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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 21.03.2024, RV/7103924/2023

Unangemessen lange Verfahrensdauer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch V, R sowie die fachkundigen Laienrichter L1 und L2 über die Beschwerde des E, Adresse, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer x,
1. über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung und
2. über die Festsetzung von Aussetzungszinsen
nach der am in Anwesenheit des Beschwerdeführers, des Vertreters des Finanzamtes, V, sowie der Schriftführerin S durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem Bescheid vom forderte das Finanzamt Wien 2/20/21/22, nunmehr Finanzamt Österreich, gemäß § 26 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 vom Beschwerdeführer (Bf.) zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe in der Höhe von 2.252,40 € und Kinderabsetzbeträge in der Höhe von 700,80 €, insgesamt 2.953,20 €, zurück.

Gegen diesen Bescheid brachte der Bf. im Schriftsatz vom das Rechtsmittel der Beschwerde ein, die vom Finanzamt mit der Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen wurde.

Im Schriftsatz vom beantragte der Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und ersuchte "um Aussetzung dieses Betrags (2.953,20 €)".

Mit dem Bescheid vom bewilligte das Finanzamt gemäß § 212a BAO die Aussetzung der Einhebung eines Betrages in der Höhe von 2.953,20 €.

Mit dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7101724/2023, wurde die Beschwerde des Bf. gegen den Rückforderungsbescheid des Finanzamtes vom als unbegründet abgewiesen.

In der Folge erließ das Finanzamt Österreich am den hier angefochtenen Bescheid über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung infolge Beschwerdeerledigung und setzte mit dem hier ebenfalls angefochtenen Bescheid vom gleichen Tag Aussetzungszinsen in der Höhe von 429,08 € fest.

Gegen diese beiden Bescheide vom brachte der Bf. das Rechtsmittel der Beschwerde mit der Begründung ein, er habe einerseits bereits am eine Nachsicht beantragt und habe andererseits seit 2015 keine Verständigung vom Finanzamt erhalten, auch nicht, dass eine hohe Forderung auf ihn zukommen werde und zusätzlich Aussetzungszinsen festgesetzt würden.
Er beziehe eine kleine Mindestpension in der Höhe von 1.577,02 € pro Monat und sei über 80 Jahre alt. Die Schuld könne er bei bestem Willen nicht begleichen.
Er ersuche daher, vom aushaftenden Betrag und der Einhebung der Zinsen Abstand zu nehmen, weil er der Meinung sei, dass diese Forderungen nicht gerechtfertigt seien. Er ersuche um Prüfung des Falles, um eine Lösung zu finden.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Der Aussetzungszinsenanspruch entstehe laufend (tageweise) während der Zeit, in der der Zahlungsaufschub in Anspruch genommen werde. Die Festsetzungsverjährung beginne bei Aussetzungszinsen mit dem Ablauf des Jahres zu laufen, in dem der Abgabenanspruch (jeweils) entstanden sei (§ 208 Abs. 1 lit. a BAO). Die Verjährungsfrist betrage gemäß § 207 Abs. 2 BAO fünf Jahre. Für Aussetzungszinsen, die im Zeitraum bis zur Beschwerdeerledigung entstanden seien, stehe allerdings die Verjährung nicht entgegen, weil diese Festsetzung von der Erledigung einer (vor Eintritt der Verjährung eingebrachten) Beschwerde abhänge (mittelbare Abhängigkeit einer Beschwerde i.S.d. § 209a Abs. 2 BAO; siehe Ritz, BAO6, § 209a Tz 6, S. 772). Aussetzungszinsen seien gemäß § 212 a Abs. 9 BAO für die Dauer des durch die Aussetzung bewirkten Zahlungsaufschubes, der gemäß § 212a Abs. 5 BAO mit dem Ablauf der Aussetzung (oder ihrem Widerruf) ende, zu entrichten (siehe , Rz 18).
Da die Verpflichtung zur Zahlung von Aussetzungszinsen nicht von der Dauer der verfügten Aussetzung getrennt werden könne, erweise sich die Festsetzung von Aussetzungszinsen auch dann als rechtmäßig, wenn der Ablauf erst längere Zeit nach der Beschwerdeerledigung erfolge (siehe Ritz, BAO6, § 212a Tz 32, Seite 813 mit Verweis auf ; ).

Im Schriftsatz vom führte der Bf. aus:
"Ich beantrage nunmehr meine Beschwerde zur Entscheidung dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.
Hinsichtlich der Begründung meines Begehrens und der beantragten Änderungen verweise ich auf meine Beschwerde vom , bzw. möchte diese ergänzen wie folgt:
Mit meiner kleinen Pension von genau 489,91 Euro im Monat, dazu kommt eine Ausgleichszulage von 1.261 Euro, kann ich derzeit bei den extrem hohen Lebenshaltungskosten, und aufgrund meines hohen Alters, diesen meiner Meinung nach ungerechtfertigt hohen Betrag nicht bezahlen. Nachdem dieser hohe Beitrag eine sehr, sehr lange Zeit ausgesetzt wurde (seit 2015) und mir versichert wurde, dass diese Sache erledigt ist, bin ich jetzt sehr überrascht darüber.
Ich beantrage eine mündliche Verhandlung und/oder die Entscheidung durch den Senat."

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat führte der Bf. am aus, er lebe seit 55 Jahren in Österreich und sei jetzt 81 Jahre alt. Er habe seinen drei Kindern eine gute Ausbildung zukommen lassen. Seine Tochter, die derzeit schwanger sei, liege im Spital; er selbst sei ebenfalls krank.
Ihm sei im Zuge einer Vorsprache beim Finanzamt erklärt worden, die Sache sei erledigt, er habe mit keinen weiteren Forderungen seitens des Finanzamtes zu rechnen. Das im Jahr 2023 vom BFG erlassene Erkenntnis habe ihn völlig überrascht. Er sei bei seiner letzten Vorsprache im Finanzamt schlecht behandelt worden und habe sich durch Aussagen der Sachbearbeiterin sehr verletzt gefühlt.
Der Bf. beantragte die Stattgabe der Beschwerde und die Aufhebung der angefochtenen Bescheide.
Der Vertreter des Finanzamtes verwies auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 212a BAO lautet auszugsweise:

(1) Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

(4) Die für Anträge auf Aussetzung der Einhebung geltenden Vorschriften sind auf Bescheidbeschwerden gegen die Abweisung derartiger Anträge und auf solche Beschwerden betreffende Vorlageanträge (§ 264) sinngemäß anzuwenden.

(5) Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer (eines) über die Beschwerde (Abs. 1) ergehenden
a) Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder
b) Erkenntnisses (§ 279) oder
c) anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung
zu verfügen. Die Verfügung des Ablaufes anlässlich des Ergehens einer Beschwerdevorentscheidung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages nicht aus.

(9) Für Abgabenschuldigkeiten sind
a) solange auf Grund eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung, über den noch nicht entschieden wurde, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden (§ 230 Abs. 6) oder

b) soweit infolge einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eintritt, Aussetzungszinsen in Höhe von zwei Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten. Aussetzungszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen. Wird einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben, so sind Aussetzungszinsen vor der Erlassung des diesen Antrag erledigenden Bescheides nicht festzusetzen. Im Fall der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung sind Aussetzungszinsen vor der Verfügung des Ablaufes (Abs. 5) oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen.

Die Beschwerde des Bf. gegen den Bescheid des Finanzamtes vom betreffend die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen hat das Bundesfinanzgericht mit dem Erkenntnis vom , RV/7101724/2023 abgewiesen. Die vom Bf. in seinen Schriftsätzen in diesem Verfahren beantragte neuerliche Prüfung des Rückforderungsbescheides ist nicht möglich, weil die Rückforderung nicht Gegenstand dieses Verfahrens und das Erkenntnis in Rechtskraft erwachsen ist.

Der vom Bf. in der Zwischenzeit eingebrachte Nachsichtsantrag ist ebenso nicht Gegenstand dieses Verfahrens; zuständig für dessen Erledigung ist das Finanzamt.

Gegenstand dieses Verfahrens ist der vom Finanzamt bescheidmäßig am verfügte Ablauf der Aussetzung der Einhebung hinsichtlich des Betrages in der Höhe von 2.953,20 € sowie die Festsetzung von Aussetzungszinsen in der Höhe von 429,08 €.

Dazu bringt der Bf. vor, er habe seit dem Jahr 2015 keine einzige Verständigung über "jegliche offenen Beträge" bekommen. Es werde "plötzlich ein so hoher Betrag, der bereits seit mehreren Jahren geschlossen sei", verlangt.

Der Bf. hat im Schriftsatz vom anlässlich des Antrages auf Vorlage seiner Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge an das Bundesfinanzgericht die Aussetzung des Betrages in der Höhe von 2.953,20 € beantragt, die vom Finanzamt mit dem ihm zugestellten Bescheid vom bewilligt wurde.
In diesem Bescheid wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Aussetzungszinsen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen mit gesondertem Bescheid angefordert werden.

Die Aussetzung der Einhebung ist auch aus der Buchungsabfrage des Abgabenkontos StNr. 551/1741 ersichtlich, wonach der strittige Betrag von 2.953,20 € antragsgemäß am ausgesetzt wurde. Der aushaftende Saldo am Abgabenkonto betrug daher bis zur Erlassung des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes am Null.

Der Bf. konnte aufgrund der Aussage eines Finanzamtsmitarbeiters, "die Sache sei erledigt", nicht davon ausgehen, dass keine weiteren Forderungen bestehen. Die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht sowie die Aussetzung der Einhebung der Forderung, die die Wirkung eines Zahlungsaufschubes hatte (während der Zeit der Aussetzung der Einhebung dürfen Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden) hatte nicht die Beendigung des Verfahrens zur Folge, sondern die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheides durch das Bundesfinanzgericht.

Gemäß § 212a Abs. 5 lit. b BAO ist der Ablauf der Aussetzung anlässlich eines über die Beschwerde ergehenden Erkenntnisses zu verfügen.

Die der Aussetzung der Einhebung zugrundeliegende Beschwerde (betreffend den Bescheid über Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen) wurde mit dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7101724/2023, abgewiesen. Es liegt daher eine die Beschwerde erledigende Entscheidung vor, sodass der vom Finanzamt zwingend zu verfügende Ablauf der Einhebung der Aussetzung zu Recht erfolgte.

Es wurde vom Finanzamt nicht ein "seit mehreren Jahren bereits geschlossener Betrag verlangt", sondern der Ablauf der vom Bf. für die Zeit bis zum Ergehen der Entscheidung beantragten Aussetzung der Einhebung verfügt, sodass am Abgabenkonto die ausgesetzten Beträge wieder vorgeschrieben wurden (siehe Buchungen vom ).
Die Beschwerde war daher diesbezüglich abzuweisen (siehe Punkt 1. des Spruches).

Die Festsetzung der Aussetzungszinsen ist die gesetzliche Folge des verfügten Ablaufes der Aussetzung der Einhebung der Abgabenschulden.

Der Bf. bringt zusammengefasst vor, er sei der Meinung, die Zinszahlungen seien aufgrund des langen Zeitraumes nicht gerechtfertigt.
Dem Bf. ist zuzugestehen, dass eine Erledigungsdauer von acht Jahren als unangemessen lang anzusehen ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Festsetzung von Aussetzungszinsen aber auch dann nicht als rechtswidrig anzusehen, wenn sich das Beschwerdeverfahren als unangemessen lang erweist (, mit Verweis auf Vorjudikatur).

Der Bf. hätte die Festsetzung von Aussetzungszinsen vermeiden oder geringer halten können, wenn er von der Antragstellung gemäß § 212a Abs. 1 BAO Abstand genommen und die Abgabenschuld entrichtet hätte. Er hätte auch nach der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung durch das Finanzamt den durch die Aussetzung der Einhebung bewirkten Zahlungsaufschub jederzeit durch die im § 212a Abs. 8 BAO vorgesehene Tilgung beenden können (siehe dazu ).

Da sich die Rückforderung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge nunmehr als berechtigt herausgestellt hat, und der Bf. die Aussetzung der Einhebung des strittigen Betrages beantragt hat, war das Finanzamt nach § 212a Abs. 9 BAO verpflichtet, die Aussetzungszinsen in der gesetzlich bestimmten Höhe festzusetzen. Die Beschwerde ist daher auch in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen.

Die Einkommens- und Vermögenslage ist im Zuge der Festsetzung von Abgaben nicht zu berücksichtigen. Soweit der Bf. daher seine Beschwerde mit schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen begründet, ist er auf das beim Finanzamt eingebrachte Nachsichtsverfahren zu verweisen.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen treffen im Beschwerdefall nicht zu. Die Entscheidung ist im Einklang mit der zitierten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, sodass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wurde.

Beilage für die Parteien: Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103924.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at