Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 16.02.2024, RV/6100213/2023

Pfändung einer Geldforderung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Mag. Albert Salzmann, die Richterin Dr. Susanne Zankl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.a Nina Göckler und Christine Höll in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Pfändung einer Geldforderung 2022, Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Mit wurde vom Finanzamt ein Sicherstellungsauftrag gem. § 232 Abs 3 Bundesabgabenordnung 1961 (BAO) über € 440.314,57 den Beschwerdeführer (Bf) betreffend erstellt, der am dem Bf durch das Bezirksgericht zugestellt wurde.
Auf Grundlage des rechtskräftigen Sicherstellungsauftrages vom wurde mit Bescheid vom das Guthaben des Bf auf dem Abgabenkonto zur Steuernummer ***BF1StNr2*** aus den Arbeitnehmerveranlagungen 2016 bis 2021 in Höhe von gesamt € 3.244,00 gepfändet.

In der am eingebrachten Beschwerde brachte der Bf vor, dass die jeweiligen Zubuchungen in der Höhe von jährlich € 400,00 einen monatlichen Zuschuss in der Höhe von
€ 33,34 bedeuten würden. Diese staatliche Armenhilfe wäre nicht für eine Rückführung durch gegenständliche Pfändung vorgesehen. Sein monatliches Nettoeinkommen betrüge im Jahr 2021 € 636,56, in den Jahren zuvor noch weniger. Deshalb auch die jährliche Steuergutschrift als Hilfezahlung zur minimalistischen Armutsbekämpfung. Zusammen mit seinem Nettoeinkommen ergäbe sich mit den Hilfszahlungen ein monatliches - unpfändbares - Einkommen iHv € 669,90…". Die staatlichen Hilfszahlungen wären daher Teil des unpfändbaren Einkommens.
Gleichzeitig stellte der Bf den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat.

In der Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Die Erlassung des angefochtenen Bescheides wäre rechtskonform erfolgt, durch die Zustellung des Zahlungsverbotes an das Finanzamt Österreich wäre die Pfändung bewirkt worden.

Der Bf stellte mit den Antrag, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vorzulegen.

Die Verhandlung wurde für den angesetzt. Die Ladung zur Verhandlung wurde mit durch Hinterlegung rechtswirksam zugestellt.

Am Freitag, (18.08 Uhr), langte beim BFG ein FAX des Bf ein, mit dem dieser die Verlegung der Verhandlung am Dienstag, den , auf unbestimmte Zeit beantragte. Als Begründung führte er an, dass er krankheitsbedingt arbeitsunfähig und eine Teilhabung an der Verhandlung nicht möglich wäre. Mit einer Wiedergenesung wäre in den Sommermonaten zu rechnen.

II. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich eindeutig aus den dem BFG vorgelegten Akten und ist unbestritten.

III. Rechtsausführungen

§ 65 Abgabenexekutionsordnung 1949 (AbgEO) idgF lautet:
(1) Die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners erfolgt mittels Pfändung derselben. Im Pfändungsbescheid sind die Höhe der Abgabenschuld und der Gebühren und Auslagenersätze (§ 26) anzugeben. Sofern nicht die Bestimmung des § 67 zur Anwendung kommt, geschieht die Pfändung dadurch, dass die Abgabenbehörde dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich ist dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen. Ihm ist aufzutragen, bei beschränkt pfändbaren Geldforderungen unverzüglich dem Drittschuldner allfällige Unterhaltspflichten und das Einkommen der Unterhaltsberechtigten bekanntzugeben.

(2) Sowohl dem Drittschuldner wie dem Abgabenschuldner ist hierbei mitzuteilen, dass die Republik Österreich an der betreffenden Forderung ein Pfandrecht erworben hat. Das Zahlungsverbot ist mit Zustellnachweis zuzustellen, wobei die Zustellung an einen Ersatzempfänger zulässig ist.

(3) Die Pfändung ist mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen.

(4) Der Drittschuldner kann das Zahlungsverbot anfechten oder bei der Abgabenbehörde die Unzulässigkeit der Vollstreckung nach den darüber bestehenden Vorschriften geltend machen.

(5) Ein für die gepfändete Forderung bestelltes Handpfand kann in Verwahrung genommen werden.

§ 7 Abs 1 AbgEO idgF lautet:
Soweit erforderlich, können im abgabenbehördlichen Vollstreckungsverfahren mehrere der in § 3 Abs. 2 genannten Vollstreckungsarten gleichzeitig angewendet werden.

§ 290 Abs 1 Exekutionsordnung (EO) idgF lautet:
(1) Unpfändbar sind Forderungen auf folgende Leistungen:
1. Aufwandsentschädigungen, soweit sie den in Ausübung der Berufstätigkeit tatsächlich erwachsenden Mehraufwand abgelten, insbesondere für auswärtige Arbeiten, für Arbeitsmaterial und Arbeitsgerät, das vom Arbeitnehmer selbst beigestellt wird, sowie für Kauf und Reinigen typischer Arbeitskleidung;
2. gesetzliche Beihilfen und Zulagen, die zur Abdeckung des Mehraufwands wegen körperlicher oder geistiger Behinderung, Hilflosigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu gewähren sind, wie zB das Pflegegeld;
3. Beihilfen des Arbeitsmarktservice, soweit sie nicht unter § 290a Abs 1 Z 8 fallen, sowie einem Versehrten gewährte berufliche Maßnahmen der Rehabilitation, die die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit ermöglichen;
4. Ersatz der Kosten, die der Arbeitnehmer für seine Vertretung aufwenden muss;
5. Beiträge für Bestattungskosten;
6. Rückersätze und Kostenvergütungen für Sachleistungsansprüche sowie Kostenersätze aus der gesetzlichen Sozialversicherung und Entschädigungen für aufgewendete Heilungskosten;
7. Leistungen aus dem Unterstützungsfonds und besondere Unterstützungen nach den Sozialversicherungsgesetzen;
8. gesetzliche Beihilfen zur Zahlung des Mietzinses oder zur Deckung des sonstigen Wohnungsaufwands;
9. gesetzliche Familienbeihilfe einschließlich Mehrkindzuschlag und Schulfahrtbeihilfe sowie die nach den jeweils geltenden einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen zur Abgeltung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern auszuzahlenden Absetzbeträge;
10. gesetzliche Leistungen, die aus Anlass der Geburt eines Kindes zu gewähren sind, soweit sie nicht unter § 290a Abs 1 Z 6 fallen, insbesondere das pauschale Kinderbetreuungsgeld und die Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld;
11. Beihilfen und Stipendien, die Schülern und Studenten gewährt werden;
(Anm.: Z 12 und 13 aufgehoben durch BGBl. Nr. 624/1994)
14. Leistungen nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz und dem Opferfürsorgegesetz;
15. Leistungen der Tuberkulosehilfe, soweit es sich nicht um regelmäßige Geldbeihilfen handelt;
16. Ansprüche auf die Arbeitsvergütung nach dem Strafvollzugsgesetz und daraus herrührende Beträge während der Haft, soweit sie nicht unter § 291d fallen.

(2) Die Unpfändbarkeit gilt nicht, wenn die Exekution wegen einer Forderung geführt wird, zu deren Begleichung die Leistung widmungsgemäß bestimmt ist.

(3) Die Unpfändbarkeit von Renten und Beihilfen nach Abs 1 Z 14 gilt nicht bei einer Exekution wegen einer Forderung nach § 291b Abs 1.

IV. Erwägungen

In der Verhandlung vom wurde vorerst über das Anbringen (FAX) des Bf vom Freitag, , 18.08 Uhr, mit dem der Bf die Verlegung der Verhandlung auf unbestimmte Zeit beantragte, beraten und beschlossen:

"Die Verhandlung am wird nicht verlegt".

Dies wurde wie folgt begründet:

Der Bf beantragte die Verlegung der Verhandlung auf unbestimmte Zeit und begründete dies mit krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Ein Nachweis für die angeblich seit Oktober 2023 bestehende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit wurde bis dato nicht beigebracht (zB ärztliche Bestätigung, Gutachten…).

Eine telefonische bzw. schriftliche Kontaktaufnahme mit dem Bf ist nicht möglich. Schriftstücke, adressiert an die Wohnadresse (bzw. Geschäftsadressen) werden seit mehr als einem halben Jahr von der Österreichischen Post regelmäßig Jahr mit dem Vermerk "retour-Ortsabwesend" zurückgeschickt. Dem Auskunftsersuchen des BFG zufolge ist der Bf seit mindestens bis , sowie seit bis vorläufig bei der Post als ortsabwesend (abwesend von der bisherigen Abgabestelle) gemeldet. Die Ausführungen in der og Vertagungsbitte lassen darauf schließen, dass sich auch nach dem daran nichts ändern wird. Dafür spricht auch der Umstand, dass der Bf am Tag nach der Hinterlegung der Ladung zur mündlichen Verhandlung - und offensichtlich im Zuge der Behebung dieser Ladung - sich bei der Post erneut als "ortsabwesend" gemeldet hat, ohne eine andere Abgabestelle dem Gericht bekanntzugeben. Diese Vorgangsweise wiederholt sich über einem langen Zeitraum und in verschiedenen Verfahren des Bf. Die Berichterstatterin führt dazu aus, dass der Bf ihr gegenüber mehrfach erwähnte, dass es ihm bei den Anbringen, Beschwerden, Anträgen und Einwendungen vor allem darum ginge, die anhängigen Verfahren vor dem BFG hinauszuschieben (Zitat Bf: "Ich weiß, dass es inhaltlich nicht viel vorzubringen gibt, aber die Finanz hat mich so ungerecht behandelt und seckiert, jetzt bin ich an der Reihe…").

In der vorliegenden Entscheidung ist entscheidungsrelevant, dass das gepfändete Guthaben aus Einkommensteuerveranlagungen (Arbeitnehmerveranlagung, Negativsteuer) resultiert (siehe dazu weiter unten). Dieser unbestreitbare Sachverhalt ist dem Bf bewusst. In der Zusammenschau mit der og Aussage des Bf gegenüber der Berichterstatterin steht für das Gericht fest, dass die unbestimmte Vertagungsbitte ausschließlich in Verschleppungsabsicht getätigt wurde und dieser daher nicht zu entsprechen war.

Grundlage des Pfändungsbescheides ist der Sicherstellungsauftrag vom für Abgaben im Betrag von € 440.314,57. Ein Sicherstellungsauftrag ist eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende Sofortmaßnahme. Als Sicherungsmaßnahme kommt nach der Abgabenexekutionsordnung 1949 (AbgEO) unter anderem die Pfändung und Verwahrung von Forderungen in Betracht.
Nach der gesetzlichen Bestimmung des § 65 AbgEO erfolgt die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners mittels Pfändung derselben. Im Pfändungsbescheid sind die Höhe der Abgabenschuld und der Gebühren und Auslagenersätze (§ 26) anzugeben. Sofern nicht die Bestimmung des § 67 zur Anwendung kommt, geschieht die Pfändung dadurch, dass das Finanzamt dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich ist dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen (siehe dazu auch Bescheid - Verfügungsverbot vom , Bescheid - Pfändung einer Geldforderung vom ).
Mit der Zustellung des Zahlungsverbotes an den Dritt- (bzw. hier Zweit-) Schuldner wird die Pfändung bewirkt. Die Zustellung des Zahlungsverbotes ist somit der konstitutive Akt, mit dem das Pfandrecht zugunsten der Republik Österreich (des betreibenden Gläubigers) begründet wird, der Zustellung des Verfügungsverbotes an den Abgabepflichtigen (den Verpflichteten) kommt nur deklarative Wirkung zu. Auch in den Fällen, in denen die Abgabenbehörde auf Grund eines Guthabens des Abgabepflichtigen selbst als Drittschuldner anzusehen ist, bedarf es der Erlassung des Zahlungsverbotes, um das Pfandrecht an dem Guthaben zu begründen (Paul Liebeg, AbgEO, Kommentar, § 65 ff).

Abgesehen vom Vorliegen eines nach den Grundsätzen des § 232 BAO erlassenen Sicherstellungsauftrages und eines den vorstehenden Anordnungen entsprechenden Pfändungsbescheides setzt die Pfändung einer Geldforderung zur Sicherstellung von Abgaben im Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner zumindest eine dem Grunde nach entstandene Geldforderung voraus. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Aus den Veranlagungen der Einkommensteuer für die Jahre 2016 bis 2021 resultierte am Abgabenkonto des Bf ein Guthaben von insgesamt € 3.244,00, (welches als gepfändeter Betrag vom Abgabekonto vorerst bis zur endgültigen Verrechnung auf ein Verwahrungskonto gebucht wurde).

Wenn der Bf vermeint, die jährlichen Steuergutschriften aus den Jahren 2016 bis 2021 wären als staatliche Hilfszahlungen Teil des unpfändbaren Einkommens, so muss ihm entgegengehalten werden, dass die Einkommensteuer eine Geldleistung ist, die der Bund kraft öffentlichen Rechts erhebt. Der Abgabenanspruch auf Einkommensteuer des Bundes setzt zwar Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit voraus, seine Rechtsgrundlage findet sich aber im öffentlichen Recht. Bei der im Beschwerdefall entstandenen Einkommensteuergutschriften handelt es sich rechtlich nicht um ein Arbeitseinkommen, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegenüber dem Abgabengläubiger (Bund). Solche Ansprüche unterliegen keinem Pfändungsschutz (vgl. ; Heller/Berger/Stix, Kommentar zur EO, III/2005). Sie fallen nicht unter den Begriff der beschränkt pfändbaren Forderungen gemäß § 290a EO. Einkommensteuergutschriften sind negative Abgabenansprüche und keine nachträglichen Einkünfte aus (nicht) selbstständiger Tätigkeit und unterliegen daher nicht dem Pfändungsschutz.

Die Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Pfändung der Geldforderung iHv € 3.244,00 ist daher als unbegründet abzuweisen.

V. Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall ergab sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut des § 65 AbgEO iVm
§ 290 Abs 1 Z 9 Exekutionsordnung, dass die Beschwerde abzuweisen war.
Eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage war daher nicht zu lösen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 290 Abs. 1 EO, Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896
§ 65 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 7 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100213.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at