Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.02.2024, RV/7105912/2018

Haftung Umsatzsteuer und Kapitalertragsteuer, Annahme des Verschuldens wenn kein Liquiditätsnachweis erbracht wurde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des ***FA*** vom zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der Haftungsbetrag wird von EUR 152.791,90 auf EUR 142.083,48 reduziert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Haftungsbescheid gem § 224 BAO vom wurde der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der Firma ***Primärschuldnerin*** für ausständige Abgabenschuldigkeiten iHv EUR 152.791,90 von der belangten Behörde zur Haftung gem § 9 BAO herangezogen.

Mit Schreiben vom wurde Beschwerde gegen den Haftungsbescheid erhoben. Als Begründung wird in der Beschwerde Folgendes zusammengefasst vorgebracht. Es sei festzuhalten, dass dem angefochtenen Haftungsbescheid keine exakten Feststellungen zu den Grundlagenbescheiden zu entnehmen seien. Zur aushaftenden Umsatzsteuer würden jegliche Feststellungen zur Haftung des Geschäftsführers bzw zur Struktur und zum konkreten Abgabenverfahren der einzelnen Abgaben fehlen. Wie sich der Betrag zusammensetze, sei nicht in schlüssiger Weise dem Haftungsverfahren und dem Haftungsbescheid zu entnehmen.

Zur Fälligkeit und Struktur der Abgabenzuordnung zu den Perioden würden dem Bescheid jegliche Feststellungen fehlen. In der Folge sei auch zu prüfen, nachdem bereits am das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma eröffnet worden sei, ob dem Geschäftsführer im Zusammenhang mit dem Konkursverfahren überhaupt irgendein Verschulden treffe bzw. inwieweit die Gefährdung der Abgabenentrichtung für ihn überhaupt vorhersehbar gewesen seien.

Anhaltspunkt für eine Pflichtverletzung, die die Gläubiger nicht gleich behandelt, seien dem Bescheid nicht zu entnehmen.

Darüber hinaus hätte es auch im Laufe des späteren Konkursverfahren 2010 die Verpflichtung seitens des Masseverwalters, Teppiche bei weitem günstiger zu verkaufen, nämlich so, wie sie dem Schätzgutachten des eines Sachverständigen entsprach. Dass diese Verpflichtung durch den Masseverwalter nicht wahrgenommen wurde und dadurch ein Schaden von ca. EUR 140.000,- entstanden sei, könne aber keineswegs im Rahmen eines Haftungsbescheides dem Beschwerdeführer angelastet werden.

Der Verkehrswert der Teppiche hätte ca. EUR 160.000,- betragen, während nur ca. EUR 20.000,- im Rahmen der Zwangsversteigerung der konfiszierten Teppiche an Einnahmen vorgekehrt worden seien. Wieso für den Betrag von über EUR 140.000,- eine Abgabenschuldigkeit bestehen kann, für die der Beschwerdeführer zu haften hätte, sei aber nicht nachvollziehbar.

Ein Verschulden des ehemaligen Geschäftsführers läge nicht vor und werde von der belangten Behörde auch nicht dargelegt, sodass der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund aufzuheben sei.

Darüber hinaus lägen auch Unvollständigkeiten und Fehlleistungen der Buchhaltung trotz ordnungsgemäßer Beauftragung und Begleichung sämtlicher Steuerberatungsagenden vor, die nicht dem Geschäftsführer in Form einer Haftung anzulasten seien.

Außerdem wurde in der Beschwerde die Mangelhaftigkeit des Verfahrens gerügt, da der Beschwerdeführer im bisherigen Abgabenverfahren keine ausreichende Möglichkeit auf rechtliches Gehör gehabt hätte. Lediglich im Rahmen der Vorbereitung des Haftungsbescheides hätte die Möglichkeit einer Äußerung bestanden, wobei aber auch hier nicht sämtliche Grundlagenbescheide vorhanden gewesen wären, so dass es praktisch unmöglich gewesen sei, ohne immensen Aufwand befriedigend Stellung zu nehmen. Im Abgabenverfahren als auch im Haftungsverfahren war daher die Möglichkeit nicht hinreichend.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde begründet ihre Entscheidung zusammengefasst wie folgt: Hinsichtlich des Einwandes des Beschwerdeführers, dass die in Haftung gezogenen Abgabenbeträge nicht nachvollziehbar seien, verweist die Behörde auf die zugrundeliegenden Abgabenbescheide und auf das Ergebnis der Außenprüfungsbericht vom , in dem die Abgabenbeträge detailliert aufgeschlüsselt seien. Außerdem weist die belangte Behörde darauf hin, dass die Richtigkeit der Abgabenverfahren im vorliegenden Haftungsverfahren nicht zu überprüfen sei.

Zur Periodenzuordnung der Abgaben führt die Behörde aus, dass der Beschwerdeführer für jene Abgaben zur Haftung herangezogen wurde, die in seine Geschäftsführungsperiode vom bis zum gefallen sind.

Somit habe der Beschwerdeführer die aushaftenden Beträge an Umsatzsteuer und Kapitalertragsteuer nicht fristgerecht entrichtet.

Zur Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger sei auszuführen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Vertreter darzutun hätte, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs 1 BAO annehmen darf. Vom Beschwerdeführer seien hierzu keine Nachweise erbracht worden. Daher sei dem Beschwerdeführer die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorzuschreiben.

Betreffend die Behauptung der Unvollständigkeiten und Fehlleistungen der Buchhaltung sei auszuführen, dass diese monierten Mängel nicht belegt werden konnten und auch nicht begründet wurde, wie sie die Höhe der Abgabenschuld verringert hätten. Darüber hinaus wird auf die Letztverantwortlichkeit des Geschäftsführers hingewiesen, der das Unternehmen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters zur führen hätte und auch die Verantwortung für die rechtzeitige Tilgung der Abgabenschuld zu sorgen.

Hinsichtlich der Rüge der Verletzung des Parteiengehör, weist die Behörde darauf hin, dass dem Beschwerdeführer insbesondere im Haftungsverfahren über seine Rechte und Pflichten belehrt wurde und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde.

Mit Schreiben vom wurde der Antrag gestellt, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Gemeinsam mit der Ladung wurde der Beschwerdeführer mit Vorhalt vom auf seine erhöhte Mitwirkungspflicht hingewiesen und ihm die Möglichkeit geboten zu seinem Verschulden hinsichtlich der Nichtentrichtung der Abgaben Stellung zu nehmen. Insbesondere wurde er aufgefordert den von der VwGH-Judikatur geforderten zahlungsmäßigen Nachweis (z.B. Liquiditätsaufstellung) zu erbringen.

Am fand die beantragte mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht statt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** von bis .

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom ***Datum***.2010 (***Zl***) wurde über das Vermögen der ***Primärschuldnerin*** das Konkursverfahren eröffnet.

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom ***Datum***.2014 (***Zl***) wurde der Konkurs über das Vermögen der ***Primärschuldnerin*** (Primärschuldnerin) mangels Kostendeckung aufgehoben.

Zum ***Datum***.2016 wurde die Primärschuldnerin gem § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit aus dem Firmenbuch gelöscht.

Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer infolge der Nichtentrichtung durch die Primärschuldnerin der im Zeitraum bis fällig gewordene Abgaben zur Haftung herangezogen.

Der Haftungsbetrag setzt sich wie folgt zusammen:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in EUR
Umsatzsteuer
2007
26.205,47
Kapitalertragsteuer
2007
59.700,32
Kapitalertragsteuer
2008
66.886,11
Summe
152.791,90

2. Beweiswürdigung

Die Geschäftsführerstellung sowie die Daten zum Konkursverfahren und die Löschung der Gesellschaft ergeben sich unzweifelhaft aus dem amtlichen Firmenbuchauszug.

Die Feststellungen zu den aushaftenden Steuerbeträgen ergeben sich unzweifelhaft aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

Der festgestellte Sachverhalt konnte daher vom Bundesfinanzgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtliches Gehör

In der Beschwerde wird unter anderem vorgebracht, dass der Beschwerdeführer im Haftungsverfahren in seinem Rechts auf Parteiengehör verletzt worden sei.

Für das Bundesfinanzgericht ergibt sich: Das Parteiengehör (§ 115 Abs 2 BAO) gehört zu den fundamentalen Grundsätzen des Rechtsstaates (vgl , mwN). Gemäß § 183 Abs 4 BAO ist den Parteien vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit zu geben, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern. Der Verfahrensmangel der unterbliebenen Gewährung von Parteiengehör während des erstinstanzlichen Verfahren ist im Rechtsmittelverfahren saniert, wenn im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird (vgl , mwN; , Ra 2017/15/0044, Rn 46). Nach der Judikatur des VwGH kann daher die Verletzung des Parteiengehörs im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht nachgeholt werden.

Die Parteieneinvernahme wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung nachgeholt. Bei seiner Einvernahme brachte der Bf vor, dass er während seiner Zeit als Geschäftsführer drogenabhängig war und öfters auf Entzug. Er habe immer geglaubt alles richtig zu machen.

Außerdem wurde gemeinsam, mit der Ladung ein Fragenvorhalt an den Beschwerdeführer übermittelt, in dem er aufgefordert wurden, zu den rechtlich maßgeblichen Punkten (insbesondere Liquiditätsaufstellung) Stellung zu nehmen. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurden keine weiteren Nachweise erbracht.

Behandlung Beweisanträge

Sachverständigengutachten von ***'SV***

Im vorgelegten Gutachten des Sachverständigen ***'SV*** vom wird offenbar der Wert der Teppiche, die sich im Betriebsvermögen der Primärschuldnerin befunden haben, ermittelt.

Für das Bundesfinanzgericht ist nicht ersichtlich, welchen Einfluss dieses Gutachten auf die Haftung des Beschwerdeführers für Abgaben, die in Vorzeiträumen fällig gewesen sind, haben könnte. Dass die Teppiche - wie in der Beschwerde impliziert - im Rahmen des Konkursverfahren eventuell unter ihrem ehemaligen Verkehrswert verkauft wurden, hat auf die Haftung des Beschwerdeführers für fällige Abgaben aus vorherigen Zeiträumen jedenfalls keine Auswirkungen.

Einvernahme der Zeigen ***Z1*** und ***Z2***

In der Beschwerde wurde die Einvernahme von ***Z1*** und ***Z2*** beantragt.

Gemäß der Judikatur des VwGH (, 98/13/0163), setzt die Beachtlichkeit eines Beweisantrages nach § 183 Abs 3 BAO die ordnungsgemäße (konkrete und präzise) Angabe des Beweisthemas, das mit dem Beweismittel unter Beweis gestellt werden soll, voraus. Beweisanträgen, die nicht ausreichend erkennen lassen, welche konkreten Tatsachenbehauptungen im Einzelnen durch das angebotene Beweismittel erwiesen werden sollen, braucht nicht entsprochen zu werden. Dem gegenständlichen Beweisantrag fehlt es an der Benennung des Beweisthemas. Es ist völlig unklar welche Tatsachenbehauptung durch die Einvernahme der beiden Personen erwiesen werden sollen. Dem Beweisantrag kann daher nicht entsprochen werden.

Haftung

Die Haftungsbestimmung des § 9 Abs 1 BAO lautet wie folgt:

"Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."

Damit eine Person nach diesen Bestimmungen zur Haftung für eine fremde Abgabenschuld herangezogen werden kann, müssen daher die folgenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sein:

1. Persönlicher Anwendungsbereich - Vertreter iSd §§ 80ff BAO

2. Bestehen einer Abgabenschuld

3. Uneinbringlichkeit der Abgabe

4. Schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher oder sonstigen Pflichten durch den Vertreter

5. Ursächlichkeit zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit der Abgabe

  1. Persönlicher Anwendungsbereich - Vertreter iSd §§ 80ff BAO

Der Beschwerdeführer war von bis Geschäftsführer der Primärschuldnerin und gehört damit zu dem in § 80 Abs 1 BAO angeführten Personenkreis. Er kann daher gemäß § 9 BAO grundsätzlich zur Haftung für ausständige Abgabenrückstände herangezogen werden.

  1. Bestehen einer Abgabenschuld

Im Haftungsverfahren ist nicht die Rechtmäßigkeit der Abgaben, für die eine Haftung geltend gemacht wird zu prüfen. Gem § 248 BAO kann ein Haftungspflichtiger unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehende Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. In diesem gesonderten Verfahren wäre dann die Rechtmäßigkeit der Abgabe zu prüfen.

Das Bundesfinanzgericht hat mit Erkenntnis vom , RV/7101063/2012 die Beschwerde der Primärschuldnerin betreffend die der Haftung zugrundeliegende Abgabenschuld als unzulässig zurückgewiesen. Weder der Beschwerdeführer selbst noch die anderen zur Haftung herangezogenen Geschäftsführer, deren Beschwerden gegen die sie betreffenden Haftungsbescheide vom Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , RV/7105910/2018 und , RV/7105908/2018 abgewiesen wurden, haben eine Beschwerde gegen die ursprünglichen Abgabenbescheide eingebracht.

Das Bundesfinanzgericht hat daher keinen Zweifel, dass der Abgabenanspruch für die ausständigen Abgaben besteht.

  1. Uneinbringlichkeit der Abgaben

Ein Geschäftsführer kann gem § 9 BAO nur zur Haftung herangezogen werden, wenn die Abgabe bei der Primärschuldnerin im Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme uneinbringlich ist.

Der Haftungsbescheid wurde am erlassen.

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom ***Datum***.2010 (***Zl***) wurde über das Vermögen der ***Primärschuldnerin*** Konkursverfahren eröffnet.

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom ***Datum***.2014 (***Zl***) wurde der Konkurs über das Vermögen der ***Primärschuldnerin*** (Primärschuldnerin) mangels Kostendeckung aufgehoben.

Zum ***Datum***.2016 wurde die Primärschuldnerin gem § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit aus dem Firmenbuch gelöscht.

Da im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung die Gesellschaft bereits wegen Vermögenslosigkeit aus dem Firmenbuch gelöscht war, steht fest, dass die ausständigen Abgaben bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind und dieses Tatbestandsmerkmal daher erfüllt ist.

  1. Schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher oder sonstigen Pflichten durch den Vertreter

Gem § 80 Abs 1 BAO haben die Vertreter von juristischen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die vorgeschriebenen und schlussendlich im Haftungsbescheid genannten Abgaben sind nicht zum Fälligkeitszeitpunkt entrichtet worden.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH besteht bei der Frage, ob der Vertreter schuldhaft eine Abgabenpflicht verletzt hat, eine qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters. Der Vertreter hat dabei darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten nicht möglich war. Andernfalls kann eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden (vgl zB , 2011/16/0184; , 2013/16/0166; , 2013/16/0208; , 2013/16/0016). In diesem Zusammenhang muss der Vertreter allerdings keinen negativen Beweis dafür vorbringen, dass keine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt, sondern lediglich eine konkrete, schlüssige Darstellung der Gründe, die einer rechtzeitigen Abgabenentrichtung im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben entgegengestanden sind (vgl zB , 89/13/0212; , 2005/17/0259).

Hinsichtlich der Umsatzsteuerschuld hätte der Beschwerdeführer bspw mit einer Liquiditätsaufstellung für den Fälligkeitszeitraum nachweisen können, dass der Primärschuldnerin die liquiden Mitteln fehlten, um die Steuer bei Fälligkeit zu entrichten. Aus diesem Grund wurde der Beschwerdeführer in der Ladung zur mündlichen Verhandlung ersucht eine solche zahlenmäßige Liquiditätsaufstellung für die streitgegenständlichen Haftungszeiträume beizubringen. Das Bundesfinanzgericht ist somit seiner Ermittlungspflicht iSd Rechtsprechung des VwGH nachgekommen (vgl ; ; , Ra 2020/13/0027).

Die Kapitalertragsteuer ist hingegen vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen. Daher kann für die Nichtentrichtung der Kapitalertragsteuer auf verdeckte oder offene Gewinnausschüttung das Fehlen von liquiden Mitteln nicht geltend gemacht werden.

Allerdings hat der Beschwerdeführer weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag substantielle Nachweise erbracht, mit denen nachgewiesen werden hätte können, dass ihm an der Nichtentrichtung der Umsatzsteuer und der Kapitalertragsteuer kein Verschulden trifft.

Aufgrund des völligen Fehlens von jeglichen Nachweisen hinsichtlich des Verschuldens des Beschwerdeführers betreffend die Nichtentrichtung der Abgaben, stellt das Bundesfinanzgericht unter Anwendung der oben zitierten VwGH-Judikatur fest, dass der Beschwerdeführer schuldhaft gegen seine abgabenrechtliche Pflicht zur Entrichtung der Umsatzsteuer inkl. allfälliger Nebengebühren verstoßen hat.

In der mündlichen Verhandlung brachte der Bf vor, dass er wegen seiner Drogensucht nicht in der Lage gewesen sei die Aufgabe als Geschäftsführer wahrzunehmen und ihm aufgrund dieses Umstands kein Verschulden trifft. Hierzu ist zu sagen, dass er bei Vorliegen einer Drogensucht, die ihm an der Ausübung der Geschäftsführerstellung hindert, die Verpflichtung gehabt hätte die Geschäftsführerposition gar nicht anzutreten bzw. umgehend niederzulegen. Außerdem wurden im Verfahren keine Nachweise vorgebracht, die darlegen hätten können, dass er während der ganzen Zeit seiner Geschäftsführung und im Speziellen im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben krankheitsbedingt nicht in der Lage war die Abgaben fristgerecht zu entrichten. Unter Berücksichtigung des Fehlens jeglicher Nachweise im Hinblick auf die fehlende Gläubigergleichbehandlung und sonstiger Nachweise, hat da Gericht von der schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführer iSd oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auszugehen.

  1. Ursächlichkeit zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit der Abgabe

Die Haftungsinanspruchnahme setzt eine Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall voraus.

Wie im Vorpunkt dargestellt, geht das Bundesfinanzgericht auf Basis der Aktenlagen und mangels anderer Vorbringen des Beschwerdeführers davon aus, dass der seine abgabenrechtlichen Pflichten als Geschäftsführer schuldhaft verletzt hat. Nach der Judikatur des VwGH spricht bei schuldhafter Pflichtverletzung die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgabe. (vgl zB , 2012/16/0001; , 2013/16/0016; , Ra 2020/13/0027). Da der Beschwerdeführer auch in diesem Zusammenhang keine gegenteiligen Nachweise vorlegen konnte, geht das Bundesfinanzgericht der ständigen Rechtsprechung des VwGH folgend von einer Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführers und der Uneinbringlichkeit der Abgabe aus.

Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass alle Tatbestandsmerkmale der anwendbaren Haftungsbestimmungen im vorliegenden Fall erfüllt sind. Der Haftungsbescheid wurde somit zu Recht erlassen, weil bei die Primärschuldnerin durch die schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers die Abgaben bei der Gesellschaft nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden konnten.

Reduzierung des Haftungsbetrags

Laut Schreiben des Finanzamts vom wurde ein Teil der Abgaben von anderen Haftungspflichtigen gezahlt. Nunmehr sind noch folgende Beträge offen:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
2007
22.859,81
Kapitalertragsteuer
2007
52.337,56
Kapitalertragsteuer
2008
66.886,11
Summe
142.083,48

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis beruht auf der zitierten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7105912.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at