TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.02.2024, RV/7100551/2024

Keine Aussetzung der Entscheidung, wenn das Verfahren, zu dem ausgesetzt werden soll, einerseits bereits beendet und andererseits irrelevant ist

Beachte

Revision eingebracht. Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/16/0030.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Abweisung des Antrages auf Aussetzung der Entscheidung gemäß § 271 BAO St.Nr. ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Spruch des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass der Antrag vom auf Aussetzung der Entscheidung gem. § 271 BAO als unzulässig zurückgewiesen wird.

  • Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt und Verfahrensgang

Mit Eingabe vom stellte Herr ***Bf1*** einen Antrag auf Aufhebung bzw. Nachsicht von Eingabegebühren gemäß § 24a VwGG in Höhe von EUR 240,00 wegen Härte. Die Gebührenforderung resultierte aus einem Wiederaufnahmeantrag im Revisionsverfahren betreffend Forstgesetz, welchen der Beschwerdeführer (Bf) am beim ***4*** eingebracht hatte. Mit Bescheid über die Abweisung einer Nachsicht von Abgabeschuldigkeiten vom , nachweislich übernommen am , wies das Finanzamt den Antrag ab. Dagegen wurde mit Schriftsatz vom Beschwerde eingebracht und gleichzeitig der Antrag auf "Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung" bis zur Entscheidung über die präjudiziellen Verfahren GZ. Ra 2022/16/0075 bzw. Ra 2022/15/0070, jeweils beim VwGH anhängig, gestellt. Die Beschwerde über die Abweisung der Nachsicht von Eingabegebühren wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.

Gleichzeitig mit der Erlassung der Beschwerdevorentscheidung vom in der Nachsichtsangelegenheit wurde der Antrag auf "Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung" entsprechend seines Inhaltes als Antrag auf Aussetzung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Erkenntnisses des VwGH in den Verfahren Ra 2022/15/0070 bzw Ra 2022/16/0075 gewertet und mit Bescheid abgewiesen. Das Finanzamt begründete wie folgt:

"Der im Beschwerdeschriftsatz vom gestellte Antrag auf Aussetzung des gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist als Antrag auf Aussetzung der Entscheidung gemäß § 271 BAO zu werten.

Eine Aussetzung der Entscheidung über eine Beschwerde ist nur zulässig, wenn entweder wegen einer gleichen oder ähnlichen Frage eine Beschwerde anhängig ist oder sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren schwebt, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Beschwerde ist. Eine Aussetzung ist auch nur zulässig, wenn ihr nicht überwiegende Interessen der Partei entgegenstehen.

Die Aussetzung gemäß § 271 BAO liegt im Ermessen der Behörde; die Partei hat somit keinen Rechtsanspruch auf Aussetzung des Beschwerdeverfahrens (bspw ).

Die vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren Ra 2022/15/0070 und Ra 2022/16/0075 und deren Ausgang können denkunmöglich eine (wesentliche) Bedeutung für das verfahrensgegenständliche Beschwerdeverfahren haben. Dies insbesondere deshalb, da es in Bezug auf das verfahrensgegenständliche Beschwerdeverfahren durch die Finanzbehörde zu keiner Festsetzung einer Gebühr gekommen ist, somit in diesem Zusammenhang keine offene Abgabenschuld vorliegt, und sohin der inhaltliche Ausgang der VwGH-Verfahren auf den Grund und die Höhe der Gebühr bzw Abgabenschuld keinen Einfluss haben kann. Auch kann durch den Ausgang des VwGH-Verfahrens keine Gebührengutschrift entstehen.

Da die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 271 BAO verfahrensgegenständlich nicht erfüllt sind, kann die Behörde auch keine Ermessenentscheidung treffen. Ein Rechtsanspruch auf Aussetzung gemäß § 271 BAO besteht nicht. Der Antrag auf Aussetzung des Beschwerdeverfahrens war daher zu Recht abzuweisen."

Über den in der Nachsichtsangelegenheit eingebrachten Vorlageantrag wurde bereits mit Erkenntnis des GZ. RV/7104192/2023, entschieden.

Mit Schriftsatz vom brachte der Bf Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Aussetzung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Erkenntnisses des VwGH in den Verfahren Ra 2022/15/0070 bzw. Ra 2022/16/0075 ein, mit der Begründung, entgegen den Ausführungen in der Begründung des beeinspruchten Bescheides vom , zugestellt am , seien die vor dem VwGH anhängigen Verfahren sehr wohl präjudiziell für den betreffenden Antrag auf Aussetzung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens gem. § 271 BAO. In den beiden vor dem VwGH anhängigen Verfahren gehe es im Wesentlichen darum, ob der Bf auf den nachlasszugehörigen Liegenschaften seiner verewigten Mutter, ***2***, einen Landwirtschaftsbetrieb betreibe. Entscheidungsgegenstand sei der Untergang des Steuergegenstandes gem. § 23 GrStG mangels Existenz eines Landwirtschaftsbetriebes zum betreffenden Stichtag.

Mit der am ergangenen Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde mit folgender Begründung als unbegründet ab:

"…Dazu wird ausgeführt, dass Inhalt der VwGH-Verfahren nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Wesentlichen ist, ob dieser auf den nachlasszugehörigen Liegenschaften seiner verstorbenen Mutter einen Landwirtschaftsbetrieb betreibt. Wenn der VwGH zum Ergebnis komme, dass der Beschwerdeführer keinen Landwirtschaftsbetrieb zu einem bestimmten Stichtag betrieben habe, sei der Beschwerdeführer im Hinblick auf das gemäß § 236 BAO gestellte Nachsichtsansuchen schutzbedürftig. Ergänzend wird in der Beschwerde ausgeführt, dass das OLG Wien bereits mit Beschluss vom ***3*** unabhängig davon zur Feststellung gelangt sei, dass der Beschwerdeführer keinen Landwirtschaftsbetrieb mehr betreibt. Das Bundesfinanzgericht sei an diesen Beschluss gebunden.

Voraussetzung für die Verfügung der Aussetzung gemäß § 271 BAO ist ein offenes Beschwerdeverfahren und ein anhängiges Verfahren, dessen Ausgang für die Entscheidung über die Beschwerde von wesentlicher Bedeutung ist. Liegt eines der Tatbestandselemente nicht vor, darf die Aussetzung nicht angeordnet werden. Zur Aussetzung eines Beschwerdeverfahrens berechtigen somit anhängige Verfahren, in denen es um die Lösung von Fragen geht, die auch im abgabenrechtlichen Beschwerdeverfahren einer Würdigung bedürfen. Wenn also bei einer anderen staatlichen Stelle ein Verfahren anhängig ist, in dem über eine Frage entschieden wird, die im Abgabenverfahren eine Vorfrage darstellt, wäre auszusetzen. Wie bereits oben ausgeführt, geht es nach den Angaben des Beschwerdeführers in den Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof um die rechtliche Beurteilung, ob der Beschwerdeführer einen Landwirtschaftsbetrieb zu einer bestimmten Zeit betrieben hat. Im bezughabenden abgabenbehördlichen Beschwerdeverfahren geht es hingegen um ein Nachsichtsverfahren zu Gebühren, die aber - wie bereits dem Bescheid vom unzweideutig entnommen werden kann - nicht festgesetzt wurden.

Auch nach Prüfung des ergänzenden Vorbringens im Schriftsatz vom und der vorgelegten Unterlagen wird seitens der Abgabenbehörde keine rechtliche Möglichkeit gesehen, dass der Ausgang der Verfahren vor dem VwGH und sohin diese höchstgerichtlichen Entscheidungen Bedeutung für das hier anhängige Beschwerdeverfahren betreffend der Nachsicht von (nicht festgesetzten) Gebühren haben können. Da die Tatbestandvoraussetzungen des § 271 BAO auch nach Prüfung der ergänzenden Ausführungen und vorgelegten Unterlagen nicht gegeben sind, war spruchgemäß zu entscheiden."

Dagegen wurde mit Schriftsatz vom vom Parteienvertreter Vorlageantrag eingebracht.

Dieser hat mit Schreiben vom mitgeteilt, dass er nicht mehr als Zustellungsbevollmächtigter auftrete. Er habe das Vollmachtsverhältnis zu ***Bf1*** gekündigt, alle behördlichen Schriftstücke sowie allfällige Ladungen seien direkt an ***1***, zuzustellen.

II. Beweiserhebung

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die auf elektronischem Wege vorgelegten Akten des Finanzamtes.

III. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

III.1. Beweiswürdigung

Die sachverhaltsrelevanten Feststellungen wurden seitens des Bundesfinanzgerichts im Rahmen der freien Beweiswürdigung als erwiesen angenommen. Das Bundesfinanzgericht konnte sich dabei auf die vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakten stützen.

III.2. Rechtliche Beurteilung

§ 271 BAO lautet:

"(1) Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Beschwerde anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Beschwerde ist, so kann die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei (§ 78) entgegenstehen. Dies hat vor Vorlage der Beschwerde durch Bescheid der Abgabenbehörde, nach Vorlage der Beschwerde durch Beschluss des Verwaltungsgerichtes zu erfolgen.

(2) Nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens, das Anlass zur Aussetzung gemäß Abs. 1 gegeben hat, ist das ausgesetzte Beschwerdeverfahren von Amts wegen fortzusetzen.

(3) Von der Abgabenbehörde erlassene Aussetzungsbescheide gemäß Abs. 1 verlieren ihre Wirksamkeit, sobald die Partei (§ 78) die Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens beantragt."

Zweck des § 271 Abs. 1 ist, aus Gründen der Prozessökonomie zu vermeiden, dass die gleiche Rechtsfrage nebeneinander in zwei Verfahren erörtert werden muss (; , 2009/13/0159; ). Die Aussetzung ist "eine Maßnahme der Vereinfachung des Verfahrens. Sie soll der Behörde Arbeit ersparen, die sonst allenfalls unnütz aufgewendet worden wäre, und soll andererseits die Parteien vor der Einbringung unnötiger oder aussichtsloser Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof bewahren" (, 2624/55, zu § 42 Abs 1 AbgRG).

Die Aussetzung gem. § 271 liegt im Ermessen der Behörde (zB ; , 2010/15/0080); die Partei hat somit keinen Rechtsanspruch auf Aussetzung (zB ; , 2004/15/0099; , 2007/15/0031, 0032 und 0105; , Ra 2017/13/0023; ), [vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 271, IV. Wirkung der Aussetzung [Rz 22 - 24]].

Alleine auf Grund der Tatsache, dass dem Bf somit kein Rechtsanspruch auf Aussetzung der Entscheidung eingeräumt ist, ergibt sich, dass ein diesbezüglicher Antrag unzulässig ist.

Alleine aus dieser, für das Schicksal der vorliegenden Beschwerde entscheidenden Feststellung folgt, dass mit Zurückweisung vorzugehen war (siehe auch ; ).

Bemerkt wird, dass das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zur Zahl Ra 2022/15/0070 (betreffend den mit do. Beschluss vom , Ra 2022/15/0070-11 erledigten Antrag auf aufschiebende Wirkung in Angelegenheit eines Feststellungsbescheides betreffend Zurechnungsfortschreibung sowie eines Einheitswertbescheides) mit Beschluss vom beendet und der dort verfahrensgegenständliche Antrag zurückgewiesen wurde. Ebenso wurde das Verfahren vor dem VwGH zur Zahl Ra 2022/15/0075 (betreffend den mit do. Beschluss vom , Ra 2022/16/0075-13 erledigten Antrag auf aufschiebende Wirkung i. A. betreffend u.a. Grundsteuermessbescheid) mit Beschluss vom beendet und der dort verfahrensgegenständliche Antrag zurückgewiesen.

Daraus folgt, dass eine (amtswegige) Aussetzung der Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht nicht mehr in Betracht kommt.

Denn ein allfälliger Aussetzungsbescheid verliert seine Wirksamkeit durch die Beendigung jenes Verfahrens, bis zu dessen Beendigung die Aussetzung verfügt worden ist (). Die vom Bf. begehrte Aussetzung der Entscheidung ist im vorliegenden Fall demnach auch nach dem Normzweck (Effizienz des Rechtsschutzes und Wahrung der Prozessökonomie) nicht geboten und der Bf. durch das vorliegende Erkenntnis nicht beschwert ().

Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte auf Grund des zu beachtenden Gebotes der Verwaltungsökonomie unterbleiben, da der Sachverhalt ausreichend geklärt ist und das gefertigte Gericht auch bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Ergebnis gelangen hätte können.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

IV. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dass kein Rechtsanspruch auf die Gewährung einer Aussetzung gem. § 271 BAO besteht ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und aus der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Eine Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at