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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.03.2024, RV/7200010/2022

Erwerb von vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbrachten Zigaretten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Robert Philipp Arthur Igali-Igalffy, Landstraßer Hauptstraße 34 Tür 12A, 1030 Wien, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Zollamtes Österreich vom , Zlen. 100000/91891/954/2015-AFB/Mö und 100000/91891/955/2015-AFB/Mö, betreffend Eingangsabgaben zu Recht erkannt:

1.

Die Beschwerde gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom , Zl. 100000/91.891/954/2015-AFB/Mö, wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

2.

Die Beschwerde gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom , Zl. 100000/91.891/955/2015-AFB/Mö, wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

3.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid des Zollamtes Österreich vom , Zl. 100000/91.891/954/2015-AFB/Mö, wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin (Bf) im Zeitraum bis insgesamt 199.400 Stück (997 Stangen) Zigaretten verschiedener Marken, welche zuvor von ***1*** vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht wurden, erworben bzw. an sich gebracht hat, obwohl sie zum Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Waren wusste, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht worden waren. Für sie sei gemäß Art. 202 Abs.1 und Abs.3 dritter Anstrich Zollkodex (ZK) iVm § 2 Abs.1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) eine Eingangsabgabenschuld in Höhe von € 46.349,61 (Zoll: € 9,160,71; EUSt: € 10.375,60; Tabaksteuer: € 26.813,30) und gemäß § 108 ZollR-DG die Verpflichtung zur Entrichtung einer Abgabenerhöhung in Höhe von € 803,45 entstanden.

Mit Bescheid des Zollamtes Österreich vom , Zl. 100000/91.891/955/2015-AFB/Mö, wurde festgestellt, dass die Bf im Zeitraum bis insgesamt 13.200 Stück (66 Stangen) Zigaretten verschiedener Marken, welche zuvor von ***2*** vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht wurden, erworben bzw. an sich gebracht hat, obwohl sie zum Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Waren wusste, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht worden waren. Für sie sei gemäß Art. 202 Abs.1 und Abs.3 dritter Anstrich ZK iVm § 2 Abs.1 ZollR-DG eine Eingangsabgabenschuld in Höhe von € 2.930,18 (Zoll: € 532,22; EUSt: € 642,36; Tabaksteuer: € 1.755,60) und gemäß § 108 ZollR-DG die Verpflichtung zur Entrichtung einer Abgabenerhöhung in Höhe von € 58,37 entstanden.

Gegen diese Bescheide erhob die Bf mit Schriftsätzen vom das Rechtsmittel der Beschwerde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bf weder selbst Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht habe, noch sei sie an diesem Verbringen beteiligt gewesen. Zudem bestehe eine Bindungswirkung an das rechtskräftige Strafurteil.

Mit Beschwerdevorentscheidungen des Zollamtes Österreich vom , Zenl. 100000/91.891/956/2015-AFB/Mö und 100000/91.891/963/2015-AFB/Mö, hat das Zollamt Wien die eingebrachten Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Zollamt Österreich sowohl bei der Frage des Tatzeitraums, als auch bei der Menge der Zigaretten den rechtskräftigen Urteilen des OLG Wien vom , GZ. ***3*** und in weiterer Folge des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , GZ. ***4***, folge.

Die Bf stellte mit Schriftsätzen vom Anträge auf Entscheidung über die Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf hat zwischen und 1.063 Stangen (212.600 Stück) Zigaretten verschiedener Marken drittländischer (bosnischer) Herkunft, welche zuvor von ***1*** (997 Stangen) und ***2*** (66 Stangen) vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht wurden, erworben bzw. an sich gebracht. Der Bf war im Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Zigaretten bekannt, dass sie von ***1*** und ***2*** vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht worden waren.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , Zl. ***5***, wurde die Bf für schuldig befunden, im Bereich des Zollamtes Wien im Zeitraum vom bis , ausgenommen die Kalenderwochen 26/2014 und 19/2015, gewerbsmäßig vorsätzlich 1.063 Stangen (212.600 Stück) Zigaretten verschiedener Marken drittländischer (bosnischer) Herkunft hinsichtlich welcher zuvor durch ***1*** (Anm. laut dem gegen ihn ergangenen Schuldspruch 997 Stangen) und ***2*** das Finanzvergehen des Schmuggels nach § 35 Abs.1 lit.a FinStrG begangen worden war, in wiederholten Angriffen an sich gebracht und teilweise verhandelt zu haben, indem sie die Zigaretten an zahlreiche Abnehmer überließ.

Mit Zl. ***6***, wurde der Schuldspruch hinsichtlich der Gewerbsmäßigkeit aufgehoben, das übrige Urteil blieb unberührt. Der Schuldspruch ist somit in Rechtskraft erwachsen, das Vorliegen einer Gewerbsmäßigkeit wurde im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , Zl. ***4***, verneint.

2. Beweiswürdigung

Gemäß § 116 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden, sofern die Abgabenvorschriften nichts anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen (§§ 21 und 22) und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen.

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung sind Entscheidungen der Gerichte, durch die privatrechtliche Vorfragen als Hauptfragen entschieden wurden, von der Abgabenbehörde im Sinn des Abs. 1 zu beurteilen. Eine Bindung besteht nur insoweit, als in dem gerichtlichen Verfahren, in dem die Entscheidung ergangen ist, bei der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen war.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Abgabenbehörde an die im Spruch des die Partei betreffenden rechtskräftigen Strafurteils (erster Instanz) festgestellten Tatsachen bzw. an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen dieser Spruch beruht, gebunden (zB ; , 0007; 2007//16/0161; , die Judikatur betrifft verurteilende Entscheidungen); bei Freisprüchen besteht keine solche Bindung (Ritz, BAO, § 116 Tz 14).

Ein rechtskräftiges Strafurteil entfaltet seine bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt 1. und 2. (Abweisung)

Gemäß Art. 202 Abs.1 lit.a Zollkodex (ZK) entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabepflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird. Im Sinne dieses Artikels ist vorschriftwidriges Verbringen jedes Verbringen unter Nichtbeachtung der Artikel 38 bis 41 und 177 zweiter Gedankenstrich.

Gemäß Abs.2 leg. cit. entsteht die Zollschuld in dem Zeitpunkt, in dem die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht wird.

Gemäß § 202 Abs.3 dritter Anstrich ZK ist Zollschuldner die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie in den Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden war.

Gemäß § 213 ZK sind, wenn es für eine Zollschuld mehrere Gesamtschuldner gibt, diese gesamtschuldnerisch zur Erfüllung der Zollschuld verpflichtet.

Gemäß Art. 215 Abs.1 ZK entsteht an dem Ort, an dem der Tatbestand eintritt, der die Zollschuld entstehen lässt; oder, wenn dieser Ort nicht bestimmt werden kann, an dem Ort, an dem die Zollbehörden feststellen, dass die Ware sich in einer Lage befindet, der eine Zollschuld hat entstehen lassen.

Gemäß § 2 Abs.1 ZollR-DG gilt das im § 1 genannte gemeinschaftliche Zollrecht, dieses Bundesgesetz und die in Durchführung dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen, sowie die allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften und das in Österreich anwendbare Völkerrecht, soweit sie sich auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben beziehen (Zollrecht im Sinne des Artikels 1 des Zollkodex), weiters in allen nicht vom Zollkodex erfassten gemeinschaftsrechtlich und innerstaatlich geregelten Angelegenheiten des Warenverkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung von Abgaben (sonstige Eingangs- und Ausgangsabgaben) und anderen Geldleistungen, soweit in diesem Bundesgesetz oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.

Gemäß § 108 Abs.1 ZollR-DG ist, wenn eine Zollschuld nach den Artikeln 202 bis 205 oder 210 0der 211 ZK entsteht oder gemäß Art. 220 ZK nachzuerheben ist, eine Abgabenerhöhung zu entrichten, die dem Betrag entspricht, der für den Zeitraum zwischen dem Entstehen der Zollschuld und dem der buchmäßigen Erfassung, bei Nacherhebung gemäß Art. 220 ZK zwischen der Fälligkeit der ursprünglich buchmäßig erfassten Zollschuld und der buchmäßigen Erfassung der nachzuerhebenden Zollschuld an Säumniszinsen angefallen wäre.

Die Einfuhrzollschuld für die verfahrensgegenständlichen Zigaretten ist gemäß Art. 202 Abs.1 lit.a ZK entstanden. Zollschuldner sind gemäß Art. 202 Abs.3 erster Gedankenstrich ***1*** und ***2*** und gemäß Art. 202 Abs.3 dritter Gedankenstrich ZK auch die Bf und ihre jeweiligen Kunden.

Die Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern liegt im Ermessen der Abgabenbehörde (§ 20 BAO). Eine solche Ermessensentscheidung ist gemäß § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Bei Auslegung des § 20 BAO ist dabei dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung von Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das öffentliche Interesse an der Einbringung der Abgaben beizumessen. Dabei ist auch der Grad der Verfehlung und, wer der Zollschuld am nächsten steht, zu beachten. Angesichts der Höhe der Zollschuld bestehen keine Bedenken, alle Gesamtschuldner gemeinsam zur Leistung der Zollschuld heranzuziehen.

Zum Ort der Zollschuldentstehung gemäß Art. 215 ZK ist zu bemerken, dass ein Ort der Zollschuldentstehung hinsichtlich des Schmuggels der Zigaretten in die Europäische Union nicht festgestellt werden konnte. Die Zuständigkeit der österreichischen Zollbehörden zur Abgabenerhebung ist somit gemäß Art. 215 Abs.1 zweiter Anstrich ZK gegeben, da die Zuwiderhandlung hier entdeckt worden ist.

3.2. Zu Spruchpunkt 3. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die getroffene Beweiswürdigung und die Ermessensentscheidung stellen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar, weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 202 Abs. 1 lit. a ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 202 Abs. 3 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 215 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7200010.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at