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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.03.2024, RV/7400032/2019

Haftung Vergnügungssteuern gem § 12 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des Magistrats der Stadt Wien vom (MA 6/ARL - 900920/2018 E) zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der Haftungsbetrag wird von EUR 8.091,63 auf EUR 7.370,41 reduziert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Haftungsbescheid vom wurde die Beschwerdeführerin, als persönlich haftende Gesellschafterin der ***1*** für die im Betrieb dieser Gesellschaft in der Zeit von September 2013 bis März 2014 entstandene Vergnügungssteuerschuld (inkl Nebengebühren) iHv EUR 8.091,63 gem § 12 BAO zur Haftung herangezogen.

Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den Bescheid. In der Beschwerde führte die Beschwerdeführerin wie folgt aus:

"Hiermit möchte ich, ***Bf1***, geb. tt.mm.jjjj, gegen den Haftungsbescheid vom folgende Beschwerden einlegen:

  1. Vereinbarung mit dem Aufsteller

  2. Höhe der zu zahlenden Summe

  3. wurde offensichtlich betrogen

Aber am Ärgsten finde ich den Absatz

"Der Abgaberückstand ist erschwert einbringlich, da die ***1*** den Geschäftsbetrieb eingestellt hat."

Dagegen möchte ich unbedingt einen erschwerenden Einspruch/Beschwerde erheben!!!!

Es ist eine Ungehörlichkeit mich des vorsätzlichen Betruges zu bezichtigen! Wenn ich gewusst hätte, was Herr *** macht, oder in dem Fall, offenbar nicht gemacht hat, hätte ich es nie gestattet, dass dieser Automat aufgestellt wird. Offenbar wussten SIE es auch nicht - denn erst jetzt, da Hr. *** in Konkurs gegangen ist, Jahre später, wenden Sie sich an mich.

Mein Geschäftslokal - mein "Baby" musste ich aus Krankheitsgründen nach fast 25 Jahren schließen ….

  1. 1 versetzte Ferse - OP - 6 Monate nicht gehen können

  2. Reha

  3. 2. OP - neues Kniegelenk

Wenn man einen so kleinen Betrieb hat, wie ich, und 14 bis 16 Stunden selbst im Lokal steht, 7 Tage die Woche, ist das Cafe Haus tot, wenn man nicht mehr dort ist, aufgesperrt irgendwann, nicht mehr kocht u.s.w.

Die Stammgäste kommen nicht mehr -

Bis heute bin ich in psychiatrischer Behandlung, weil es soo weh tut, mein Lebenswerk aufgegeben zu haben.

Und SIE wagen es, das in Zusammenhang zu bringen mit dieser Automaten Geschichte?!!

****

Da es aber leider stimmt, dass ich offenbar tatsächlich haftbar bin, und ich diese unleidliche Geschichte endlich abschließen möchte, (wobei ich dachte, das wäre sie schon, nachdem ich ja schon 1x Strafe bezahlt habe) ersuche ich um einen persönlichen Termin, um über die Summe zu sprechen, die Sie einfordern.

Meine finanzielle Situation:

Aus bereits erwähnten Gründen finde ich sehr schwer einen Job, nach 3 Jahren hatte ich jetzt den Ersten.

Hauptberuflich bin ich Omi für meine 2 ½ jährige Enkelin.

Ohne sie hätte ich den Verlust meines Geschäftes und meine Nichteingliederung in das Berufsleben nicht geschafft.

Habe Schulden beim Finanzamt vom Jahresausgleich und nun hat die SVA nach 2 Jahren auch noch Forderungen von EUR 1.650,00

Ich bezahle meine Schulden immer - wenn auch in Raten - aber ausschließlich MEINE Schulden.

Vermögen, Lebensversicherungen, oder dergleichen besitze ich nicht.

[…]"

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen. Als Begründung wird in der Beschwerdevorentscheidung wie folgt ausgeführt:

"In der Beschwerde wird insbesondere auf gesundheitliche Probleme und die schlechte wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin sowie abermals auf die Vereinbarung mit der Eigentümerin und Aufstellerin der Spielautomaten verwiesen.

Wie im bekämpften Bescheid bereits festgestellt, errechnet sich der Rückstand aus den von der Eigentümerin undAufstellerin ***2*** geleisteten Teilzahlungen auf den mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom festgesetzten Abgabenbetrag samt Nebengebühren sowie Stundungszinsen. Da beide Abgabenschuldnerinnen, die ***2*** und die ***1*** keine Geschäftstätigkeit mehr ausüben und daher die Einbringung des Rückstandes nicht möglich ist, wurden gegen den Vertreter bzw. die Vertreterin der beiden Abgabenschuldnerinnen Haftungsbescheide erlassen. Gemäß § 12 BAO haften die Gesellschafter persönlich für die Abgabenschulden der Gesellschaft, wenn Personenvereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit als solche abgabepflichtig sind. Ein schuldhaftes Verhalten unbeschränkt haftender Gesellschafter ist keine Voraussetzung für die Heranziehung zur Haftung und wurde ein solches auch nicht unterstellt. Demnach war die Beschwerdeführerin zur Haftung heranzuziehen und spruchgemäß zu entscheiden"

Mit Schreiben vom stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Vorlage der Beschwerde vor das Bundesfinanzgericht.

Am fand die beantragte mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht statt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Bescheid vom (MA 6/DII/R1-945612/13) schrieb der Magistrat der Stadt Wien der ***1*** und der ***2*** für das Halten eines Spielapparates der Type Apollo im Betrieb Cafe ***3*** in ***4*** gem § 6 VGSG für die Monate Oktober 2013 bis Dezember 2013 Vergnügungssteuer iHv EUR 4.200,00. Gleichzeitig wurde ein Verspätungszuschlag von EUR 420,00 und ein Säumniszuschlag von EUR 84,00 festgesetzt.

Mit Bescheid vom (MA 6/DII/R1-942328/14) schrieb der Magistrat der Stadt Wien der ***1*** und der ***2*** für das Halten eines Spielapparates der Type Apollo im Betrieb Cafe ***3*** in ***4*** gem § 6 VGSG für die Monate September 2013 und Jänner bis März 2014 Vergnügungssteuer iHv EUR 5.600,00 vor. Gleichzeitig wurde ein Verspätungszuschlag von EUR 560,00 und ein Säumniszuschlag von EUR 112,00 festgesetzt.

Die ***1*** war die Betriebsgesellschaft des Cafes ***3***, während die ***2*** die Eigentümerin und Aufstellerin des vergnügungssteuerpflichtigen Spielapparats war.

Die Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Vergnügungssteuer samt Nebengebühren wurde vom Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom (RV/7400095/2015) bestätigt.

Die Beschwerdeführerin ist unbeschränkt haftende Gesellschafterin der ***1***.

Da die Rückstände an Vergnügungssteuer samt Nebengebühren weder von der ***2*** noch von der ***1*** entrichtet wurden, wurde die Beschwerdeführerin mit Haftungsbescheid vom (MA 6/ARL - 900920/2018 E) für folgende noch ausstehende Beträge zur Haftung herangezogen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rückstand
EUR
Vergnügungsteuer
6.508,17
Verspätungszuschlag
778,24
Säumniszuschlag
84,00
Zinsen
658,50
Pfändungskosten
62,72
Summe
8.091,63

Die konkrete Zusammensetzung der vorgeschriebenen Zinsen und Pfändungskosten war nicht nachvollziehbar. Daher reduziert sich der Haftungsbetrag auf EUR 7.370,41.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, aus dem amtlichen Firmenbuchauszug der ***1*** und dem zitierten Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts.

Der Sachverhalt wurde den beiden Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht und es wurden keine Einwendungen erhoben.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde die Zusammensetzung der Zinsen und Pfändungsgebühren besprochen. Dabei hat sich herausgestellt, dass diese aus der Aktenlage nicht vollständig nachvollziehbar seien. Daher war der Haftungsbetrag entsprechend zu korrigieren.

Daher konnte das Bundesfinanzgericht den festgestellten Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde legen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Die Haftungsbestimmung des § 12 BAO lautet wie folgt:

"Die Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichem Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit haften persönlich für die Abgabenschulden der Personenvereinigung. Der Umfang ihrer Haftung richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes."

Durch die Bestimmung des § 12 BAO werden somit die zivilrechtlichen Haftungen der Gesellschafter einer Personengesellschaft (hier: ***1***) nach dem Unternehmensgesetzbuch auch zu abgabenrechtlichen.

Somit haftet die Komplementärin einer Kommanditgesellschaft den Gläubigern der Gesellschaft als Gesamtschuldnerin ()

Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden gem § 224 Abs 1 BAO durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesem ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Im Gegensatz zur Geschäftsführerhaftung des § 9 BAO ist es für eine Haftung nach § 12 BAO nicht erforderlich, dass die abgabenrechtlichen Pflichten schuldhaft verletzt wurden. Eine Komplementärin kann daher verschuldensunabhängig zur Haftung für Abgabenschulden ihrer Kommanditgesellschaft herangezogen werden.

Aufgrund des im Sachverhalt zitierten Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts ist es unzweifelhaft, dass die ***1*** gemeinsam mit der ***2*** Steuerschuldnerin der vorgeschriebenen Vergnügungssteuer ist.

Da diese Vergnügungssteuer samt Nebengebühren von den Steuerschuldnerinnen nicht entrichtet wurde, konnte die Beschwerdeführerin als unbeschränkt haftende Gesellschafterin der ***1*** gem § 12 BAO zur Haftung herangezogen werden.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts beruht auf dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 12 BAO und der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 12 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7400032.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at