zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 12.03.2024, RV/3100392/2023

Bescheid an ausländische GmbH im Insolvenzverfahren

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/3100392/2023-RS1
Nach der höchstgerichtlichen Judikatur ist in ausländischen Insolvenzverfahren, welche in den Grundzügen einem österreichischen vergleichbar sind und deren Wirkung gemäß § 240 Abs 1 IO in Österreich anerkannt sind, eine „Deutung“ der Bezeichnung des zutreffenden Bescheidadressaten zulässig (). Bei Zweifeln über den Inhalt eines Spruches ist zur Auslegung auch die Begründung heranzuziehen (). Bestehen jedoch Widersprüche zwischen Spruch und Begründung und lässt sich durch Auslegung des Spruches nicht zweifelsfrei feststellen, wer bei objektiver Betrachtung tatsächlich Bescheidadressat ist, kann die Begründung nicht als Auslegungshilfe herangezogen werden. In einem solchen Fall ist selbst bei ausländischen Insolvenzverfahren eine „Auslegung“ der Bezeichnung des Bescheidadressaten unzulässig und daher ein an die Gemeinschuldnerin gerichteter Bescheid nicht rechtswirksam ergangen.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht beschließt durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***8***, ***9***, betreffend Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Normverbrauchsabgabe 11.2014 :

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der vorliegende Beschluss behandelt die Rechtsfrage, ob ein Bescheid, der an eine deutsche GmbH gerichtet war, die sich jedoch im Insolvenzverfahren befand, rechtswirksam erlassen wurde.

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Am wurde ein Antrag auf Vergütung der Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum 11/2014 beim ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) eingebracht. Als Abgabepflichtiger war am Antrag die ***D GmbH*** in D***Ort, Straße*** vermerkt. Das Anbringen wurde von der ***X Wirtschaftstreuhand GmbH***, ***Dr. x***, Steuerberater, ***Adresse***, unterfertigt.

Der Antrag enthielt keine Berufung des Steuerberaters auf eine ihm gegebenenfalls erteilte Vollmacht.

Der Antrag geriet beim Finanzamt in Verstoß und wurde daher nicht bearbeitet. Im November 2022 erkundigte sich der Steuerberater nach dem Verbleib des Antrags, woraufhin das Finanzamt am mit einem Mängelbehebungsauftrag um die Vorlage der schriftlichen Originalvollmacht der ***D GmbH*** ersuchte. Der Mängelbehebungsauftrag war an die ***D GmbH***, zH ***Dr. x*** und ***Frau Sachbearbeiterin*** per Adresse der Steuerberatungskanzlei adressiert.

Mit Eingabe vom übermittelte die ***X Wirtschaftstreuhand GmbH*** eine Vollmacht vom selben Tag des ***Rechtsanwalt x *** als Insolvenzverwalter der ***D GmbH***, mit welcher der Insolvenzverwalter die ***X Wirtschaftstreuhand GmbH*** bevollmächtigte, den Antrag auf NoVA Vergütung für November 2014 beim Finanzamt Österreich einzubringen. Beigefügt war ferner ein von ***Rechtsanwalt x *** als Insolvenzverwalter der ***D GmbH*** unterfertigtes Auftrags- und Vollmachtsformular, eine Bestellungsurkunde des Amtsgerichtes ***x*** vom sowie ein Beschluss des Amtsgerichtes ***x*** vom betreffend Eröffnung des Insolvenzverfahren über das Vermögen der ***D GmbH***.
Die Vollmachten waren datiert mit .

In weiterer Folge wurde mit Bescheid vom der Antrag auf Vergütung der Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum 11/2014 zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass es nach der höchstgerichtlichen Judikatur entscheidend sei, dass ein Vollmachtsverhältnis tatsächlich im Zeitpunkt der Setzung der Verfahrenshandlung durch den Vertreter bereits bestanden habe. Dies sei aufgrund der erst am erteilten Vollmacht des Insolvenzverwalters der ***D GmbH*** eindeutig nicht der Fall. Der Antrag sei von der ***X Wirtschaftstreuhand GmbH*** am zu einem Zeitpunkt eingebracht worden, zu dem kein Vollmachtsverhältnis bestanden habe. Anbringen einer hierzu nicht legitimierten Person seien zurückzuweisen.

Der Zurückweisungsbescheid war adressiert an die ***D GmbH***, zH ***X Wirtschaftstreuhand GmbH*** in ***Adresse Steuerberater***.

Mit rechtzeitig am eingebrachter Beschwerde brachte die ***D GmbH***, ***Rechtsanwalt x *** als Insolvenzvertreter, vertreten durch die ***X Wirtschaftstreuhand GmbH*** das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Schließlich wurde gegen die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom ein Vorlageantrag eingebracht und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Die Beschwerde wurde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Gegenstand des Unternehmens ***D GmbH*** in Deutschland war der An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen aller Art sowie deren Vermietung, der Handel mit Kfz-Ersatzteilen und Schmierstoffen, die Vermietung von ***1***, der Betrieb von ***2***, der Handel mit ***3***, die Durchführung von ***4***, die Beratung von ***5***, der Handel mit ***6*** und die Vergabe von ***7*** (HRB ***12345***).

Die hauptsächliche unternehmerische Tätigkeit entfaltete die ***D GmbH*** in Deutschland.

Der Geschäftsführer der ***D GmbH*** wurde von Amts wegen aus dem Handelsregister am gelöscht (HRB ***12345***).

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Unternehmensgegenstand und zur Löschung des Geschäftsführers ergeben sich aus einem Auszug des Handelsregisters zu HRB ***12345***.

Zudem ließ sich aufgrund der Tatsache, dass die ***D GmbH*** bisher steuerlich nicht in Österreich erfasst war, ihre unternehmerische Haupttätigkeit in Deutschland verorten.

Im Übrigen ergibt sich der festgestellte Verfahrensgang und Sachverhalt widerspruchsfrei aus den vorgelegten Aktenteilen und Urkunden.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 93 Abs 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erlangen Bescheide, die nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens an den Gemeinschuldner und nicht an den Insolvenzverwalter gerichtet sind, keine Wirksamkeit ().

In einer weiteren Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass in ausländischen Insolvenzverfahren, welchen in den Grundzügen einem österreichischen vergleichbar sind und deren Wirkung gemäß § 240 Abs 1 IO in Österreich anerkannt sind, eine "Deutung" der Bezeichnung des zutreffenden Bescheidadressaten zulässig erscheint (). Im Anlassfall wurde der Bescheidadressat als AG in Liquidation bezeichnet. Aus der weiteren Bescheidbegründung ging hervor, dass über das Vermögen dieser Gesellschaft mit Urteil eines Schweizer Zivilgerichtes der Konkurs eröffnet wurde und dass im Verwaltungsverfahren die Vertretungsbefugnis des einschreitenden Rechtsanwalts überprüft wurde.
Im Anlassfall bediente sich das Höchstgericht somit zur "Deutung" des Bescheidadressaten der Bescheidbegründung.
Ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde ist nach ständiger Rechtsprechung als ein Ganzes zu beurteilen. Spruch und Begründung bilden eine Einheit; bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruches, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen (; ).

Festzuhalten ist zunächst, dass das deutsche Insolvenzverfahren in den Grundzügen mit einem österreichischen vergleichbar ist.
Im gegenständlichen Fall war der Bescheid an die ***D GmbH***, zH der ***X Wirtschaftstreuhand GmbH*** gerichtet. Aus dem Spruch findet sich kein Hinweis, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet und dass ein Insolvenzverwalter eingesetzt wurde. Die Bescheidbegründung nimmt im Wesentlichen Bezug auf eine "mit erteilte Vollmacht des Insolvenzverwalters der ***D GmbH***". Der Insolvenzverwalter wird namentlich nicht genannt, auch erschließt sich nicht, ob tatsächlich bzw wann ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Vielmehr wird jedoch in der Bescheidbegründung ausgeführt, dass der Antrag von der ***X Wirtschaftstreuhand GmbH*** eingebracht worden sei und die Abgabenbehörde das Vorliegen eines Vollmachtsverhältnis zum Zeitpunkt des Antrages verneine. Anbringen einer hierzu nicht legitimierten Person seien zurückzuweisen.

Daraus könnte geschlossen werden, dass die ***X Wirtschaftstreuhand GmbH*** den Antrag im eigenen Namen gestellt hat und daher der Antrag der ***X Wirtschaftstreuhand GmbH*** zuzurechnen wäre. Somit wäre auch sie Bescheidadressat. Eine Eingabe ist bis zum Nachweis der Bevollmächtigung - nach Ansicht der Abgabenbehörde ist dieser Nachweis nicht gelungen - nicht dem (behaupteten) Machtgeber, sondern dem einschreitenden Vertreter zuzurechnen, sofern dieser eine für die Bevollmächtigung geeignete Person ist (, )

Die Auslegung des Spruches unter Berücksichtigung der Begründung lässt daher nicht zweifelsfrei erkennen, wer bei objektiver Betrachtung tatsächlich Bescheidadressat ist bzw an wen die Abgabenbehörde die bescheidmäßige Erledigung tatsächlich richten wollte (***D GmbH*** oder die ***X Wirtschaftstreuhand GmbH*** oder ***Rechtsanwalt x *** als Insolvenzvertreter der ***D GmbH***).

Wie ausgeführt kann bei Zweifeln über den Inhalt des Spruches die Begründung als Auslegungshilfe herangezogen werden; es sei denn, zwischen Spruch und Begründung bestehen offensichtliche Widersprüche oder es können solche nicht ausgeschlossen werden ().

Zumal im gegenständlichen Fall Widersprüche zwischen Spruch und Begründung bestehen, kann somit nach der höchstgerichtlichen Judikatur die Begründung nicht als Auslegungshilfe herangezogen werden. In diesem konkreten Fall ist daher eine "Deutung" der Bezeichnung des zutreffenden Bescheidadressaten nicht möglich.

Der Bescheid an die ***D GmbH*** erging daher im Lichte der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht rechtswirksam, zumal er trotz Vorliegens eines ausländischen Insolvenzverfahrens an die Gemeinschuldnerin gerichtet war. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Da aufgrund der unzureichenden Angaben des Bescheidadressaten bereits ein Nichtbescheid vorlag, war nicht zu prüfen, ob der Bescheid richtigerweise an den Insolvenzverwalter der ***D GmbH*** oder an die ***X Wirtschaftstreuhand GmbH*** zu richten war.

Abschließend ist festzuhalten, dass von einer mündlichen Verhandlung gem § 274 Abs 3 BAO aufgrund der Zurückweisung der Beschwerde abgesehen werden konnte.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100392.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at