Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.03.2024, RV/7101173/2024

Keine Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs. 2 Z 1 lit a und b EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Michael Gollowitzer Steuerberatungsges.m.b.H., Radetzkystraße 7 Tür 4 5, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2022 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am erwarb der Beschwerdeführer (in der Folge: "Bf.") ***1*** Miteigentumsanteile, verbunden mit Wohnungseigentum (***B-LNR***), an der Liegenschaft ***2*** (***Adresse_Wohnung***).

Mit veräußerte der Bf. den Liegenschaftsanteil um EUR 280.000,00 und gab im Zuge dessen den frühestens mit 2018 genommenen diesbezüglichen Hauptwohnsitz auf. Die Immobilienertragsteuer in der Höhe von EUR 30.880,00 wurde ohne Geltendmachung einer Hauptwohnsitzbefreiung vom Parteienvertreter (Urkundenverfasser) selbst berechnet und abgeführt.

Die belangte Behörde forderte den Bf. mit Schreiben vom auf, die Arbeitnehmerveranlagung 2022 durchzuführen, da auch in Ausland Einkünfte erzielt worden seien.

Am langte die elektronische Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2022 bei der belangten Behörde ein.

Die Veranlagung der Einkommensteuer 2022 erfolgte mit Einkommensteuerbescheid vom und ohne Berücksichtigung von Änderungen betreffend Immobilienertragsteuer.

Dagegen brachte der Bf. rechtzeitig elektronisch via FinanzOnline die Beschwerde vom ein:

"Ich möchte eine Beschwerde einbringen da ich für das Jahr 2022 noch eine Einkommensteuererklärung abgeben möchte ich jedoch aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit derzeit im Ausland bin und es mir daher nicht möglich ist eine solche auszufüllen und am Finanzamt abzugeben.

Eine Einkommensteuererklärung möchte ich deshalb abgeben da ich 2022 meine Wohnung, ***Adresse_Wohnung*** verkaufte und die Wohnung ***3*** kaufte.

Im Zuge des Verkaufs konnte mir jedoch Aufgrund des Melderegisters die Hauptwohnsitzbefreiung nicht gewährt werden.

Als ich die Wohnung erwarb lebten meine Frau und ich getrennt. Wir näherten uns jedoch wieder an, aber der Ausgang war nicht klar. Seit ca. Sommer 2018 lebte ich dann wieder permanent bei meiner Familie. Meine Frau und ich einigten sich aber darauf, dass ich dort nicht gemeldet sein sollte, damit sie weiterhin den Unterhalt beziehen konnte als Sicherheit falls die Annäherung doch scheitern sollte."

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom , elektronisch via FinanzOnline zugestellt am , als unbegründet abgewiesen und dies wie folgt begründet:

"Für die Hauptwohnsitzbefreiung (Tatbestand 1) muss der Hauptwohnsitz innerhalb eines Jahres nach Ankauf begründet werden. Laut Ihrer Beschwerde sind Sie 2018 eingezogen. (Kaufvertrag vom )Der Beschwerde konnte daher nicht entsprochen werden."

Dagegen brachte der Bf. durch seine steuerliche Vertretung elektronisch per FinanzOnline am eine als Vorlageantrag zu wertende Eingabe vom ("Ansuchen um Aufhebung der Berufungsvorentscheidung vom ") ein:

"Im Namen und Auftrag unseres o.g. Mandanten ersuchen wir um die Aufhebung der Berufungsvorentscheidung vom . Mein Mandant schildert im, im Anhang befindlichen Vorlagenantrag, detailliert die Gegebenheiten. Auf deren Basis wir ersuchen die Hauptwohnsitzbefreiung, welche in konkreter Situation zu tragen kommt, auch im Lichte des Gesetzeszweckes zu sehen: Entsprechend dem Sinn und Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung, der darin besteht, dass der Veräußerungserlös ungeschmälert durch eine ertragssteuerliche Belastung zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung steht, Ra 2017/13/0002 Im gegenständlichen Fall ist genau der Sachverhalt eingetreten welcher dem Sinn und Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung entspricht. Es wurde auf Grund von familiären Faktoren Notwendig neuen, den Gegebenheiten halbwegs angepassten Wohnraum zu schaffen. Für die ertragsteuerliche Beurteilung eines Sachverhalts seien immer die tatsächlichen Verhältnisse bzw. der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend (vgl. § 21 BAO)."

Als Anhang zum Vorlageantrag wurde eine Eingabe des Bf. vom übermittelt, welche auszugsweise wie folgt lautet:

"Meine Frau und ich lebten aufgrund unseres Studiums gemeinsam in ***4***. Nachdem meine Frau ihr Studium abgeschlossen hatte, kam von ihrer Schwester die Idee zusammen mit ihrem Lebensgefährten in, ***5***, einen gemeinsamen Wohnsitz zu gründen. Im Sommer 2011 zog meine Frau mit den Kindern an die eben erwähnte Adresse, während ich zwischen ***6*** und ***4*** pendelte, teils wegen meines Studiums und teils um noch Arbeiten in der Wohnung in ***4*** zu erledigen, um diese verkaufen zu können. Das Wohnprojekt mit ihrer Schwester war wegen unüberwindbarer Differenzen, vor allem mit dem Lebensgefährten der Schwester meiner Frau, nicht mehr durchführbar. Somit waren meine Frau und ich gezwungen, da ihre Schwester im Begriff war den Um und Neubau zu beginnen, eine neue Wohnung für uns und unsere Kinder zu suchen. Die Wahl fiel auf die Wohnung am ***Adresse_Wohnung***. Da die Wohnung in ***4*** noch nicht verkauft war konnten wir die Wohnung vorerst nur mieten, jedoch vereinbarte ich mit ihr, dass sobald die Wohnung in ***4*** verkauft sein würde, die Liegenschaft in ***6*** zu kaufen.

Bereits ab Dezember 2013 wohnte meine Frau mit unseren drei Kindern in der Liegenschaft ***Adresse_Wohnung***, auf Basis eines Mietvertrages. Noch bevor meine Frau im Dezember 2013 einzog, begannen wir mit diversen Renovierungsarbeiten (dies wurde vertraglich festgehalten, dass wir erst ab Dezember Miete zahlen würden jedoch ab Oktober Zeit hätten die Wohnung zu renovieren), wie Tapeten entfernen, Wände verspachteln, ausmalen, Boden in der ganzen Wohnung verlegen, sowie diverse Änderungen der Elektroinstallation und die Montage von Vorhängen. Später folgten noch der Bau einer neuen Küche sowie die Grundsanierung des Badezimmers.

Ich erwarb die Liegenschaft ***Adresse_Wohnung*** am . Zu diesem Zeitpunkt hatten sich meine Frau und ich leider getrennt und in den Kaufvertragsverhandlungen stellte sich die Frage ob wir unsere Kinder im Grundbuch eintragen lassen sollten, doch wurde uns von seiten des Anwaltes von dieser Idee abgeraten. Falls die neu angeschaffte Wohnung doch verkauft werden sollte würde dies den Verkauf erheblich verkomplizieren. Daher einigten wir uns darauf dass ich die Wohnung kaufen würde und meine Frau und Kinder darin wohnen, ohne Miete zu zahlen.

Am wurde die Liegenschaft ***vorherige Wohnung*** verkauft.

Aufgrund meiner persönlichen Lage habe ich es damals auch verabsäumt meine Wohnsitzmeldungen richtig durzuführen (siehe Melderegisterauszug), und bekam sogar eine Verwaltungsstrafe vom Magistrat ***4***. Ich wohnte teilweise bei meinen Eltern in ***Wohnung_Eltern***, und teilweise in der Wohnung in ***6***, vor allem um die Kinder zu beaufsichtigen, wenn meine Frau Seminare auswärts hatte, oder sich für ihre berufliche Tätigkeit als Lehrerin vorbereiten musste.

Hauptwohnsitz:

Mitte 2017 kam es zu einer Annäherung zwischen meiner Frau und mir und Anfang 2018 bezog ich wieder dauerhaft die Wohnung am ***Adresse_Wohnung***. Meine Frau und ich vereinbarten jedoch, dass ich vorerst nicht an der ***Adresse_Wohnung*** melden sollte, damit sie nicht den Anspruch auf Unterhalt verlieren würde, weil es zu dieser Zeit noch nicht eindeutig war in welche Richtung sich unsere Beziehung entwickeln würde.

Es wurde von der Rechtsprechung schon festgestellt, dass, bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze sei als Hauptwohnsitz jener Wohnsitz anzusehen, zu dem der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen habe (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Ob ein Hauptwohnsitz vorliege, sei von der Abgabenbehörde im Rahmen der Sachverhaltswürdigung eigenständig zu beurteilen.

Ein Hauptwohnsitz könne aber unabhängig von der Meldung auch vorliegen, wenn der Steuerpflichtige an dem betreffenden Wohnsitz überhaupt nicht gemeldet sei oder dieser Wohnsitz bloß ein "weiterer Wohnsitz" iSd Melderechts sei (siehe EStR 2000 Rz 6638, Ra 2018/15/0111).

Bedingt durch meinen Beruf als Monteur bei der Firma ***7*** kam und kommt es natürlich dazu dass ich mehrere Wochen nicht an der oben genannten Adresse zugegen bin. Während meiner beruflichen Einsätze für meinen Arbeitgeber ist und war es jedoch so, dass ich nicht dauerhaft an einem Ort verweile, sondern im Durchschnitt ungefähr ein bis zwei Wochen am Ort der Arbeitsverrichtung in einem Hotel, oder unter Umständen in einem Appartement mit meinen Arbeitskollegen, untergebracht bin und dann wieder zur nächsten Arbeitsstelle reise. Im Fall solch kurzer Aufenthalte, aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit, kann also nicht im Sinne der Auslegung des Hauptwohnsitzes, ein solcher nicht begründet werden.

Tatsächlich hatte ich die engere persönliche und wirtschaftliche Beziehung, somit den Mittelpunkt meiner Lebensinteressen, zu der Wohnung am ***Adresse_Wohnung***, da dort das Familienleben stattgefunden hat. Daraus folgt dass ich seit Anfang 2018 meinen Hauptwohnsitz an eben genannter Adresse hatte.

(…).

Die Hauptwohnsitzbefreiung gern. §30 Abs.2 Z 1 lit a EStG, sieht eine Ausnahme von der Besteuerung der Grundstücksveräußerung vor, wenn der Veräußerer "ab der Anschaffung mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient hat..."

In der Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt meine Beschwerde mit der Begründung ab, dass ich die ein Jahres Frist zur Begründung des Hauptwohnsitzes nicht einhielt.

Es ist fraglich, ob der Wortlaut des Gesetzestextes, eine so restriktive Auslegung zulässt. Denn "ab der Anschaffung..." beinhaltet keine Frist, sondern nur einen Zeitpunkt. Die Frist wie in meinem so starr auszulegen führt zu dem unerwünschten Ergebnis, dass dies dem Sinn und Zweck des Gesetzes widerspricht.

Die Finanzverwaltung räumt für die Begründung und Aufgabe des Hauptwohnsitzes eine ein Jahres Frist ein. (EStR 6641, 6643). Jedoch stellte der VwGH () auch klar (in diesem Fall Aufgabe des Hauptwohnsitzes), dass diese Fristen nicht starr zur Anwendung kommen müssen sondern auch länger sein können. Ich habe die Wohnung am gekauft und habe Anfang 2018 meinen Hauptwohnsitz begründet. Zudem wohnte dort meine Frau mit unseren Kindern und es war von Anfang an, falls unsere Beziehung wieder zusammenwachsen würde, als Familienwohnung geplant.

Zudem ist aber auch anzumerken dass die Hauptwohnsitzbefreiung auch immer im Lichte des Gesetzeszweckes zu sehen ist: Entsprechend dem Sinn und Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung, der darin besteht, dass der Veräußerungserlös ungeschmälert durch eine ertragssteuerliche Belastung zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung steht, Ra 2017/13/0002 Im gegenständlichen Fall ist genau der Sachverhalt eingetreten welcher dem Sinn und Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung entspricht. Es wurde auf Grund von familiären Faktoren Notwendig neuen, den Gegebenheiten halbwegs angepassten Wohnraum zu schaffen.

Für die ertragsteuerliche Beurteilung eines Sachverhalts seien immer die tatsächlichen Verhältnisse bzw. der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend (vgl. § 21 BAO)"

Die belangte Behörde legte die Beschwerdesache dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vor und brachte im Vorlagebericht vom vor:

"Der Beschwerdeführer beantragt unter Berufung auf die Hauptwohnsitzbefreiung die Ausnahme von der Besteuerung der privaten Grundstücksveräußerung des Miteigentumsanteils an der Liegenschaft ***Adresse_Wohnung***.

Laut eigenem Vorbringen habe er gemeinsam mit seiner Ehegattin auf Basis eines Mietvertrages ebendiese Liegenschaft bereits seit dem Jahr 2013 bewohnt. Vor dem Erstbezug seien bereits umfassende Renovierungsarbeiten durchgeführt worden.

Der Miteigentumsanteil an dieser Liegenschaft wurde am erworben. Zu diesem Zeitpunkt seien Beschwerdeführer und Gattin aber getrennt gewesen, weshalb auch überlegt worden sei, die Kinder in das Grundbuch einzutragen.

Vom Zeitpunkt des Erwerbes an habe der Beschwerdeführer bei " [den] Eltern in ***Wohnung_Eltern***, und teilweise in der Wohnung in ***6***, vor allem um die Kinder zu beaufsichtigen, wenn [die Gattin] Seminare auswärts hatte, oder sich für ihre berufliche Tätigkeit als Lehrerin vorbereiten musste" gewohnt.

Mitte 2017 sei es wieder zu einer Annäherung mit der Gattin gekommen, und Anfang 2018 habe er wieder dauerhaft in der Wohnung ***Adresse_Wohnung*** gewohnt. Nach eigenen Angaben habe er "seit Anfang 2018 [seinen] Hauptwohnsitz an eben genannter Adresse".

Voraussetzung für die Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 ist entweder, dass Eigenheim oder Eigentumswohnung ab der Anschaffung oder Herstellung/Fertigstellung bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird (§ 30 Abs. 2 Z 1 lit a EStG 1988), oder dass diese innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird (§ 30 Abs. 2 Z 1 lit b EStG 1988).

Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist es für die Hauptwohnsitzbefreiung nicht schädlich, wenn Eigenheim oder Eigentumswohnung innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr bezogen werden. Sollten Eigenheim oder Eigentumswohnung noch nicht fertig gestellt sein, beginnt die einjährige Toleranzfrist erst mit der Fertigstellung.

Die Anschaffung der Eigentumswohnung erfolgte mit . Laut dem Vorbringen des Beschwerdeführers wurde der Hauptwohnsitz dort aber erst wieder mit Anfang 2018 begründet. Infolge dieser knapp dreijährigen Unterbrechung hat die Eigentumswohnung nach Ansicht des Finanzamtes seit der Anschaffung nicht durchgehend als Hauptwohnsitz gedient. Die Befreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit a EStG 1988 kann sohin nicht zur Anwendung kommen.

Da laut Beschwerdeführer diese Eigentumswohnung zwischen den Jahren 2015 und 2017 nicht der Hauptwohnsitz war, und sie mit veräußert wurde, kann auch die Befreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 nicht zur Anwendung kommen.

In Bezug auf die Behauptung des Beschwerdeführers, der Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung sei, "dass der Veräußerungserlös ungeschmälert durch eine ertragssteuerliche Belastung zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung steht" (mit Verweis auf ) wird entgegnet, dass nach dem Wortlaut des § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 der Erwerb eines neuen Hauptwohnsitzes aus dem Verkaufserlös keine Voraussetzung für die Anwendung der Befreiung ist.

Die Abweisung wird beantragt."

Die belangte Behörde legte dazu den Kaufvertrag vom vor. Aus diesem geht hervor, dass der Bf. die beschwerdegegenständlichen Liegenschaftsanteile um einen Kaufpreis von EUR 280.000,00 veräußerte.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (in der Folge: "Bf.") erwarb mit Kaufvertrag vom ***1*** Miteigentumsanteile, verbunden mit Wohnungseigentum (***B-LNR***), an der Liegenschaft ***2*** (***Adresse_Wohnung***), und bewohnte diese Liegenschaft frühestens ab Jahresbeginn 2018 als Hauptwohnsitz. Die Wohnung war im Zeitpunkt des Erwerbs bewohnbar und wurde von der Gattin des Bf. bewohnt, von der dieser zu diesem Zeitpunkt getrennt lebte. Mit veräußerte der Bf. den Liegenschaftsanteil um EUR 280.000,00 und gab im Zuge dessen auch diesen Hauptwohnsitz auf. In der Folge wurde Immobilienertragssteuer (ohne Berücksichtigung einer Befreiung) selbstberechnet und abgeführt. Im Zuge der elektronisch eingebrachten Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2022 vom , elektronisch zugestellt per FinanzOnline am , machte der Bf. die Anwendung einer (nicht näher bezeichneten) Hauptwohnsitzbefreiung betreffend die Liegenschaftsanteilsveräußerung geltend. Im Vorlageantrag behandelte der Bf. die Befreiung nach § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ist - soweit entscheidungsrelevant und im Folgenden nicht eigens darauf eingegangen wird - unstrittig, ergibt sich aus dem Akteninhalt und stützt sich auf die Angaben des Bf. sowie auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen der belangten Behörde, insbesondere den Kaufvertrag vom sowie auf Einsichtnahmen in die entsprechenden Datenbanken der Finanzverwaltung. Weiters nahm das Bundesfinanzgericht Einsicht in von der belangten Behörde archivierte Auszügen aus dem Zentralen Melderegister des BMI betreffend Hauptwohnsitzmeldungen. Daraus ergibt sich, dass betreffend den Bf. für den Zeitraum bis in Österreich keine aufrechte Wohnsitzmeldung vorlag. Für den Zeitraum - wurde seitens des Bf. eine Hauptwohnsitzmeldung betreffend eine von der beschwerdegegenständlichen Liegenschaft verschiedenen Adresse erstattet. Erst betreffend den Zeitraum - wurde betreffend den Bf. an der Adresse der verkaufsgegenständlichen Wohnung erstmals eine Hauptwohnsitzmeldung erstattet.

Folgt man dem Vorbringen des Bf., führte dieser zunächst ab 2013 bis längstens 2015 und nach Erwerb der beschwerdegegenständlichen Liegenschaft frühestens ab Jahresbeginn 2018 an der beschwerdegegenständlichen Liegenschaft durchgehend seinen Hauptwohnsitz. Nach dem seitens der belangten Behörde unwidersprochenen und überdies diesbezüglich unverändert übernommenen Vorbringen des Beschwerdeführers habe dieser nach Erwerb der Liegenschaft somit erst frühestens ab dem Jahr 2018 in der verkaufsgegenständlichen Wohnung gewohnt, aber aufgrund von Unterhaltsfragen eine Wohnsitzmeldung erst später und für einen späteren Zeitraum erstattet. Dazu ist festzuhalten, dass aufgrund der hier entscheidungsrelevanten Fragestellung, ob der Beschwerdeführer länger als 5 Jahre in den letzten 10 Jahren vor Veräußerung an dieser Liegenschaft durchgehend seinen Hauptwohnsitz hatte, die Feststellung ausreicht, dass diese durchgehende Hauptwohnsitznahme des Bf. an der beschwerdegegenständlichen Liegenschaft nach Erwerb dieser unstrittig frühestens ab Jahresbeginn 2018 erfolgte (ohne auf einen womöglich später liegenden, genauen Zeitpunkt der Hauptwohnsitznahme näher einzugehen) und dieser Hauptwohnsitz an dieser Liegenschaft bis zum Veräußerungszeitpunkt andauerte.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

3.1.1. Rechtslage

Gemäß § 29 Z 2 EStG (Einkommensteuergesetz) 1988 sind sonstige Einkünfte ua. Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen (§ 30 leg. cit.).

§ 30 Abs. 1 und 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 103/2019 ("Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen") lauten auszugsweise:

"§ 30.

(1) Private Grundstücksveräußerungen sind Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte). (…).

(2) Von der Besteuerung ausgenommen sind die Einkünfte:

1. Aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b), wenn sie dem Veräußerer

a) ab der Anschaffung oder Herstellung (Fertigstellung) bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder

b) innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird."

§ 30a Abs. 1 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 118/2015 lautet:

"Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken im Sinne des § 30 unterliegen einem besonderen Steuersatz von 30% und sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen (§ 2 Abs. 2) zu berücksichtigen, sofern nicht die Regelbesteuerung (Abs. 2) anzuwenden ist."

§ 30b Abs. 3 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 163/2015 lautet:

"Auf Antrag sind die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen gemäß § 30, für die eine selbstberechnete Immobilienertragsteuer entrichtet wurde, mit dem besonderen Steuersatz gemäß § 30a zu veranlagen (Veranlagungsoption). Dabei ist die Immobilienertragsteuer auf die zu erhebende Einkommensteuer anzurechnen und mit dem übersteigenden Betrag zu erstatten."

3.1.2. Erwägungen

Strittig ist, ob dem Bf. eine der beiden Hauptwohnsitzbefreiungen des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a bzw. lit. b EStG 1988 zusteht.

Der Begriff des "Hauptwohnsitzes" wird im EStG 1988 nicht näher bestimmt. Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (). Hat der Steuerpflichtige mehrere Wohnsitze in diesem Sinne der BAO, ist der Hauptwohnsitz im Sinne des § 30 Abs. 2 EStG 1988 jener dieser Wohnsitze, zu dem die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Der Hauptwohnsitzmeldung kommt in diesem Zusammenhang, wie der Beschwerdeführer richtig ausführt, keine materiell-rechtliche Bedeutung zu (Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 30 Tz 143), in Zweifelsfällen kann die polizeiliche An- und Abmeldung allerdings als Indiz dienen ().

Nutzungszeiten während aufrechter Miete, die beispielsweise vor der Anschaffung des Wohnsitzes liegen, werden betreffend die einschlägigen Befreiungsbestimmungen nach der Literatur nicht berücksichtigt, da in diesem Fall in Zeiten vor der Anschaffung kein Eigenheim (Eigentumswohnung) im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b des Veräußerers vorliegt (Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 30 Tz 134, 163 mit Verweis auf Kanduth-Kristen in Jakom EStG7, § 30 Tz 32f). Diesbezüglich hat allerdings der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich des Tatbestands des § 30 Abs. 2 Z 1 lit b EStG 1988 mit Erkenntnis vom , Ra 2017/13/0005 klargestellt, dass das Gesetz auf einen Rechtstitel (Eigentum) dabei nicht Bezug nimmt und daher bei diesem Tatbestand auch (vorherige) Zeiten als Mieter einzurechnen sind.

Der Beschwerdeführer zog in die beschwerdegegenständliche Liegenschaft zunächst im Jahr 2013 (zunächst als Mieter) ein und erwarb diese am , wobei er jedoch zum Erwerbszeitpunkt bereits aufgrund einer Trennung von der Ehegattin nicht mehr dort wohnte und erst wieder frühestens mit Beginn 2018 diese Liegenschaft wieder als Hauptwohnsitz bewohnte. Die Veräußerung erfolgte mit Kaufvertrag vom .

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist nicht strittig, sondern gehen vielmehr beide Parteien übereinstimmend davon aus, dass der Bf. nach Anschaffung der Immobilie frühestens ab Jänner 2018 über einen Hauptwohnsitz in der beschwerdegegenständlichen Liegenschaft verfügte. Vor Anschaffung ergibt sich aufgrund des erstmaligen Einzuges 2013 und des Auszuges spätestens 2015 zunächst kein durchgängiger Hauptwohnsitz von zumindest 5 Jahren. Bei Unterbrechung beginnt der Fristenlauf neu (Kanduth-Kristen in Jakom EStG16 § 30 Rz 32). Folgte man den melderechtlichen Wohnsitzbestätigungen, wäre ohnehin erst mit der Hauptwohnsitz des Bf. wiederum an dieser Liegenschaft begründet worden, was angesichts der Veräußerung im März 2022 ebenfalls einer mindestens 5jährigen, durchgehenden Nutzung als Hauptwohnsitz entgegensteht.

Der Bf. verfügte daher nicht ab Erwerb der Liegenschaft über einen Hauptwohnsitz an dieser. Eine Hauptwohnsitznahme knapp 3 Jahre später ist betreffend den Tatbestand "ab der Anschaffung" in § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 daher angesichts einer rund 1jährigen "Toleranzfrist" mangels besonderer Anhaltspunkte im konkreten Fall (unbedingt notwendige Instandsetzungsarbeiten zur Erreichbarkeit der Bewohnbarkeit etc.) bereits schädlich (vgl. ; , 2003/13/0118; zur Toleranzfrist betreffend Veräußerung: ; ; , Ra 2018/15/0115), zumal die Wohnung im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Gattin des Bf. weiterhin bewohnt werden konnte, was gegen eine Unbewohnbarkeit spricht, welche im Übrigen auch nicht behauptet wurde und welche auch aus Sicht des erkennenden Richters nicht vorlag.

Es liegt längstens ein Hauptwohnsitz des Bf. an der betreffenden Liegenschaft von 2013 bis 2015 und nach einer Unterbrechung wiederum ab Jahresbeginn 2018 bis zum Veräußerung am vor, was selbst bei Annahme eines jeweils nun ununterbrochenen Hauptwohnsitzes eine Dauer von jeweils jedenfalls weniger als 5 Jahren ergibt.

Da der Beschwerdeführer weder von Erwerb an durchgehend mindestens 2 Jahre bis zur Veräußerung (§ 30 Abs. 2 Z 1 lit a EStG 1988), noch für durchgehend mindestens 5 der letzten 10 Jahre vor Veräußerung (§ 30 Abs. 2 Z 1 lit a EStG 1988) an der beschwerdegegenständlichen Liegenschaft über einen Hauptwohnsitz verfügte, bleibt aufgrund des klaren Gesetzeswortlautes kein Raum für die Anwendung einer Befreiung nach den erwähnten Gesetzesstellen. Daran würde, wie ausgeführt, selbst die Einbeziehung der Zeiten als Mieter nichts ändern. Im hier zu beurteilenden Sachverhalt fehlt es insbesondere an der Voraussetzung des durchgängigen Hauptwohnsitzes von mindestens fünf Jahren vor der Veräußerung ().

Die in der Beschwerde und im Vorlageantrag angeführte Bezugnahme auf den Normzweck, den Veräußerungserlös ungeschmälert für den späteren Ankauf eines neuerlichen Hauptwohnsitzes zur Verfügung zu stellen, übersieht, dass dennoch die vom Gesetz aufgestellten Mindesterfordernisse zur Anwendung der abgabenrechtlichen Begünstigung einzuhalten sind und die Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes nicht Tatbestandsmerkmal ist. Abgabenrechtliche Begünstigungen wie Steuerbefreiungen sind als Ausnahmen von der allgemeinen Besteuerung grundsätzlich eng auszulegen.

Da der Bf. keinen der Tatbestände der angeführten Befreiungsbestimmungen betreffend Hauptwohnsitz (§ 30 Abs. 2 Z 1 lit a und b EStG 1988) erfüllte, konnte die entsprechend begehrte Rechtsfolge der Steuerbefreiung im Zuge der Veranlagung der Einkommensteuer 2022 nach § 30a Abs. 1 in Verbindung mit § 30b Abs. 3 EStG 1988 bereits nicht eintreten, unabhängig vom einem damit verfolgten Zweck, da der klare und eindeutige Wortlaut der Befreiungsbestimmungen des § 30 Abs. 2 Z 1 lit a und b EStG 1988 vorgeht. Dies hat auch die belangte Behörde bereits im Zuge der Stellungnahme im Vorlagebericht zutreffend ausgeführt.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde der ständigen Rechtsprechung des VwGH gefolgt und in keiner Rechtsfrage entschieden, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer dieser anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (vgl. ; , Ra 2015/08/0093; , Ra 2020/16/0145). Reine Sachverhaltsfragen sind einer ordentlichen Revision nicht zugänglich. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at