Keine Antragslegitimierung zur Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung einer Verstorbenen durch den Sozialhilfeverband
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Grossgut-Palotás in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer beantragte am die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2020. Mangels Aktivlegitimation wurde der Antrag zurückgewiesen (Bescheid vom ).
In seiner Beschwerde vom beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des Zurückweisungsbescheides und die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2020 sowie Zustellung des Einkommensteuerbescheides; auf die näheren Ausführungen wird verwiesen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab; auf die Bescheidbegründung wird verwiesen.
Dem Vorlageantrag vom entsprechend - auf die Ausführungen des Beschwerdeführers wird verwiesen - legte das Finanzamt mit Vorlagebericht vom die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer brachte am den Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2020 für die am verstorbene ***1*** ein.
Zuvor hatte das Bezirksgerichte R mit Beschluss vom dem Beschwerdeführer die Ermächtigung erteilt, die Arbeitnehmerveranlagung 2020 beim Finanzamt Österreich durchzuführen und das sich daraus ergebende Guthaben in Empfang zu nehmen. Mit gleichem Beschluss war die Anweisung an das Finanzamt Österreich erfolgt, das Steuerguthaben an den Beschwerdeführer auszuzahlen. Von diesem Betrag hatte der Beschwerdeführer 20 % an die mit gesonderter Entscheidung festzustellende, berechtigte Person zur Auszahlung zu bringen.
Das Finanzamt wies den Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2020 mangels Aktivlegitimierung iSd § 19 Abs. 1 BAO als unzulässig zurück.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus den Verwaltungsakten sowie dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Beschluss des Bezirksgerichtes R vom die Verlassenschaftssache ***1*** betreffend.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 hat bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 das Finanzamt auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Veranlagung vorzunehmen, wenn der Antrag innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraums gestellt wird (Antragsveranlagung).
Gemäß § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.
Gemäß § 82 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde bei Vornahme einer Amtshandlung gegen eine nicht voll handlungsfähige Person, die eines gesetzlichen Vertreters entbehrt, oder gegen eine Person, deren Aufenthalt unbekannt ist, wenn die Wichtigkeit der Sache es erfordert, auf Kosten des zu Vertretenden die Betreuung einer Person mit der Obsorge oder die Bestellung eines Sachwalters oder Kurators beim zuständigen Gericht (§ 109 Jurisdiktionsnorm) beantragen. Abs. 1 gilt sinngemäß, wenn zweifelhaft ist, wer zur Vertretung eines Nachlasses befugt ist (Abs. 2 1. Halbsatz).
Gemäß § 153 Abs. 1 AußStrG unterbleibt die Abhandlung, wenn Aktiven der Verlassenschaft nicht vorhanden sind oder den Wert von 5.000 Euro nicht übersteigen, sofern kein Antrag auf Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens gestellt wird. Das Verlassenschaftsgericht kann nach Abs. 2 auf Antrag, denjenigen, deren Anspruch nach der Aktenlage bescheinigt ist, die Ermächtigung erteilen, das Verlassenschaftsvermögen ganz oder zu bestimmten Teilen zu übernehmen, dazu gehörende Rechte geltend zu machen oder aufzugeben, über erhaltene Leistungen rechtswirksam zu quittieren und Löschungserklärungen auszustellen.
Kommt es nicht zur Einantwortung eines Erben liegt keine Gesamtrechtsnachfolge des Erben, sondern nur Einzelrechtsnachfolge vor (vgl. , zu einer Vorgängerbestimmung). Auch die Ermächtigung gemäß § 153 Abs. 2 AußStrG führt zu keiner Gesamtrechtsnachfolge (vgl. Winkler in Schneider/Verwejen, AußStrG, § 153 Rn 13; Sailer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2, § 153 Rn 9). Nach herrschender Lehre und Judikatur bleibt in Fällen des § 153 AußStrG der ruhende Nachlass bestehen, auch wenn eine Ermächtigung im Sinne des Abs. 2 leg.cit. erteilt wurde (vgl. ; zur Vorgängerbestimmung; Schneider/Verwejen, AußStrG, § 153 Rn 9; Obermaier, ÖJZ 2008, 127; jeweils mwN).
Die Verlassenschaft setzt vor der Einantwortung des Erben die Rechte und Pflichten des verstorbenen Steuerpflichtigen fort (§ 531 ABGB). Der ruhende Nachlass bzw. die Verlassenschaft ist eine juristische Person (vgl. ).
Der Sozialhilfeverband ist nicht gesetzlicher Vertreter des ruhenden Nachlasses. Er verfügt auch nicht über eine Zustellbevollmächtigung für den ruhenden Nachlass. Auch die Ermächtigung nach § 153 Abs. 2 AußStrG bewirkt nicht die Befugnis zur gesetzlichen Vertretung des Nachlasses und berechtigt daher nicht zur Antragstellung nach § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 ().
Einen solchen Antrag kann explizit nur der Steuerpflichtige selbst, ein in der BAO vorgesehener Vertreter oder der Gesamtrechtsnachfolger stellen.
Das Finanzamt hat daher richtigerweise den Antrag des Beschwerdeführers auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2020 für die verstorbene ***1*** als unzulässig zurückgewiesen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 153 Abs. 1 AußStrG, Außerstreitgesetz, BGBl. I Nr. 111/2003 § 82 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100093.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at