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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.03.2024, RV/5100581/2023

Rückforderung Familienbeihilfe bei einem einjährigen Studium in Großbritannien und einem Praktikum nach Abschluss eines Studiums

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***USt*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 08.2021-02.2023 Sozialversicherungsnummer ***Nr*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der Rückforderungsbetrag an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum August 2021 bis Februar 2022 sowie für Oktober 2022 bis Februar 2023 beträgt:


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Familienbeihilfe
2.294,00
Kinderabsetzbetrag
707,60
Summe
3.004,60

Hinsichtlich der Monate März 2022 bis September 2022 erfolgt keine Rückforderung der Familienbeihilfe bzw. des Kinderabsetzbetrages.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom wurde der belangten Behörde bekannt gegeben, dass ihre Tochter ***Name***, SVNr. ***Nr.2*** seit an der ***X*** University in Großbritannien ein Studium absolviere, das voraussichtlich bis dauere. ***Name*** wohne in dieser Zeit in England.

2. Mit Bescheid vom wurde die Familienbeihilfe sowie der Kinderabsetzbetrag für die Tochter der Beschwerdeführerin für den Zeitraum August 2021 bis Februar 2023 mit folgender Begründung zurückgefordert.

"Familienbeihilfe steht bei einer ernsthaften und zielstrebigen Ausbildung zu. Wann gilt die Ausbildung als ernsthaft und zielstrebig? Das Kind verwendet die volle Zeit dafür, und das Kind tritt in angemessener Zeit zu Prüfungen an. Bei Ihrem Kind trifft das nicht zu.

***Name*** hat im Studienjahr 2021/2022 lediglich Prüfungen im Ausmaß von 9 ECTS Punkten abgelegt. Es liegt kein ernsthaftes und zielstrebiges Studium vor. Germ § 5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 besteht kein Anspruch auf die Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten."

3. Dagegen wurde fristgerecht () Beschwerde erhoben und die Aussetzung der Einhebung beantragt. Begründet wurde die Beschwerde wie folgt:

"Meiner Beschwerde angeschlossen sind Unterlagen, die ersichtlich machen sollen, dass meine Tochter all ihre Studien immer ernsthaft, das Bachelorstudium in Mindestzeit und teilweise sogar mit Auszeichnung betrieben hat und nun das Masterstudium an der Universität in ***X*** (GB) vorrangig und Vollzeit betreibt.

Ich bitte Sie, den Sachverhalt nochmals genau zu prüfen und fleißige und ehrliche Studenten, wie meine Tochter, nicht durch die Aberkennung zugesprochener Unterstützung in Form der Familienbeihilfe rückwirkend finanziell zu belasten. Immerhin hat sie die Familienbeihilfe durch Ihre Sachbearbeiter am bis September 2023 durch Prüfung der seit 2021 rechtzeitig vorgelegten Unterlagen zugesprochen bekommen. Meine Tochter befindet sich ausschließlich für ihr Studium in Ausland.

Aus einem Schreiben der Tochter zum gegebenen Sachverhalt:

hiermit wende ich mich bezüglich der bezogenen Familienbeihilfe ab September 2021 an Sie. Wie bereits bekannt, habe ich im August 2021 mein BA-Studium "Transkulturelle Kommunikation" an der ***UNI*** ***1*** abgeschlossen.

Danach befand ich mich jedoch weiterhin in Ausbildung, und zwar im Rahmen eines sechsmonatigen Vollzeit-Praktikums bei *** in ***1***. Zwar arbeitete ich bei diesem Praktikum in Vollzeit, jedoch nie mit der Absicht dadurch bzw. danach meine Ausbildung abzuschließen. Mein Ziel war es lediglich, das im Studium erworbene Wissen erstmals (und im sicheren Rahmen) anwenden zu können. Für mich war klar, nach Ende des Praktikums, d.h. einer praktisch-orientierten Ausbildungsphase, meine universitäre Ausbildung weiterzuführen. Wäre dies nicht mein Plan gewesen, hätte ich mich nach Ende meines BA-Studiums für sichere, längerfristige Vollzeit-Stellen beworben (- die zudem auch besser bezahlt gewesen wären).

Da sich nach Abschluss meines BA-Studiums "Transkulturelle Kommunikation" einige administrative Schwierigkeiten im Rahmen einer LV-Anerkennung ergeben hatten, musste ich jedoch noch im WS 21 mein BA-Studium "Anglistik/ Amerikanistik" öffnen. Ich hatte allerdings nicht die Absicht, im WS 21 zu studieren. Ein Vollzeit-Praktikum zu absolvieren und nebenbei zu studieren, wäre zeitlich weder möglich noch realistisch gewesen. Nach Abschluss meines Praktikums im Jänner 2022 beschloss ich allerdings, das geöffnete BA-Studium im SS 22 aufzunehmen und aktiv sowie in Vollzeit an Lehrveranstaltungen teilzunehmen. Dies tat ich auch.Kurz darauf bekam ich allerdings überraschend eine Zusage für einen MA-Studienplatz im Ausland. Da dies eine einzigartige Chance war, beschloss ich, mein BA-Studium in ***1*** nach dem SS 22 zu beenden und stattdessen für einen Master ins Ausland zu gehen. Seit September 2022 verfolge ich in Großbritannien somit in Vollzeit mein Masterstudium "Translation and Interpreting" an der ***X*** University, das ich im September 2023 abschließen werde."

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Familienbeihilfe stehe nur dann zu, wenn sich das Kind in Berufsausbildung befinde. Das Praktikum sei als Berufseinstiegsphase anzusehen und stelle keine weitere Berufsausbildung dar. Das zweite begonnene Studium "Anglistik/Amerikanistik" stelle mangels Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit keine Ausbildung im Sinne des FLAG 1967 dar.

Gemäß § 5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

"Zu § 5 Abs 3 FLAG 1967 hat der Verwaltungsgerichtshof (vgl ) ausgesprochen, dass zur Auslegung des Begriffes des "ständigen Aufenthaltes" auf § 26 Abs. 2 BAO zurückgegriffen werden kann (vgl Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG, § 5 Rz 9). Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Lande nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Begriffsbestimmung lasse sich gleichlautend auf das "sich ständig im Ausland aufhalten" des damaligen § 5 Abs 4 FLAG 1967 (nunmehr wortgleich § 5 Abs 3 FLAG 1967) übertragen. Denn wer sich in einem Land unter erkennbaren Umständen aufhalte, dass er dort nicht nur vorübergehend verweile, von dem müsse bei objektiver Betrachtung angenommen werden, dass er sich in jenem Land ständig aufhalte (vgl auch , ).

Das Masterstudium in Großbritannien ist auf längere Zeit angelegt und gem. § 5 Abs. 3 FLAG 1967 ein Studium in einem Drittstaat, wofür kein Familienbeihilfenanspruch besteht."

5. Am wurde der Vorlageantrag eingebracht und wie folgt ergänzend begründet:

"Masterstudium in Großbritannien: Am erhielt ich eine Bestätigung über den Bezug der Familienbeihilfe für ***Name*** bis September 2023, obwohl dem Finanzamt von mir gemeldet wurde, dass meine Tochter von September 2022 bis September 2023 ein Masterstudium in Großbritannien an der ***X*** University absolvieren wird. Man hätte mich schon im Oktober 2022 darauf aufmerksam machen können, dass in diesem Fall keine Familienbeihilfe bezogen werden darf. Das ist nicht geschehen. Nun begründet man die Entscheidung mit: Für "dauerhaft im Ausland lebende Kinder wird keine Familienbeihilfe gewährt". Das finde ich unverschämt, zumal meine Tochter nicht dauerhaft im Ausland lebt, sondern sich für ihr Masterstudium dort befindet und dieses im September2023 abschließen wird. Das Zeugnis mit dem bestätigten Studienerfolg werde ich natürlich einreichen, sobald es uns vorliegt.

Außerdem war meine Tochter in den Osterferien 2023 sowie Ende Juni bis Anfang Juli 2023 zu Hause in *** und wird auch im September 2023 wieder in Österreich sein. (Hinweis: Die Ferienordnung an britischen Universitäten ist etwas anders als in Österreich.) Ist es in Österreich allgemein üblich, dass Kinder, die in Amerika, Australien oder außerhalb der EU ein Austauschsemester machen bzw. dort studieren, keine Familienbeihilfe beziehen dürfen, weil sie sich Ihres Erachtens nach "dauerhaft im Ausland aufhalten"?

Anmerken möchte ich auch, dass es in Österreich sehr wohl eine Stelle gibt, die Studien in Nicht-EU- Staaten anerkennt. Von der Stipendienstelle Innsbruck hat ***Name*** nämlich eine Förderzusage für ein Mobilitätsstipendium für das Auslandsstudium () erhalten. Wie kann es sein, dass eine Stelle in Österreich ein Studium in einem Nicht-EU- Staat anerkennt und eine andere Stelle (Finanzamt Österreich) dies als sich "ständig im Ausland aufhaltend" argumentiert?

Praktikum August 2021 - Jänner 2022: Nun zum Praktikum von August 2021 bis Jänner 2022. Meine Tochter, ***Name***, hat in einem Schreiben als Teil der Beschwerde vom , ausreichend begründet, warum sie dieses Praktikum gewählt hat. ***Name*** hat für das Praktikum zwar 943,00,- €/ Monat erhalten, hätte sie jedoch ihre Ausbildung als abgeschlossen betrachtet, hätte sie wohl einen besser bezahlten Job gesucht und höchstwahrschinlich auch bekommen. Sie erklären in Ihrem Schreiben zudem, dass das Praktikum nichts mit dem Studium "Anglistik/Amerikanistik" zu tun hatte. ***Name*** hat dort jedoch Texte auf Englisch verfasst und war täglich mit Englisch sprechenden Menschen in Kontakt - sehr wohl zum Studium passend. Dass das Sammeln praktischer Erfahrungen zusätzlich zu einer theoretischen universitären Ausbildung derart abgewertet wird, kann ich nicht nachvollziehen.

Bachelor-Studium "Anglistik/Amerikanistik: Nach dem Vollzeit-Praktikum und im Rahmen des Bachelor-Studiums "Anglistik/Amerikanistik" wurden im Sommersemester 2022 Prüfungen absolviert und auch mit guten, teils sogar sehr guten Noten bestanden. Ich kann nicht verstehen, warum ***Name*** vorgeworfen wird, dass sie das Studium nicht ernsthaft betrieben habe. Es sei auch angemerkt, dass es in Österreich sicher nicht viele Studierende gibt, die mit 21 Jahren ein Bachelor- Studium (trotz Corona) fertig haben und ein zweites Bachelor- Studium beginnen. Während des besagten Anglistik/Amerikanistik-Studiums hat ***Name*** sich Anfang 2022 für Masterstudien an drei verschiedenen Universitäten in Großbritannien beworben. Hier waren Aufnahmetests sowie Vorstellungsgespräche nötig und erst im Sommer 2022 war klar, ob und an welcher Universität ***Name*** aufgenommen worden war. Hätte ***Name*** keine Zusagen erhalten, hätte sie das Studium in Österreich normal weitergeführt. So hat sie das Studium aber geschlossen, weil sie es nicht mehr ernsthaft von Großbritannien aus betreiben konnte. Wie hätte sie es denn von dort aus weiterführen können, wenn sie außerdem ein Masterstudium in Vollzeit verfolgte? Das sind für mich Gründe, warum ein Studium in Österreich nicht ernsthaft betrieben werden kann. Anscheinend ist es in Österreich mittlerweile so, dass die Menschen, die fleißig und ehrlich sind, benachteiligt werden und man nicht daran interessiert ist, junge Leute bei einer universitären Ausbildung im Ausland zu unterstützen, um dann gut ausgebildete Fachkräfte in Österreich zu haben. Auf längere Sicht wird dies wohl auch dazu führen, dass besagte Fachkräfte abwandern und ihr Potenzial anderswo nutzen. Zudem möchte ich Sie darüber in Kenntnis setzen, dass ich auch dem Unterrichts- und Finanzminister schreiben und in die Medien gehen werde. Das ist eine Ungeheuerlichkeit für Steuerzahler wie mich. Seit mittlerweile 33 Jahren zahle ich in diesem Land Steuern. Für Kinder, die in der EU leben und Österreich noch nie betreten haben, aber deren Eltern hier arbeiten, wird Familienbeihilfe gewährt. Für mein Kind, das in Österreich geboren wurde, dem Staat nie zur Last gefallen ist (nicht einmal das Coronasemester wurde in Anspruch genommen), gilt das nicht. Ich fühle mich schikaniert."

6. Der Akt wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Tochter der Beschwerdeführerin ***Name*** ***Name***, SVNr. ***Nr.2*** maturierte am und absolvierte im Anschluss das Bachelorstudium "Transkulturelle Kommunikation" an der ***UNI1***. Das Studium wurde am abgeschlossen.

In der Zeit vom bis übte sie ein Praktikum bei der Fa. ***Y*** GmbH aus. Im WS 2021/22 hat sie das Bachelorstudium "Anglistik/Amerikanistik" an der Universität in ***1*** inskribiert. Die Inskription während des Vollzeitpraktikums war auf Grund von organisatorischen Problemen bei der Anrechnung von Lehrveranstaltungen nötig, obwohl seitens der Tochter nicht die Absicht bestand im WS 2021 zu studieren, dies wäre zeitlich weder möglich noch realistisch gewesen. Im Studienjahr 2021/22 (nur im SS 2022) wurden Prüfungen im Ausmaß von 9 ECTS-Punkten abgelegt. Die Abmeldung vom Studium erfolgte am , da die Tochter ab an der ***X*** University in Großbritannien "Master of Arts, in Translation and Interpreting" studierte. Sie wohnte in dieser Zeit in Großbritannien.

Die Familienbeihilfe wurde nach Abschluss des Bachelorstudiums "Transkulturelle Kommunikation" zunächst weiter gewährt, in der Folge aber ab 8/2021 bis 2/2023 zurückgefordert.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig bzw ergeben sich diese aus den nicht der Aktenlage widersprechenden und auch von der belangten Behörde nicht widerlegten Ausführungen der Beschwerdeführerin.

Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. […] Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.

Gemäß § 5 Abs 3 FLAG 1967 idgF besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, sie sich ständig im Ausland aufhalten.

Gemäß § 8 Abs. 2 FLAG 1967 beträgt die Familienbeihilfe für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem das 19. Lebensjahr vollendet wird € 165,10 (ab 2023: € 174,70) zuzüglich Geschwisterstaffel für zwei Kinder € 7,10 (ab 2023: € 7,50).

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro (ab 2023: € 61,80) für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu.

I. Rückforderungszeitraum August 2021 bis Jänner/Februar 2022 - Praktikum

Strittig ist gegenständlich, ob sich die Tochter der Bf. während der Zeit des Praktikums in Berufsausbildung befunden hat.

Nach der Rechtsprechung des VwGH fallen unter den Begriff "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten in einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (vgl. ). Auch ein Praktikum bei jenem Unternehmen absolviert, in dem später ein Beruf ausgeübt wird, kann "Berufsausbildung" sein (vgl. ).

Ihren Abschluss findet eine Berufsausbildung jedenfalls mit dem Beginn der Ausübung eines bestimmten Berufes, auch wenn für den konkreten Arbeitsplatz noch eine spezifische Einschulung erforderlich sein mag.

Nach dieser Judikatur weist jede anzuerkennende Berufsausbildung ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 35f).

Von einer Berufsausbildung zu unterscheiden ist die bloße Einschulung am Arbeitsplatz in Form eines Praktikums, in diesem Fall besteht kein Familienbeihilfenanspruch (vgl. etwa , zu "Model Booker").

Ein Praktikum ist für sich keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967. Ein Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag vermittelndes Praktikum muss entweder Teil einer insgesamt als Berufsausbildung anzusehenden Ausbildung sein (etwa Pflichtpraktikum im Rahmen einer Schulausbildung wie an berufsbildenden höheren Schulen) oder selbst in Form einer schulischen oder kursmäßigen Ausbildung organisiert sein. Letzteres setzt eine etwa einer Lehrlingsausbildung vergleichbare Ausbildung voraus.

Ein Praktikum, das sich auf die praktische Erfahrung auf einem Arbeitsplatz oder auf verschiedenen Arbeitsplätzen in einer Firma beschränkt, ohne dass eine "schulische oder kursmäßige Ausbildung" vorliegt, erfüllt das Kriterium einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 nicht.

Eine im Anschluss an eine abgeschlossene universitäre Ausbildung aufgenommene praktische Ausbildung ist regelmäßig nur dann als Berufsausbildung zu werten, wenn diese Praxis für die Ausübung des Berufes vorgeschrieben ist. Dies ist aber hier nicht der Fall.

Hinsichtlich der Rückforderung an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen im Beschwerdefall (Monate August 2021 bis Februar 2022) ist Folgendes auszuführen:

Wie sich aus der Praktikumsbestätigung der ***Firma*** ergibt, war die Tochter der Beschwerdeführerin 6 Monate im Unternehmen als Journalistin beschäftigt. Ihr Aufgabengebiet umfasste vorrangig Research und Schreiben für ***Firma2***.

Im Rahmen dieses Praktikums hat sich die Tochter der Beschwerdführerin Kenntnisse durch praktische Anwendung angeeignet bzw. vertieft. Das Praktikum erfolgte auf freiwilliger Basis und es erfolgte keine schulische oder kursmäßige Ausbildung für einen Beruf, sodass von einer Berufsausbildung iSd FLAG nicht gesprochen werden kann.

Das Bundesfinanzgericht stellt nicht in Abrede, dass die Erfahrungen des Praktikums wertvoll sowohl für ein allfälliges Studium wie auch für eine spätere Berufsausübung sind, sie begründen aber keinen Anspruch auf Familienbeihilfe (vgl. ).

Im Beschwerdefall liegen auch keine Pflichtpraktika vor, die im Rahmen eines Studiums absolviert hätten werden müssen.

Zum Einwand der Beschwerdeführerin, die Tochter sei der Überzeugung gewesen, sie befinde sich noch in Ausbildung, da sie sich ansonsten einen besser bezahlten Job gesucht hätte ist anzumerken, dass für das Kriterium des Vorliegens einer Berufsausbildung nach dem Familienlastenausgleichsgesetz die gesetzlichen Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit. b FLAG heranzuziehen sind und nicht subjektive Einschätzungen der Tochter der Bf.

II. Rückforderungszeitraum März 2022 bis September 2022 - Bachelorstudium "Anglistik/Amerikanistik"

Basierend auf den vorhandenen gesetzlichen Grundlagen hat die höchstgerichtliche Rechtsprechung herausgearbeitet, dass von einer ernsthaft und zielstrebig betriebenen Berufsausbildung in Form eines Studiums nur dann ausgegangen werden kann, wenn die Ablegung von Prüfungen in einem bestimmten Mindestumfang pro Nachweiszeitraum, d. h., pro Studienjahr, erfolgt ().

Maßstab für die Bemessung des Studienerfolges sind die ECTS-Punkte, die den durchschnittlichen Gesamtaufwand für Studierende pro Studienjahr angeben. Das Arbeitspensum für ein Studienjahr umfasst generell Studienleistungen von 60 ECTS-Punkten. Bei dem laut FLAG erforderlichen Leistungsnachweis von (nur) 16 ECTS-Punkten handelt es sich um lediglich etwas mehr als die Hälfte des für ein Semester festgelegten Aufwandes, der bei der Familienbeihilfe in Bezug auf ein ganzes Studienjahr gilt.

Werden im Nachweiszeitraum keine Prüfungen oder Prüfungen in einem Umfang von weniger als 16 ECTS Punkten abgelegt, so liegt keine Berufsausbildung vor, die zum Bezug der Familienbeihilfe berechtigt. Die bloße Meldung zur Fortsetzung des Studiums etwa, ist als reiner Formalakt nicht geeignet, eine Berufsausbildung nachzuweisen und damit den Anspruch auf Familienbeihilfe zu begründen.

Die Tochter der Beschwerdeführerin war im Wintersemester 2021/2022 für das Bachelorstudium "Anglistik/Amerikanistik" inskribiert, sie hat in dieser Zeit aber ein Vollzeitpraktikum absolviert und das Studium in dieser Zeit nach eigenen Angaben nicht betrieben. Die Inskription erfolgte lediglich aus administrativen Gründen. In dieser Zeit befand sie sich nach Beihilfenrecht daher auch nicht in Berufsausbildung.

Ab dem Sommersemester 2022 hat sie das Studium "Anglistik/Amerikanistik" zielstrebig und ernsthaft betrieben. In dieser Zeit steht ihr nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes daher Familienbeihilfe zu.

III. Rückforderungszeitraum Oktober 2022 bis Februar 2023 - § 5 Abs. 3 FLAG

Gem. § 5 Abs. 3 FLAG idgF besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Bei der Frage des ständigen Aufenthaltes iSd § 5 Abs 3 geht es um objektive Kriterien, die nach den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs 2 BAO zu beurteilen sind (vgl etwa ; ; ). Diese Beurteilung hat nicht auf den subjektiven Gesichtspunkt des Mittelpunktes der Lebensinteressen abzustellen, sondern auf das objektive Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit.

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der ständige Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs 3 unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs 2 BAO zu beurteilen. Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgaben­vorschriften dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Ein Aufenthalt in dem genannten Sinne verlangt grundsätzlich körperliche Anwesenheit. Daraus folgt auch, dass eine Person nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann. Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrechtzuerhalten, ist aber keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (vgl ).

Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen liegt jedenfalls vor, wenn sich der Aufenthalt über einen längeren Zeitraum erstreckt (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 337, und ; ).

Der VfGH hat im Erkenntnis vom , B 2366/00, zum Ausdruck gebracht, dass gegen eine Vorschrift, die bewirkt, dass Personen, die im Ausland (Drittland) lebenden Kindern gegenüber zu Unterhaltsleistungen verpflichtet sind, keine FB gewährt wird, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Der Gesetzgeber wird der verfassungsrechtlichen Pflicht zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltslasten auch dann gerecht, wenn er hiefür nicht den Weg der Gewährung von Transferzahlungen wählt, sondern die Berücksichtigung im Wege des Steuerrechts ermöglicht. Die geltende Rechtslage schließe es nicht von vornherein aus, Unterhaltsleistungen an sich ständig im Ausland aufhaltende Kinder nach den allgemeinen Regeln des § 34 EStG 1988 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Der VwGH hat sich in der Folge im Erkenntnis vom , 2002/14/0050, ebenfalls für die einkommensteuerliche Berücksichtigung derartiger Unterhaltszahlungen (im Wege der außergewöhnlichen Belastung) ausgesprochen.

Das (teilweise) Verbringen der Ferien in Österreich ist jeweils als vorübergehende Abwesenheit zu beurteilen, wodurch der ständige Aufenthalt des Kindes im Ausland nicht unterbrochen wird (; ; ; ; ; vgl. Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 5 Rz 9).

Da die Tochter der Beschwerdeführerin ab September 2022 bis September 2023 in Großbritannien studierte, hielt es sich ständig im Ausland auf, wobei vorübergehende Inlandsaufenthalte, etwa in den Ferien, diesen ständigen Auslandsaufenthalt nicht unterbrechen. Die Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für den Zeitraum Oktober 2022 bis Februar 2023 erfolgte damit zu Recht.

Dem Beschwerdevorbringen, dass eine Bestätigung über den Bezug der Familienbeihilfe bis September 2023 seitens der belangten Behörde ausgestellt worden sei, obwohl dem Finanzamt bekannt gegeben worden sei, dass die Tochter in Großbritannien studieren werde, ist folgendes entgegenzuhalten:

Nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen an (vgl. etwa ; ), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; ). Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 FLAG 1967 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG 1967), Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags oder die Verwendung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Gleiches gilt für den gutgläubigen Verbrauch der Beträge (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 26 Rz 13). Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa oder ).

Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag kein Ermessensspielraum bleibt (vgl. ).

Der gute Glaube an eine (falsche) Rechtsauskunft seitens des Finanzamtes wird daher nicht geschützt (vgl. ; , RV/7100264/2016; ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100581.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at