Zeitpunkt des Beginns eines Universitätsstudiums; Verlängerung des Anspruchs auf Familienbeihilfe bei einem Studium infolge der COVID-19-Krise
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff: ***OB***, über die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die Zeiträume Juli 2021 bis September 2021 und Mai 2022 bis Februar 2023 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit dem angefochtenen Bescheid vom forderte das Finanzamt unter Verweis auf die Bestimmungen des § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge in Höhe von insgesamt 3.297,70 Euro zurück, welche die Beschwerdeführerin (Bf.) für ihre Kinder ***K2***, VNR: ***222***, und ***K1***, VNR: ***111***, für die Zeiträume Juli 2021 bis September 2021 und Mai 2022 bis Februar 2023 bezogen hatte, zurück.
Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Sohn der Bf., ***K1***, das Diplomstudium Rechtswissenschaften im Juni 2021 abgeschlossen und das Bachelorstudium Artificial Intelligence im Oktober 2021 begonnen habe. Im Zeitraum Juli bis September 2021 liege kein Studium vor.
§ 2 Abs. 9 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 - Covid-19-Krise - komme nicht zur Anwendung, da das Bachelorstudium im Wintersemester 2021 begonnen worden sei. Nach Vollendung des 25. Lebensjahres im April 2022 bestehe kein Anspruch auf die Familienbeihilfe.
Im Rückforderungsbetrag sei auch die anteilige Geschwisterstaffel für sämtliche Kinder enthalten, für die die Bf. im Rückforderungszeitraum zu Unrecht Familienbeihilfe erhalten habe (§ 8 Abs. 3 FLAG 1967).
Dagegen richtet sich die Beschwerde vom , in der zur Begründung im Wesentlichen Folgendes vorgebracht wurde:
Der Sohn der Bf. habe das Studium der Rechtswissenschaften (Beilage ./A) am abgeschlossen und im darauf folgenden Wintersemester das Studium Artificial Intelligence mit der Studienkennzahl 033 536 an der ***Uni1*** ****** zu studieren begonnen (Beilage .\B). Die Anzahl der absolvierten ECTS sei ausreichend für den Bezug der Familienbeihilfe (Beilage ./C).
Hinsichtlich des Zeitraumes Juli 2021 bis September 2021 argumentiere das Finanzamt, dass das Studium der Rechtswissenschaften im Juni 2021 abgeschlossen und das Bachelorstudium Artificial Intelligence im Oktober 2021 begonnen worden sei.
Das Studium der Rechtswissenschaften sei nicht im Juni 2021, sondern mit dem Bescheid der ***Uni2*** über die Verleihung eines akademischen Grades vom abgeschlossen worden (Beilage.\A). Der Sohn der Bf. sei mit für das Bachelorstudium Artificial Intelligence an der ***Uni1*** gemeldet. (Beilage ./B) Er sei somit - bis auf zwei Wochen - durchgehend ordentlicher Student gewesen.
Zudem habe er die erste Lehrveranstaltung des Bachelorstudiums Artificial Intelligence bereits im September 2021 besucht (Beilage ./D).
Hinsichtlich des Zeitraumes Mai 2022 bis Februar 2023 argumentiere das Finanzamt, dass § 2 Abs. 9 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz nicht anzuwenden sei.
Die Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Gesetzesstelle seien jedoch erfüllt. Das Bachelorstudium Artificial Intelligence sei im Juli 2021 begonnen worden. Der Sohn der Bf. sei zu dieser Zeit 24 Jahre alt gewesen. Er habe den Präsenzdienst absolviert und daher sei die Altersgrenze für den Familienbeihilfenbezug das 25. Lebensjahr.
Das Finanzamt wies in der Folge die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.
Zur Begründung führte die Behörde nach Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen an, dass § 51 Abs. 2 Z. 10 und 11 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002 idgF, von einer Verleihung von akademischen Graden "nach Abschluss" des entsprechenden Studiums spreche und § 68 Abs. 1 Z 6 Universitätsgesetz 2002 regle, dass die Zulassung zu einem Studium erlösche, wenn der Studierende das Studium durch die positive Beurteilung der letzten vorgeschriebenen Prüfung abgeschlossen habe.
Erlösche die Zulassung zu einem Studium mit positiver Beurteilung der letzten vorgeschriebenen Prüfung, so sei es wohl unstrittig, dass ab diesem Zeitpunkt nicht mehr von einer weiter aufrechten Berufsausbildung auszugehen sei und das Studium zu diesem Zeitpunkt - mit Erfüllung der Voraussetzungen am - seinen Abschluss gefunden habe.
Das Diplomstudium Rechtswissenschaften sei im Juni 2021 abgeschlossen worden. Die erste Lehrveranstaltung des im Wintersemester 2021 an der ***Uni1*** in ****** begonnenen bzw. inskribierten Bachelorstudiums Artificial Intelligence sei bereits besucht worden. Im Sommersemester 2021 liege keine Inskription für das Bachelorstudium Artificial Intelligence vor. Es sei lediglich die Anmeldung im Juli 2021 für das Wintersemester 2021 erfolgt.
Für den Monat September 2021 bestehe Anspruch auf die Familienbeihilfe. Für die Monate Juli bis August 2021 sei die Familienbeihilfe nicht zu gewähren.
Nach § 2 Abs. 9 lit. b FLAG 1967, der gem. § 55 Abs. 45 FLAG 1967 mit in Kraft getreten sei, verlängere sich die Anspruchsdauer gem. § 2 Abs. 1 lit. b leg. cit. im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise.
Nach einem Ergänzungsersuchen habe die Bf. bekanntgegeben, dass ihr Sohn im Rahmen des Bachelorstudiums Artificial Intelligence keine Lehrveranstaltungen in Präsenz besuchen habe können und dadurch der Kontakt zu Studienkollegen nicht möglich gewesen sei. Der Sohn der Bf. habe an depressionsähnlichen Zuständen gelitten, wobei keine entsprechenden Nachweise vorgelegt worden seien.
Bereits die erste Lehrveranstaltung des Bachelorstudiums Artificial Intelligence im September 2021 sei online angeboten worden. Im ersten Semester - im Wintersemester 2021 - habe der Sohn der Bf. positive Prüfungen im Ausmaß von 16 ECTS Punkten ablegen können, im Sommersemester 2022 im Ausmaß von 24 ECTS Punkten und im Wintersemester 2022 im Ausmaß 31,5 ECTS Punkten. Laut Studienplan betrage die Studiendauer sechs Semester mit 180 ECTS Punkten und werde am Studienort ****** optional mit Distance-Learning-Elementen angeboten.
Das Finanzamt habe eine Studienbeeinträchtigung auf Grund der Covid-19-Krise ab dem Wintersemester 2021 nicht nachvollziehen können. Für die Monate Mai 2022 bis Februar 2023 bestehe daher kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Am beantragte die Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Zur Begründung brachte die Bf. in Ergänzung zu ihrer Beschwerde im Wesentlichen vor (auszugsweise):
"…
3.2. Zeitraum Juli bis August 2021
Die Finanzbehörde argumentiert, dass gemäß Universitätsgesetz das Studienjahr mit 1. Oktober eines Jahres beginnt und die Familienbeihilfe erst mit Anfang eines Studienjahres auszuzahlen sei. In einem weiteren Schritt akzeptiert die Finanzbehörde aber - in direktem Widerspruch zu ihren gerade getätigten Ausführungen zum Universitätsgesetz - die Familienbeihilfe für September 2021 und somit für einen Monat vor Beginn des Studienjahres mit 1. Oktober. Die Finanzbehörde gesteht somit selbst ein, dass die Definitionen des Universitätsgesetzes nicht als taugliche Definitionen zur Auslegung des FLAG herangezogen werden können.
Folgend werden drei Stammrechtssätze angeführt, die den Studienbeginn mit Zulassung zum Studium - und somit Juli 2021 - bestätigen:
3.2.1.Anrechnung der Wahlfächer
Als weiteres Argument für den Zeitraum Juli bis August 2021 möchte ich anführen, dass mein Sohn die Anrechnungen für die Wahlfächer Anfang Juli abgegeben hat (Näheres dazu weiter unten).
Erst mit Bekanntgabe, welche Wahlfächer für das Endzeugnis angerechnet werden sollen, kann das Dekanat ein Endzeugnis ausstellen und ist das Studium als beendet anzusehen.
3.2.1.1. Beweismittel
Da mein Sohn keinen Zugriff mehr auf ***** und das Webmail hat, kann er leider keine Mail als Beweis für den Zeitraum der Versendung der Anrechnung der Wahlfächer vorlegen. Der einzige Beweis ist die Datei selbst. (Beilage ./A) Unter den Eigenschaften der Datei kann der Termin der letzten Änderung nachvollzogen werden:
[...]
Der letzte Änderungstermin ist der . Mein Sohn hat die Anrechnung für die Wahlfächer somit frühestens am an die Studienprogrammleitung versendet.
Der Erstellungstermin ist der , da mein Sohn sich einen neuen Laptop anschaffte und an diesem Tag alle Dateien des alten Laptops auf den neuen Laptop hinüberspielte. Hierbei wird eine neue Kopie der Datei und somit ein neues Erstellungsdatum erstellt. Der Zeitstempel für die letzte Änderung wird aber korrekt weitergegeben.
Mein Sohn hat daher durchgehend studiert.
3.3. Zeitraum Mai 2022 bis Februar 2023
In ihrer Beschwerdevorentscheidung vom argumentiert die Finanzbehörde, dass es durch die COVID-19-Krise zu keiner Beeinträchtigung der Studiendauer gekommen sei, da die Universitäten Zoom und Moodle zur Verfügung stellten sowie mein Sohn positive Prüfungen im Ausmaß von 16, 24 und 31,5 ECTS Punkte ablegte. Die Finanzbehörde geht in ihrer Beschwerdevorentscheidung inhaltlich nicht auf meine Antwort auf das Ergänzungsersuchen ein, sondern verneint pauschal die Voraussetzung einer Beeinträchtigung, die sich weder aus dem Gesetz ergibt noch Gegenstand im Rückforderungsbescheid war. Auch hier habe ich das Gefühl einer willkürlichen Vorgehensweise der Behörde.
Sollte per Gesetz gedacht gewesen sei, dass nur eine nachweisbare Beeinträchtigung zur Verlängerung der Familienbeihilfe führt, so hätte dies, wie bei der Familienbeihilfe auch, von Anbeginn von der Behörde geprüft und von jedem Studenten nachgewiesen werden müssen. Tatsache ist aber, dass das Gesetz als "Generalsanierung" für die Covid-19-Krise unabhängig von der Dauer (oder Intensität) der Beeinträchtigung vom Gesetzgeber gedacht war.
Selbst wenn die Beeinträchtigung eine Voraussetzung für den Erhalt der Familienbeihilfe wäre, was sie aus unserer Sicht nicht ist, wären die Voraussetzungen trotzdem erfüllt, weil wir diese entsprechend nachgewiesen haben (signifikanter Leistungsabfall in der relevanten Periode, der auch begründet wurde und vom prüfenden Beamten auch aus der Historie seiner Studien erkennbar gewesen wäre - das ECTS-freie Semester war jenes, in dem mein Sohn Spitzenkandidat bei der ÖH Wahl war. Die Beurteilung des Beamten hätte auch im Hinblick darauf erfolgen können, dass mein Sohn während seines Jus-Studiums trotz 4 Jahre Mandatarstätigkeit nie derartig schwache Leistungen erbracht hat, dies wurde jedoch nicht gewürdigt. Es wurde lediglich festgestellt, dass keine Nachweise vorgelegt wurden, was die Vermutung nahelegen würde, dass der Bearbeiter unsere Antwort auf das Ersuchen um Auskunft bzw. Vorlage von Unterlagen mit Anhang nie erhalten hätte. Einige Textpassagen deuten jedoch durchaus daraufhin, dass unsere Antwort gelesen wurde. Hier zur Sicherheit noch der Screenshot als Beweis, dass wir die Antwort auf Ersuchen u Auskunft bzw. Vorlage von Unterlagen zeitgerecht eingebracht haben.
[...]
Moodle (seit 20021) und Videokonferenzsoftware wie Zoom (seit 20132) gab es schon lange vor der Covid-19-Epidemie und wurden auch vor der Covid-19-Epidemie auf österreichischen Universitäten und in vielen anderen Bildungseinrichtungen verwendet. Die reine Existenz dieser Software, wie die Finanzbehörde argumentiert, kann somit nicht ausreichen, um die Anwendung der COVID-19-Verlängerungsbestimmung zu verneinen. Folgt man der Argumentation der Finanzbehörde würde das Gesetz bei keinem Studenten zur Anwendung der COVID-19-Verlängerungsbestimmung kommen. Tatsache ist, dass der Präsenzunterricht durch Moodle, Zoom, Teams aber auch YouTube u.ä. nicht ersetzt werden konnte und es dadurch zu signifikanten Qualitätseinbußen in der Lehre gekommen ist.
Auf unsere Sachverhaltsdarstellungen (dass der Präsenzunterricht und das gemeinsame Lernen mit Kommilitonen in Präsenz vor allem in mathematischen Fächern unumgänglich sind, dass mein Sohn bei zwei Fächern aufgrund der fehlenden Präsenz negativ abschloss usw.) wurde zum wiederholten Male nicht eingegangen, weder in Form einer begründeten Ablehnung noch in Form einer Würdigung. Es wirkt sehr willkürlich, wenn behauptet wird, dass keine Nachweise vorgelegt wurden, obwohl die ECTS in diesem Zeitraum wesentlich weniger und atypisch für den Studienverlauf meines Sohnes waren und zwei negative Abschlüsse von Lehrveranstaltungen aufgrund der depressiven Beeinträchtigung und fehlendenden Präsenz nachgewiesen wurden.
Allein die Prüfung der Beeinträchtigung durch Covid wird von unserer Seite als Willkür wahrgenommen, da im Gesetz davon nichts steht und die Intensität der Beeinträchtigung nicht Voraussetzung für die Verlängerung der Familienbeihilfe war, wie auch in der rechtlichen Beurteilung der Finanzbehörde steht:
"Aufgrund der COVID- 19-Krise wird die Absolvierung einer Berufsausbildung (z.B. eines Studiums) insofern saniert werden, als die Studiendauer, für die Familienbeihilfe gewährt wird, durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verlängert wird. Die Covid Krise war als derartiges Ereignis anzusehen."
Die Ablehnung des Anspruchs wird damit begründet, dass es zu keiner Beeinträchtigung kommt, was erstens willkürlich zu unseren Ungunsten angenommen wird und zweitens für uns die rechtliche Relevanz für die Beurteilung des Falls nicht erkennbar ist.
Laut dem Gesetz ist lediglich zu prüfen, ob mein Sohn zu diesem Zeitpunkt studiert hat.
Weiters zeigt die Finanzbehörde selbst den Unterschied der Studienleistung zwischen einem Semester mit Lockdown und einem Semester ohne Lockdown auf. Mein Sohn legte 16 ECTS, 24 ECTS sowie 31,5 ECTS ab. Nicht verständlich ist, wie die Finanzbehörde hier auf keine Studienbeeinträchtigung schließt. Summiert handelt es sich um 71,5 ECTS bei 90 ECTS für die Mindeststudienzeit. Fast ein Semester ging dadurch verloren. Relevant zu wissen ist auch, dass die Lehrveranstaltungen jeweils für das Winter- oder Sommersemester angeboten werden. Die nächste Chance eine nicht geschaffte Lehrveranstaltung nachzuholen ist somit erst im nächsten Studienjahr. Ein Aufholen ist schwieriger und im schlechtesten Fall, muss man ein weiters Jahr auf eine weitere Chance warten und studiert potenziell 8 statt 6 Semester für den Bachelor auf Grund lediglich einer fehlenden Lehrveranstaltung.
Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, dass eine Beeinträchtigung vorliegen muss. Sollte es jedoch so sein, dann ist der Nachweis über die negativen Lehrveranstaltungsergebnisse (aufgrund der fehlenden Präsenzmöglichkeit) und der abfallenden Studienleistung (ECDS) in den gegenständlichen Semestern erbracht, jedoch willkürlich nicht anerkannt worden. Psychische Beeinträchtigungen sind entweder über ärztliche Atteste oder über Leistungsabfall nachweisbar, zweiteres kann von uns nachgewiesen werden, wird aber willkürlich von der Finanz nicht anerkannt. Eine Behandlung bei einem Arzt wurde zum damaligen Zeitpunkt von meinem Sohn nicht angestrebt aus zwei Gründen:
1. Mein Sohn ging davon aus, dass die Depressionen (genauso wie COVID) vorübergehend sind.
2. Eine psychische Behandlung auf ÖGK Kosten war aufgrund der langen Wartezeiten nicht zielführend und eine Therapie, die selbst bezahlt wird, war für meinen Sohn nicht leistbar.
Mein Sohn war während der Zeit auch einmal an COVID erkrankt. Er hat diesbezüglich keinen Nachweis mehr (vielleicht ist dies irgendwo zentral gespeichert und die Finanz hat Zugriff darauf). Wir haben dies aber nicht angeführt, da die Erkrankung aufgrund des extrem milden Verlauft (wie bei jungen Erwachsenen sehr oft der Fall war) sicher nicht zu einer Beeinträchtigung des Studiums geführt hat und somit meiner Meinung nach, für die Beurteilung unseres Falles nicht relevant ist. Sollte es doch relevant sein, werden wir, einer Aufforderung Ihrerseits folgend, gerne noch einen Nachweis erbringen.
3.3.1.Genauere Ausführungen zu den Beeinträchtigungen im Fach Mathematik
Mathematik ist ein Fach, dass am besten in einer Gruppe gelernt wird und von direktem Austausch zwischen den Lehrenden und Studenten lebt. Mathematik wird optimal an einer Tafel oder an einem Blatt Papier gerechnet. Es ist äußerst zeitaufwendig, mathematische Lösungen mittels Maus und Tastatur darzustellen und über Zoom zu besprechen. Ein ausschließlicher Fernunterricht beeinträchtigt das Studium der Mathematik.
Dies soll anhand von folgendem Beispiel dargestellt werden:
Es handelt sich hier um eine einfache Limes-Berechnung aus dem ersten Semester. Ausgesprochen steht hier: "Limes von n gegen Unendlich der n-ten Wurzel von n hoch k minus 1 ist gleich Limes von n gegen Unendlich der n-ten Wurzel von n hoch k mal Limes von n gegen Unendlich von 1 durch die n-te Wurzel von n ist gleich Limes von n gegen Unendlich der n-ten Wurzel von n hoch k mal 1 durch Limes von N gegen Unendlich der n-ten Wurzel von n ist gleich Limes von n gegen Unendlich der n-ten Wurzel von n hoch k."
In einer Übung in Mathematik über Zoom ist das Arbeiten mit einer Tafel nicht möglich. Man kann als Student nicht an die Tafel gehen und die Rechengänge schnell an die Tafel schreiben, die man benötigt, um seine Fragen zu formulieren. Man wird beschränkt, Fragen, die man hat oder Rechengänge, die man nicht versteht, wörtlich auszudrücken. Es ist sowohl für den Professor schwierig (in Sinne von anstrengend) die Frage zu verstehen, als auch für den Studenten, diese richtig zu formulieren. Wenn man bei der Limes-Berechnung etwas nicht versteht, ist man gezwungen den gesamten Rechengang wörtlich auszudrücken. Hier wäre beispielsweise eine Frage: "Wie kommt man von Limes von n gegen Unendlich der n-ten Wurzel von n hoch k mal Limes von n gegen Unendlich von 1 durch die n-te Wurzel von n auf Limes von n gegen Unendlich der n-ten Wurzel von n hoch k mal 1 durch Limes von N gegen Unendlich der n-ten Wurzel von n." Selbst bei einmaligem Lesen dieses Satzes, ist es schwierig zu verstehen, was genau damit gemeint ist. Dieses Problem hat man nicht nur bei Übungen, sondern auch beim gemeinsamen Studium mit Kommilitonen über Zoom.
Weiters können mathematische Gleichungen, wie die Obige, nicht schnell im Computer wie beispielsweise 3+4=7 geschrieben werden. Es gibt viel zu viele Sonderzeichen, die sich auf der Tastatur eines Laptops nicht finden. Man ist gezwungen mathematische Programmiersprachen wie beispielsweise LaTeX zu verwenden. (Anm: Auch die Limes-Berechnung oben wurde in LaTeX geschrieben, um sie auf dem Computer darzustellen.) Diese Programmiersprachen sind aber ebenfalls sehr zeitintensiv und nicht alltagstauglich, um schnelle Berechnungen durchführen und somit Fragen beantworten zu können.
Das Einzige, das bleibt, ist über einen Touchscreen mit Stift die Rechnungen, wie auf einem Blatt Papier vorzurechnen. Mein Sohn verfügt aber weder über ein Tablet noch einen Laptop mit Touchscreen. Auf das Argument hin, dass er sich dieses hätte kaufen sollen, verweise ich auf die finanzielle Situation meines Sohnes, dem dazu das notwendige Geld fehlt. Aber auch über den Touchscreen gibt es über Zoom Verzögerungen, da zuerst der Screen geteilt werden muss und dies meist der Professor oder der Admin der jeweiligen Zoom-Sitzung freischalten muss und danach gewartet werden muss, bis die Verbindung hergestellt wird.
Zusammengefasst sind ein schnelles Stellen und Beantworten von Fragen, das zum Verstehen des Stoffes unerlässlich ist, über Zoom kaum möglich. Die Konsequenz ist ein um einiges erhöhter Arbeitsaufwand und eine Beeinträchtigung des Studiums.
3.3.2. Distance Learning der ***Uni1***
Die Finanzbehörde führt aus, dass das Studium Artificial Intelligence mit Distance Learning Elementen angeboten wird. Der Vollständigkeit halber und um Missverständnisse vorzubeugen möchte ich kurz ausführen, was dieses Distance Learning genau bedeutet.
Distance Learning bedeutet nicht, dass das gesamte Studium über Zoom abgehalten wird, sondern, dass das Studium an der ***Uni1***, einer ********* Universität studiert werden kann, ohne dazu in ****** wohnen zu müssen. Dies schafft die ***Uni1*** über ihre Außenstandorte in ***X*** und ***Y***. Man muss sehr wohl als Student in ***X*** am Außenstandort anwesend sein. Hin und wieder gibt es sogar Präsenztage in ******.3
Die Außenstandorte sind dabei nicht nur leere Räumlichkeiten. Selbst Lehrende des Instituts für Machine Learning der ***Uni1*** arbeiten vom Außenstandort in ***X*** aus.
4. Zusammenfassung der Argumente
Wir fassen unsere Argumente wie folgt zusammen:
1. Die Behörde beurteilt einen Sachverhalt unterschiedlich bei gleichbleibender Faktenlage.
2. Die Behörde würdigt meine Vorbringen nicht oder nur mangelhaft.
3. Die Behörde argumentiert mit gesetzlichen Voraussetzungen, die nicht anzuwenden sind.
4. Dadurch entsteht der Eindruck einer Willkür durch die Behörde.
5. Die gegenständlichen Familienbeihilfebeträge wurden im guten Glauben durch meinen Sohn verbraucht und eine Rückforderung stellt für ihn eine unzumutbare finanzielle Belastung dar.
6. Mein Sohn war durchgehend Student, womit die Familienbeihilfe von Juli bis August 2021 zusteht.
7. Die COVID-19-Verlängerungsbestimmung ist anzuwenden, weshalb die Familienbeihilfe von Mai 2022 bis Februar 2023 zusteht.
1https://de.wikipedia.org/wiki/Moodle, abgerufen am
2https://de.wikipedia.org/wiki/Zoom_Video_Communications, abgerufen am
3 ***Uni1***, abgerufen am
…"
Das Finanzamt legte in der Folge die Beschwerde samt Verfahrensakten mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht vor.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der am ***04/97*** geborene Sohn der Beschwerdeführerin (Bf.) legte im Juni 2015 die Reifeprüfung ab. Nach der Leistung des sechsmonatigen Grundwehrdienstes betrieb er an der ***Uni2*** ab dem Sommersemester 2016 das Diplomstudium Rechtswissenschaften. Mit Bescheid vom wurde ihm der akademische Grad Magister der Rechtswissenschaften (Mag.jur.) verliehen. Er beantragte in der Folge am die Zulassung zum Bachelorstudium Artificial Intelligence an der ***Uni1*** ****** und wurde am selben Tag zu diesem im Wintersemester 2021/22 beginnenden Studium zugelassen.
Erste Lehrveranstaltungen des neuen Bachelorstudiums fanden bereits im September 2021 im digitalen Lehrbetrieb statt.
Die COVID-19-Pandemie setzte sich in Österreich im Herbst 2021 fort und führte vom 22. November bis zu einem vierten allgemeinen Lockdown, der mit für Geimpfte und Genesene wieder aufgehoben wurde (Quelle: nachrichten.at/apa, , "Von Lockdowns und Lockerungen: Eine Corona-Chronologie"; https://www.nachrichten.at/politik/innenpolitik/von-lockdowns-und-lockerungen-eine-corona-chronologie;art385,3573994 ).
Am ***04/22*** vollendete der Sohn der Bf. das 25. Lebensjahr. Er absolvierte im Bachelorstudium Artificial Intellicgence im Wintersemester 2021/2022 Prüfungen im Ausmaß von 16 ECTS Punkten, im Sommersemester 2022 im Ausmaß von 24 ECTS Punkten und im Wintersemester 2022/2023 im Ausmaß von 31,5 ECTS Punkten.
2. Beweiswürdigung
Der unter Punkt 1. dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten sowie aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei.
3. Rechtslage
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben näher bezeichnete Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die u.a für einen Beruf ausgebildet werden. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 StudFG genannte Einrichtung besuchen, bestehen näher ausgeführte Voraussetzungen, insbesondere im Zusammenhang mit der zurückgelegten Studienzeit.
Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Ordentliche Studierende sind gemäß § 51 Abs. 2 Z. 15 Universitätsgesetz 2002 (UG) die Studierenden, die zu den ordentlichen Studien zugelassen sind. Ordentliche Studien sind nach § 51 Abs. 2 Z. 2 UG u.a. die Bachelorstudien.
Gemäß § 60 Abs. 4 UG wird die Studienwerberin oder der Studienwerber mit der Zulassung als ordentliche oder außerordentliche Studierende oder ordentlicher oder außerordentlicher Studierender Angehörige oder Angehöriger dieser Universität.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967 besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer.
Gemäß § 2 Abs. 9 lit. b FLAG 1967 verlängert sich die Anspruchsdauer nach Abs. 1 lit. b und lit. d bis j im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise, für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, abweichend von lit. a über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs. 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein weiteres Semester oder um ein weiteres Ausbildungsjahr, bei einem vor Erreichung der Altersgrenze begonnenem Studium infolge der COVID-19-Krise.
Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal (§ 10 Abs. 4 FLAG 1967).
Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Gleiches gilt für zu Unrecht bezogene und gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlte Kinderabsetzbeträge (§ 33 Abs. 3 EStG 1988 iVm § 26 FLAG 1967).
4. Rechtliche Beurteilung
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) ist die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG 1967 entnehmen lässt, der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit je nach Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. etwa ).
Der Sohn der Bf. hat den Präsenzdienst vor Vollendung des 24. Lebensjahres abgeleistet.
§ 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967 soll sicherstellen, dass Kindern, die den Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienst abgeleistet haben, in typisierender Betrachtungsweise dieselbe Zeitspanne für eine Berufsausbildung zur Verfügung steht, wie jenen Kindern, die diese Dienste nicht ableisten (müssen). Da die Zeit, in der die genannten Dienste abgeleistet werden, den betroffenen Kindern für Ausbildungszwecke "fehlt", wird diese Ausbildungszeit durch die Verlängerung der Anspruchsdauer bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres kompensiert ().
Im Beschwerdefall ist strittig, ob sich der Sohn der Bf. in den Zeiträumen zwischen dem Abschluss des Diplomstudiums Rechtswissenschaften im Juni 2021 und dem Beginn des Bachelorstudiums Artificial Intelligence im Oktober 2021 in Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 befunden hat.
Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Ordentliche Studierende sind gemäß § 51 Abs. 2 Z. 15 UG die Studierenden, die zu den ordentlichen Studien zugelassen sind. Ordentliche Studien sind nach § 51 Abs. 2 Z. 2 UG u.a. die Bachelorstudien.
Der Besuch einer Einrichtung im Sinn des § 3 StudFG beginnt bei Studien, welche an österreichischen Universitäten im Sinn des § 3 Abs. 1 Z. 1 StudFG ausgeübt werden - mit der Zulassung zum Studium gemäß § 60 Abs. 4 UG (; Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG², § 2 Rz 59).
Der VwGH hat im zuletzt angeführten Erkenntnis mit Verweis auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung klargestellt, dass die - für das Vorliegen einer Berufsausbildung notwendige - Voraussetzung eines ernstlichen, zielstrebigen und nach außen erkennbaren Bemühens um einen Ausbildungserfolg seit dem Inkrafttreten der Änderung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 311/1992 nur noch außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besonders geregelten Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des StudFG 1992 relevant ist.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung sind im vorliegenden Fall die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages in den hier strittigen Monaten Juli 2021 bis September 2021 erfüllt, da die Zulassung gemäß § 60 Abs. 4 UG zum hier maßgeblichen Bachelorstudium Artificial Intelligence nachweislich bereits am erfolgte.
Im Beschwerdefall ist auch die Beurteilung des Anspruchs der Bf. auf Familienbeihilfe im Hinblick auf die in § 2 Abs. 9 lit. b FLAG 1967 im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise vorgesehene Verlängerung der Berechtigungsdauer der Familienbeihilfe um ein Semester für die Zeiträume Mai 2022 bis Februar 2023 strittig.
In den Materialien zum 6. COVID-19-Gesetz, BGBl. I Nr. 28/2020, (126 BlgNR 27. GP, 2-3) heißt es dazu:
"Für Volljährige wird die Familienbeihilfe grundsätzlich nur dann gewährt, wenn sie sich in Berufsausbildung befinden (z.B. ein Studium betreiben). Mit Vollendung des 24. Lebensjahres endet der Familienbeihilfenbezug, wobei einige Ausnahmen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres vorgesehen sind (z.B. Ableistung des Präsenz- oder Zivildienstes).
Auf Grund der COVID-19-Krise wird die Absolvierung einer Berufsausbildung (z.B. eines Studiums) im Regelfall beeinträchtigt und daher die Fortsetzung bzw. der Abschluss verzögert.
Innerhalb der derzeit im FLAG 1967 vorgesehenen Altersgrenzen kann eine Unterbrechung der Berufsausbildung (z.B. eines Studiums) insofern saniert werden, als die Studiendauer, für die Familienbeihilfe gewährt wird, durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verlängert werden kann. Die derzeitige COVID-19-Krise ist als derartiges Ereignis anzusehen und zwar unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung. Diese Verlängerung wird unmittelbar in Bezug auf jene Studienphase wirksam, in der die Beeinträchtigung durch die COVID-19-Krise erfolgt.
Um die angesprochenen Nachteile für die in Rede stehende Personengruppe zu kompensieren, deren Gesamtstudiendauer, die für die Gewährung der Familienbeihilfe im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise zur Verfügung steht, über die Vollendung des 24. oder 25. Lebensjahres hinausgeht, soll die Zeitdauer der Gewährung der Familienbeihilfe über diese derzeit geltenden Altersgrenzen hinaus verlängert werden. Damit soll gewährleistet werden, dass auch - zusätzlich zur bereits vorgesehenen Studiendauer, für die Familienbeihilfe gewährt wird - für jene Zeiten Familienbeihilfe weiter gewährt werden kann, in denen der Studienbetrieb beeinträchtigt war. Dies soll durch eine Verlängerung des Anspruches auf die Familienbeihilfe im Falle einer allgemeinen Berufsausbildung um längstens sechs Monate und im Falle eines Studiums um ein Semester bzw. ein Studienjahr erfolgen."
Der Gesetzgeber geht sohin davon aus, dass die Absolvierung eines Studiums durch die COVID-19-Krise im Regelfall beeinträchtigt wird. Die COVID-19-Krise ist als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd FLAG 1967 anzusehen, das die Studiendauer, für die Familienbeihilfe gewährt wird, verlängern kann, und zwar unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung. Diese Verlängerung wird unmittelbar in Bezug auf jene Studienphase wirksam, in der die Beeinträchtigung durch die COVID-19-Krise erfolgt.
Die COVID-19-Pandemie setzte sich in Österreich im Herbst 2021 fort und führte vom 22. November bis zu einem vierten allgemeinen Lockdown, der mit für Geimpfte und Genesene wieder aufgehoben wurde.
Bei dieser Sachlage ist zumindest im Wintersemester 2021/2022 von Beeinträchtigungen des Studienbetriebes an den Universitäten durch die COVID-19-Krise auszugehen.
Besondere Nachweise hinsichtlich der Dauer der Beeinträchtigung sowie der individuellen Betroffenheit durch die Beeinträchtigung sind dabei nicht erforderlich, da - wie den Materialien zu entnehmen ist - der Gesetzgeber offenkundig davon ausgegangen ist, dass eine Beeinträchtigung im Regelfall vorliegt. Einschränkungen dergestalt, dass die in § 2 Abs. 9 FLAG 1967 genannten Beeinträchtigungen durch die COVID-19-Krise lediglich für das Sommersemester 2020 anzunehmen wären, finden sich weder in den Materialien noch im Gesetz selbst.
Die Anspruchsdauer nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967 verlängerte sich daher gemäß § 2 Abs. 9 lit. b FLAG 1967 für den volljährigen Sohn der Bf., der ein vor Erreichung der Altersgrenze begonnenes Bachelorstudium betrieb, über die Altersgrenze (April 2022) hinaus, um ein weiteres Semester.
Der Bf. steht dementsprechend während des gesamten folgenden Wintersemesters 2022/2023, sohin bis einschließlich Februar 2023 Familienbeihilfe und - gemäß § 33 EStG 1988 daran anknüpfend -der Kinderabsetzbetrag zu.
Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.
5. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Soweit ersichtlich liegt zur verfahrensgegenständlichen Bestimmung des § 2 Abs. 9 FLAG 1967 noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Insoweit war die Revision zuzulassen. Im Übrigen orientiert sich die gegenständliche Entscheidung an der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, sodass diesbezüglich der Revisionsausschluss zum Tragen kommen musste.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 9 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 60 Abs. 4 UG, Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100572.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at