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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.03.2024, RV/7100085/2024

Forderungspfändung und erst danach erstellter Rückstandsausweis

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Pfändung einer Geldforderung 2023 zur Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Haftung

Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer gem § 9 BAO iVm § 80 BAO zur Haftung für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der ***AB***, Firmenbuchnummer: ***FN***, im Ausmaß von € 8.817,89 in Anspruch genommen.

Pfändung

Mit Pfändungsbescheid vom pfändete das Finanzamt Österreich (belangte Behörde) eine Forderung von € 7.582,89 zuzüglich Gebühren und Barauslagen in Höhe von € 83,03, sohin insgesamt € 7.665,92 und untersagte dem Gläubiger (***CD***), diese Forderung an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Dem Abgabenschuldner (Beschwerdeführer) wurde ebenfalls mit Bescheid vom verboten, über die gepfändete Forderung zu verfügen.

Beschwerde

Die Beschwerde vom richtet sich gegen den Pfändungsbescheid vom . Darin wird vorgebracht, dass das Unternehmen ***AB*** seit dem nicht mehr existiere und infolge des am eröffneten Konkursverfahrens das Unternehmen im Firmenbuch gelöscht worden wäre. Mit dieser Löschung sei konstitutiv auch der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft verbunden. Einer im Firmenbuch gelöschten juristischen Person könne daher nicht mehr gemäß § 65 Abs 2 AbgEO wirksam mitgeteilt werden, dass die Republik Österreich an der betreffenden Forderung ein Pfandrecht erworben hätte.

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde angeführt, dass das Insolvenzverfahren bei der ***AB*** (Stnr. ***AB_StrNr***) laut Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom nach Schlussverteilung aufgehoben worden wäre und die Firma mit von Amts wegen aus dem Firmenbuch gelöscht worden wäre. Da der noch aushaftende Abgabenrückstand bei der ***AB*** bei dieser nicht mehr einbringlich sei, wäre der Beschwerdeführer als (ehemaliger) Geschäftsführer mit Vorhalt vom über die Heranziehung zur Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO informiert und zur Stellungnahme aufgefordert worden. Der mit RSa (eigenhändig) zuzustellende Haftungsbescheid vom langte am mit dem Vermerk "nicht behoben" an das Finanzamt retour. Dies gelte als zugestellt, somit sei der Haftungsbescheid in Rechtskraft erwachsen.

Mit wäre ein Guthaben von € 1.235,- von Steuernummer ***Bf1StNr2*** auf die ausständige Haftungsschuld verrechnet worden.

Vorlageantrag

Der Vorlageantrag vom ist an das Bundesfinanzgericht gerichtet und langte am dort ein. Darin wiederholte der Beschwerdeführer zunächst sein Vorbringen aus der Beschwerde.
Telefonisch sei dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden, dass er Schreiben vom und nicht behoben habe. Dazu stellte der Beschwerdeführer im Vorlageantrag fest, dass die Nichtbehebung durch ihn zurecht erfolgt wäre, weil seine Vertretungsbefugnis für die ***AB*** bereits am geendet habe. Weiters verwies der Beschwerdeführer darauf, dass er zu den Abgabenschuldigkeiten nichts sagen könne, weil er die relevanten Unterlagen an den Masseverwalter übergeben musste.

Vorlagebericht

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte in der Stellungnahme aus, dass der gegenständlichen Lohnpfändung ein rechtsgültiger Rückstandsausweis (Exekutionstitel gem. § 229 letzter Satz BAO) zu Grunde liege und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Nachreichung

Mit Schreiben vom gab die belangte Behörde gegenüber dem Bundesfinanzgericht bekannt, dass nur ein mit generierter Rückstandsausweis vorliege und die Stellungnahme im Vorlagebericht dahingehend ergänzt werden, dass die Erstellung eines Rückstandsausweises zum bzw. vor Erstellung des Pfändungsbescheides nicht mehr möglich sei.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Finanzamt Österreich hat den Beschwerdeführer zur Haftung als Geschäftsführer für Abgabenschulden der ***AB*** herangezogen. Der eigenhändig zu übernehmende Haftungsbescheid wurde bei der zuständigen Postfiliale am hinterlegt. Der Haftungsbescheid war an den Beschwerdeführer adressiert. Nach Ablauf der Hinterlegungszeit wurde das Poststück wieder an das Finanzamt retourniert, weil es nicht behoben wurde. Mit Mahnung vom wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, die offene Abgabenschuld zu entrichten. Nach Ablauf der Hinterlegungszeit wurde auch die Mahnung wieder an das Finanzamt retourniert, weil sie nicht behoben wurde.

Am hat das Finanzamt den angefochtenen Bescheid über die Pfändung einer Geldforderung in Höhe von € 7.582,89 zuzüglich Nebengebühren in Höhe von € 83,03 erlassen.

Am hat das Finanzamt einen Rückstandsausweis erstellt, der einen Abgabenrückstand in Höhe von € 7.582,89 ausweist. Ein Rückstandsausweis zum oder davor liegt nicht vor.

Strittig ist, ob die Pfändung zu Recht erfolgte.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Haftungsbescheid gründen sich einerseits auf die Einsichtnahme in diese Erledigung sowie den dazugehörigen Zustellnachweis (RSa-Rückschein), welche von der belangten Behörde vorgelegt wurden. Aus dem Rückschein ist ersichtlich, dass das Dokument (Haftungsbescheid vom ) nicht vom Empfänger (persönlich) übernommen wurde, eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt wurde und in der Postfiliale xxxx hinterlegt wurde.
Sowohl in der Beschwerdevorentscheidung als auch im Vorlagebericht hat die belangte Behörde dazu angegeben, dass der Haftungsbescheid am mit dem Vermerk "nicht behoben" an das Finanzamt als Absender zurückgestellt wurde.
Weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag wurde dieser Sachverhalt vom Beschwerdeführer bestritten. Im Vorlageantrag hat der Beschwerdeführer vielmehr ausgeführt, dass er keine Postsendungen übernehmen brauche, weil die Gesellschaft (***AB***) bereits aus dem Firmenbuch gelöscht wurde. Allerdings ist der Haftungsbescheid vom nicht an die Gesellschaft, sondern unmittelbar an den Beschwerdeführer adressiert.

Die Feststellungen zum Rückstandsausweis vom gründen sich auf die Einsichtnahme in diese Urkunde. Die Feststellung, dass am Tag der Erlassung des angefochtenen Pfändungsbescheides (oder davor) kein Rückstandsausweis vorlag, gründet sich auf die Angaben der belangten Behörde in der Nachreichung vom .

Rechtslage

§ 17 ZustG lautet:

Hinterlegung

§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

§ 229 BAO lautet:

§ 229. Als Grundlage für die Einbringung ist über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten ein Rückstandsausweis elektronisch oder in Papierform auszustellen. Dieser hat Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld, zergliedert nach Abgabenschuldigkeiten, und den Vermerk zu enthalten, daß die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel). Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel für das finanzbehördliche und gerichtliche Vollstreckungsverfahren.

§ 4 AbgEO lautet:

Exekutionstitel

§ 4. Als Exekutionstitel für die Vollstreckung von Abgabenansprüchen kommen die über Abgaben ausgestellten Rückstandsausweise in Betracht.

§ 65 AbgEO lautet:

Pfändung

§ 65. (1) Die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners erfolgt mittels Pfändung derselben. Im Pfändungsbescheid sind die Höhe der Abgabenschuld und der Gebühren und Auslagenersätze (§ 26) anzugeben. Sofern nicht die Bestimmung des § 67 zur Anwendung kommt, geschieht die Pfändung dadurch, daß die Abgabenbehörde dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich ist dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen. Ihm ist aufzutragen, bei beschränkt pfändbaren Geldforderungen unverzüglich dem Drittschuldner allfällige Unterhaltspflichten und das Einkommen der Unterhaltsberechtigten bekanntzugeben.

(2) Sowohl dem Drittschuldner wie dem Abgabenschuldner ist hiebei mitzuteilen, daß die Republik Österreich an der betreffenden Forderung ein Pfandrecht erworben hat. Das Zahlungsverbot ist mit Zustellnachweis zuzustellen, wobei die Zustellung an einen Ersatzempfänger zulässig ist.

(3) Die Pfändung ist mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen.

(4) Der Drittschuldner kann das Zahlungsverbot anfechten oder bei der Abgabenbehörde die Unzulässigkeit der Vollstreckung nach den darüber bestehenden Vorschriften geltend machen.

(5) Ein für die gepfändete Forderung bestelltes Handpfand kann in Verwahrung genommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Als Grundlage für die Abgabeneinbringung ist gemäß § 229 BAO über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten ein Rückstandsausweis elektronisch oder in Papierform auszustellen. Dieser hat den Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld zergliedert nach Abgabenschuldigkeiten und den Vermerk zu enthalten, dass die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel). Rückstandsausweise bilden als Exekutionstitel die Grundlage der finanzbehördlichen und gerichtlichen Vollstreckung. Sie sind öffentliche Urkunden über Bestand und Vollstreckbarkeit von Abgabeschulden, nicht aber Bescheide (). Sie stellen bloß aus den Rechnungsbehelfen der Behörde gewonnene Aufstellungen über Zahlungsverbindlichkeiten dar. Wohl sind sie aber rechtserheblich und zufolge des § 4 AbgEO unabdingbare Voraussetzung im Vollstreckungsverfahren. Die Nennung der Person, die die Leistung zu erbringen hat, und die Art der Leistung müssen mit den Leistungsgeboten übereinstimmen ().

Die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners erfolgt gemäß § 65 Abs. 1 AbgEO mittels Pfändung derselben. Die Pfändung geschieht idR dadurch, dass das Finanzamt dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich ist dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen (zB ).

Dem Abgabenschuldner steht gegen die Forderungspfändung im finanzbehördlichen Vollstreckungsverfahren ungeachtet der Rechtsmittelbeschränkung im § 77 Abs 1 Z 1 AbgEO ein Rechtsmittel zu ().

Sache des Beschwerdeverfahrens ist eine Pfändung einer Geldforderung vom gegenüber einem bestimmten, namentlich genannten Drittschuldner.

Grundsätzlich ist nur die Frage des Vorliegens eines Exekutionstitels (Rückstandsausweis) Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens (vgl Liebeg, § 65 AbgEO Anm 28; ).
Ein solcher Rückstandsausweis wurde vom Finanzamt erst am , also mehr als drei Monate nach dem angefochtenen Bescheid, erstellt. Ein Rückstandsausweis, der erst im November 2023 erstellt wurde, kann jedoch nicht die Grundlage für eine Pfändung einer Geldforderung vom Juli 2023 sein, zumal ein Rückstandsausweis die Grundlage (Voraussetzung) für eine Pfändung bildet. Der Rückstandsausweis bestätigt den Bestand und die Vollstreckbarkeit einer Abgabenschuld. Die Behörde weist im Rückstandsausweis den Stand der Gestion der Abgabengebarung aus, ordnet das aufgegliederte Ergebnis der Schuld einem bestimmten Schuldner zu und hält dieses Ergebnis ihrer schuldnerbezogenen Gebarung in einer öffentlichen Urkunde- als Bedingung und Grundlage der Vollstreckung - fest (). Die Tilgung der Abgabenforderung nach Ausfertigung des Rückstandsausweises bewirkt nicht dessen Rechtswidrigkeit (vgl. , mwN), zumal ein vollstreckbarer Rückstandsausweis nicht nur einen gültigen Exekutionstitel darstellt, sondern auch einen Titel sui generis für das "Behaltendürfen" des exekutiv hereingebrachten oder unter exekutivem Druck geleisteten Geldbetrages (). Ein solcher Titel für das "Behaltedürfen" eines exekutiv hereingebrachten Geldbetrages bestand jedoch im Zeitpunkt der Exekution nicht. Damit erweist sich der Pfändungsbescheid als rechtswidrig und war aufzuheben.

Revisionszulassung

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, es liegt daher kein Grund für eine Revisionszulassung vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 4 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 17 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 65 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 229 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100085.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at