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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.03.2024, RV/5100847/2023

Verlängerung des Familienbeihilfenanspruches aufgrund der Covid-19-Krise um ein Semester oder um ein Ausbildungsjahr?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***USt*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe ab 03/2022 Steuernummer ***Bf1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Der Antrag der Beschwerdeführerin (in der Folge kurz Bf.) auf Weitergewährung der Familienbeihilfe ab März 2022 für ihren Sohn ***1***, VersNr. ***X***, wurde mit Bescheid vom (Versendung des Bescheides laut EDV am ) mit folgender Begründung abgewiesen:

"Der Anspruch auf Familienbeihilfe verlängert sich laut Familienlastenausgleichsgesetz 1967, § 2 Abs. 9 Iit. b und d im Zusammenhang mit der COVID Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise, nach Maßgaben der Bestimmung für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs. 1 ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein weiteres Semester oder um ein weiteres Ausbildungsjahr, bei einem vor Erreichung der Altersgrenze begonnen Studium.

Das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität ***Ort*** ist nach Semestern und nicht nach Ausbildungsjahren gegliedert, deshalb ist die Verlängerung der Familienbeihilfe über die Altersgrenze hinaus lediglich um das laufende Semester, in dem ***1*** das 25. Lebensjahr vollendet hat und um ein weiteres Semester bis Februar 2022 möglich."

2. Dagegen wurde mit Schreiben vom (eingelangt am ) Beschwerde erhoben.

In der Beschwerde wird ausgeführt, dass die Gesetzesbestimmung des § 2 Abs. 9 lit. b FLAG eine Verlängerung des Familienbeihilfenanspruches um ein weiteres Semester oder ein weiteres Ausbildungsjahr vorsehe. Den Universitäten sei auch der Begriff des Studienjahres bekannt.

Aus den Gesetzesmaterialien und dem Gesetz sei nicht erkennbar, dass bei einem Studium, das in Semester gegliedert ist, eine Verlängerung lediglich um ein Semester möglich sei. Aus den erläuternden Bemerkungen sei erkennbar, dass eine Verlängerung des Familienbeihilfenbezugs auch für ein Studienjahr möglich sei, wenn der Studienbetrieb beeinträchtigt gewesen sei. Die Behörde hätte erheben müssen, wie lange der Studienbetrieb beeinträchtigt gewesen sei. Ein normaler Studienbetrieb habe weder im Sommersemester 2020 noch im Wintersemester 2020/2021 stattgefunden. Der Studienbetrieb sei für ein Jahr beeinträchtigt gewesen. Daher sei die Familienbeihilfe über die Altersgrenze hinaus für ein zusätzliches Ausbildungsjahr und nicht nur ein Semester zu gewähren.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die im FLAG 1967 angeführte Verlängerung des Anspruches auf Familienbeihilfe um ein Ausbildungsjahr stelle lediglich einen Auffangtatbestand für mögliche Altfälle dar, da bestimmte Universitäten/Akademien nach Ausbildungsjahren und nicht nach Ausbildungssemestern gegliedert seien. Das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität ***Ort*** sei nach Semestern und nicht nach Ausbildungsjahren gegliedert, deshalb sei die Verlängerung der Familienbeihilfe über die Altersgrenze hinaus lediglich um ein weiteres Semester bis Februar 2022 möglich.

4. Mit Vorlageantrag vom wurde die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht beantragt, mit Vorlagebericht vom wurde der Akt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sohn der Bf. wurde am ***Datum*** 1996 geboren und vollendete das 25. Lebensjahr im August 2021. Er absolvierte vom ***Datum 2*** den Zivildienst.

Im Studienjahr 2017/18 betrieb er ein Bachelorstudium (Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur, H033 219) an der Universität ***Ort2***. Der Studienerfolg im Ausmaß von 16 ECTS positiv absolvierter Prüfungen wurde belegt.

Nach zwei Semestern erfolgte ein beihilfenunschädlicher Wechsel an die Fachhochschule ***Ort 3*** zum Bachelorstudium Innovations-Produktmanagement, das er im Wintersemester 2018/19 betrieb.

Ab Sommersemester 2019 erfolgte ein 2. Studienwechsel zum Diplomstudium Rechtswissenschaften an der Universität ***Ort***. Der 1. Studienabschnitt wurde mit erfolgreich abgeschlossen. Ab dem Sommersemester 2020 wurde der 2. Studienabschnitt betrieben.

Der Sohn hat mit August 2021 das 25. Lebensjahr vollendet. Die Familienbeihilfe wurde für ein weiteres Semester über die Altersgrenze hinaus bis Februar 2022 gewährt. Ein weiterer Antrag auf Familienbeihilfe ab März 2022 bis September 2022 wurde mit Bescheid vom ab März 2022 abgewiesen.

Das Diplomstudium der Rechtswissenschaften an der ***Universität*** dauert acht Semester. Es umfasst insgesamt 240 ECTS-Anrechnungspunkte. Das Diplomstudium gliedert sich in drei Studienabschnitte, wobei jeder Abschnitt mit ***2*** Diplomprüfung abgeschlossen wird. Der erste Abschnitt dauert ein Semester und umfasst 27 ECTS- Anrechnungspunkte, der zweite Abschnitt fünf Semester mit 153 ECTS-Anrechnungspunkten und der dritte Abschnitt zwei Semester mit 60 ECTS-Anrechnungspunkten (vgl. § 2 Curriculum für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften an der Universität ***Ort***).

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig bzw. ergeben sich diese aus den nicht der Aktenlage widersprechenden und auch von der belangten Behörde nicht widerlegten Ausführungen der Bf.

Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werde

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig ist die Verlängerung des Anspruches auf Familienbeihilfe im Zusammenhang mit der Covid-19-Krise für den Sohn ***2*** ***1*** über die Altersgrenze und die Studiendauer hinaus um ein weiteres Ausbildungsjahr bis September 2022, gewährt wurde nur ein Verlängerungssemester bis Februar 2022.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. g Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer. […]

§ 2 Abs. 1 lit. b ( FLAG 1967) normiert: […] Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. […]

Durch das 6. COVID-19-Gesetz, BGBl. I Nr. 28/2020, wurde dem § 2 FLAG 1967 ein Abs. 9 angefügt, der gemäß § 55 Abs. 45 FLAG 1967 mit in Kraft getreten ist und nach dessen lit. a. und b sich die Anspruchsdauer nach § 2 Abs. 1 lit. b im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise, für volljährige Kinder, die eine Berufsausbildung absolvieren, bei einer vor Erreichung der Altersgrenze begonnenen Berufsausbildung, infolge der COVID-19-Krise über die Altersgrenze hinaus um längstens sechs Monate bzw. ein Semester oder ein Ausbildungsjahr verlängert.

§ 2 Abs. 9 FLAG 1967 normiert:

"Die Anspruchsdauer nach Abs. 1 lit. b und lit. d bis j verlängert sich im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise, nach Maßgabe folgender Bestimmungen: […]

b) für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, abweichend von lit. a über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs. 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein weiteres Semester oder um ein weiteres Ausbildungsjahr, bei einem vor Erreichung der Altersgrenze begonnenem Studium infolge der COVID-19-Krise, […]"

In den Materialien (126 BlgNR XXVII. GP - Ausschussbericht NR) heißt es dazu:

"Für Volljährige wird die Familienbeihilfe grundsätzlich nur dann gewährt, wenn sie sich in Berufsausbildung befinden (z.B. ein Studium betreiben). Mit Vollendung des 24. Lebensjahres endet der Familienbeihilfenbezug, wobei einige Ausnahmen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres vorgesehen sind (z.B. Ableistung des Präsenz- oder Zivildienstes).

Auf Grund der COVID-19-Krise wird die Absolvierung einer Berufsausbildung (z.B. eines Studiums) im Regelfall beeinträchtigt und daher die Fortsetzung bzw. der Abschluss verzögert.

Innerhalb der derzeit im FLAG 1967 vorgesehenen Altersgrenze kann eine Unterbrechung der Berufsausbildung (z.B. eines Studiums) insofern saniert werden, als die Studiendauer, für die Familienbeihilfe gewährt wird, durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verlängert werden kann. Die derzeitige COVID-19-Krise ist als derartiges Ereignis anzusehen und zwar unabhängig von der Dauer der Verzögerung. Diese Verlängerung wird unmittelbar in Bezug auf jene Studienphase wirksam, in der die Beeinträchtigung durch die COVID-19-Krise erfolgt.

Um die angesprochenen Nachteile für die in Rede stehende Personengruppe zu kompensieren, deren Gesamtstudiendauer, die für die Gewährung der Familienbeihilfe im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise zur Verfügung steht, über die Vollendung des 24. oder 25. Lebensjahres hinausgeht, soll die Zeitdauer der Gewährung der Familienbeihilfe über diese derzeit geltende Altersgrenze hinaus verlängert werden. Damit soll gewährleistet werden, dass auch - zusätzlich zur bereits vorgesehenen Studiendauer, für die Familienbeihilfe gewährt wird - für jene Zeiten Familienbeihilfe weiter gewährt werden kann, in denen der Studienbetrieb beeinträchtigt war. Dies soll durch eine Verlängerung des Anspruches auf die Familienbeihilfe im Falle einer allgemeinen Berufsausbildung um längstens sechs Monate und im Falle eines Studiums um ein Semester bzw. ein Studienjahr erfolgen."

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 wird die Studienzeit durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert.

Die COVID-19-Krise ist als derartiges Ereignis anzusehen, da dadurch die Absolvierung einer Berufsausbildung (z.B. eines Studiums) im Regelfall beeinträchtigt und daher die Fortsetzung bzw. der Abschluss verzögert wird.

Nach der in der Literatur (Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, Rz 80) vertretenen Ansicht ist bei in Semester gegliederten Studien eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein (Toleranz-)Semester überschritten wird. Subsidiär und nur bei Berufsausbildungen an Einrichtungen, die keine Semestereinteilung haben, darf die vorgesehene Ausbildungszeit um maximal ein Ausbildungsjahr überschritten werden, um den Familienbeihilfenanspruch nicht zu verlieren (sh. auch RV/0584-I/11; ). Diese Ansicht korreliert auch mit den Bestimmungen des Sudienförderungsgesetzes 1992. In § 18 Abs 1 StudFG 1992 wird ausdrücklich normiert, dass nur dann, wenn das Studien- oder "Ausbildungsjahr" nicht in Semester gegliedert ist, auf die vorgesehene Ausbildungszeit zuzüglich eines Studien- oder Ausbildungsjahres abzustellen ist.

In der Rechtsprechung (vgl. die zur Thematik "Studienwechsel" ergangene Entscheidung , unter Hinweis auf ) wird ebenfalls klar die Rechtsansicht vertreten, dass bei allen Studien, die in Semester eingeteilt sind, regelmäßig auf Semester abzustellen ist. Nur wenn diese Semestereinteilung nicht vorläge (im Fall einer Einteilung in Ausbildungsjahre) käme eine Verlängerung um ein Ausbildungsjahr in Frage.

Auch § 2 Abs. 9 FLAG stellt im hier angeführten Sinn auf die Semestereinteilung ab.

Auf den vorliegenden Fall angewendet, bedeutet dies:

Das vom Sohn der Bf. im Sommersemester 2019 begonnene Diplomstudium der Rechtswissenschaften ist nach Semestern und Studienabschnitten gegliedert. Der erste Studienabschnitt wurde nach 2 Semestern im März 2020 abgeschlossen. Im Sommersemester 2020 wurde mit dem 2. Studienabschnitt begonnen.

Der Anspruch auf Familienbeihilfe hätte grundsätzlich bis zum August 2021 (=25. Geburtstag des Sohns der Bf.) bestanden. Unter Berücksichtigung eines Covid-19-Verlängerunssemesters bestand Anspruch bis zum Februar 2022. Ab diesem Zeitpunkt lag beim Sohn der Bf. nach Beihilfenrecht keine Ausbildung mehr vor.

Entgegen der Ansicht des rechtlichen Vertreters der Bf. wollte der Gesetzgeber auf die Dauer der tatsächlichen Beeinträchtigung des Studienbetriebes ausdrücklich nicht abstellen (vgl. § 2 Abs. 9 FLAG: "…unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung…").

Wäre es die Absicht des Gesetzgebers gewesen, den Familienbeihilfenanspruch generell um 1 Jahr zu verlängern, hätte er das Semester nicht in den Gesetzestext aufgenommen.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, da sich die Rechtsfolge ex lege, sowie aus der zu § 2 Abs. 1 lit. b FLAG zitierten Rechtsprechung ergibt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100847.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at