Säumnisbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.03.2024, RS/7100043/2024

Abweisung einer Säumnisbeschwerde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Adebiola Bayer in der Beschwerdesache Bf., Bf-Adresse, vertreten durch BDO Austria GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Am Belvedere 4, 1100 Wien, wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt für Großbetriebe vom betreffend die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes für Großbetriebe vom zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 284 Abs. 4 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die beschwerdeführende GmbH (im Folgenden "Bf.") ist Gruppenträgerin einer Unternehmensgruppe. B vertritt die Bf. seit dem als deren Geschäftsführer selbständig. Darüber hinaus vertritt C die Bf. seit dem als weiterer Geschäftsführer selbständig. B ist der alleinige Gesellschafter der Bf.

Nachdem die belangte Behörde am den an die Bf. gerichteten Haftungsbescheid erlassen hatte, erhob diese am dagegen Beschwerde. In dieser wurde auf die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamts Österreich vom über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2018 und gegen den am selben Tag erlassenen Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2018 des Finanzamts Österreich verwiesen. Beide Bescheide waren an die Gruppenmitglied GmbH, einer Enkelgesellschaft der Bf. und Mitglied der Unternehmensgruppe, ergangen.

In dieser Beschwerde wurde im Wesentlichen moniert, dass dem vom Geschäftsführer der Gruppenmitglied GmbH im Zusammenhang mit der Veräußerung einer Wohnung der im Vermögen dieser Gesellschaft befindlichen Liegenschaft an B eingeholten Verkehrswertgutachten jede Beweiskraft abgesprochen worden sei und die Abgabenbehörde eine eigene Schätzung über den Verkehrswert vorgenommen sowie eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe der so ermittelten Differenz festgestellt habe.

In ihrer Beschwerde beantragte die Bf. gemäß § 262 Abs. 2 lit. a BAO, dass keine Beschwerdevorentscheidung erlassen und die Beschwerde dem Gericht unmittelbar vorgelegt werde.

Die belangte Behörde legte die Bescheidbeschwerde nicht innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Bundesfinanzgericht vor. Somit war über die Angelegenheit mit Beschwerdevorentscheidung abzusprechen.

Auf Behördenseite wurde die Entscheidung getroffen, einen allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen aus dem Fach der Liegenschaftsbewertung zu bestellen. Nachdem im Vorfeld behördenintern Vorbereitungshandlungen gesetzt wurden, wurde die steuerliche Vertretung am über die in Aussicht genommene Vorgehensweise informiert.

In Folge erhob die Bf. die erste Säumnisbeschwerde, die am beim Bundesfinanzgericht einlangte.

Mit Bescheid vom wurde A zum Sachverständigen gemäß § 177 BAO bestellt und beauftragt, binnen vier Wochen ab Bescheidzustellung ein Gutachten zum Stichtag zu erstellen.

Nachdem ihr dieser im Rahmen der von ihr beantragten Akteneinsicht am zukam, erstattete die Gruppenmitglied GmbH am eine Eingabe, die sie als "1. Widerspruchgegen die Bestellung eines Sachverständigen 2. Antrag auf Abänderung des Gutachtensauftrags" bezeichnete. Damit wurde auch das Bundesfinanzgericht befasst ().

Die erste Säumnisbeschwerde der Bf. wurde mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , RS/7100089/2023, mangels Ablaufs der Frist von sechs Monaten zurückgewiesen.

Am langte beim Bundesfinanzgericht die gegenständliche Säumnisbeschwerde ein. In dieser beantragte die Bf., das Gericht möge der belangten Behörde gemäß § 284 BAO auftragen, über die Bescheidbeschwerde vom binnen einer Frist von einem Monat zu entscheiden.

Das Bundesfinanzgericht kam diesem Antrag mit Beschluss vom nach.

In Folge beantragte die belangte Behörde mit Schriftsatz vom , die Frist zur Entscheidung durch die belangte Behörde gemäß § 284 Abs. 2 BAO um drei Monate zu verlängern. Dieser Antrag wurde damit begründet, dass die Beschwerde der Gruppenmitglied GmbH gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2018, auf welche die Bf. verwies, mit einem Mangel belastet sei, dessen Beseitigung gemäß § 85 BAO mit Bescheid vom und Frist bis zum beauftragt worden sei. Da der Mangel bis zum Ablauf der durch Beschluss auferlegten Entscheidungsfrist nicht behoben worden sei, liege gemäß § 284 Abs. 2 BAO ein in der Sache gelegener Grund vor, der eine fristgerechte Entscheidung unmöglich mache. Es bestehe ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen dieser Bescheidbeschwerde und jener des Gruppenmitgliedes Gruppenmitglied GmbH, da der bekämpfte KESt-Haftungsbescheid aufgrund eines beim Gruppenmitglied festgestellten Sachverhaltes erlassen worden sei. Die Entscheidung über die Beschwerde der Bf. könne deshalb erst dann getroffen werden, wenn eine Entscheidung über die Bescheidbeschwerde des Gruppenmitgliedes möglich sei. Auch das stelle nach § 284 Abs. 2 BAO einen in der Sache gelegenen Grund dar, der eine fristgerechte Entscheidung unmöglich mache. Die Abgabenbehörde rege deshalb an, das Verwaltungsgericht möge eine Aussetzung der Entscheidung über die Säumnisbeschwerde der Bf. gemäß § 286 BAO erwägen.

In eventu stellte die belangte Behörde den Antrag, das Bundesfinanzgericht möge die Säumnisbeschwerde gemäß § 284 Abs. 4 BAO mit Erkenntnis abweisen. Dazu führte die Bf. im Wesentlichen aus, im Beschwerdeverfahren des Gruppenmitglieds sei ein längeres Ermittlungsverfahren notwendig, dessen Ergebnis auch Entscheidungsgrundlage für dieses Beschwerdeverfahren sei. Wie im Antrag auf Abweisung der Säumnisbeschwerde der Gruppenmitglied GmbH zu RS/7100042/2024 ausgeführt, treffe die Abgabenbehörde nicht das überwiegende Verschulden an der Säumigkeit. Auch der Gesellschafter, für dessen KESt-Schuld die Bf. hafte, verweigere die Mitwirkung im Ermittlungsverfahren, sodass die Entscheidung über die Beschwerde des Gruppenmitglieds und folgend auch über jene der Bf. bislang nicht habe getroffen werden können.

Mit Beschluss vom leitete das Bundesfinanzgericht der Bf. diesen Schriftsatz weiter und forderte sie auf, dazu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen. Dem kam die Bf. fristgerecht nach, wobei sie insbesondere Folgendes ausführte:

Die belangte Behörde habe der Bf. erst am ein als "Ersuchen um Ergänzung" betiteltes Schreiben zugestellt. Die rechtlichen Anforderungen an einen Bescheid erfülle dieses Schreiben im Übrigen nicht. Unerklärlich sei, wie der Behörde ein angeblicher Mangel der Beschwerdeschrift über einen Zeitraum von beinahe elf Monaten nicht habe auffallen können, sondern dieser erst zutage getreten sein solle, als die Behörde bezüglich der Verletzung ihrer Entscheidungspflicht gegenüber dem Bundesfinanzgericht Stellung nehmen sollte. Auch liege die behauptete Mangelhaftigkeit nicht vor. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass ein Verschulden der Behörde bereits vorliege, wenn ein (rechtmäßiger) Mängelbehebungsauftrag nicht längstens binnen vier Wochen erteilt werde.

Unter dem Punkt "Angeblich notwendiges Ermittlungsverfahren und angebliche Verweigerung der Mitwirkung" verwies die Bf. im Wesentlichen auf das Vorbringen im Säumnisbeschwerdeverfahren der Gruppenmitglied GmbH. Sie sprach sich darüber hinaus gegen die angeregte Behandlung nach § 286 BAO aus. Da betreffend das Säumnisbeschwerdeverfahren des Gruppenmitglieds zu RS/7100042/2024 eine identische Zuständigkeit bestehe, sei eine gleichzeitige Erledigung der Säumnisbeschwerden möglich und zweckmäßig. Schließlich äußerte die Bf. die Ansicht, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerde bereits mit gemäß § 284 Abs. 2 BAO auf das Bundesfinanzgericht übergegangen sei. Es sei somit auf Grund der Konnexität auch zweckmäßig, dass das Bundesfinanzgericht ebenso über die gegenständliche Bescheidbeschwerde entscheide, um so auf Grund mehrfacher Zuständigkeit einen unnötigen Verwaltungsmehraufwand zu vermeiden.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt

Die Bf. ist Gruppenträgerin einer Unternehmensgruppe. B vertritt die Bf. seit dem als deren Geschäftsführer selbständig. Darüber hinaus vertritt C die Bf. seit dem als weiterer Geschäftsführer selbständig. B ist der alleinige Gesellschafter der Bf. Sowohl sie als auch die Gruppenmitglied GmbH, eine Enkelgesellschaft der Bf. und Mitglied der Unternehmensgruppe, werden durch die BDO Austria GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft steuerlich vertreten.

Nachdem die belangte Behörde am den an die Bf. gerichteten Haftungsbescheid erlassen hatte, erhob diese am dagegen Beschwerde. In dieser wurde auf die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamts Österreich vom über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2018 und gegen den am selben Tag erlassenen Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2018 des Finanzamts Österreich verwiesen. Beide Bescheide waren an die Gruppenmitglied GmbH ergangen.

In dieser Beschwerde wurde im Wesentlichen moniert, dass dem vom Geschäftsführer der Gruppenmitglied GmbH im Zusammenhang mit der Veräußerung einer Wohnung der im Vermögen dieser Gesellschaft befindlichen Liegenschaft an B eingeholten Verkehrswertgutachten jede Beweiskraft abgesprochen worden sei und die Abgabenbehörde eine eigene Schätzung über den Verkehrswert vorgenommen sowie eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe der so ermittelten Differenz festgestellt habe. Auf Seite 12 dieser Beschwerde wurde Folgendes ausgeführt: "Entsprechend der oben zitierten Judikatur wäre daher jedenfalls ein Gegengutachten einzuholen, sollte die Behörde an den technischen Grundlagen des Gutachtens zweifeln."

In ihrer Beschwerde beantragte die Bf. gemäß § 262 Abs. 2 lit. a BAO, dass keine Beschwerdevorentscheidung erlassen und die Beschwerde dem Gericht unmittelbar vorgelegt werde.

Die belangte Behörde legte die Bescheidbeschwerde nicht innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Bundesfinanzgericht vor. Somit war über die Angelegenheit mit Beschwerdevorentscheidung abzusprechen.

Auf Behördenseite wurde die Entscheidung getroffen, einen allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen aus dem Fach der Liegenschaftsbewertung zu bestellen. Nachdem im Vorfeld behördenintern Vorbereitungshandlungen gesetzt wurden, wurde die steuerliche Vertretung am über die in Aussicht genommene Vorgehensweise informiert.

In Folge erhob die Bf. die erste Säumnisbeschwerde, die am beim Bundesfinanzgericht einlangte.

Mit Bescheid vom wurde A zum Sachverständigen gemäß § 177 BAO bestellt und beauftragt, binnen vier Wochen ab Bescheidzustellung ein Gutachten zum Stichtag zu erstellen.

Nachdem ihr dieser im Rahmen der von ihr beantragten Akteneinsicht am zukam, erstattete die Gruppenmitglied GmbH am eine Eingabe, die sie als "1. Widerspruch gegen die Bestellung eines Sachverständigen 2. Antrag auf Abänderung des Gutachtensauftrags" bezeichnete. Damit wurde auch das Bundesfinanzgericht befasst ().

Darin führte sie insbesondere Folgendes aus:

"Wie oben begründeter Weise dargelegt, spricht sich die Beschwerdeführerin generell gegen die Bestellung eines Sachverständigen zum derzeitigen Zeitpunkt aus. Sollte die Behörde dem oben gestellten Antrag nicht nachkommen und die Bestellung des Sachverständigen nicht zurücknehmen, wird unter Berufung auf das Parteienrecht auf Mitwirkung an der Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (vgl. ) beantragt, den an den Sachverständigen gestellten Auftrag abzuändern, sodass er wie folgt lautet:

1. Ist das Verkehrswertgutachten der Gutachter […] vom über den Verkehrswert der Wohnung […] im Haus […] mit so offensichtlichen Unrichtigkeiten belastet, dass ein ordentlicher Geschäftsführer sich nicht darauf verlassen durfte, dass der festgestellte Wert dem Wert entspricht, den ein unbeeinflusster Dritter im ordentlichen Geschäftsverkehr voraussichtlich zu zahlen bereit gewesen wäre?

2. Kann entfallen, wenn Frage 1 mit NEIN beantwortet wird: Wie hoch ist der Preis, den ein fremder Dritter zum Stichtag (im Juni 2017 fand ein mündlicher Vertragsabschluss zwischen dem Geschäftsführer der Gesellschaft und dem mittelbaren Gesellschafter statt; der grundbuchsfähige Vertrag konnte erst Anfang 2018 abgeschlossen werden, weil die zuvor notwendige Parifizierung der Liegenschaft sich verzögerte) für die Wohnung […] im Haus […] im redlichen Geschäftsverkehr bezahlt hätte (Verkehrswert)."

Am selben Tag erging eine E-Mail des steuerlichen Vertreters an den Sachverständigen, wonach der Gutachtensauftrag unzureichend und nicht geeignet sei, zur Aufklärung des Sachverhalts im Beschwerdeverfahren beizutragen. Vor diesem Hintergrund erübrige sich zum derzeitigen Zeitpunkt eine Besichtigung des Bewertungsobjekts. Sollte nach Behandlung der Eingabe der Bf. vom durch die Behörde und allfälliger Anpassung des Auftrags die Erstellung eines eigenen Gutachtens weiterhin notwendig erscheinen, stehe die Gruppenmitglied GmbH gerne zur Verfügung, "um die Modalitäten der [für den Gutachter] notwendigen Informationsbeschaffung zu besprechen."

Die erste Säumnisbeschwerde der Bf. wurde mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , RS/7100089/2023, mangels Ablaufs der Frist von sechs Monaten zurückgewiesen.

Am fand eine Besichtigung der im Eigentum der Gruppenmitglied GmbH stehenden Teile der betreffenden Liegenschaft statt. Die betroffene Wohnung stand jedoch nicht (mehr) in deren Eigentum, sondern im Eigentum von B. Dieser ermöglichte keine Besichtigung der Wohnung.

Mit Schriftsatz vom brachte die Gruppenmitglied GmbH bei der Abgabenbehörde einen Beweisantrag ein. In diesem schlug sie alternativ zum Vorbringen laut ihrem Schriftsatz vom folgende Fragestellung vor:

"Ist das Verkehrswertgutachten der Gutachter […] vom über den Verkehrswert der Wohnung […] im Haus […] mit so offensichtlichen Unrichtigkeiten belastet, dass ein durchschnittlicher Laie erkennen musste, dass der festgestellte Wert entgegen den Aussagen im Gutachten nicht dem Wert entspricht, den ein unbeeinflusster Dritter im ordentlichen Geschäftsverkehr voraussichtlich zu zahlen bereit gewesen wäre?"

Am langte beim Bundesfinanzgericht die gegenständliche Säumnisbeschwerde ein. In dieser beantragte die Bf., das Gericht möge der belangten Behörde gemäß § 284 BAO auftragen, über die Bescheidbeschwerde vom binnen einer Frist von einem Monat zu entscheiden.

Das Bundesfinanzgericht kam diesem Antrag mit Beschluss vom nach.

In Folge beantragte die belangte Behörde mit Schriftsatz vom , die Frist zur Entscheidung durch die belangte Behörde gemäß § 284 Abs. 2 BAO um drei Monate zu verlängern. Dieser Antrag wurde mit einem noch unbeantworteten "Ersuchen um Ergänzung" vom begründet. Die belangte Behörde regte zudem an, das Verwaltungsgericht möge eine Aussetzung der Entscheidung über die Säumnisbeschwerde der Bf. gemäß § 286 BAO erwägen. In eventu wurde der Antrag gestellt, das Bundesfinanzgericht möge die Säumnisbeschwerde gemäß § 284 Abs. 4 BAO mit Erkenntnis abweisen.

Diesbezüglich wurde der Bf. Parteiengehör eingeräumt. In ihrer Stellungnahme vom sprach sich die Bf. u.a. gegen die angeregte Behandlung nach § 286 BAO aus. Zur Frage, wen das überwiegende Verschulden an der Verspätung treffe, verwies sie im Wesentlichen auf die Ausführungen der Gruppenmitglied GmbH in der Beschwerdesache RS/7100042/2024. Diese brachte mit Schriftsatz vom u.a. vor, dass für die von ihr im Rahmen des Schriftsatzes vom vorgeschlagene Vorgehensweise ein Ortsaugenschein nicht notwendig gewesen wäre und dies auch im Sinne der Effizienz gelegen sei. Die Gruppenmitglied GmbH habe nach Androhung von Zwangsmaßnahmen durch die Behörde im Auftrag von B am bekannt gegeben, dass die angeordnete Duldung einer Besichtigung seiner privaten Räumlichkeiten nicht im Einklang mit den einfachgesetzlichen und verfassungsgesetzlichen Vorschriften stehe und er die Maßnahmen daher nicht dulden werde.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus dem vorgelegten Beschwerdeakt sowie aus dem vorgelegten Beschwerdeakt in der Beschwerdesache RS/7100042/2024.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I: Abweisung

§ 284 Abs. 1 und 4 BAO lauten wie folgt:

"§ 284.

(1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

[…]

(4) Säumnisbeschwerden sind mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist."

Dass das Bundesfinanzgericht berechtigt ist, gemäß § 284 Abs. 4 BAO zu entscheiden, ergibt sich aus dessen Sicht insbesondere aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/13/0087.

Das Bundesfinanzgericht legte in seinem Beschluss vom , RS/7100089/2023, dar, dass erst mit dem ungenützten Ablauf der Dreimonatsfrist des § 262 Abs. 2 lit. b BAO die Pflicht der Abgabenbehörde, eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, ausgelöst werde. Demnach war die Frist gemäß § 284 Abs. 1 BAO zum Zeitpunkt, als mit Bescheid vom A zum Sachverständigen gemäß § 177 BAO bestellt und beauftragt wurde, binnen vier Wochen ab Bescheidzustellung ein Gutachten hinsichtlich der Liegenschaft zum Stichtag zu erstellen, noch nicht abgelaufen. Bereits zuvor waren diesbezüglich behördeninterne Vorbereitungshandlungen gesetzt und die steuerliche Vertretung schließlich am über die geplante Bestellung informiert worden.

Nach seiner Bestellung versuchte der Sachverständige, einen Termin für eine Besichtigung des zu begutachtenden Objekts zu vereinbaren. Dem wurde nicht nachgekommen, wie sich aus der aktenkundigen E-Mail des steuerlichen Vertreters der Gruppenmitglied GmbH und der Bf. an den Sachverständigen vom ergibt.

Diesbezüglich wurde auf die im Schriftsatz desselben Tages beantragte alternative Vorgehensweise ("Überbegutachtung") verwiesen, wonach zumindest zunächst kein Ortsaugenschein notwendig gewesen wäre, was auch im Sinne der Effizienz gelegen sei. Allerdings wurde nicht dargelegt, wie der Sachverständige die im Schriftsatz vom formulierte erste Frage ohne Durchführung eines Ortsaugenscheins hätte beantworten können. Das gleiche gilt auch in Bezug auf die im Schriftsatz vom vorgeschlagene Vorgehensweise.

Daher kann das Bundesfinanzgericht nicht nachvollziehen, dass dem Sachverständigen die Besichtigung zunächst verwehrt wurde. Zwar wurde am eine Besichtigung der im Eigentum der Gruppenmitglied GmbH stehenden Teile der betreffenden Liegenschaft zugelassen. Die betroffene Wohnung stand allerdings nicht (mehr) in deren Eigentum, sondern im Eigentum von B, dem Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Bf. Vor diesem Hintergrund lag es in der Einflusssphäre der Bf., eine Zugänglichmachung der Wohnung zu ermöglichen. Dass das Gegenteil der Fall war, ergibt sich aus der Erklärung, dass B die Besichtigung seiner privaten Räumlichkeiten nicht dulden werde.

Somit kommt das Bundesfinanzgericht zur Schlussfolgerung, dass zur Klärung der maßgeblichen Sachfragen ein längeres Ermittlungsverfahren notwendig ist, dessen Kern die Erstellung eines Sachverständigengutachtens bildet, und auf Behördenseite Schritte gesetzt wurden, die geeignet sind, das Verfahren zügig zu betreiben (vgl. etwa ). Deshalb und da die Bf. den Abschluss dieser Verfahrensschritte nicht unterstützt, kann das Bundesfinanzgericht nicht erkennen, dass die Verspätung auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.

Der Vollständigkeit halber wird zum "Ersuchen um Ergänzung" der belangten Behörde vom festgehalten, dass ungeachtet dessen bereits zuvor auf Behördenseite Ermittlungsschritte gesetzt wurden. Deshalb ist diese Verfahrenshandlung, die erst Monate nach Einlangen der Beschwerde erfolgte, aus Sicht des Bundesfinanzgerichts nicht geeignet, ein überwiegendes behördliches Verschulden zu begründen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II: Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das Erkenntnis der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt, war die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 284 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RS.7100043.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at