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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.03.2024, RV/7102863/2023

Einhebungsverjährung; geschlossene Kette von Unterbrechungshandlungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr*** vertreten durch Dr. Konstantin Hobel, Rechtsanwalt, Burgring 1, 1010 Wien, als Verfahrenshelfer über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einwendungen gem. § 12 ff. AbgEO, Steuernummer ***BFStNr***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Eingabe vom erhob der Beschwerdeführer auf die §§ 12, 13 und 16 AbgEO sowie auf "jeden aufgrund der AbgEO sich ergebenden Rechtsgrund" gestützte Einwendungen hinsichtlich einer gegen ihn geführten Abgabenexekution wegen behaupteter Einhebungsverjährung i.S.d. § 238 BAO. Der gegen ihn betriebene Umsatzsteuer-Anspruch beruhe auf einem Bescheid vom sowie einer Beschwerdevorentscheidung vom . Die letzte Amtshandlung, die eine Unterbrechung der Verjährung bewirkt haben könnte, habe am (abweisende Erledigung eines Stundungsansuchens) stattgefunden, sodass mit jedenfalls Einhebungsverjährung eingetreten sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde diesen Antrag ab. Sie führte aus, dass eine Reihe von (einzeln angeführten) Einbringungsversuchen unternommen worden seien, welche die Verjährung unterbrochen hätten.

Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom . Darin führt der Beschwerdeführer zunächst aus, dass hinsichtlich des betriebenen Umsatzsteueranspruches Festsetzungsverjährung eingetreten sei, da er seine unternehmerische Tätigkeit bereits vor 1992 eingestellt habe, eine Ausfertigung des Umsatzsteuerbescheides vom nicht vorliege und das Entstehen der Umsatzsteuerschuld bereits rund 30 Jahre zurückliege, sohin seit Entstehen des Umsatzsteuer-Abgabenanspruches mehr als zehn Jahre verstrichen seien. Zur Einhebungsverjährung führt er aus, dass der angefochtene Bescheid keine Angaben hinsichtlich der Fälligkeit der behaupteten (Umsatz-) Steuerschuld enthalte und daher nicht nachvollziehbar sei, warum die fünfjährige Frist nach eingetretener Fälligkeit nicht abgelaufen sein soll. Zudem habe eine der von der belangten Behörde ins Treffen geführten Unterbrechungshandlungen, nämlich die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Abgabenschuldners vom , den Amtsbereich der Behörde nicht verlassen und stelle daher keine taugliche Unterbrechungshandlung dar. Demnach sei mit Einhebungsverjährung eingetreten. Selbst wenn die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Unterbrechungshandlung darstellen sollte, wäre die Einhebungsverjährung mit eingetreten, da hinsichtlich der Abfrage des Zentralmelderegisters vom , nicht dargelegt worden sei, in welchem Zusammenhang diese vorgenommen wurde, also ob mit ihr der gegenständliche Umsatzsteueranspruch gegen den Beschwerdeführer durchgesetzt werden sollte, und auch diese Amtshandlung nicht nach außen getreten sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Sie hielt daran fest, dass Einhebungsverjährung infolge mehrfacher Unterbrechung nicht eingetreten sei. Ergänzend zum Bescheid vom führte sie zusätzliche Unterbrechungsgründe ins Treffen.

Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer Vorlageantrag gemäß § 264 BAO.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Bescheid vom wurde gegenüber dem Beschwerdeführer die Umsatzsteuer 1990 festgesetzt. Aufgrund einer dagegen erhobenen Berufung erging am eine Beschwerdevorentscheidung. Die festgesetzte Umsatzsteuer belief sich auf ATS 228.755,50 (= € 16.624,32). Einschließlich Nebenansprüchen hafteten per gegenüber dem Beschwerdeführer Abgabenforderungen im Gesamtbetrag von ATS 245.580,50 aus, welche sich wie folgt aufgegliederten (Rückstandsausweis vom ):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag in ATS
Betrag in €
Umsatzsteuer
1990
228.755,50
16.624,32
Säumniszuschlag
1991
4.650,00
337,93
Verspätungszuschlag
1989
1,00
0,07
Verspätungszuschlag
1990
11.935,00
867,35
Säumniszuschlag
1994
239,00
17,37
Summe
245.580,50
17.847,04

Zur Hereinbringung diese Forderung sowie der in weiterer Folge noch zusätzlich aufgelaufenen Nebenansprüche wurden folgende Handlungen gesetzt:

Am 23.2.1995 unternahm der Vollstrecker des Finanzamtes Wien 4/5/10 einen (erfolglosen) Pfändungsversuch an der Adresse ***Bf-Adr alt***, aus welchem Anlass auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers erhoben wurden (Rechenschaftsbericht des Vollstreckers vom ).

Mit Bescheid vom 9.1.1997 wies das Finanzamt Wien 4/5/10 ein Ansuchen des Beschwerdeführers um Bewilligung einer Zahlungserleichterung ab (Bescheid samt gesonderter Begründung vom ).

Mit Schreiben vom 13.3.2000 richtete das Finanzamt Wien 4/5/10 eine Meldeanfrage an das Zentralmeldeamt Wien, welche dieses am dahingehend beantwortete, dass der Beschwerdeführer seit in ***Bf-Adr*** gemeldet ist (schriftliche Anfrage vom samt darauf vermerkter Antwort vom ).

Am 28.3.2001 richtete das Finanzamt Wien 4/5/10 ein Amtshilfeersuchen mit dem Ersuchen um Erhebung der wirtschaftlichen Lage des Beschwerdeführers an das für den ***XX***. Wiener Gemeindebezirk zuständige Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf. Die Adresse ***Bf-Adr***, wurde am und von Außendienstmitarbeitern des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf aufgesucht, die dort in Erfahrung brachten, dass es sich um die Wohnung der Mutter des Beschwerdeführers handelt, der Beschwerdeführer bei einer Freundin wohnt und daher in der ***Bf-Adr*** nur selten anzutreffen ist (Einträge in das elektronische Aktensystem der belangten Behörde vom , und ).

Am 5.8.2002 richtete das Finanzamt Wien 4/5/10 ein neuerliches Amtshilfeersuchen mit dem Ersuchen um Erhebung der wirtschaftlichen Lage des Beschwerdeführers an das Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf (Eintrag in das elektronische Aktensystem der belangten Behörde vom ). Dieses Ersuchen beantwortete das Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf nach einer entsprechenden Erhebung vor Ort mit Schreiben vom (Formular EV 7 "Feststellungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Abgabenschuldners") dahingehend, dass der Beschwerdeführer gegenwärtig von einem ausbezahlten Guthaben der ***Bf*** KEG lebt, über eine uneinbringliche Forderung gegen ***A*** i.H.v. ATS 200.000,00 verfügt, in der Wohnung der Mutter wohnt, Verbindlichkeiten gegenüber der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft, der Wiener Gebietskrankenkasse, der Telekom und verschiedenen anderen Gläubigern hat, einen VW Golf, Bj. 1990 fährt und ansonsten über kein nennenswertes Vermögen verfügt (ausgefülltes Formular EV 7 "Feststellungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Abgabenschuldners" vom ; dieses Formular wurde auch vom Beschwerdeführer unterschrieben).

Am 5.2.2007 fragte das Finanzamt Wien 4/5/10 das zentrale Melderegister mit dem Ergebnis ab, dass der Beschwerdeführer nach wie vor in ***Bf-Adr*** gemeldet ist (ZMR-Auskunft vom ).

Am 11.11.2011 fragte das Finanzamt Wien 4/5/10 die Sozialversicherungsdaten des Beschwerdeführers ab und erhielt einen Versicherungsdatenauszug des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger mit Stand vom , wonach der Beschwerdeführer Arbeitslosengeld unter dem Existenzminimum bezieht (Eintrag in das elektronische Aktensystem der belangten Behörde vom ; Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung, Stand vom ).

Am 2.7.2014 fragte das Finanzamt Wien 4/5/10 erneut die Sozialversicherungsdaten des Beschwerdeführers ab und erhielt einen Versicherungsdatenauszug des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger mit Stand vom selben Tage, wonach der Beschwerdeführer nach wie vor Arbeitslosengeld unter dem Existenzminimum bezieht (Eintrag in das elektronische Aktensystem der belangten Behörde vom ; Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung, Stand vom ).

Am 17.2.2016 fragte das Finanzamt Wien 4/5/10 erneut das zentrale Melderegister mit dem Ergebnis ab, dass der Beschwerdeführer nach wie vor in ***Bf-Adr*** gemeldet ist (ZMR-Auskunft vom ). Weiters holte es einen Versicherungsdatenauszug vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ein, demzufolge der Beschwerdeführer nach wie vor Arbeitslosengeld bezieht (Versicherungsdatenauszug mit Stand vom ). Am richtete es ein Amtshilfeersuchen mit dem Ersuchen um Erhebung der wirtschaftlichen Lage des Beschwerdeführers an das Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf. Bei einer Begehung am konnte der beauftragte Außendienstmitarbeiter des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf an der Adresse ***Bf-Adr*** niemanden antreffen und sandte dem Beschwerdeführer eine Erhebungsaufforderung mit Frist bis zu. Hierauf meldete sich der Beschwerdeführer am zunächst telefonisch bei der belangten Behörde und sprach am selben Tag auch persönlich bei dieser vor. Beschwerte er sich zunächst noch, dass ihm der Abgabenrückstand in keiner Weise bekannt sei, wurde ihm in der Folge klar, dass es sich um einen Rückstand aus dem Jahr 1990 handelt. Er erklärte, gegenwärtig von Sozialhilfe zu leben und in etwa zwei Jahren eine Pension zu erhalten. Diese werde etwas über dem Existenzminimum gelegen und erwäge er, dann dem Finanzamt eine Zahlungsvereinbarung anzubieten. Von der belangten Behörde wurde der Rückstand bis zum Beginn der Pensionszahlungen als uneinbringlich eingestuft (Einträge in das elektronische Aktensystem der belangten Behörde vom , und ).

Mit Bescheid vom 5.3.2019 pfändete das Finanzamt Wien 4/5/10 die Pensionsansprüche des Beschwerdeführers gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Wien, zur Hereinbringung des Abgabenrückstandes i.H.v. € 18.309,16 zzgl. Gebühren und Barauslagen für die Pfändung i.H.v. € 14,10, wobei sich der Abgabenrückstand wie folgt aufschlüsselt (Bescheid vom ; Rückstandsausweis vom ):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag in €
Umsatzsteuer
1990
16.624,32
Säumniszuschlag 1
1991
337,93
Verspätungszuschlag
1989
0,07
Verspätungszuschlag
1990
867,35
Säumniszuschlag 1
1994
17,37
Stundungszinsen
1994
41,57
Pfändungsgebühr
1995
178,48
Pfändungsgebühr
1995
180,23
Pfändungsgebühr
1995
3,34
Stundungszinsen
1997
58,50
Summe
18.309,16

2. Beweiswürdigung

Der im Abgabenfestsetzungsverfahren ergangene Bescheid vom und die Beschwerdevorentscheidung vom wurden mittlerweile offenbar skartiert (s. Vorbringen der belangten Behörde, Protokoll über die mündliche Verhandlung vom , Seite 3) und stehen daher als Urkunden nicht mehr zur Verfügung. Die Daten des Bescheides und der Beschwerdevorentscheidung konnten jedoch dem Aktenverwaltungssystem der belangten Behörde entnommen worden und brachte auch der Beschwerdeführer im Antrag vom (S. 2 oben) zunächst vor, dass der dem Exekutionsverfahren zugrunde liegende Titel auf dem Umsatzsteuerbescheid vom und der Beschwerdevorentscheidung vom beruht. Wenn er auch in weiterer Folge die Existenz eines Umsatzsteuerbescheides in Zweifel zog (S. 3 der Beschwerde), ist doch festzuhalten, dass die Umsatzsteuer 1990 mit ATS 228.755,50 (erstmals) im Rückstandsausweis vom aufscheint. Dies bedeutet aber, dass hierfür ein vollstreckbarer Bescheid vorliegen muss, der im Zeitraum zwischen der Fälligkeit der USt 1990 (; s. § 21 Abs. 1 UStG 1972) und der Ausfertigung des Rückstandsausweises vom ergangen und vollstreckbar geworden sein muss. Das Gericht geht daher davon aus, dass die dem Aktenverwaltungssystem der belangten Behörde entnommenen Daten zutreffend sind und daher die Umsatzsteuer 1990 i.H.v. ATS 228.755,50 gegenüber dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom und Beschwerdevorentscheidung vom festgesetzt wurde. Die Feststellungen zu den zur Hereinbringung des Abgabenrückstandes gesetzten Handlungen gründen sich auf die jeweils in Klammer angeführten Urkunden. Dass diese Maßnahmen zur Hereinbringung der Umsatzsteuer 1990 sowie der hierzu akzessorischen Nebenansprüche gesetzt wurden, ergibt sich daraus, dass laut den vorliegenden Rückstandsausweisen im betreffenden Zeitraum, also ab dem keine anderen Abgabenforderungen gegenüber dem Beschwerdeführer (mehr) offen waren und die Maßnahmen daher nur zur Hereinbringung der Umsatzsteuer 1990 zzgl. Nebenansprüchen gesetzt worden sein konnten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gem. § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. Die Einhebungsverjährung stellt, wenn sie erst nach Entstehung des Exekutionstitels (Ausfertigung des Rückstandsausweises) eingetreten ist, einen Umstand dar, der mit Einwendungen gegen den Anspruch gem. § 12 AbgEO geltend gemacht werden kann; ist sie bereits vor Entstehung des Exekutionstitels eingetreten, sodass ein Rückstandsausweises gar nicht ausgefertigt hätte werden dürfen, kann sie mit Einwendungen i.S.d. § 13 AbgEO (bzw. auch nach dem insoweit inhaltsgleichen § 16 Abs 1 Z 2 AbgEO i.d.F. BGBl. I Nr. 108/2022) geltend gemacht werden ().

Die Umsatzsteuer wird gem. § 21 Abs. 1 des hier noch maßgeblichen UStG 1972 in Form von Vorauszahlungen unabhängig von einer bescheidmäßigen Festsetzung am 10. Tag (Fälligkeitstag) des auf den jeweiligen Voranmeldungszeitraum (Kalendermonat bzw. Kalendervierteljahr) zweitfolgenden Kalendermonats fällig. Gem. § 21 Abs. 5 UStG 1972 wird durch eine Nachforderung aufgrund der Veranlagung keine davon abweichende Fälligkeit begründet. Das UStG kennt daher nur eine Fälligkeit für Vorauszahlungen, nicht aber auch eine eigene Fälligkeit für Abschlusszahlungen aufgrund eines Jahresbescheides. Demnach ist auch für die Nachforderung aufgrund einer Veranlagung stets nur jene Fälligkeit maßgebend, die für die Vorauszahlung vorgesehen ist (Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON 3.03, Rz. 2798 zu § 21; vgl. auch ). Die hier gegenständliche Umsatzsteuer 1990 wurde daher nach Maßgabe der entsprechenden Voranmeldungszeiträume laufend während der Kalenderjahre 1990 und 1991 (frühestens am ; spätestens am ) fällig, sodass die Einhebungsverjährung frühestens mit Ablauf des und spätestens mit Ablauf des begonnen hat.

Gem. § 238 Abs. 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie z.B. durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen (z.B. Pfändungen: ), durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen. Für die Unterbrechungswirkung einer Amtshandlung genügt es, dass sie nach außen in Erscheinung tritt und erkennbar den Zweck verfolgt, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Amtshandlung zur Erreichung des angestrebten Erfolges konkret geeignet ist und ob der Abgabenschuldner von der Amtshandlung Kenntnis erlangte (; , 2010/13/0153). Demnach werden von der Rechtsprechung als Unterbrechungshandlungen qualifiziert:

- Abgabenfestsetzungsbescheide einschließlich Rechtsmittelentscheidungen ()

- (EDV-)Abfragen beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger ( [zu § 68 Abs 2 ASVG]; ; , RV/7100022/2019)

- Meldeanfragen bzw. Abfragen beim Zentralen Melderegister (; , 2003/13/0111)

- Erhebungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Abgabepflichtigen (; , 2005/16/0095)

- Amtshilfeersuchen, z.B. an ein anderes Finanzamt zur Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse ()

- Abweisung eines Stundungsansuchens ().

Somit stellen sämtliche von der belangten Behörde im Zeitraum 1992-2019 gesetzten Maßnahmen Unterbrechungshandlungen i.S.d. § 238 Abs. 2 BAO dar, insbesondere auch die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse vom , welche auf Erhebungen eines Außendienstmitarbeiters vor Ort beruht und daher entgegen den Beschwerdeausführungen den Amtsbereich der Behörde verlassen hat. Dies gilt auch für Anfragen beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger und beim Zentralen Melderegister. Dass diese Anfragen heutzutage nicht mehr schriftlich im Postwege erfolgen, sondern elektronisch, ändert nichts daran, dass sie nach außen in Erscheinung treten und somit den Amtsbereich der anfragenden Behörde verlassen (Ritz/Koran, BAO [7. Aufl.], Rz 12 zu § 238 m.w.N.). Da die erste Maßnahme (Abgabenfestsetzung mit Bescheid vom ) noch vor Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist ( bzw. ) gesetzt wurde (auch die Beschwerdevorentscheidung vom und der Pfändungsversuch vom fanden noch innerhalb der ursprünglichen Verjährungsfrist statt) und bis zu den weiteren Maßnahmen jeweils nicht mehr als fünf Jahre verstrichen sind, liegt eine geschlossene Kette von Unterbrechungshandlungen vor, sodass die Umsatzsteuer 1990 bis heute unverjährt ist.

Bei den übrigen exekutionsgegenständlichen Abgaben handelt es sich um Nebenansprüche i.S.d. § 3 Abs. 2 BAO (Verspätungszuschläge: § 3 Abs. 2 lit. b BAO; Kosten des Abgabenverfahrens [darunter fallen auch Kosten des Vollstreckungsverfahrens i.S.d. § 26 AbgEO: Ritz/Koran, BAO, Rz 2 zu § 3]: § 3 Abs. 2 lit. c BAO; Stundungszinsen und Säumniszuschläge: § 3 Abs. 2 lit. d BAO). Diese sind akzessorisch und verjähren gemeinsam mit dem Hauptanspruch (), hier also mit der Umsatzsteuer 1990, sodass auch hinsichtlich dieser Abgaben noch keine Einhebungsverjährung eingetreten ist.

Soweit der Beschwerdeführer auch Festsetzungsverjährung geltend macht, ist festzuhalten, dass Einwendungen gegen den Abgabenanspruch wie insbesondere eine allenfalls eingetretene Festsetzungsverjährung mit Rechtsmittel gegen den Abgabenbescheid geltend zu machen wären und im Verfahren gemäß §§ 12 u. 13 AbgEO (bzw. § 16 Abs. 1 Z 2 AbgEO) nicht (mehr) erhoben werden können (; , 96/17/0454; , 2013/16/0036). Zudem wäre diese - erstmals in der Beschwerde erhobene - Einwendung wegen der in Verfahren nach §§ 12 f. AbgEO herrschenden Eventualmaxime bereits im ursprünglichen Antrag geltend zu machen gewesen (§ 12 Abs. 3 u. § 13 Abs. 2 AbgEO). Im Übrigen konnte im Hinblick darauf, dass die Frist für die Festsetzungsverjährung fünf Jahre beträgt und mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (§ 207 Abs. 2 i.V.m. § 208 Abs. 1 lit. a BAO), die Umsatzsteuer 1990 bei Erlassung des Bescheides am keinesfalls verjährt sein.

Der Beschwerde musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dass die von der belangten Behörde gesetzten Maßnahmen Unterbrechungshandlungen i.S.d. auf § 238 Abs. 2 BAO darstellen, Nebenansprüche gemeinsam mit dem Hauptanspruch verjähren und Einwendungen gegen den Abgabenanspruch im Vollstreckungsverfahren nicht mehr erhoben werden können, ist durch die zitierte Rechtsprechung, von der das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen ist, klargestellt. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren daher nicht zu lösen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 238 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102863.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at