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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 25.03.2024, RV/7100425/2016

Keine Vorschreibung der KESt an Begünstigten bei liquider GmbH

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***SenV***, den Richter ***Ri1*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ALLAUDIT & Partner Steuerberatung GmbH & Co OG, Alser Straße 24, 1090 Wien,

über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom zu Steuernummer ***BF1StNr1*** betreffend Kapitalertragsteuer 2009, Kapitalertragsteuer 2010, Kapitalertragsteuer 2011 und Kapitalertragsteuer 2012 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

I. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheiden vom wurde für die Zeiträume 2009 - 2012 Kapitalertragsteuer für verdeckte Ausschüttungen der ***1*** . GmbH an den Beschwerdeführer festgesetzt. Grund für die Annahme von verdeckten Ausschüttungen war die Feststellung, dass die ***1*** . GmbH Aufwendungen für Subunternehmer geltend gemacht hätte, obwohl diese die verrechneten Leistungen tatsächlich nicht erbracht haben sollen. Das Finanzamt ist dabei davon ausgegangen, dass die ***1*** . GmbH die Arbeiter selbst beschäftigt habe und ihnen nur die Hälfte der geltend gemachten Aufwendungen ausbezahlt habe. Der Rest sei dem Bf. (durch "KickBack-Zahlungen") zugeflossen.

In den angefochtenen Bescheiden wurde begründend auf den Außenprüfungsbericht vom verwiesen. Zusätzlich stellte das Finanzamt fest, dass die Haftungsinanspruchnahme der ***1*** . GmbH mangels ausreichenden Vermögens zweifelhaft sei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde vom brachte der Bf. vor, dass "KickBack-Zahlungen" nur vermutet würden, dass eine automatische Zurechnung an den Bf. nicht möglich sei, dass die pauschale Nicht-Anerkennung von Betriebsausgaben bei der ***1*** . GmbH zu Unrecht erfolgt sei, dass der Bf. von den unlauteren Vorgängen bei den Subunternehmern nichts wusste und die Vorschreibung daher willkürlich erfolgt sei.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom führte das Finanzamt aus, dass die Feststellungen bei der Gesellschaft rechtmäßig erfolgt seien, die von der ***1*** . GmbH getätigten Eilüberweisungen für "KickBack-Zahlungen" sprächen und die ***1*** . GmbH nicht über ausreichendes Vermögen verfüge.

Mit Schreiben vom beantragte der Bf. die Vorlage der Beschwerde an das BFG und ergänzte sein Vorbringen hinsichtlich der unzutreffenden Annahme von Scheinrechnungen. Beim Bf. sei es auch zu keinen außergewöhnlichen Ausgaben oder einem unerklärlichen Vermögenszuwachs gekommen, was sich mit den Kontoauszügen belegen lasse.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am verwies der steuerliche Vertreter nochmals darauf, dass auf den vorgelegten Bankkonten des Bf. und seiner Ehegattin keine Zuflüsse in der vermuteten Höhe zu finden seien. Dazu erklärte der Vertreter des Finanzamtes, dass seines Wissens eine Kontenregisterabfrage nicht Voraussetzung für eine Direktvorschreibung sei. Auf Befragung durch den Senat erklärte er weiters, dass er derzeit weder bestätigen noch verneinen könne, dass die ***1*** . GmbH in der Lage ist, die Kapitalertragsteuer zu entrichten.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Mit Bescheiden vom wurde für die Zeiträume 2009 - 2012 Kapitalertragsteuer für verdeckte Ausschüttungen der ***1*** . GmbH an den Beschwerdeführer festgesetzt (aktenkundige Bescheide). Das Ermessen, die Kapitalertragsteuer dem Begünstigten vorzuschreiben, wurde in den Bescheiden damit begründet, dass die abzugsverpflichtete GmbH nicht über ausreichendes Vermögen verfüge.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Rechtslage

§ 95 EStG 1988 in den im Beschwerdezeitraum geltenden Fassungen lautet auszugsweise:

§ 95 (4) Dem Empfänger der Kapitalerträge ist die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn

1. der Abzugsverpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat und die Haftung nach Abs. 1 nicht oder nur erschwert durchsetzbar wäre oder

2. der Empfänger weiß, dass der Abzugsverpflichtete die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt.

2.2. Vorschreibung an den Empfänger

Die Kapitalertragsteuer ist grundsätzlich vom Schuldner der Kapitalerträge abzuführen. Nur "ausnahmsweise" wird der Empfänger der Kapitalerträge gemäß § 95 EStG 1988 in Anspruch genommen ( mit Verweis auf ).

Sind die Voraussetzungen des § 95 Abs 4 EStG 1988 erfüllt, liegt es nämlich im Ermessen der Abgabenbehörde, ob die Haftung beim Schuldner der Kapitalerträge geltend gemacht wird oder der Steuerschuldner unmittelbar in Anspruch genommen wird (vgl. unter Hinweis auf Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 95 Tz 11, Kirchmayr in Doralt et al, EStG16, § 95 Tz 66; Jakom/Marschner, EStG 2015, § 95 Tz 41; Ritz, BAO5, § 20 Tz 4).

Bei Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung sind die Voraussetzungen des § 95 Abs. 4 EStG 1988 grundsätzlich gegeben (vgl. oder ).

Eine Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Unter Billigkeit ist die Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei zu verstehen. Unter Zweckmäßigkeit ist das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben, aber auch die Berücksichtigung der Verwaltungsökonomie, zu verstehen (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 20 Tz 7).

Wesentliches Ermessenskriterium im Beschwerdefall wird die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles, abstellend auf die Vermögensverhältnisse von Gesellschaft und Gesellschafter sein (vgl zB oder auch schon RV/0358-G/09).

Im Beschwerdefall hat das Finanzamt in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt, dass die ***1*** . GmbH mangels ausreichenden Vermögens nicht in der Lage gewesen sei, die Kapitalertragsteuer zu entrichten.

Bei Beurteilung der Liquidität sind nicht nur die Verhältnisse im Zeitpunkt der Bescheidausfertigung, sondern auch Änderungen während des Rechtsmittelverfahrens zu berücksichtigen ( unter Verweis auf ; und ). Auf Befragung in der mündlichen Verhandlung am konnte der Vertreter des Finanzamtes jedoch weder bestätigen noch verneinen, dass die ***1*** . GmbH aktuell in der Lage ist, die Kapitalertragsteuer zu entrichten.

Die Firma ***1*** . ist zum Entscheidungszeitpunkt ein aktiv tätiges Unternehmen; eine Insolvenz ist nicht aktenkundig und wurde vom Finanzamt auch nicht behauptet. Von einer Unmöglichkeit der Einbringung bei der ***1*** . GmbH kann daher nicht ausgegangen werden.

Entsprechend der sich aus der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ergebenden Grundsätze hat das Bundesfinanzgericht schon bisher entschieden, dass angesichts der gesetzlich vorgesehen Subsidiarität eine Direktvorschreibung der Kapitalertragsteuer nur dann zum Tragen kommen kann, wenn die Einbringung der Kapitalertragsteuer bei der ausschüttenden Gesellschaft, wie etwa im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bzw. einer bereits - ob Vermögenslosigkeit - erfolgten Löschung der Körperschaft im Firmenbuch als erschwert, wenn nicht als gänzlich ausgeschlossen zu betrachten ist. Handelt es sich bei der ausschüttenden Gesellschaft jedoch um ein "finanzkräftiges" Unternehmen, entbehrt die Direktvorschreibung jeglicher Rechtsgrundlage (vgl. zuletzt ).

In Beschwerdeverfahren ist dem BFG auch in Ermessensfragen eine volle Kognition eingeräumt (vgl. Sutter in Holoubek/Lang, Das Verfahren vor BVwG und BFG, 274). Das Ermessen ist im Beschwerdeverfahren dahingehend zu üben, dass dem Beschwerdeführer die Kapitalertragsteuer aufgrund der Subsidiarität nicht vorzuschreiben ist, weil die Unmöglichkeit der Einbringung bei der ***1*** . GmbH im Entscheidungszeitpunkt nicht als gegeben angenommen werden kann.

Die angefochtenen Bescheide waren daher wie im Spruch ersichtlich aufzuheben.

3.2. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall wird der zitierten Rechtsprechung des VwGH gefolgt weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100425.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at