TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.03.2024, RV/3100817/2020

Fahrzeugeinzelbesteuerung: Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs - freie Beweiswürdigung betreffend den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich im Erwerbszeitpunkt des Fahrzeuges

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin *** in der Beschwerdesache Beschwerdeführer, Adresse über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***1*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge (Fahrzeugeinzelbesteuerung, Art. 1 Abs. 7 UStG 1994) für den Zeitraum 07/2017 Steuernummer **XXX** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Strittig ist die Frage, ob die Lieferung eines Kraftfahrzeuges von Deutschland nach Österreich der Erwerbsbesteuerung in Österreich unterliegt.

Mit Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge (Fahrzeugeinzelbesteuerung) vom (OZ 2[= Ordnungsziffer des elektronischen Aktes, welche die Reihenfolge/Nummer des Dokumentes im Akt wiedergibt])) wurde für das Fahrzeug Toyota C-HR ((Kennzeichen (D) ***, Fahrzeugidentifikationsnummer XXX, Hubraum in ccm: 1798, Leistung in kW: 72; Km-Stand im Zeitraum des Erwerbs: 0) ein Betrag in Höhe von € 4.966,67 Euro vom Finanzamt ***1*** festgesetzt.

Begründend wurde ausgeführt: "Die Festsetzung war erforderlich, weil die Selbstberechnung der Abgabe unterblieb. Da es sich beim Erwerb um ein Neufahrzeug gehandelt hat, ist die Erwerbsteuer vorzuschreiben."

Mit fristgerechter Beschwerde (OZ 1) brachte der Beschwerdeführer (kurz Bf.) vor, dass er das Fahrzeug in Deutschland bestellt habe. Er habe noch nicht gewusst, dass er nach Österreich ziehe. Genauso wusste er zu diesem Zeitpunkt nicht, wie lange er in Österreich wohnen werde, bzw. wie lange er den Job behalte, da er 6 Monate Probezeit hatte. Für dieses Fahrzeug habe er bereits in Deutschland die Mehrwertsteuer in Höhe von 19 % bezahlt. Da er in Österreich 20 % Umsatzsteuer zu zahlen sei, sei er natürlich bereit die Differenz in Höhe von 1 % noch nachzuzahlen.

Mit Ergänzungsersuchen der Abgabenbehörde vom (OZ 15 und 16), zugestellt laut Rückschein am , wurde der Bf. aufgefordert betreffend die zuvor angeführte Beschwerde folgende ergänzende Fragen binnen einer Frist bis zu beantworten (telefonische Fristverlängerung durch die Abgabenbehörde wurde laut handschriftlichem Vermerk bis gewährt): (…)

"Im Bescheid vom wurde nunmehr die Fahrzeugeinzelbesteuerung gem. Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 durchgeführt und ein Betrag in Höhe von € 4.966,67 an Umsatzsteuer für den Zeitraum Juli 2017 festgesetzt. Das Finanzamt geht davon aus, dass Sie bereits zum Zeitpunkt des Erwerbes Ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich hatten, daher ist das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt ins Inland gelangt und ab dort regelmäßig in Österreich verwendet worden.

Hiergegen bringen Sie fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein und führen aus, dass Sie noch nicht wussten, dass Sie nach Österreich ziehen und auch nicht ob Sie dauerhaft in Österreich bleiben würden.

Zur Klärung des Sachverhaltes wäre nun der Kaufvertrag/die Rechnung bzw. die verbindliche Bestellung des Fahrzeuges der Marke Toyota C-HR vorzulegen. Auf welche Adresse und wann wurde das Kfz bestellt bzw. wann erfolgte die Übergabe und Rechnungslegung?

Das KFZ wurde am auf die Adresse *1 in *X* zugelassen.

Bitte Meldezettel aus Deutschland vorlegen, aus welchen ersichtlich ist, wie lange Sie an der oa. Adresse gemeldet waren. In Ihrer Beschwerdeschrift betreffend Einkommensteuerbescheid 2017 führen Sie aus, dass Sie vom bis in einer Ferienwohnung in der Alpspitzstraße in X gemeldet waren? Bitte auch diesen Meldezettel vorlegen. Sie führen aus, dass Sie in *X* keine Wohnung gefunden hätten und in der Zwischenzeit eine Ferienwohnung in X anmieteten. Dem vorliegenden Mietvertrag der Wohnung in *Y* vom ist zu entnehmen, dass dieser für den Zeitraum ab auf drei Jahre abgeschlossen wurde. Sie sind seit mit Hauptwohnsitz in *Y* gemeldet, auch auf dem Lohnzettel des ausländischen Dienstgebers für 2017 und der monatlichen Gehaltsabrechnung vom Juni 2017 wurde Ihre Adresse in *Y* als Wohnsitzadresse angegeben. In der Einkommensteuerbeschwerde beantragen Sie die Berücksichtigung für Umzugskosten von A* nach *Y* für den Zeitraum April bis August 2017, daher kann Ihre Argumentation, dass Sie nicht wussten, ob und wie lange Sie in Österreich wohnhaft bleiben werden, nur ins Leere gehen. Es ist anzunehmen, dass Sie beim Kauf des Fahrzeuges im Juli 2017 wussten, dass Sie über einen Wohnsitz in Österreich verfügen und das Bestimmungsland des Kfz Österreich sein wird. Auf die Ausführungen der PI A im Bericht vom darf verwiesen werden. Dort wird ausgeführt, dass Sie das streitgegenständliche Kfz seit Juli 2017 regelmäßig in Österreich verwenden. Sachverhaltsdarstellung erbeten. Ab wann würden Sie sagen, dass Sie Ihren Lebensmittelpunkt in Österreich hatten bzw. wann das Fahrzeug ins Inland eingebracht würde? Bitte begründen und mit Unterlagen belegen. Ein Fahrzeug gilt auch dann als Neufahrzeug, wenn es weniger als 6.000 km hat bzw. jünger als 6 Monate ist. Um im vorliegenden Fall die Doppelbelastung im Bereich der Umsatzsteuer vermeiden zu können, müssten Sie dem deutschen Autohaus mitteilen, dass das Bestimmungsland des Kfz Österreich war und um eine Erstattung der Umsatzsteuer ersuchen."

Laut handschriftlichen Vermerken über ein Telefonat der Abgabenbehörde auf dem zuvor genannten Ergänzungsersuchen wurde von der Abgabenbehörde eine Fristverlängerung für die Beantwortung bis gewährt. In weiteren handschriftlichen Vermerken wurde ein Telefonat mit der Schwester des Bf. am mit dem Vermerk "Termin in 1 Monat" und am "meldet sich kommende Woche" auf dem Ergänzungsersuchen vermerkt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom (OZ 3) wurde die zuvor angeführte Beschwerde von der Abgabenbehörde abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass gegen die Bescheide vom mit welchen die Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum 07/2017 und Kraftfahrzeugsteuern von 07/2017-09/2019 festgesetzt wurden, keine Beschwerde eingebracht und sei somit der Einbringungsstichtag mit dem Kauf im Juli 2017 akzeptiert worden sei. Auch seien alle offenen Forderungen beglichen worden.

Das Finanzamt ging im gegenständlichen Bescheid davon aus, dass der (Bf.) bereits zum Zeitpunkt des Erwerbes den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich hatte, das Fahrzeug bereits zu diesem Zeitpunkt ins Inland gelangt ist und von dort an regelmäßig in Österreich verwendet wurde.

Dem vorliegenden Mietvertrag betreffend die Wohnung in *Y* vom sei zu entnehmen, dass dieser Mietvertrag für den Zeitraum ab auf drei Jahre abgeschlossen wurde. Der Bf. sei seit mit Hauptwohnsitz in *Y* gemeldet. Auf dem Lohnzettel des ausländischen Dienstgebers für 2017 und der monatlichen Gehaltsabrechnung vom Juni 2017 wurde diese Adresse in *Y* als Wohnsitzadresse angegeben.

Im Bericht der PI A vom werde ausgeführt, dass das streitgegenständliche Kfz seit Juli 2017 regelmäßig in Österreich verwendet werde.

In rechtlicher Hinsicht wurde in der Beschwerdevorentscheidung zusammengefasst von der Abgabenbehörde ausgeführt: "Gemäß Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 ist der Erwerb eines neuen Fahrzeuges durch einen Erwerber, der nicht zu den in Abs. 2 Z 2 genannten Personen gehöre, unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 ein innergemeinschaftlicher Erwerb. (…) Der Bf. fällt nicht unter den Personenkreis des Art. 1 Abs. 2 Z 2 UStG 1994, d.h. er ist kein Unternehmer, der den Gegenstand für ihr Unternehmen erwirbt oder eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt. Bei dem strittigen Fahrzeug handelt es sich um einen PKW der zum Zeitpunkt seines Erwerbs einen Kilometerstand von unter 6.000 km aufwies. Nach Art. 68 MwStSys-RL wird der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen zu dem Zeitpunkt bewirkt, zu dem die Lieferung gleichartiger Gegenstände innerhalb des Mitgliedstaats als bewirkt gilt. Die Lieferung wird mit der Verschaffung der Befähigung, wie ein Eigentümer zu verfügen, bewirkt. Wenngleich der innergemeinschaftliche Erwerb auch das Überschreiten der Binnengrenzen tatbestandlich voraussetzt, wird der Zeitpunkt des innergemeinschaftlichen Erwerbs ausschließlich durch das Kriterium der Erlangung der Verfügungsmacht über den Gegenstand seitens des Erwerbers bestimmt. Das UStG enthält keine ausdrückliche Regelung, die den Zeitpunkt des innergemeinschaftlichen Erwerbs festlegt. Richtlinienkonform wird der innergemeinschaftliche Erwerb gemäß Art. 1 Abs. 2 in jenem Zeitpunkt eintreten, in welchem die umsatzsteuerlichen Kriterien für die Lieferung verwirklicht sind (vgl. Melhardt/Tumpel, UStG, Art. 1 Tz. 64). Damit eine Lieferung zustande kommt, muss nach österreichischem Recht der Unternehmer dem Abnehmer befähigen, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Das Gesetz (§ 3 Abs. 1 UStG 1994) verwendet - offenbar bewusst - keine zivilrechtliche Terminologie, verlangt insbesondere nicht Eigentum und Eigentumsübertragung, sondern spricht von Befähigung zur Verfügung. Das ist ein eigenständiger Begriff. Auch die MwSt-RL ist so zu verstehen, dass zivilrechtlicher Eigentumserwerb nicht zu verlangen ist (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 3 Tz. 32 und die dort zitierte EuGH-Rechtsprechung). Mit Urteil vom (C-84/09 - X) hat der EuGH entschieden, dass die Einstufung eines Umsatzes als innergemeinschaftliche Lieferung oder innergemeinschaftlicher Erwerb nicht von der Einhaltung einer Frist abhängen kann, innerhalb deren die Beförderung des in Rede stehenden Gegenstandes vom Liefermitgliedstaat in den Bestimmungsmitgliedstaat beginnen oder abgeschlossen sein muss. Im speziellen Fall des Erwerbs eines neuen Fahrzeugs i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Buchst, b Doppelbuchst, ii MwStSystRL hat die Bestimmung des innergemeinschaftlichen Charakters des Umsatzes im Wege einer umfassenden Beurteilung aller objektiven Umstände sowie der Absicht des Erwerbers zu erfolgen, sofern diese durch objektive Anhaltspunkte untermauert wird, anhand deren ermittelt werden kann, in welchem Mitgliedstaat die Endverwendung des betreffenden Gegenstands beabsichtigt ist. Für die Beurteilung, ob ein Fahrzeug, das Gegenstand eines innergemeinschaftlichen Erwerbs ist, neu i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Buchst, b MwStSystRL ist, ist auf den Zeitpunkt der Lieferung des betreffenden Gegenstands vom Verkäufer an den Käufer abzustellen. (…) Die Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbelastung mit Umsatzsteuer hat jedenfalls nicht durch Behörden des Bestimmungslandes zu erfolgen (siehe ). Um im vorliegenden Fall die Doppelbelastung im Bereich der Umsatzsteuer zu vermeiden, müssten Sie dem deutschen Autohaus mitteilen, dass das Bestimmungsland des Kfz Österreich war und um eine Erstattung der Umsatzsteuer ersuchen. Falls das Autohaus eine Erstattung der in Deutschland bezahlten Mehrwertsteuer nicht mehr veranlassen kann, müssten Sie sich mit dem deutschen Finanzamt in Verbindung setzen. Die Festsetzung der Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge in Österreich erfolgte somit zu Recht, das Beschwerdebegehren war aufgrund obiger Ausführungen abzuweisen."

Laut händischen Vermerken der Abgabenbehörde mit Datum (OZ 16) am zuvor erwähnten Ergänzungsersuchen wurde die Beschwerdevorentscheidung erstellt, damit die Schwester des Bf. zum deutschen Finanzamt gehen und um Erstattung ersuchen könne.

Mit fristgerechtem Vorlageantrag (OZ 5) brachte der Bf. vor, dass er mehrmals beim Finanzamt in *X* gewesen sei, um die Umsatzsteuer (Fahrzeugeinzelbesteuerung) für seinen Toyota C-HR abzuklären. Bis heute habe er leider immer noch keine Antwort für sein Anliegen erhalten. Laut der Information des Steuerberaters seines Autohändlers, müsse man laut offizieller Seite der EU für ein Fahrzeug in der EU beim Kauf eines Autos in einem EU-Land und bei Überführung in ein anderes Land auch keine doppelte Mehrwertsteuer zahlen. Laut Steuerberater müsse man keine doppelte Mehrwertsteuer zahlen, bzw. habe man, wenn man zweimal Mehrwertsteuer gezahlt habe, Anspruch auf Erstattung. Das Finanzamt *X* sei dazu nicht bereit. Wenn ich vom Finanzamt *X* einen Bescheid erhalte, dass sie bereit sind, die KFZ Steuer zurück zu erstatten, sei er gerne bereit die Umsatzsteuer in Österreich zu zahlen.

Mit Vorlagebericht vom (OZ 12) wurde der elektronische Akt dem Bundesfinanzgericht (kurz BFG) von der Abgabenbehörde mit ausführlicher Stellungnahme zum Vorliegen der Fahrzeugeinzelbesteuerung nach Art 1 Abs 7 UStG 1994 vorgelegt und die beantragt die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Mit Schreiben vom wurde die Abgabenbehörde aufgefordert das Erkenntnis zur Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) des Bf. für das Jahr 2017 vom , GZ RV/3100503/2020, sowie darin angeführte Unterlagen (OZ 22 bis 25) nachzureichen. Diese wurden dem BFG am übermittelt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Das (Hybrid-) Fahrzeug Toyota AX1T C-HR (Fahrzeugidentifikationsnummer XXX, Hubraum in ccm: 1798, Leistung in kW: 72) wurde am vom einem Fahrzeughändler in Deutschland mit einem Km-Stand im Zeitpunkt des Erwerbs von 0 km vom Bf. erworben und mit selbigen Tag in Deutschland mit polizeilichem Kennzeichen, ***, zugelassen bzw. erstmals in Betrieb genommen.

Im Juli 2017 wurde das Fahrzeug das erste Mal nach Österreich verbracht und wird seither überwiegend dort verwendet. Es können keine Feststellungen dazu getroffen werden, ob bzw. in welchem Ausmaß das verfahrensgegenständliche Fahrzeug auf Straßen in Österreich oder anderen Ländern gefahren wurde. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass das Fahrzeug überwiegend auf Straßen in Deutschland gefahren worden wäre.

Der Hauptwohnsitz des ledigen Bf. befand sich seit in der Adressse 1. Die Wohnung mit einer Größe von ca. 90 m2 bestehend aus 4 Zimmern, Küche, Bad, ca. 20 m2 Dachbodenraum (keine Stehhöhe), ca 15 m2 Balkon und Terrasse) hat der Bf. gemeinsam mit seiner Schwester mit Beginn zum auf die Dauer von 3 Jahren angemietet.

Der Wohnort des Bf. befindet sich in unmittelbarer Nähe zur deutschen Grenze. Der Bf. ist im beschwerdegegenständlichem Zeitraum im Grand Hotel "A", *X*, Deutschland, nichtselbstständig tätig.

Bis zum war der Bf. am Arbeitsort in *X*, Deutschland in der Ferienwohnung ***2*** sowie bis zum in ***3***, (Wohnung der verstorbenen Mutter), wohnhaft.

Die engen persönlichen Beziehungen hatte der Bf. zum Zeitpunkt des Erwerbes des Fahrzeuges in Österreich.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den von der Abgabenbehörde vorgelegten und aus den im Verfahrensverlauf angeführten elektronischen Verwaltungsakten sowie der Nachreichung der Abgabenbhörde, den Abfragen des Bundesfinanzgerichtes im Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung und im Internet.

Das BFG kann die (teilweise unstrittigen) Feststellungen zu den Fahrzeugdaten, km-Stand, Zulassung und der Inbetriebnahme, der Verbringung des Fahrzeuges zum Zeitpunkt des Erwerbes nach Österreich und die hier überwiegende Verwendung aufgrund nachstehender Beweismittel und Überlegungen annehmen:

Im dem Bericht der BI A vom (OZ 8) (Kontrollzeit 08:05 Uhr am in * *Y*, Adresse 1) wird zu gegenständlichen Fahrzeug, polizeiliches Kennzeichen ***, ausgeführt:

Das Fahrzeug wird seit Juli 2017 regelmäßig in Österreich (* *Y*) von Bf. und dessen Schwester benützt (Einkäufe, Müllentsorgung, sonstige Fahrten).

Auf den Bildern ist am Fahrzeug die österreichische Autobahnvignette für das Jahr 2019 geklebt (OZ 10).

Dem Bescheid über die Festsetzung der Kraftfahrzeugbesteuerung (OZ 12) sowie im Bescheid über die Festsetzung der Normverbrauchsabgabe (OZ 13) jeweils vom wurde von der Abgabenbehörde folgender Sachverhalt zugrunde gelegt: "Der Bf. mit Hauptwohnsitz an der Adresse Y** meldebehördlich gemeldet ist und das KFZ der Marke Toyota C-HR mit dem ausländischen Kennzeichen (D) *** im Juli 2017 das erste Mal nach Österreich verbracht und verwenden dieses seither überwiegend dort."

Im Verfahren betreffend die NoVA- und KFZ-Steuer wurde mit Schreiben vom (OZ 11) auf Parteiengehör verzichtet und mitgeteilt, dass der offenstehende Betrag für die KFZ- Steuer überwiesen werde.

Die KFZ-Steuer wurde laut Abgabenbehörde fristgerecht beglichen (siehe Vorlagebericht und Abfrage im Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung). Laut KFZ-Zentralregisterauskunft wurde das Fahrzeug mit polizeilichem Kennzeichen, *XXX**, am (nach erfolgter NoVA und KFZ-Steuer Vorschreibung) in Österreich zum Verkehr zugelassen (OZ 18) und ist bis dato in Österreich zugelassen (siehe KFZ-Personendatenabfrage OZ 26).

Laut händischen Vermerken der Abgabenbehörde mit Datum am Ergänzungsersuchen (OZ 16) hat die Schwester des Bf. (mehrmals) angerufen und wurde die Beschwerdevorentscheidung erstellt, damit sie zum deutschen Finanzamt gehen könne und um Erstattung ersuchen könne.

Mangels gegenteiliger Ausführungen des Bf. ist der Abgabenbehörde zuzustimmen, dass der Einbringungsstichtag mit dem Kauf im Juli 2017 erfolgte und das Fahrzeug folglich überwiegend in Österreich verwendet wurde. Das Fahrzeug ist mangels gegenteiliger Ausführungen des Bf. zu diesem Zeitpunkt ins Inland gelangt und von dort an regelmäßig in Österreich verwendet worden.

Die Feststellungen, dass sich die persönlichen Beziehungen und der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. zum Erwerbszeitpunkt des Fahrzeugs bereits in Österreich befand, gründen sich auf folgende Beweismittel und Überlegungen:

Laut Auskunft des Zentralen Melderegister (OZ 9), hat der Bf. den Hauptwohnsitz seit an der im Sachverhalt angeführten Adresse gemeldet. Die Schwester des Bf. ist ebendort hauptwohnsitzlich seit gemeldet.

Das sich der Wohnort des Bf. in unmittelbarer Nähe zur deutschen Grenze befindet ergibt sich aus der Abfrage des Bundesfinanzgerichtes im Routenplaner (https://www.google.at/maps).

Die Feststellungen zum Mietvertrag und der gemieteten Wohnung ergeben sich aus dem vorgelegten Mietvertrag des Bf. (OZ 6). Aus dem Mietvertrag vom ist der Mietbeginn zum und die Dauer von vorerst 3 Jahren ersichtlich. Als Mieter der Wohnung sind der Bf. sowie seine Schwester angeführt.

Mit E-Mail des Bf. an den Sachbearbeiter der Abgabenbehörde vom (OZ 14) wurde vom Bf. folgendes ausgeführt: "Die Wohnung wurde jedoch nicht rechtzeitig fertig und ich bin erst im Mai 2017 nach *Y* gezogen."

Die Feststellungen zum Arbeitgeber des Bf. ergeben sich aus dem Lohnzettel L17 sowie der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2017.

In den Lohnzettel (OZ 7) mit Abrechnungstag ist als Adresse des Bf. die Adresse in *Y* angeführt.

In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlgung 2017 hat der Bf. keine Angaben zum Personenstand getätigt. In der Arbeitnehmerveranlagung 2018 gibt der Bf. an, dass er ledig ist. Aus dem Sachverhalt des zuvor angeführten Erkenntnisses des zu GZ RV/3100503/2020 ergibt sich ebenfalls, dass der Bf. im Jahr 2017 ledig ist.

Aus dem zuvor angeführten Erkenntnis des BFG zur Arbeitnehmerveranlagung 2017 und den vom BFG von der Abgabenbehörde angeforderten Unterlagen betreffend das Verfahren zur Arbeitnehmerveranlagung 2017 ergibt sich, dass der Bf. im gegenständlichen Jahr Grenzgänger war. Im Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 wurde die beantragte doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten von der Abgabenbehörde mangels Zutreffen der Voraussetzungen nicht anerkannt. In der dagegen vom Bf. erhobenen Beschwerde vom wurde die Berücksichtigung für Umzugskosten von A* nach *Y* für den Zeitraum April bis August 2017 beantragt. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurden die Umzugskosten nicht anerkannt und die Beschwerde abgewiesen. Der Bf. erhob dagegen einen Vorlageantrag. Im zuvor angeführten Erkenntnis des BFG wird ausgeführt, dass nachdem der Abgabepflichtige jedoch erst seit in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist, umfasse das österreichische Besteuerungsrecht - abweichend vom bekämpften Bescheid - lediglich die seit Mai 2017 bezogenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Beschwerde betreffend Umzugskosten wurde vom BFG (aufgrund des weiten Umzuges am bzw. im Großraum des Dienstortes) abgewiesen.

Aus sämtlichen Unterlagen des Verfahrens betreffend der Arbeitnehmerveranlagung 2017 ergibt sich, dass der Bf. bereits seit Mai 2017 ausschließlich in Österreich wohnhaft ist. Der Umstand, dass der Bf. die Wohnung in A* im Chiemgau ab nicht mehr als Wohnsitz nutzte, ergibt sich unzweifelhaft aus dem Beschwerdevorbringen vom , er habe diese im Zeitraum 1. April bis an den Wochenenden nur mehr zwecks Wohnungsräumung und Vornahme verschiedener Arbeiten (Ausmalen, Reparatur und Reinigung) genutzt. Die Kündigung der Wohnung erfolgte laut Vorhaltsbeantwortung zum ).

Nach der ständigen Rechtsprechung (nähere Ausführung siehe Punkt 3. Rechtliche Beurteilung) ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln ( mwN). Bei der Betrachtung des Umfeldes eines Menschen in der Gesamtschau muss sich ergeben, dass sie am Hauptwohnsitz den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat. Dabei ist es möglich, dass dort wenige oder gar keine beruflichen Lebensbeziehungen bestehen (vgl. ). Somit liegt bei der Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen der Schwerpunkt auf den persönlichen Bindungen. Der ledige Bf. wohnt gemeinsam mit seiner Schwester in der gemieteten gegenständlichen Wohnung. Seine Mutter ist verstorben.

Dem Vorbringen des Bf. in der Beschwerde, er habe beim Erwerb des Fahrzeuges noch nicht gewusst, dass er nach Österreich ziehe und er zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, wie lange er in Österreich wohnen werde, kann aufgrund der zuvor genannten Beweismittel nicht gefolgt werden.

Trotz Aufforderung der Abgabenbehörde wurden keine Rechnungen, die Bestellung oä. vom Bf. vorgelegt (siehe Ergänzungsersuchen der Abgabenbehörde vom ).

Die Abgabenbehörde hat in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt, dass es davon ausgehe, dass der (Bf.) bereits zum Zeitpunkt des Erwerbes den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich hatte, das Fahrzeug bereits zu diesem Zeitpunkt ins Inland gelangt ist und von dort an regelmäßig in Österreich verwendet wurde.

Der (abweisenden) Beschwerdevorentscheidung kommt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Vorhaltscharakter zu (vgl. zB. ). Es wäre Sache der Bf. gewesen, im Vorlageantrag die in der Beschwerdevorentscheidung der Abgabenbehörde gewonnenen Feststellungen zu widerlegen.

Im Vorlageantrag gesteht der Bf. selbst zu, dass er bereit sei die Umsatzsteuer in Österreich zu zahlen, wenn er vom Finanzamt *X* einen Bescheid erhalte, dass sie bereit seien, die KFZ Steuer zurück zu erstatten.

Für das BFG besteht kein Zweifel, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. beim Erwerb des Fahrzeuges im Juli 2017 bereits nach Österreich verlagert hatte.

Dies wird im Laufe des Verfahrens vom Bf. nicht mehr bestritten, sondern vielmehr zugestanden, dass die Umsatzsteuer (unter der Bedingung der Erstattung in Deutschland) in Österreich bezahlt werde.

Die amtswegige Ermittlungspflicht der Abgabenbehörde tritt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann in den Hintergrund, wenn ein Sachverhalt mit Auslandsbezug behauptet wird und auch dann, wenn ungewöhnliche Verhältnisse vorliegen oder deren Vorliegen behauptet wird (Ritz/Koran, BAO, 7.A., Rz 10 ff zu § 115 BAO mit Judikaturhinweisen).

Vor diesem Hintergrund trifft den Bf. im Rahmen der Sachverhaltsermittlung eine erhöhte Mitwirkungspflicht und die Obliegenheit zur Vorsorge für und Beschaffung von Beweismitteln. Als Beweismittel kommt dabei alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach der Lage des Falles zweckdienlich ist (§ 166 BAO).

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat das BFG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen können gemäß 167 Abs. 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Allgemeines:

Zunächst ist festzuhalten, dass das Finanzamt Österreich gemäß § 323b Abs. 1 BAO an die Stelle des die angefochtenen Bescheide erlassenden Finanzamtes ***1*** getreten ist.

Rechtslage und Erwägungen:

Es ist zu prüfen, ob der Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbes eines Neufahrzeuges gemäß Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 (Binnenmarktregelung, BMR) in der für den gegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung (BGBl. I Nr. 112/2012) verwirklicht wurde.

Gemäß Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 ist der Erwerb eines neuen Fahrzeuges durch einen Erwerber, der nicht zu den in Abs. 2 Z 2 genannten Personen gehört, unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 ein innergemeinschaftlicher Erwerb.

Der Bf. fällt nicht unter den Personenkreis des Art. 1 Abs. 2 Z 2 UStG 1994. Er ist kein Unternehmer, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt oder eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt.

Ein Landfahrzeug ist gemäß Art. 1 Abs. 9 UStG 1994 neu, wenn es im Zeitpunkt des Erwerbes entweder weniger als 6.000 km zurückgelegt hat oder die erste Inbetriebnahme weniger als 6 Monate zurückliegt. Es handelt sich um ein Fahrzeug der Marke Toyota AX1T C-HR, mit 72 Kilowatt, um ein motorbetriebenes Landfahrzeug im Sinne des Art. 1 Abs. 8 Z 1 UStG 1994. Unstrittig ist, dass es sich beim gegenständlichen Fahrzeug um ein Fahrzeug im Sinne des Art 1 Abs. 9 UStG (neues Fahrzeug) handelt und das Fahrzeug gelangte im Juli 2017 von Deutschland nach Österreich verbracht wurde.

Voraussetzung für die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs neuer Fahrzeuge ist, wie sich aus dem Verweis in Art 1 Abs. 7 auf Art 1 Abs. 2 Z 1 ergibt, das Überschreiten der Binnengrenzen der neuen Fahrzeuge bei einer Lieferung an den Abnehmer (Erwerber). Der Erwerb setzt somit die Übertragung der Verfügungsmacht voraus und damit im Zusammenhang, dass das neue Fahrzeug durch die Lieferer oder Erwerber aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat verbracht wird.

Gemäß Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 wird der innergemeinschaftliche Erwerb in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Verwendung befindet.

Ebenso bestimmt Artikel 40 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem), dass als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen der Ort gilt, in dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Erwerber befinden.

Der Europäische Gerichtshof hat in diesem Urteil mit seinem Urteil vom , C- 84/09 "X" , in den relevanten auszugsweise angeführten Randnummern des Urteils folgende Ausführungen zur Frage getätigt, welcher Ort als Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs anzusehen ist (Hervorhebungen durch das BFG):

"Rn 22 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Mehrwertsteuerübergangsregelung für den innergemeinschaftlichen Handel, die durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen (ABl. L 376, S. 1) eingeführt worden ist, auf der Einführung eines neuen Steuertatbestands, des innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen, beruht, der es ermöglicht, die Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt, zu verlagern (…).

24 Was insbesondere die Regeln für die Besteuerung des Erwerbs von neuen Fahrzeugen betrifft, geht aus dem elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/112, der den Inhalt des elften Erwägungsgrundes der Richtlinie 91/680 übernimmt, hervor, dass diese Regeln neben der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse außerdem noch das Ziel verfolgen, Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten, die sich aus der Anwendung unterschiedlicher Steuersätze ergeben können, vorzubeugen. In Ermangelung einer Übergangsregelung würde sich der Vertrieb neuer Fahrzeuge nämlich zulasten anderer Mitgliedstaaten und ihrer Steuereinnahmen auf Mitgliedstaaten mit niedrigem Mehrwertsteuersatz beschränken. Wie die Generalanwältin in Nr. 34 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, hat der Unionsgesetzgeber nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii der Richtlinie 2006/112 den Erwerb neuer Fahrzeuge nicht nur durch Steuerpflichtige oder nichtsteuerpflichtige juristische Personen, sondern aufgrund u.a. des hohen Wertes und der leichten Transportierbarkeit dieser Güter auch durch Privatpersonen besteuert.(…)

40 Um dem vorlegenden Gericht gleichwohl eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zweckdienliche Antwort zu geben, ist zu präzisieren, unter welchen Voraussetzungen der Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch eine Privatperson, die beabsichtigt, den betreffenden Gegenstand in einem bestimmten Mitgliedstaat zu verwenden, als innergemeinschaftlicher Erwerb einzustufen ist.

41 Nach ständiger Rechtsprechung haben die Begriffe, die die im Rahmen des gemeinsamen Mehrsteuersystems steuerbaren Umsätze definieren, objektiven Charakter und sind unabhängig von Zweck und Ergebnis der betreffenden Umsätze anwendbar (…). Die Einstufung einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs hat somit gleichfalls anhand objektiver Kriterien wie des Vorliegens einer physischen Bewegung der betreffenden Gegenstände zwischen Mitgliedstaaten zu erfolgen (…).

44 Um unter diesen Bedingungen einen Umsatz als innergemeinschaftlichen Erwerb einstufen zu können, ist es erforderlich, eine umfassende Beurteilung aller objektiven tatsächlichen Umstände vorzunehmen, die für die Feststellung maßgebend sind, ob der erworbene Gegenstand das Gebiet des Liefermitgliedstaats tatsächlich verlassen hat und,wenn ja, in welchem Mitgliedstaat sein Endverbrauch stattfinden wird.

45 Wie die Generalanwältin hierzu in Nr. 38 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, gehören zu den Umständen, denen eine gewisse Bedeutung zukommen kann, neben dem zeitlichen Ablauf der Beförderung des in Rede stehenden Gegenstands u.a. der Ort seiner Registrierung und gewöhnlichen Verwendung, der Wohnort des Erwerbers sowie das Bestehen oder Fehlen von Verbindungen, die der Erwerber zum Liefermitgliedstaat oder einem anderen Mitgliedstaat unterhält.(…)

47 Darüber hinaus sind im besonderen Fall des Erwerbs eines neuen Fahrzeugs so weit wie möglich die Absichten zu berücksichtigen, die der Erwerber zum Zeitpunkt des Erwerbs hatte, sofern sie durch objektive Gesichtspunkte gestützt sind (…). Dies ist erst recht in dem Fall erforderlich, in dem der Erwerber die Befugnis, über den in Rede stehenden Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Liefermitgliedstaat erlangt und sich verpflichtet, den Gegenstand in den Bestimmungsmitgliedstaat zu befördern.(…)

50 Ausschlaggebend ist nämlich, in welchem Mitgliedstaat die endgültige und dauerhafte Verwendung des in Rede stehenden Fahrzeugs stattfinden wird. Seine Verwendung während des Transports, selbst zu Freizeitzwecken, stellt im Verhältnis zur allgemeinen Lebensdauer eines Fahrzeugs insoweit nur eine völlig untergeordnete Zeitspanne dar."

Dies bedeutet für den gegenständlichen Fall:

Laut EuGH soll es der Steuertatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen ermöglichen, die Umsatzsteuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in welchem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt (Rn 22 des Urteils C-84/09). Bei neuen Fahrzeugen will der Unionsgesetzgeber insbesondere im Hinblick auf deren leichte Transportierbarkeit (und auf deren Wert) auch den Erwerb durch Privatpersonen besteuert wissen (Rn 24).

Die Beurteilung, in welchem Mitgliedstaat der Endverbrauch eines Fahrzeugs (und damit der innergemeinschaftliche Erwerb) stattfindet, hat auf einer umfassenden Abwägung aller objektiven tatsächlichen Umstände zu beruhen. Es ist anhand objektiver Umstände im Zeitpunkt der Lieferung festzustellen, in welchem Mitgliedstaat die endgültige und dauerhafte Verwendung eines Fahrzeugs (Endverbrauch) stattfinden wird.

Im Erkenntnis vom , 2013/15/0277, führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass zu diesen im Rahmen des Gesamtbildes der Verhältnisse zu berücksichtigenden Umständen u.a. der Ort der gewöhnlichen Verwendung des Gegenstandes, seine Registrierung, der Wohnort des Erwerbers sowie das Bestehen oder Fehlen von Verbindungen des Erwerbers zu einzelnen Mitgliedstaaten gehören. Es ist anhand objektiver Umstände im Zeitpunkt der Lieferung festzustellen, in welchem Mitgliedstaat die endgültige und dauerhafte Verwendung eines Fahrzeugs stattfinden wird.
Zu diesen objektiven Umständen gehören insbesondere Wohnsitze des Autobesitzers im Zeitpunkt des Erwerbes des Fahrzeuges und die (persönlichen) Verbindungen des Autobesitzers zu den in Frage kommenden Mitgliedstaaten (Mittelpunkt der Lebensinteressen).

Die Beurteilung der Frage, in welchem Staat ein Steuerpflichtiger den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat, ist im Rahmen einer einzelfallbezogenen Gesamtabwägung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu ermitteln (vgl. dazu etwa mwN; , Ra 2016/15/0057) und hängt damit entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab. Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere ist (vgl. ; , Ra 2016/15/0057, mwN). Für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Staat) der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz hat. Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (vgl. wiederum ; , Ra 2016/15/0057, mwN).

Wie sich aus der Beweiswürdigung eindeutig ergibt, war befand sich der (Haupt-)Wohnsitz des ledigen Bf. (gemeinsam mit der Schwester) im Zeitpunkt des Erwerbes des Fahrzeugs in Österreich und bestand laut Aktenlage eine (persönliche) Verbindung zu Österreich. Es besteht kein Zweifel, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. im maßgeblichen Zeitraum des Endverbrauchs des Fahrzeugs bereits in Österreich lag.

In seinem Erkenntnis vom , 2009/15/0177, führt der Verwaltungsgerichtshof - nach Darlegung obiger Bestimmungen nach dem UStG 1994 sowie obiger EuGH-Judikatur, C-84/09 - im Ergebnis aus, dass die tatsächliche Nutzung des Fahrzeuges als Indiz für die beim Erwerb vorgelegene Verwendungsabsicht herangezogen werden kann.

Im gegenständlichen Fall lassen die objektive Umstände - wie aus der Beweiswürdigung ersichtlich - erkennen, dass im Zeitpunkt des Erwerbes die endgültige und dauerhafte Verwendung des Fahrzeugs (der Endverbrauch) in Österreich stattfand und bis dato stattfindet.

Im Übrigen ist nicht zu übersehen, dass der Bf. gegen die Bescheide vom mit welchen die Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum 07/2017 und Kraftfahrzeugsteuern von 07/2017-09/2019 festgesetzt wurde, keine Beschwerde eingebracht hat. Der Einbringungsstichtag mit dem Kauf im Juli 2017 ist akzeptiert worden und die Forderung wurde fristgerecht beglichen.

Es werden sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der oben genannten Bestimmung des Art 1 Abs 7 UStG 1994 erfüllt. Der Erwerb ist der Umsatzbesteuerung zu unterziehen. Bemessungsgrundlage ist gem. Art 4 Abs. 1 UStG 1994 das Entgelt (unstrittig).

Steuerschuldner ist beim innergemeinschaftlichen Erwerb ist gemäß Art 19 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 der Erwerber. Die Steuerschuld entsteht gemäß Art 19 Abs. 2 Z 2 UStG für den Innergemeinschaftlichen Erwerb von neuen Fahrzeugen im Sinne des Art 1 Abs. 7 am Tag des Erwerbs.

Nach Art. 20 Abs. 2 UStG 1994 ist beim innergemeinschaftlichen Erwerb neuer Fahrzeuge durch andere Erwerber als die im Art.1 Abs. 2 Z 2 genannten Personen - somit auch durch den Bf. - die Steuer für jeden einzelnen steuerpflichtigen Erwerb im Wege der so genannten Fahrzeugeinzelbesteuerung zu berechnen. Die genauere Durchführung regelt Art. 21 Abs. 2 UStG 1994.

Zusammengefasst unterliegt nach dem Konzept der Binnenmarkt-Richtlinie der innergemeinschaftliche Erwerb neuer Fahrzeuge stets der Besteuerung im Bestimmungsland, somit auch (und gerade) dann, wenn ein Nichtunternehmer das Fahrzeug im übrigen Gemeinschaftsgebiet erworben hat. Der Steuertatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs von neuen Fahrzeugen soll es ermöglichen, die Umsatzsteuereinnahmen jenem Mitgliedstaat zuzuweisen, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt. Bei neuen Fahrzeugen will der Unionsgesetzgeber insbesondere deren leichte Transportierbarkeit auch den Erwerb durch Privatpersonen besteuert wissen ( mHa "X").

Die Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbelastung mit Umsatzsteuer hat, wie von der Abgabenbehörde richtigerweise ausgeführt, jedenfalls nicht durch Behörden des Bestimmungslandes zu erfolgen.

Insgesamt erweist sich die Festsetzung der Umsatzsteuer für den Erwerb des gegenständlichen Fahrzeuges im Bestimmungsland als rechtsrichtig.

Die Beschwerde war abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist nicht zulässig. Die Entscheidung folgt der oben zitierten Rechtsprechung. Es handelt sich bei den Streitfragen um auf Ebene der Beweiswürdigung zu lösende Sachverhaltsfragen. Ob sohin die Beweiswürdigung in dem Sinne materiell richtig ist, dass die Ergebnisse mit der objektiven Wahrheit übereinstimmen, entzieht sich der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. ).

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100817.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at