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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.03.2024, RV/7103592/2023

Familienbeihilfenschädlicher Studienwechsel

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache
***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung zu Unrecht für ***[Sohn]*** für den Zeitraum Oktober 2021 bis September 2022 bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, Steuernummer ***Bf1StNr*** (SVNR ***Bf1SVNR***), zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am erließ das Finanzamt den beschwerdegegenständlichen Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag wie folgt:
Rückforderungsbescheid Einzahlung
- Familienbeihilfe (FB)
- Kinderabsetzbetrag (KG)
für das Kind
Name des Kindes VNR/Geb.dat. Art der Beihilfe Zeitraum von - bis
***[Sohn]*** … 03 99 FB Okt. 2021 - Sep. 2022 KG Okt. 2021 - Sep. 2022
Rückforderungsbetrag beträgt
Art der Beihilfe Summe in €
FB € 2.161,20
KG € 700,80
Rückforderungsbetrag gesamt: € 2.862,00
Sie sind verpflichtet, diesen Betrag
- nach § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 zurückzuzahlen. …
Begründung
Die Familienbeihilfe steht unter folgenden Voraussetzungen zu:
• Das Studium wurde nicht mehr als zwei Mal gewechselt
• Das Studium wurde vor dem 3. gemeldeten Semester gewechselt
Rechtshinweis: § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichgesetzes 1967 (FLAG 1967) in Verbindung mit § 17 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG).
Bei einem Studienwechsel nach dem 3. gemeldeten Semester steht Familienbeihilfe dann zu, wenn die absolvierten Semester aus dem Vorstudium zur Gänze angerechnet wurden (§ 17 Studienförderungsgesetz 1992).
Wenn ein Studienwechsel zu einem Wegfall der Familienbeihilfe führt, besteht erst wieder Anspruch, wenn im neuen Studium so viele Semester absolviert wurden wie im vorigen (§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in Verbindung mit § 17 Studienförderungsgesetz 1992).

Die Beschwerdeführerin (Bf.) erhob Beschwerde wie folgt:
Angefochtene Punkte / beantragte Änderungen / Begründung:
- Rückforderung der Familienbeihilfe
- Einstellung des Anspruchs auf Familienbeihilfe
Begründung:
• Die Rückforderung der Familienbeihilfe vom Okt.21 - Sept.22 beruht auf der Begründung, dass der Studienwechsel meines Sohnes **[Sohn]** nach dem 3. Semester seines ersten Studiums erfolgte. Wie in meiner ersten Erklärung schon angeführt, wurde mein Sohn aufgrund der Corona - Pandemie psychisch krank und konnte daher sein Studium an der TU nicht fortsetzen und war auch nicht fähig, Entscheidungen - wie z.B. einen Studienwechsel - zu treffen. Ich ersuche daher, die Frist aus Krankheits - Gründen auszusetzen und den Wechsel auch nach dem 3. Semester als korrekt anzusehen. Eine ärztliche Bestätigung kann natürlich jederzeit nachgereicht werden.
• Der Studienwechsel erfolgte mit Herbst 2021. Dieser Umstand war dem Finanzamt bekannt. Trotzdem zahlte es die Familienbeihilfe weiter aus. Ich habe hier keine Informationen verschwiegen, also auch nichts verschleiern oder erschleichen wollen und ich wurde auch im Rahmen der telefonischen Auskunft betreffend den Studienwechsel meines Sohnes seitens des Finanzamtes nicht auf Fristen aufmerksam gemacht. Daher konnte ich auch nicht wissen, dass es hier Fristen gegeben hätte, auf die man hätte achten müssen. Ich habe also die Familienbeihilfe im guten Glauben angenommen, ein Umstand, der nach österreichischem Recht eine Refundierung nicht vorsieht. Der Fehler der vermeintlichen Falschberechnung wurde vom Finanzamt gemacht und kann daher mir nicht angelastet werden.
• Wie ich bei einem persönlichen Termin beim Finanzamt erfahren habe, reduziert auch eine Anrechnung von ECTS- Punkten die Fristen. Mein Sohn hatte zwar für sich entschieden, sich nichts anrechnen zu lassen, um sich alle Gegenstände nach der krankheitsbedingten Pause wieder ins Gedächtnis zu rufen, wird aber aus den rein formellen Gründen seitens des Finanzamtes versuchen, die Anrechnung nachzuholen und entsprechend nachzureichen.
• Mein Sohn studiert jetzt glücklicherweise wieder erfolgreich, er hatte voriges Jahr einen Notendurchschnitt von 1,3. Ich muss ihm eine Wohnmöglichkeit in Wien und das Leben dort finanzieren, was eine zusätzliche Belastung von fast 1.000,-€ im Monat bedeutet. Ich denke also, dass alle Voraussetzungen erfüllt sind, die Familienbeihilfe weiter zu erhalten.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung wie folgt:
Begründung:
Wir haben Sie aufgefordert, uns Unterlagen zu senden. Da Sie das nicht getan haben, kommen Sie Ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach (§ 119 Bundesabgabenordnung). Eine Familienleistung steht daher nicht zu.
Folgende Nachweise bzw. Antworten fehlen:
Vorlage einer ärztlichen Bestätigung, ob der Studienwechsel von E033 531 auf FH 0475 krankheitsbedingt erfolgte und ob und in welchem Zeitraum ab Sommersemester 2020 eine vollständige Studienbehinderung aufgrund der Krankheit vorlag
Vorlage eines Studienerfolgsnachweises von Sommersemester 2020 bis Sommersemester 2021
Vorlage eines Anrechnungsbescheides von E033 531 auf FH 0475 falls vorhanden
§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG: Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert.
Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird;
Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.
§ 17 Studienförderungsgesetz 1992 lautet:
Abs. 1: Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende
1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder
2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten
Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder
3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen
Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem
neuen Studium.
Der Grundsatz von Treu und Glauben setzt voraus, dass der Behörde ein Ermessensspielraum eingeräumt ist.
§ 26 Abs. 1 - 3 FLAG 1967 ist keine Ermessenentscheidung. Billigkeitsüberlegungen sind im Rückforderungsverfahren nach leg. cit. vom Finanzamt oder vom Bundesfinanzgericht nicht anzustellen (vgl. ). Einer Rückforderung steht nach derzeitiger Rechtslage auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist. Allerdings kann ein Grund für eine Nachsicht nach § 236 BAO vorliegen (vgl. , , RV/7100264/2016 uvam.).
Nach der ständigen Judikatur ist aber das Legalitätsprinzip (Art. 18 Abs. 1 B-VG: "Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden") grundsätzlich stärker als jeder andere Grundsatz, insbes. als jener von Treu und Glauben.
Der Grundsatz von Treu und Glauben kann somit nur insoweit Auswirkungen zeitigen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (VwGH 15.9,2011, 2011/15/0126), insbesondere bei Ermessensentscheidungen.
Ihr Sohn **[Sohn]** hat ab Oktober 2021 nach sechs Semestern das Studium E033 532 abgebrochen und absolviert ab Oktober 2021 das FH-Studium 0475. Ab Oktober 2021 besteht eine Stehzeit von fünf Semestern, da sich die Stehzeit wegen einer Coronamaßnahme um ein Semester verkürzt. Die Familienbeihilfe ist aus den genannten Gründen zurückzufordern. Ihre Beschwerde ist abzuweisen.

Der Vorlageantrag wurde mit folgender Begründung eingebracht:
Ich habe die Beschwerdevorentscheidung von Ihnen erhalten und bin etwas verwundert, dass Sie darin schreiben, dass ich meine Mitwirkungspflicht verletzt hätte, da ich die geforderten Unterlagen nicht geliefert hätte.
Ich habe sowohl ein Schreiben als auch den Studienerfolgsnachweis fristgerecht eingebracht - ich habe die Unterlagen persönlich im FA Eisenstadt abgegeben. Sollten Sie diese nicht erhalten haben, müssen diese im FA-internen Postlauf verloren gegangen sein.
Ich habe die Unterlagen noch einmal beigelegt.
Davon abgesehen verstehe ich tatsächlich keineswegs die Entscheidung des FA, vor allem, dass eine ehrliche, unbescholtene Bürgerin eines Rechtsstaats mit Recht auf Rechtssicherheit für einen Fehler, den Mitarbeiter des FAs gemacht haben, zur Rechenschaft gezogen werden kann.
Da ich über die genaue Rechtslage in Bezug auf den Erhalt der Familienbeihilfe im Vertrauen auf die korrekte Durchführung durch das FA nicht Bescheid wusste, habe ich - im Unterschied zu vermutlich sehr vielen anderen - offen und ehrlich die Daten dem FA bereitgestellt. Dafür werde ich jetzt bestraft - zusätzlich zu den Problemen und Mehrausgaben, die ich aufgrund der Situation meines Sohnes habe.
Da alles vermutlich keinen Sinn hat und das FA in jedem Fall "am längeren Ast sitzt", auch wenn ich weiß, dass ich - zumindest moralisch gesehen - jedenfalls im Recht bin, ersuche ich, den Fall noch einmal zu überdenken und wenn von einer Refundierung nicht Abstand genommen werden kann, um die Einräumung der Möglichkeit, die Rückzahlung in mehreren Raten vorzunehmen.

Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
Am gab die Beschwerdeführerin (Bf.) im Zuge einer Anspruchsüberprüfung das neue Studium ihres Sohnes bekannt und legte eine Inskriptionsbestätigung betreffend das Wintersemester 2022/23 dazu vor (Dok.5).
Mit Ergänzungsersuchen vom (Dok.6) wurde die Bf. aufgefordert einen Nachweis des Studienabschlusses sowie im Falle eines Studienwechsels einen Anrechnungsbescheid vorzulegen.
Der Antwort der Bf. vom (Dok.7) war u.a. ein Studienerfolgsnachweis der Technischen Universität Wien vom betreffend das Bachelorstudium Medieninformatik über im Zeitraum Jänner 2019 bis November 2020 erreichte 29 ECTS beigelegt. Zudem gab sie bekannt, dass der Sohn aufgrund der Corona-Pandemie psychische Probleme bekommen habe. Aufgrund negativ abgelegter Prüfungen an der TU Wien habe er sich entschieden, auch die bestandenen Prüfungen von der FH Campus Wien nicht anrechnen zu lassen.
Mit Rückforderungsbescheid vom (Dok.1) wurde von der Bf. die Familienbeihilfe für den Sohn im Zeitraum Oktober 2021 bis September 2022 zurückgefordert, da diese aufgrund des schädlichen Studienwechsels nach dem 3. Semester nicht zustehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Bf. vom (Dok.2). Darin machte die Bf. Treu und Glauben geltend und führte aus, dass der Sohn nunmehr doch versuchen werde eine Anrechnung von Prüfungen zu erreichen.
Mit Ergänzungsersuchen vom (Dok.8) wurde die Bf. ersucht eine ärztliche Bestätigung, einen Studienerfolgsnachweis von Sommersemester 2020 bis inkl. Sommersemester 2021 und den Anrechnungsbescheid der TU Wien vorzulegen.
Der Antwort der Bf. vom (Dok.9) ist zu entnehmen, dass sie keine ärztliche Bestätigung vorlegen werde. Am reichte die Bf. den Studienerfolgsnachweis der TU Wien für den Zeitraum bis über die letzte vom Sohn positiv abgelegte Prüfung () nach (Dok.10). Ein Anrechnungsbescheid wurde nicht vorgelegt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom (Dok.3) wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, da Unterlagen nicht vorgelegt worden seien, Treu und Glauben nur bei Ermessensentscheidungen möglich sei und aufgrund des Studienwechsels eine Stehzeit von 5 Semestern bestehe.
Im als Vorlageantrag gewerteten Schreiben der Bf. vom (Dok.4) ersuchte die Bf. den Fall noch einmal zu überdenken.
Beweismittel:
insbesondere
Bestätigung des Studienerfolges der TU Wien vom (Dok.7)
FABIAN - Daten zum Kind vom (Dok.11)
Stellungnahme:
Beim Grundsatz von Treu und Glauben handelt es sich um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der in keinem Gesetz näher definiert wird. Er wird im Bereich des öffentlichen Rechtes nach der Judikatur kraft Analogieschlusses aus dem österreichischen bürgerlichen Recht gewonnen, wo er in § 863 ABGB und § 914 ABGB seinen positiv-rechtlichen Niederschlag fand (). Dieser Grundsatz bedeutet, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben (z.B. , unter Verweis auf Ritz, BAO4, § 114 Tz. 6).
Nach ständiger Judikatur (z.B. ) ist allerdings das Legalitätsprinzip (Art. 18 Abs. 1 B-VG) grundsätzlich stärker als jeder andere Grundsatz, insbesondere als jener von Treu und Glauben. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann somit nur insoweit Auswirkungen zeitigen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (z.B. ), insbesondere also bei Ermessensbestimmungen. So können unrichtige Rechtsauskünfte den Grundsatz von Treu und Glauben verletzen und damit nach Lage des Falles eine Unbilligkeit iSd § 236 Abs. 1 BAO bewirken.
Laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. ) normiert § 26 Abs. 1 FLAG 1967 eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Subjektive Elemente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat.
Da es sich bei § 26 Abs. 1 FLAG 1967 um keine Ermessensbestimmung handelt und auch sonst kein Vollzugsspielraum gegeben ist, wie etwa bei Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe, steht der Grundsatz von Treu und Glauben schon deshalb einer zwingend vorzunehmenden Rückforderung nicht entgegen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Studienwechsel iSd § 17 StudFG vor, wenn der Studierende das von ihm begonnene und bisher betriebene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes unter den Geltungsbereich des StudFG fallendes Studium beginnt ( mwN).
Der Sohn der Bf. hat das Bachelorstudium Medieninformation an der Technischen Universität Wien von Wintersemester 2018 bis Sommersemester 2021 betrieben. Laut Studienerfolgsnachweis der Technischen Universität Wien vom (Dok.7, Seiten 3 bis 4) ist der Sohn der Bf. im Bachelorstudium Medieninformatik zuletzt am zu einer Prüfung (negativ) angetreten.
Erst mit Wintersemester 2021, und somit nach dem sechsten Semester, erfolgte ein Studienwechsel des Sohnes zum FH-Bachelorstudiengang Computer Science and Digital Communications an der Fachhochschule Campus Wien (Dok.11).
Ein Anrechnungsbescheid der Fachhochschule wurde von der Bf. trotz Aufforderung des Finanzamtes mit Ergänzungsersuchen vom nicht vorgelegt (Dok.12).
Da im vorliegenden Fall somit nicht die gesamte Studienzeit des vor dem Studienwechsel betriebenen Studiums Medieninformation für die Anspruchsdauer des nach dem Studienwechsel betriebenen Studiums Computer Science and Digital Communications berücksichtigt wurde, liegt ein schädlicher Studienwechsel iSd § 17 Abs. 1 Z. 1 StudFG vor.
Dieser ist nach § 17 Abs. 3 StudFG nicht mehr zu beachten, wenn die Studierenden in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in den vor dem Studienwechsel betriebenen Studien zurückgelegt haben. Anerkannte Prüfungen aus dem Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten; dabei ist auf ganze Semester aufzurunden.
Im Beschwerdefall beträgt die Wartezeit grundsätzlich sechs Semester. Aufgrund der Regelungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie verkürzt sich diese Wartezeit auf fünf Semester. Die Wartezeit bis zum neuerlichen Bezug der Familienbeihilfe umfasst somit den Zeitraum Oktober 2021 bis inkl. Februar 2024.
Ein weiterer Familienbeihilfenanspruch für den Sohn ist - bei Weiterbetrieb des Studiums - somit nur noch für März 2024 möglich (§ 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967).
Die Abweisung wird beantragt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sohn der Bf. hat das Bachelorstudium Medieninformation an der Technischen Universität Wien vom Wintersemester 2018/19 bis Sommersemester 2021 betrieben (Beschwerdevorlage, zum Finanzamt am rückgelangte Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom ).

Der Sohn der Bf. legte Prüfungen wie folgt ab (Bestätigung des Studienerfolges der TU Wien):
Titel der Lehrveranstaltung ECTS Datum Beurteilung

Wintersemester 2018/19:
Einführung in die Programmierung 1 .01.2019 befriedigend
Technische Grundlagen der Informatik (siehe *3) 6.0 nicht genügend
Orientierung Informatik und Wirtschaftsinformatik 1.0 bestanden
Algebra und Diskrete Mathematik für Informatik 5.0 nicht genügend
und Wirtschaftsinformatik (siehe *3)
Denkweisen der Informatik .02.2019 sehr gut
Falls zu einer Lehrveranstaltung mehrere Zeugnisse existieren, wird jeweils nur das neueste für die Berechnung der Gesamtsummen und Notendurchschnitte verwendet.
*3 ... Zu dieser Lehrveranstaltung existiert ein neueres Zeugnis.

Sommersemester 2019:
Formale Modellierung 3.0 befriedigend
Objektorientierte Modellierung 3.0 gut
Analysis für Informatik und Wirtschaftsinformatik 4.0 nicht genügend
Einführung in die Programmierung 2 (siehe *3) 4.0 nicht genügend

Wintersemester 2019/20:
Einführung in Visual Computing (siehe *3) 6.0 nicht genügend
Algebra und Diskrete Mathematik für Informatik 5.0 befriedigend
und Wirtschaftsinformatik
Algebra und Diskrete Mathematik für Informatik 4.0 nicht genügend
und Wirtschaftsinformatik
Technische Grundlagen der Informatik 6.0 gut

Sommersemester 2020:
Algorithmen und Datenstrukturen 8.0 nicht genügend
Einführung in Visual Computing 6.0 nicht genügend

Wintersemester 2020/21:
Einführung in die Programmierung 2 4.0 nicht genügend

Im Nachweiszeitraum - legte der Sohn der Bf. an der Technischen Universität Wien im Studium UE 033 532 Bachelorstudium Medieninformatik folgende Prüfung ab (Bestätigung des Studienerfolges vom ; beigelegt dem Vorlageantrag):
Titel der Lehrveranstaltung ECTS Datum Beurteilung
Technische Grundlagen der Informatik 6.0 gut (2)

Mit Herbst 2021 erfolgte der Studienwechsel des Sohnes der Bf. (Beschwerde) und absolviert er ab Oktober 2021 das FH-Studium 0475 (Beschwerdevorentscheidung).
Erst mit Wintersemester 2021/22, und somit nach dem sechsten Semester, erfolgte ein Studienwechsel des Sohnes zum FH-Bachelorstudiengang Computer Science and Digital Communications an der Fachhochschule Campus Wien (Beschwerdevorlage mit Verweis auf die FABIAN- Daten Studium Datenübermittlung [Dok.11]).

Am gab die Bf. dem Finanzamt bekannt (zum Finanzamt am rückgelangtes Anspruchsüberprüfungsschreiben [Dok. 5 der Beschwerdevorlage]):
Tätigkeit des Kindes
Studium Studienrichtung Computerscience
Beginn der Tätigkeit: Okt. 2018 [die vorausgefüllte Eintragung wurde nicht geändert!] voraussichtliches Ende:
Womit wird die Ausbildung abgeschlossen: Bachelor
(Art der) Einrichtung: Fachhochschule FH Campus Wien
Legen Sie bitte unbedingt nachfolgende Unterlagen … bei …
Für **[Sohn]**:
x Studienblatt/Studienbuchblatt
x Nachweis des Studienabschlusses

Im Wintersemester 2022/23 war der Sohn der Bf. als ordentlicher Student des FH-Bachelorstudiums: Computer Science and Digital Communications inskribiert (vgl. die - dem zum Finanzamt am rückgelangten Anspruchsüberprüfungsschreiben beigelegte - Inskriptionsbestätigung WS2022/23 vom ).

Am ersuchte das Finanzamt die Bf. (Schreiben an die Bf.)
- um den Nachweis des Studienabschlusses von **[Sohn]** und
- bei Studienwechsel um Vorlage des Anrechnungsbescheides.

Am antwortete die Bf.:
Mein Sohn **[Sohn]** hat begonnen, an der TU Wien Informatik zu studieren. Im Zuge von der Corona - Pandemie kam er ins Trudeln, er konnte mit der Situation des Online - Lernens offensichtlich nicht gut umgehen, wie auch mit der ganzen Pandemiesituation.
Leider gehörte er zu den jungen Menschen, die psychische Probleme bekamen und auch in Behandlung mussten. Zwischenzeitlich ist er glücklicherweise wieder stabil.
Er hat dann beschlossen, sein Studium an der FH Campus in Wien weiter zu führen.
Das macht er jetzt das zweite Jahr sehr erfolgreich. Er absolvierte alle Prüfungen, davon nahezu alle mit "Sehr gut". Da er aber doch die letzten Prüfungen an der TU nicht erfolgreich ablegen konnte, entschied er sich, auch die bestandenen Prüfungen nicht anrechnen zu lassen, sondern alle Unterrichtsfächer an der FH zu besuchen.
Wie telefonisch besprochen schicke ich Ihnen hiermit die Prüfungsnachweise der Studienzeit an der TU Wien.
Ich ersuche aufgrund der Ausnahmesituation um weitere Zuerkennung der Kinderbeihilfe.
Beilagen: Prüfungsnachweis über alle Prüfungen
Prüfungsnachweis über die erfolgreich absolvierten Prüfungen

Am ersuchte das Finanzamt die Bf. wie folgt:
Bitte um Vorlage einer ärztlichen Bestätigung, ob der Studienwechsel von E033 531 auf FH 0475 krankheitsbedingt erfolgte und
ob und in welchem Zeitraum ab Sommersemester 2020 eine vollständige
Studienbehinderung aufgrund der Krankheit vorlag
Vorlage eines Studienerfolgsnachweises von Sommersemester 2020 bis
Sommersemester 2021
Vorlage eines Anrechnungsbescheides von E033 531 auf FH 0475 falls vorhanden

Am antwortete die Bf.:
Ich habe gegen die Rückzahlung der Familienbeihilfe für meinen Sohn **[Sohn]** Beschwerde eingelegt.
Eine Begründung dafür war seine psychische Beeinträchtigung, die vermutlich durch die Corona - Pandemie hervorgerufen wurde und aufgrund derer er sein an der TU Wien begonnenes Studium unterbrechen und dann auf die FH wechseln musste. In Ihrem Schreiben vom ersuchen Sie um Vorlage einer ärztlichen Bestätigung dazu.
Nach Rücksprache mit meinem Mann hat er mir dringend davon abgeraten, da er meint, dass dadurch die Erkrankung unseres Sohnes aktenkundig würde und dieser dadurch stigmatisiert würde und möglicherweise Nachteile im Verlauf seines Lebens haben könnte.
Da ich dem beipflichte und meinem Sohn nicht noch zusätzliche Probleme zu seiner natürlich leider noch nicht ausgeheilten psychischen Problematik verursachen möchte, nehme ich davon Abstand, dieses ärztliche Attest einzuholen. Mein Sohn ist nach wie vor in psychotherapeutischer Behandlung und nimmt Medikamente zur psychischen Stabilisierung.
Ich als seine Mutter und somit der Mensch, der ihn am besten kennt, kann Ihnen aber sagen, dass er definitiv zumindest ein Jahr lang unfähig war, sein Studium weiterzuführen und sich auch nicht in der Lage gefühlt hat, die doch deutlich schwierigere Variante seines Studiums an der TU fertig zu bringen und deswegen an die FH gewechselt hat. Dort geht es ihm jetzt glücklicherweise gut und er absolviert fast alle Prüfungen mit sehr gut oder gut.
Ich möchte aber hier noch einmal darauf hinweisen, dass eine weitere Begründung für meine Beschwerde der Umstand war, dass die Auszahlung der Familienbeihilfe vom Finanzamt aufgrund meiner, der Realität entsprechenden Angaben veranlasst wurde. Wenn die Auszahlung nicht gerechtfertigt gewesen sein sollte, liegt der Fehler also nicht bei mir, sondern beim Finanzamt. Und wie ich schon in der Beschwerde geschrieben habe, hat mir mein Vater - er war Richter - immer wieder gesagt, dass man Dinge oder Geld, die man im guten Glauben empfangen hat, nicht retournieren muss. Ich gehe also davon aus, dass auch das Finanzamt der österreichischen Gesetzgebung unterliegt und das bei der Familienbeihilfe auch so ist. Sollte es hierzu einen geänderten Gesetzestext geben, ersuche ich sie, mir diesen mitzuteilen. Als Sachverständige bei der Burgenländischen Landesregierung weiß ich auch, dass die Behörde nur zu Aktivitäten berechtigt ist, die explizit in einem Gesetz, Verordnung, Erlass, o.ä. stehen. Diese Gesetzesstelle hätte ich bitte gerne angeführt, sollte es hier eine Ausnahme der gültigen österreichischen Rechtslage geben.
Ansonsten ersuche ich Sie noch einmal, von einer Rückzahlung der an mich ausbezahlten Familienbeihilfe abzusehen.

Der Nachweis, dass der Sohn der Bf. krankheitsbedingt am Studium behindert war, wurde nicht erbracht.

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Detailfeststellungen beruhen auf den jeweils angeführten unbedenklichen Grundlagen, dem Vorbringen der Bf. (soweit es das Nichtantreten des Nachweises der/einer krankheitsbedingten Studienbehinderung betrifft) sowie aus den vorgelegten Bestätigungen der TU Wien und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 bestimmt (auszugsweise):
Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (z.B. Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. … Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.

§ 17 Studienförderungsgesetz 1992 bestimmt:
Studienwechsel
(1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende
1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder
2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder
3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.
(2) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten:
1. Studienwechsel, bei welchen die gesamte Studienzeit des vor dem Studienwechsel betriebenen Studiums für die Anspruchsdauer des nach dem Studienwechsel betriebenen Studiums berücksichtigt wird, weil auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen Gleichwertigkeit nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gegeben ist,
2. Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden,
3. Studienwechsel, die unmittelbar nach Absolvierung der Reifeprüfung einer höheren Schule erfolgen, wenn für das während des Besuchs der höheren Schule betriebene Studium keine Studienbeihilfe bezogen wurde,
4. die Aufnahme eines Masterstudiums gemäß § 15 Abs. 3,
5. die Aufnahme eines Doktoratsstudiums gemäß § 15 Abs. 4.
(3) Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn die Studierenden danach so viele Semester zurückgelegt haben, wie sie in dem gemäß Abs. 1 Z 2 zu spät gewechselten Studium verbracht haben. Anerkannte Prüfungen aus dem verspätet gewechselten Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten; dabei ist auf ganze Semester aufzurunden.

Ständige Rechtsprechung ist, dass der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich sind. Hierzu gehören beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen.

Ständige Rechtsprechung ist zudem, dass die Beurteilung, ob die Krankheit nach Art und Ausmaß ihres Auftretens geeignet ist, zu einer Studienbehinderung zu führen, ebenso einem Arzt vorbehalten ist wie die Diagnose der Krankheit selbst. Eine schlüssige ärztliche Bestätigung ist erforderlich. Es muss dargelegt werden, durch welche konkrete Krankheit und zu welchen konkreten Zeiten das Kind derart beeinträchtigt gewesen war, dass es an Studium verhindert gewesen wäre (vgl. bspw. ; ; ; ).

Im Erkenntnis vom , RV/5101691/2015, erwog das Bundesfinanzgericht:
Ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (z.B. Krankheit) kann somit die Studienzeit verlängern. Eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten bewirkt eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Wenn daher die Behinderung pro Semester mindestens drei Monate lang ununterbrochen angedauert hat, kann eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester (bzw. bei längerer Dauer um mehrere Semester) erfolgen. Dabei ist es unerheblich, ob die Studienbehinderung in die Vorlesungszeit oder in die Ferienzeit fällt (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Tz 86).
Die Art des Beweismittels einer krankheitsbedingten Studienbehinderung ist im Gesetz nicht festgelegt, die für eine Verlängerung der Studienzeit oder des Nachweiszeitraumes maßgeblichen Umstände sind daher durch geeignete Beweismittel glaubhaft zu machen. Ist ein zwingender Zusammenhang zwischen der Krankheit einerseits und der behaupteten Studienbehinderung andererseits für den medizinischen Laien nicht erkennbar, bleibt die Beurteilung, ob die Krankheit nach Art und Ausmaß ihres Auftretens geeignet ist, zu einer Studienbehinderung zu führen, ebenso einem Arzt vorbehalten wie die Diagnose der Krankheit selbst. Es ist aber eine schlüssige ärztliche Bestätigung erforderlich (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Tz 87 mit Hinweis auf ).

Im o.a. Erkenntnis vom erwog das Bundesfinanzgericht:
Die Rechtsprechung verlangt, dass in der ärztlichen Bestätigung bestätigt werde, dass der Betreffende eine [zu ergänzen: mindestens] dreimonatige Studienbehinderung hatte.

Der Sohn der Bf. hat das Bachelorstudium Medieninformation an der Technischen Universität Wien vom Wintersemester 2018/19 bis Sommersemester 2021 betrieben. Ab dem Wintersemester 2021/22 begann der Sohn der Bf. seinen FH-Bachelorstudiengang Computer Science and Digital Communications an der Fachhochschule Campus Wien.
Damit verbrachte der Sohn der Bf. volle sechs Semester (2018/19W, 2019S, 2019/20W, 2020S, 2020/21W, 2021S) im Bachelorstudium Medieninformation an der Technischen Universität Wien, bevor er ab Oktober 2021, also mit Beginn des Wintersemesters 2021/22 (2021/22W) den FH-Bachelorstudiengang Computer Science and Digital Communications an der Fachhochschule Campus Wien aufnahm.

Somit war es - nach sechs Semestern Bachelorstudium Medieninformation an der Technischen Universität - mit Beginn des Wintersemesters 2021/22 zu einem - gemäß den obigen Rechtsausführungen (familien)beihilfenschädlichen - Studienwechsel gekommen.

Eine Anrechnung (von Teilen) der Studienzeit des vor dem Studienwechsel betriebenen Bachelorstudiums auf den neuen FH-Bachelorstudiengang wurde nicht nachgewiesen.
Auch eine krankheitsbedingte Studienbehinderung wurde nicht nachgewiesen.

Demgemäß ergibt sich für den Sohn der Bf. nach Berücksichtigung der Covid-19-Pandemie- Regelung (Verkürzung der Wartezeit) eine Wartezeit von fünf Semestern.
Die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen betreffend den Zeitraum Okt. 2021 - Sep. 2022 erfolgte daher zu Recht.

Zum ins Treffen geführten Grundsatz von Treu und Glauben:

Vorweg wird auf die diesbezüglichen, zutreffenden Ausführungen in der Beschwerdevorlage verwiesen.

Im Erkenntnis vom , RV/2100884/2022, erwog das Bundesfinanzgericht:
"Die Bf. wendet sich gegen die Rückforderung der Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag vor allem auch deshalb, weil sie dem Finanzamt gegenüber den Sachverhalt hinsichtlich der Studienwechsel der Tochter offenlegte und das Finanzamt trotzdem die Familienbeihilfe gewährt hatte, um diese schließlich wieder zurückzufordern.
Selbst wenn es aufgrund einer unrichtigen bzw. unvollständigen Würdigung des Sachverhaltes zu einer weiteren Auszahlung der Familienbeihilfe im Fall der Bf. gekommen ist, steht dies einer Rückforderung zu Unrecht gewährter Familienbeihilfe nicht entgegen.
Die Bf. bezieht sich hier auf den Grundsatz von Treu und Glauben. Dabei handelt es sich um eine allgemeine, ungeschriebene Rechtsmaxime, die grundsätzlich auch im öffentlichen Recht zu beachten ist. Gemeint ist damit, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben.
Zu beachten ist jedoch auch das in Art. 18 Abs. 1 B-VG normierte Legalitätsprinzip:
"Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden."
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. ) ist das Legalitätsprinzip grundsätzlich stärker als jeder andere Grundsatz, insbesondere jener von Treu und Glauben. Im Erkenntnis des , wird unter Hinweis auf die Vorjudikatur festgestellt: "Vor dem Hintergrund des Art. 18 Abs. 1 B-VG kommt es der Vollziehung nicht zu, durch bloße Auskunftserteilung die Anordnungen des Gesetzgebers zu unterlaufen. Die Verbindlichkeit eines Gesetzes wird durch die Auskunftserteilung nicht in Wegfall gebracht. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann somit nur insoweit Auswirkungen zeitigen, als das Gesetz der Exekutive einen Vollzugsspielraum eingeräumt hat."
Der Grundsatz von Treu und Glauben kann sich somit in jenen Bereichen auswirken, in welchen es auf Fragen der Billigkeit (wie in § 20 BAO oder bei der Wiederaufnahme des Verfahrens, § 303 BAO) ankommt (). Von Bedeutung ist dieser Grundsatz - im Rahmen einer vorzunehmenden Ermessensübung - dort, wo die Steuerpflichtige durch die Abgabenbehörde (auf Grund einer erteilten Auskunft) zu einem bestimmten Verhalten veranlasst wurde ().
Dass die Tochter aufgrund der fehlerhaften Vorgangsweise des Finanzamtes das Erststudium (verspätet) abbrach, ergibt sich nicht aus der Aktenlage bzw. wird auch von der Bf. nicht behauptet.
Dass aber die Bf. auf Grund des vom Finanzamt erzeugten Anscheins und der Weitergewährung davon ausging, ihr stünden Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu, hindert eine Rückforderung nicht.
Wie der VwGH judiziert, normiert § 26 Abs. 1 FLAG 1967 eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Diese Verpflichtung zur Rückerstattung ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl. mit Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung wie Erkenntnisse ).
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH steht es der Rückforderung auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch das Finanzamt verursacht worden ist (vgl. ).
Vgl. zur umfangreichen höchstgerichtlichen Rechtsprechung auch die ausführlichen Hinweise von Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 26 Rz 12 ff mwN.
Aufgrund der sich aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergebenden objektiven Erstattungspflicht besteht für die Abgabenbehörde insofern kein Vollzugsspielraum. Nach der genannten Gesetzesstelle hat vielmehr derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. zB ; und und ; ).
Da im beschwerdegegenständlichen Zeitraum keine den Familienbeihilfenanspruch begründende Berufsausbildung bei der Tochter der Bf. nach der Gesetzeslage gegeben ist und die Rückerstattungspflicht des § 26 Abs. 1 FLAG 1967 - auch dem BFG - kein Ermessen einräumt, war spruchgemäß zu entscheiden."

Als weitere Beispiele, die allesamt die gleiche Beurteilung beinhalten, seien folgende h.a. Erkenntnisse genannt:
; ;
; ;
;

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung:

Betreffend das Vorbringen "Einräumung der Möglichkeit, die Rückzahlung in mehreren Raten vorzunehmen" ist festzuhalten, dass ein diesbezüglicher Antrag an das Finanzamt, nicht an das Bundesfinanzgericht, zu richten wäre.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit gegenständlichem Erkenntnis wurde nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden. Feststellungen auf der Sachverhaltsebene betreffen keine Rechtsfragen und sind grundsätzlich keiner Revision zugängig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103592.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at