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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 22.03.2024, RV/1100640/2016

Einstellung des Verfahrens bei Vollbeendigung einer Gesellschaft

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***7***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Nachsicht gemäß § 236 BAO, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:

Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin (im Folgenden abgekürzt Bf.), eine GmbH, die teilweise Abschreibung von Abgabenschuldigkeiten. Begründend führte die Bf. aus, ihr aktueller Abgabenrückstand von 197.925,97 € resultiere aus einer die Jahre 2005 bis 2008 betreffenden Betriebsprüfung. Geschuldet werde Umsatzsteuer in Höhe von 60.219,48 € und Körperschaftsteuer in Höhe von 107.467,22 €. Ein Teil dieser Abgabenschulden sei durch am erfolgte Umbuchungen im Ausmaß von 45.709,90 € getilgt worden. Im Wesentlichen werde somit noch die Körperschaftsteuer sowie die Nebengebühren geschuldet.

Im Jahr 2008 habe die Fa. ***1*** den von ihr betriebenen Schiverleih am ***2*** zusammen mit der von der Bf. betriebenen Schischule an die ***3*** in ***4*** verkauft. Aus dem Verkaufserlös sei eine Tilgung der Abgabenverbindlichkeiten nicht möglich gewesen. Aktuell habe die Bf. Forderungen an die ***1*** in Höhe von 1.300.000,00 €.

Die ***1*** sei bemüht, alle von ihr gehaltenen Beteiligungen abzustoßen. Die Veräußerungserlöse seien aber so gering, dass eine Rückführung der Verbindlichkeiten bei der Bf. nicht mehr möglich sein werde.

Aufgrund dieser Situation werde beantragt, 90% der Abgabenverbindlichkeiten abzuschreiben. Der Alleingesellschafter ***5*** würde dafür einstehen, dass die restlichen 10% der Abgabenverbindlichkeiten bezahlt würden.

Mit Bescheid vom wurde das Nachsichtsansuchen vom im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, in einem die Bf. betreffenden anderen Verfahren (Haftung gemäß § 9 BAO) sei die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten bei der Bf. mit dem Vorbringen bestritten worden, die Nichtentrichtung basiere auf einer bloß vorübergehenden Zahlungsstockung. Zwar habe die Bf. derzeit keine liquiden Mittel zur Tilgung ihrer Außenstände, sie habe jedoch hohe Forderungen gegenüber einer anderen Gesellschaft, deren Einbringung als erfolgsversprechend einzustufen sei. Die Abgabenbehörde gehe davon aus, dass dieses im Haftungsverfahren erstattete Vorbringen zutreffe.

Eine Nachsicht bedinge den Bestand einer persönlichen oder sachlichen Unbilligkeit der Abgabeneinhebung. Eine persönliche Unbilligkeit liege insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährde. Eine sachliche Unbilligkeit wäre anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff komme. Bei einer bloß vorübergehenden Zahlungsstockung käme mangels Unbilligkeit eine Nachsicht nicht in Betracht.

In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde führte die Bf. unter Aufrechterhaltung des Nachsichtsantrages aus, sie habe im betreffenden Haftungsverfahren den Nachweis erbracht, dass zwar keine liquiden Mittel vorhanden seien, jedoch Forderungen im Ausmaß von 854.000,00 € gegenüber der Fa. ***1*** bestünden. Sie habe daher davon ausgehen dürfen, dass auf dieser Grundlage die Verpflichtungen gegenüber der Abgabenbehörde langfristig beglichen werden könnten.

Die Forderungen gegenüber der Fa. ***1*** hätten aus zwei wesentlichen Positionen bestanden und zwar zum einen aus eingegangenen Beteiligungsverhältnissen sowie aus einem hingegebenen Darlehen in Höhe von 500.000,00 €.

Das bisherige Ergebnis der Abschichtung der Beteiligungsverhältnisse bei der Fa. ***1*** habe allerdings leider kein Ergebnis erbracht, welches eine Rückführung der Verbindlichkeiten bei der Bf. zugelassen hätte.

Als Ausweg aus dieser Situation bliebe nur noch ein Konkursverfahren. Sie sei jedoch überzeugt, dass auch ein Konkursverfahren keine Quote für die Abgabenbehörde bringen würde. Es wäre also unbillig, wenn die Abgabenbehörde auf die Begleichung des offenen Saldos bestehen würde.

Die Aufrechterhaltung des Angebots zur Begleichung von 10% der Abgabenverbindlichkeiten sei nur durch ein freiwilliges Entgegenkommen des Alleingesellschafters ***5*** möglich. Und selbst diese Möglichkeit eröffne sich ***5*** nur durch einen privaten Liegenschaftsverkauf. Das Guthaben auf dem privaten Abgabenkonto des ***5*** sei lediglich aufgrund einer Falschberechnung und damit einer überhöhten Abfuhr von Immobilienertragsteuer entstanden. Das Finanzamt habe zwischenzeitlich den Betrieb des Tenniscenters (St.Nr. ***6***) auch umsatzsteuerlich als Liebhaberei eingestuft.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde unter Zitierung der gegenständlich maßgeblichen Normen sowie unter Wiedergabe der höchstgerichtlichen Judikatur zur sachlichen und persönlichen Unbilligkeit der Abgabeneinhebung abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, das Beschwerdevorbringen lasse keine Billigkeitsgründe erkennen, sodass keine Nachsicht in Betracht käme.

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag brachte die Bf. unter Verweis auf das bisherige Beschwerdevorbringen ergänzend vor, das Finanzamt habe ihr bereits mit Schreiben vom einen außergerichtlichen Vergleich zugesagt.

Am erfolgte die amtswegige Löschung der Bf. wegen Vermögenslosigkeit (§ 40 FBG) im Firmenbuch.

Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt dem BFG auf Anfrage mit, dass einem von der Bf. im Jänner 2019 eingelangten Ansuchen um Zustimmung zu einem außergerichtlichen Ausgleich im November 2019 Folge gegeben wurde. Auf dem Abgabenkonto der Bf. haftet somit zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Abgabenrückstand aus.

II. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den dem BFG übermittelten Aktenteilen sowie aus dem Schreiben des Finanzamtes vom .

III. Rechtliche Beurteilung

A. Zu Spruchpunkt I. (Einstellung des Beschwerdeverfahrens)

Soll gegen eine nicht voll handlungsfähige Person, die eines gesetzlichen Vertreters entbehrt, oder gegen eine Person, deren Aufenthalt unbekannt ist, eine Amtshandlung vorgenommen werden, so kann gemäß § 82 Abs. 1 BAO die Abgabenbehörde, wenn die Wichtigkeit der Sache es erfordert, auf Kosten des zu Vertretenden die Betrauung eines gesetzlichen Vertreters (§ 1034 ABGB) beim zuständigen Gericht (§ 109 Jurisdiktionsnorm) beantragen. Gemäß § 82 Abs. 2 BAO gilt Abs. 1 sinngemäß, wenn zweifelhaft ist, wer zur Vertretung einer Verlassenschaft befugt ist, oder wer beim Wegfall einer juristischen Person oder eines dieser ähnlichen Gebildes oder eines sonst verbleibenden Vermögens vertretungsbefugt ist.

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom , 2012/04/0143, zum Ausdruck gebracht hat, ist Voraussetzung für das Eingehen des Verwaltungsgerichtes auf eine Beschwerde auch ohne ausdrückliche Erwähnung durch den Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers. Der Bestand eines Rechtsschutzinteresses ist nach Auffassung des Höchstgerichtes dann zu verneinen, wenn es (auf Grund der geänderten Umstände) für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied mehr macht, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer keinen objektiven Nutzen hat, die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (; in diesem Sinne auch ; Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 260 BAO Rz 5).

Wie obig dargelegt wurde, hat das Finanzamt dem Ansuchen der Bf. um Zustimmung zu einem außergerichtlichen Ausgleich im November 2019 Folge gegeben. Da auf dem Abgabenkonto der Bf. somit kein Abgabenrückstand mehr aushaftet, wäre die Bf. durch den angefochtenen Bescheid nicht mehr beschwert, sodass die Grundlage für eine meritorische Entscheidung in der gegenständlichen Angelegenheit weggefallen und die Bescheidbeschwerde gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig geworden zurückzuweisen wäre.

Im Beschwerdefall ist aber überdies zu beachten, dass die Bf., eine GmbH, nicht nur im Firmenbuch gelöscht wurde, sondern auch kein Abwicklungsbedarf mehr besteht. Bei einer solchen Fallkonstellation (Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch, kein Erfordernis einer bescheidmäßigen Festsetzung von Abgaben, die allenfalls zu einem Aktivvermögen der gelöschten Gesellschaft führen könnte) kommt der Bf. keine Rechtssubjektivität mehr zu, sodass das Beschwerdeverfahren einzustellen ist. Da die Bf. durch die Löschung auch ihre organschaftliche Vertretung verloren hat, ist der Einstellungsbeschluss lediglich dem Finanzamt zuzustellen (siehe dazu z.B. ; ).

B. Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall waren die zu beurteilende Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der das gegenständliche Erkenntnis nicht abweicht, geklärt. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist deshalb nicht zulässig.

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 82 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 82 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.1100640.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at