kürzlich geschlossenen Ehe in unterschiedlichen Ausprägungen vorliegenden wesentlichen Merkmale, in Gemeinschaft leben.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass das Argument der Bf, sie sei "in dieser Ehe wirtschaftlich völlig unabhängig" nicht zu überzeugen vermag. Gemäß dieser Argumentation würde eine Wirtschaftsgemeinschaft nur dann vorliegen, wenn einer der Ehepartner wirtschaftlich von dem anderen abhängig ist. Zum Begriff der Wirtschaftsgemeinschaft gehört jedoch vielmehr, dass die beiden Partner Freud und Leid miteinander teilen, einander Beistand und Dienste leisten und einander an den zur Bestreitung des Unterhaltes, der Zerstreuung und der Erholung dienenden gemeinsamen Gütern teilnehmen lassen ().

Auch nicht übersehen werden darf, dass die Kinder des Ehegatten der Bf im Wechselmodell betreut werden. Die Kinder wohnen annähernd zu gleichen Teilen in den Haushalten der getrennten Elternteile. Folglich ist es dem Ehepartner der Bf durchaus möglich, seine Zeiten, in denen er die Kinder nicht betreut, bei seiner Ehepartnerin in ***Ort*** zu verbringen und somit zumindest eine Wirtschafts- und Geschlechtergemeinschaft vorliegt.

Des Weiteren entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts, dass, falls sich die Ehegatten aufgrund besonderer Umstände in beiderseitigem Einvernehmen darauf geeinigt haben, getrennt voneinander zu wohnen, dies jedoch nicht zwangsläufig bedeutet, dass keine eheliche Lebensgemeinschaft besteht. (; ; ; ; ).

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Ehepartner trotz zweier Wohnsitze in Gemeinschaft leben und ferner sogar die Absicht besteht, einen gemeinsamen Familienwohnsitz zu begründen.

Insofern konnte der Alleinerzieherabsetzbetrag zu recht nicht berücksichtigt werden und es war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das gegenständliche Erkenntnis der höchstgerichtlichen Rechtsprechung folgt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Eine über den Einzelfall hinaus relevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Innsbruck, am

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