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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.02.2024, RV/5100550/2023

Kein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Bernhard Ludwig Steinbüchler, Marktplatz 10, 4490 St.Florian, über die Beschwerde vom gegen die Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe und Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe jeweils ab Jänner 2022 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Am langte beim Finanzamt ein Antrag auf Familienbeihilfe sowie ein Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ein.

Der Antrag auf Familienbeihilfe wurde ab , der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wurde ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Ausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung beantragt. Die Anträge wurden vom Erwachsenenvertreter des Beschwerdeführers eingebracht.

2. Mit Abweisungsbescheiden jeweils vom wies die belangte Behörde sowohl den Antrag auf Familienbeihilfe als auch den Antrag auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe ab Jänner 2022 ab. Aus der Begründung:

"Personen, die von Maßnahmen betroffen sind, bei welchen es sich um den Vollzug einer Freiheitsstrafe oder in einer mit Freiheitsentzug verbundenen vorbeugenden Maßnahme handelt, sind vom Anspruch auf Familienbeihilfe sowie des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung ausgeschlossen (gemäß § 6 Abs. 6 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 iZm § 1 Z 3 und Z 4 Strafvollzugsgesetz). Da Sie in der Justizanstalt ***1*** untergebracht sind, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe

Der Erhöhungsbetrag wegen einer erheblichen Behinderung wird als Zuschlag zur allgemeinen Familienbeihilfe gewährt. Da die allgemeine Familienbeihilfe nicht zusteht, kann auch der Erhöhungsbetrag nicht ausgezahlt werden."

3. Mit Schreiben vom reichte der Erwachsenenvertreter des Beschwerdeführers Beschwerde gegen beide Bescheide ein. Der Antrag auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe sei im Juni 2022 rückwirkend für 5 Jahre gestellt worden, der Entscheidungszeitraum der Behörde müsse daher bis Juni 2017 zurückreichen, tatsächlich habe die belangte Behörde lediglich jeweils über den Zeitraum ab Jänner 2022 abgesprochen. Jedenfalls offen sei die Entscheidung über den Zeitraum Juni 2017 bis Dezember 2021. Zudem hätten auch die Anträge für den Zeitraum ab Jänner 2022 nicht abgewiesen werden dürfen, zumal die Unterbringung des Beschwerdeführers im Maßnahmenvollzug nichts an den grundsätzlichen Ansprüchen auf Familienbeihilfe ändern würden, sondern diese nur ruhen würden.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt an den Erwachsenenvertreter, wurden die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid (Anspruch auf Familienbeihilfe) als unbegründet abgewiesen. Begründung:

"Nach § 6 Abs. 5 FLAG haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat. § 6 Abs. 5 gilt nicht für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden.

Da sie seit Februar 2019 in einer Justizanstalt untergebracht sind, besteht aktuell kein Anspruch auf Familienbeihilfe für den strittigen Zeitraum (Lt. Antrag vom ab Jänner 2022). Nach der Entlassung, kann ein erneuter Antrag auf Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag gestellt werden."

5. Im Vorlageantrag vom wird im Wesentlichen auf die Begründung in der Beschwerde verwiesen und die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht beantragt.

6. Mit Vorlagebericht vom wurde der Akt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer wurde im Februar 1999 geboren und hat im Februar 2020 das 21. Lebensjahr vollendet.

2. Der Beschwerdeführer ist seit in der Justizvollzugsanstalt ***1*** untergebracht.

3. Der Beschwerdeführer beantragte am die Zuerkennung von Familienbeihilfe ab Jänner 2022, sowie den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung ab Juni 2017.

4. Von der belangten Behörde wurde hinsichtlich Zuerkennung der Familienbeihilfe als auch hinsichtlich des Erhöhungsbetrages nur über den Zeitraum ab Jänner 2022 abgesprochen und in weiterer Folge dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig.

Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Als Sache des Beschwerdeverfahrens, somit als Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, ist jene Angelegenheit anzusehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat (vgl für viele etwa oder , 2012/15/0030). Siehe hierzu auch , sowie , RV/7100093/2016.

Ein Eigenanspruch besteht für volljährige Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird. Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (§ 6 Abs. 5 FLAG 1967).

Ein Eigenanspruch ist allgemein im Falle von Maßnahmen, die nach dem Strafvollzugsgesetz angeordnet werden (hierbei handelt es sich insbesondere um den Vollzug einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme), ausgeschlossen (§ 6 Abs 6 FLAG 1967).

Gemäß den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes besteht eine Verpflichtung der öffentlichen Hand für den Unterhalt dieser Personengruppe umfassend zu sorgen. Jene Unterhaltsbedürfnisse, die im Zuge des Vollzuges einer Freiheitsstrafe bzw. des Vollzuges einer vorbeugenden Maßnahme, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden sind, typischerweise anfallen, werden von der öffentlichen Hand ausreichend gedeckt.

Der Beschwerdeführer war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum, also ab Jänner 2022 jedenfalls in der Justizvollzugsanstalt untergebracht, sodass ein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe nicht gegeben ist/war.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag zusteht.

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist, um einen im Gesetz genannten Betrag. Daraus folgt, dass der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe diese erhöht, jedoch niemals ohne Familienbeihilfe allein gewährt werden kann.

Somit muss entweder ein Anspruch nach § 2 Abs 1 lit a (für minderjährige Kinder), nach § 2 Abs 1 lit b-l (für volljährige Kinder) oder ein Eigenanspruch nach § 6 Abs 1 (minderjährige Vollwaisen), Abs 2 (volljährige Vollwaisen) oder Abs 5 (sog "Sozialwaisen") bestehen (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 8 Rz 5).

Beantragt wurde der Grundbetrag an Familienbeihilfe ab Jänner 2022, daher hat die belangte Behörde auch über den Anspruch auf Familienbeihilfe ab Jänner 2022 entschieden. Der Erhöhungsbetrag kann nur dann zustehen, wenn auch der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht.

Da im vorliegenden Fall, wie bereits ausgeführt wurde, ein Antrag auf Familienbeihilfe ab 01/2022 gestellt wurde, durfte das Finanzamt den allein gestellten Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages ab 06/2017 bis 12/2021 nicht in der Sache behandeln, somit dem Antrag weder stattgeben, aber diesen Antrag auch nicht in der Sache mit Bescheid abweisen (Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 10, Rz 3).

Ruhen des Anspruchs

Entgegen der Rechtsansicht des Erwachsenenvertreters besteht kein Eigenanspruch im Falle von Maßnahmen, die nach dem Strafvollzugsgesetz angeordnet werden (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 6 Rz 20).

Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzung kann nach Ende der Maßnahme nach dem Strafvollzugsgesetz ein neuerlicher Antrag auf Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag gestellt werden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die zitierte Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100550.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at