Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 26.02.2024, RV/7102011/2018

Einstellung des Beschwerdeverfahrens aufgrund Überlassung des Nachlasses an Zahlungs statt

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag.Dr. Wolfgang Pagitsch in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend der Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich (vormals Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln ) vom betreffend Einkommensteuer 2012, Einkommensteuer 2013, Einkommensteuer 2014, Einkommensteuer 2015, Umsatzsteuer 2012, Umsatzsteuer 2013, Umsatzsteuer 2014 und Umsatzsteuer 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:

I.) Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

II.) Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang

***Bf*** erhob am Beschwerde gegen die am erlassenen Einkommensteuerbescheide 2012 bis 2015 und Umsatzsteuerbescheide 2012 bis 2015.

Nachdem diese mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen wurde, reichte ***Bf*** mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag ein.

In der Folge legte die belangte Behörde mit Vorlagebericht vom die Beschwerde und die wesentlichen Aktenteile dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Der steuerliche Vertreter teilte am mit, dass seine Vollmacht mit dem Tod des ***Bf*** beendet worden sei.

Aufgrund einer Anfrage des Gerichtes teilte das Bezirksgericht Korneuburg am mit, dass die Verlassenschaft ***Bf*** mit Überlassung an Zahlungs statt beendet worden sei und es daher keine Erbantrittserklärung und keine Einantwortung gebe. Infolge Überschuldung des Nachlasses sei der nachträglich hervorgekommene Nachlass den Gläubigern an Zahlungs statt in Form einer kridamäßigen Verteilung gemäß §§ 154 ff AußStrG überlassen worden.

Die vom Bezirksgericht Korneuburg übermittelten Aktenteile wurden der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht. In der Folge teilte die belangte Behörde am mit, dass sie keine Einwände hinsichtlich der vom Gericht beabsichtigten Einstellung des Beschwerdeverfahrens habe.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Festgestellter Sachverhalt

Dem Bundesfinanzgericht wurde am die Beschwerde des ***Bf*** vom betreffend die Einkommensteuerbescheide 2012 bis 2015 und Umsatzsteuerbescheide 2012 bis 2015 zur Entscheidung vorgelegt. Die Einhebung der strittigen Abgabenschulden iHv € 36.817,74 wurde von der belangten Behörde gem. § 212a BAO ausgesetzt.

Am verstarb ***Bf***. Die Verlassenschaft des ***Bf*** wurde mit Überlassung an Zahlungs statt beendet. Es gibt keine vertretungsbefugte Person für die Verlassenschaft.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ist durch die vorgelegten Unterlagen der belangten Behörde und des Bezirksgerichtes Korneuburg zu GZ ***Zahl1*** (insb Beschluss vom ) erwiesen. Aufgrund der Angaben des steuerlichen Vertreters gibt es auch keine Zweifel, dass die Vollmacht des steuerlichen Vertreters mit dem Tod des ***Bf*** geendet hat.

Rechtliche Erwägungen

Zu Spruchpunkt I. (Einstellung des Verfahrens)

Gem. § 79 BAO gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. § 2 ZPO ist sinngemäß anzuwenden. Die Rechtsfähigkeit von natürlichen Personen endet mit dem Tod (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 79 Anm 7, Stand , rdb.at).

Für den Zeitraum zwischen dem Tod des Verstorbenen und der Einantwortung kennt das bürgerliche Recht die Rechtsfigur des ruhenden Nachlasses (§ 531 ABGB). Der ruhende Nachlass ist eine anerkannte juristische Person. Das österreichische Recht ordnet den Erbschaftserwerb erst mit der Einantwortung an, nur aus dem verfahrensrechtlich erforderlichen Zeitraum zwischen Todesfall und Einantwortung folgt die rechtliche Existenz des ruhenden Nachlasses (vgl Obermaier, Zum Unterbleiben der Verlassenschaftsabhandlung, ÖJZ 2008/15). Aufgrund des § 79 BAO ist der ruhende Nachlass somit beispielsweise auch Adressat von Bescheiden (vgl. ; ).

Ein Bescheid ist daher nach dem Tod des Erblassers über eine in dessen Person entstandene Abgabenschuld vor der Einantwortung an die Verlassenschaft und nach der Einantwortung an die Erben als Rechtsnachfolger zu richten (; Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 19 Anm 8, Stand , rdb.at).

Da der ruhende Nachlass seine Rechtspersönlichkeit erst mit der Einantwortung verliert, besteht er - wie im Beschwerdefall - konsequenterweise dann weiter, wenn eine Einantwortung nicht stattgefunden hat (Obermaier, Zum Unterbleiben der Verlassenschaftsabhandlung, ÖJZ 2008/15).

Darüber hinaus bedarf es als juristische Person eines Vertreters, der für diese juristische Person (Verlassenschaft) handelt. Solche Vertreter können ein Verlassenschaftskurator, Erbenmachthaber oder der bzw. die erbserklärten Erben sein.

Gegenständlich sind für das Bundesfinanzgericht keine Anhaltspunkte ersichtlich, woraus sich eine Einantwortung in den überschuldeten Nachlass ergeben würde. Vielmehr lässt sich aus dem Beschluss des Bezirksgerichtes Korneuburg vom entnehmen, dass keine Erbserklärungen abgegeben wurden und das Verlassenschaftsverfahren aufgrund Überschuldung des Nachlasses mit Überlassung an Zahlungs statt beendet worden ist.

Hat kein Erbe eine Erbserklärung abgegeben, kann die in § 810 ABGB vorgesehene Vertretungsfunktion nicht ausgeübt werden. Es ergeben sich auch keine Hinwiese auf das Vorliegen einer Vertretungsbefugnis. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass ein Verlassenschaftskurator oder Erbenmachthaber bestellt worden wäre.

Der Beschluss über die Überlassung an Zahlungs statt stellt einen materiell-rechtlichen Erwerbstitel dar. Er stellt aber keinen Erwerbstitel für die Erbschaft selbst, sondern nur für die im Beschluss bezeichneten einzelnen Bestandteile dar und führt zur Einzelrechtsnachfolge; der Zustand des ruhenden Nachlasses bleibt im Übrigen erhalten (Nemeth in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 (2012), §§ 798-798a Rz 5; Spruzina in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 798 Rz 2). Allerdings wirkt die Überlassung an Zahlungs statt verfahrensbeendend (Obermaier, Zum Unterbleiben der Verlassenschaftsabhandlung, ÖJZ 2008/15).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist im Beschwerdefall mangels Einantwortung keine Gesamtrechtsnachfolge nach § 19 BAO eingetreten, sodass keine Rechte oder Pflichten, vor allem nicht verfahrensrechtliche Rechtspositionen, übergegangen sind. Gibt es jedoch keinen Vertreter der juristischen Person "ruhender Nachlass", der für diese Person rechtsgeschäftliche Handlungen vornehmen kann, kann es auch niemanden geben, der für die juristische Person einen Bescheid oder eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichts entgegennehmen kann. Wegen der fehlenden Möglichkeit, eine Rechtsmittelentscheidung einer vertretungslosen Verlassenschaft zuzustellen, kann eine solche durch das Gericht auch nicht wirksam erlassen werden. Ein noch anhängiges Beschwerdeverfahren kann daher nur eingestellt werden. Dies hat zur Folge, dass eine Erledigung des Bundesfinanzgerichts nur an die Abgabenbehörde zugestellt werden kann.

Gem. § 82 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde, wenn die Wichtigkeit der Sache es erfordert, auf Kosten des zu Vertretenden (die Verlassenschaft) die Betrauung eines gesetzlichen Vertreters (§ 1034 ABGB) beim zuständigen Gericht beantragen. Gem. § 269 BAO haben im Beschwerdeverfahren die Verwaltungsgerichte die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind.

Da die Bestellung eines Verlassenschaftskurators mit Kosten verbunden ist, wäre dies nur dann erforderlich und zweckmäßig, wenn die Beschwerde Aussicht auf Erfolg hätte, wobei sodann - eine ebenfalls mit Kosten verbundene - Nachtragsabhandlung durchgeführt werden müsste.

Aufgrund der vorgenommenen Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO wurden die streitgegenständliche Abgabennachforderungen nicht entrichtet, sodass sich bei stattgebender Entscheidung des Gerichtes kein Aktivvermögen in Form eines abgabenrechtlichen Rückzahlungsanspruches des Beschwerdeführers ergeben würde (vgl , mwN). In Anbetracht der mit Beschluss des Bezirksgerichtes Korneuburg vom gerichtlich festgestellten Überschuldung des Nachlasses würde bei stattgebender Entscheidung und gänzlichem Wegfall der strittigen Abgabennachforderungen somit die Überschuldung des Nachlasses bestehen bleiben, sodass auch keine Nachtragsverhandlung durchzuführen wäre.

Aufgrund der vorliegenden Aktenlage bestehen für das Gericht im Falle einer abweisenden Beschwerdeentscheidung keine Zweifel an der Uneinbringlichkeit des Abgabenanspruches. Zudem ergeben sich für die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Haftungspflichtigen keine Anhaltspunkte. Darüber hinaus hat die belangte Behörde hinsichtlich der beabsichtigten Einstellung des Beschwerdeverfahrens keine Bedenken dahingehend geäußert.

Die Bestellung eines Verlassenschaftskurators würde daher vermeidbare Kosten und einen hohen Verwaltungsaufwand verursachen, weshalb in Ausübung des eingeräumten Ermessens von einem Antrag auf Bestellung mangels Billigkeit und Zweckmäßigkeit Abstand genommen wird.

Aus diesen Gründen war das gegenständliche Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Einkommensteuer 2012 bis 2015 und Umsatzsteuer 2012 bis 2015 einzustellen.

Dieser Beschluss kann entsprechend der rechtlichen Ausführungen rechtswirksam nur an die Amtspartei ergehen, weil an die Verlassenschaft ohne Bestellung eines Verlassenschaftskurators nicht zugestellt werden könnte und das Bundesfinanzgericht eine derartige Bestellung nicht als geboten erachtet.

Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Vielmehr ergibt sich die Rechtsfolge unmittelbar aus dem Gesetz und der oben zitierten einheitlichen Rechtsprechung.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 531 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 154 ff AußStrG, Außerstreitgesetz, BGBl. I Nr. 111/2003
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102011.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at