Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.02.2024, RV/7300009/2024

Verfahrenshilfeverteidiger bei Spruchsenatszuständigkeit, Bedürftigkeit des Antragstellers und Interesse der Rechtspflege

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Groschedl in der Finanzstrafsache gegen Herrn ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen des Verdachts der Begehung von Finanzvergehen der Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs. 2 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) sowie Finanzordnungswidrigkeiten gemäß §§ 49 Abs. 1 lit. a und 51 Abs. 1 lit. a FinStrG über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , amtssigniert am , Geschäftszahl FV-001, über die Abweisung eines Antrages auf Beigebung eines Pflichtverteidigers gemäß § 77 Abs. 3 FinStrG zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid insoweit abgeändert, als Herrn ***Bf1*** für das verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren vor dem Spruchsenat gemäß § 77 Abs. 3 FinStrG ein Verfahrenshilfeverteidiger bewilligt wird.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Fax vom beantragte Herr ***Bf1*** zur GZ. SpS-W1 einerseits die Vertagung der für anberaumten Verhandlung vor dem Spruchsenat und andererseits die Beigebung eines Pflichtverteidigers wie folgt.

"Da ich auf Grund der vom Finanzamt abverlangten Vorauszahlungen (die ich nie eingenommen habe), eine einfache Lebensführung aus eigenen Mitteln nicht mehr bestreiten kann, ersuche ich auch wegen der Schwere der Vorwürfe und des damit in Aussicht stehenden Strafrahmens samt möglicher Nebeneffekte in Zusammenhang mit meiner Firmenexistenz und damit auch die Existenz von Arbeitsplätzen um Beigebung eines Pflichtverteidigers."

Seine wirtschaftliche Lage gab der Antragsteller über Aufforderung der Finanzstrafbehörde mit Eingabe vom bekannt, im Detail: rund € 9.300,00 Verbindlichkeiten an Gehalt, SV etc (ohne FA-Verbindlichkeiten), laufende Lebenshaltungskosten rund € 800,00, Unterhaltsverpflichtung für den Sohn (Schüler), kein eigenes Einkommen, lebt von der Unterstützung der Lebensgefährtin.

In einer Ergänzung vom gab er auch Beträge der Bankkonten unter Anschluss von Kontoauszügen bekannt, aus denen geringe Guthaben zur Abdeckung von laufenden Rechnungen hervorgehen.

Mit Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahl FV-001 (approbiert vom Teamleiter des Amtsbeauftragten und amtssigniert am ), wurde der Antrag von Herrn ***Bf1*** auf Verfahrenshilfe gemäß § 77 Abs. 3 FinStrG abgewiesen mit folgender Begründung:

Ist in Verfahren, in denen die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses gemäß § 58 Abs. 2 FinStrG einem Spruchsenat obliegt, der Beschuldigte außerstande, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts die Kosten der Verteidigung zu tragen, so hat gem. § 77 Abs. 3 FinStrG die Finanzstrafbehörde auf Antrag des Beschuldigten, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist, dem Beschuldigten für das gesamte Verfahren oder für einzelne Verfahrenshandlungen einen Verteidiger beizugeben, dessen Kosten er nicht zu tragen hat.

Zu prüfen war, ob eine Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts durch die Kosten der Führung des Verfahrens gegeben ist. Als notwendiger Unterhalt ist derjenige Unterhalt anzusehen, den die Partei für sich und ihre Familie, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung benötigt. Als notwendiger Unterhalt ist ein zwischen dem "notdürftigen" und dem "standesgemäßen" Unterhalt liegender anzusehen, der abstrakt zwischen dem statistischen Durchschnittseinkommen eines unselbständig Erwerbstätigen und dem Existenzminimum liegt und unter Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalles eine die Bedürfnisse des Einzelnen berücksichtigende bescheidene Lebensführung gestattet.

Aufgrund der im Antrag vom bekannt gegebenen Daten (Immobilienvermögen: unbelastetes Zinshaus mit Mietern drinnen, Kontoauszüge) sowie der Aktenlage (Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherung) konnte keine Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts festgestellt werden.

Überdies erscheint aufgrund der Höhe der angedrohten Strafe sowie mangelnder Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Beigabe eines Verteidigers nicht erforderlich, da es sich um keine Komplexität der Materie handelt.

Der Antrag war daher abzuweisen."

Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde vom , in der wie folgt ausgeführt wurde:

"Die Begründung der Abweisung enthält kein logisch nachvollziehbares Vorbringen, würden die im Verfahrensschriftverkehr dargelegten und auch belegten Argumente berücksichtigt.
Immobilienvermögen stellt nicht zwingend ein den notwendigen Unterhalt deckendes Einkommen dar.
Auch ein laufender Betrieb stellt nicht zwingend ein den notwendigen Unterhalt deckendes Einkommen dar.
Die Steuerbescheide der Jahre 2020 und 2021 weisen gravierende Verluste aus.
2022 konnte ebenfalls nur mit Verlust abgeschlossen werden. Für das Wirtschaftsjahr 2023 kann die Lage noch nicht endgültig abgeschätzt werden, da betriebstypisch oftmals Zahlungseingänge erst mit Ende Dezember möglich sind. Es kann aber mit Sicherheit gesagt werden, daß ein moderater Verlust wohl das Ergebnis sein wird.

Aufgrund unerklärlicher Fehleinschätzungen des Finanzamtes wurden nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage entsprechende hohe Vorauszahlungen an Umsatzsteuer abverlangt. Dadurch wurde jede weitere positive Entwicklung meines Unternehmens gelähmt.

Ohne die finanzielle Hilfe meiner Lebensgefährtin wäre ich wohl gezwungen gewesen, mein nach über 3-jährigem Erbschaftsstreit schwer erkämpftes Haus zu verkaufen. Ich war sogar gezwungen, von ihr eine Stundung der Gehälter für November und Dezember 2022 zu erbitten (sie arbeitet in meinem Betrieb).

Die in der Bescheidbegründung herangezogene Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherung kann wohl auch keinen Grund für eine Abweisung der Verfahrenshilfe darstellen, da diese auf den Fehleinschätzungen des Finanzamtes beruhte und mittlerweile korrigiert wurde.

Die Höhe der angedrohten Strafe stellt unter diesen Umständen ein für mich kaum zu bewältigendes Risiko dar.

Entgegen der Argumentation der Antragsabweisung ist die Sach- und Rechtslage derart komplex, daß sich das Gericht aus immerhin 5 (!) Personen zusammensetzt, wobei den Vorsitz der Senatspräsident(!) des OLG Wien fuhrt.

Ich ersuche daher, meiner Beschwerde stattzugeben und mir Verfahrenshilfe zu gewähren."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage:

§ 77 Abs. 3 FinStrG: Ist in Verfahren, in denen die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses gemäß § 58 Abs. 2 einem Spruchsenat obliegt, der Beschuldigte außerstande, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts die Kosten der Verteidigung zu tragen, so hat die Finanzstrafbehörde auf Antrag des Beschuldigten, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist, dem Beschuldigten für das gesamte Verfahren oder für einzelne Verfahrenshandlungen einen Verteidiger beizugeben, dessen Kosten er nicht zu tragen hat.

§ 124 Abs. 2 FinStrG: Obliegt die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses einem Spruchsenat (§ 58 Abs. 2), so hat der Vorstand der Finanzstrafbehörde einen Amtsbeauftragten zu bestellen. Als Amtsbeauftragter kann auch ein Organ der Finanzstrafbehörde tätig werden, das vom Vorstand der Finanzstrafbehörde ständig mit der Funktion eines Amtsbeauftragten betraut wurde. Der Amtsbeauftragte hat die Akten dem Spruchsenat mit seiner schriftlichen Stellungnahme zu den Ergebnissen des Untersuchungsverfahrens zuzuleiten. Die Stellungnahme hat insbesondere die deutliche Beschreibung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat unter Angabe der anzuwendenden Strafvorschrift und des strafbestimmenden Wertbetrages zu enthalten und die Beweismittel zu bezeichnen. Ausfertigungen der Stellungnahme sind dem Beschuldigten und den gemäß § 122 dem Verfahren zugezogenen Nebenbeteiligten zuzustellen.

Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht, sofern die Beschwerde nicht gemäß § 156 mit Beschluss zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung des Erkenntnisses seine Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Sachverhalt:

Laut Finanzstrafakt wurde gegen den Antragsteller mit Verfügung der Finanzstrafbehörde vom ein Finanzstrafverfahren wegen Verdachts von Finanzordnungswidrigkeiten und Abgabenhinterziehung gemäß §§ 33 Abs. 2 lit. a und 51 Abs. 1 lit. a FinStrG eingeleitet.

Mit Stellungnahme des Amtsbeauftragten vom erfolgte die Vorlage der (zwischenzeitig ausgedehnten) Finanzstrafsache zur Entscheidung an den Spruchsenat.

Der Vorsitzende des Spruchsenates hat gemäß § 125 Abs. 1 FinStrG keine Ergänzungen des Untersuchungsverfahrens für erforderlich gehalten und die mündliche Verhandlung für den anberaumt.

Nachdem die Ladung für diese Verhandlung an den Antragsteller zugestellt wurde, beantragte dieser mit Fax vom zur GZ. SpS-W1 neben der Vertagung der für anberaumten Verhandlung vor dem Spruchsenat auch die Beigebung eines Pflichtverteidigers.

Aufgrund von Ersuchen um Ergänzung der Finanzstrafbehörde hat der Antragsteller Kontoauszüge seiner Bankkonten vorgelegt, aus denen seine laufenden Einnahmen und Ausgaben sowie minimale Guthaben ersichtlich sind. Zudem ist der Auskunft über die wirtschaftlichen Verhältnisse eine Zusammenfassung der Umsatzsteuerschätzungen des Finanzamtes für die Jahre 2016 bis 2022 von rund € 54.200,00 zu entnehmen, die sich laut Umsatzsteuerjahreserklärungen des Antragstellers auf rund € 12.600,00 reduzieren würden.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahl FV-001, (approbiert vom Teamleiter des Amtsbeauftragten und amtssigniert am ) abgewiesen.

Rechtliche Würdigung:

Die Spruchsenatszuständigkeit ergibt sich schon allein aus der Summe der strafbestimmenden Wertbeträge, die die Grenze von € 33.000,00 gemäß § 58 Abs. 2 lit. a FinStrG übersteigen.

Weitere Voraussetzung nach § 77 Abs. 3 FinStrG ist die Bedürftigkeit des Beschuldigten. Es muss ihm unmöglich sein, ohne Gefährdung seines und seiner Familie zur einfachen Lebensführung notwendigen Unterhaltes die Kosten eines Wahlverteidigers zu tragen.

Dazu hat die Finanzstrafbehörde weitere Erhebungen durchgeführt und Kontoauszüge und die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers eingeholt. Dem Antragsteller ist insoweit beizupflichten, als allein das Vorhandensein von Liegenschaftsvermögen kein Hinweis auf laufende Einnahmen bedeutet. Aus den vorgelegten Unterlagen ist abzuleiten, dass die tatsächlich entrichteten Mieten die laufenden Kosten für die Vermietung der Liegenschaft abdecken. Auch ist der Tatsache, dass die letzten aktenkundigen Veranlagungen zur Einkommensteuer des Antragstellers Verluste ergeben haben, nichts entgegenzusetzen.

Aus dem Antrag vom und den nachgebrachten Unterlagen zum Vermögen und der aktuellen wirtschaftlichen Lage des Antragstellers ist zu entnehmen, dass der Antragsteller über kein nennenswertes Einkommen verfügt. Festzuhalten ist, dass der Antragsteller schon in der Niederschrift über die Vernehmung des Beschuldigten vor der Finanzstrafbehörde vom zu seiner Einkommenslage aussagte: "Kein Einkommen."

Ein Verkauf der Liegenschaft zur Bestreitung des notwendigen Unterhalts stünde zur Bedeutung des Verfahrens außer Verhältnis. Allerdings bezieht der Antragsteller auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, deren Bezahlung er - wenn auch wie behauptet aus Kostengründen - nicht konsequent verfolgt. Allein die Möglichkeit, Mietrückstände auf gerichtlichem Weg einklagen zu können (was auch mit entsprechenden Kosten verbunden ist), kann nicht mit aktuell zur Verfügung stehendem Einkommen gleichgesetzt werden.

Angesichts der von der Finanzstrafbehörde unwidersprochenen Aussage des Antragstellers, derzeit von der Unterstützung seiner Lebensgefährtin zu leben, zudem noch für einen Schüler sorgepflichtig zu sein, ist derzeit die Bedürftigkeit des Antragstellers gegeben.

Zusammengefasst sind damit die ersten beiden Voraussetzungen des § 77 Abs. 3 FinStrG für die Bewilligung einer Verfahrenshilfe, nämlich einerseits die Zuständigkeit eines Spruchsenates (ergibt sich schon allein aus der Summe der strafbestimmenden Wertbeträge), andererseits eine durch eine Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes durch (allfällige) Verteidigungskosten ausgelöste Bedürftigkeit des Antragstellers iSd § 77 Abs. 3 FinStrG (der gegenüber der Finanzstrafbehörde zahlreiche Unterlagen über sein Vermögen und die laufenden Einnahmen vorgelegt hat, woraus sich ergibt, dass er zwar über Grundvermögen verfügt, allerdings derzeit keine Einnahmen erzielt, die die Ausgaben übersteigen, sodass er auf die Unterstützung seiner Lebensgefährtin angewiesen ist), nach der Aktenlage im Anlassfall als gegeben angenommen werden können.

Es ist daher glaubhaft davon auszugehen, dass der Antragsteller außer Stande ist, die Kosten einer zweckentsprechenden Verteidigung im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat zu tragen.

Für die darüber hinaus zu treffende Beurteilung, ob die Beigabe einer unentgeltlichen Verteidigung (auch) im Interesse der Rechtspflege geboten ist, sind mit den (vorgeworfenen) Taten und dem sich daraus ergebenden, voraussichtlichen Verfahren verbundene Gründe (z. B. Umfang und Inhalt des abzuführenden Beweisverfahrens) ebenso wie allfällige, in der Person des Beschuldigten liegende Umstände, so z. B. die Auswirkungen der "angedrohten" Strafen, maßgeblich, sodass eine Ablehnung der Bewilligung der Verfahrenshilfe mangels eines konkret bestehenden Interesses der Rechtspflege, nur dann bzw. insoweit möglich ist, als eine stets anhand der tatsächlichen Umstände des Anlassfalles durchzuführende Prüfung der verfahrensspezifischen Gegebenheiten ergibt, dass ein derartiges Interesse eben nicht vorliegt (vgl. etwa ).

Neben der Höhe der angedrohten Strafe kann insbesondere die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage sowie die Komplexität der Materie die Beiziehung eines Verteidigers notwendig machen (vgl. in diesem Zusammenhang auch beispielsweise die Urteile des EGMR vom , Nr. 66/1991/318/390, Pham Hoang, und vom , 23/1990/214/270, Quaranta; [R 77(3)/3]). Vgl. Köck in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz, Band 2, 5. Aufl. (2021), § 77, I. Kommentar zu § 77 [Rz 27].

Wenngleich es nicht Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens sein kann, die dem Antragsteller in der Stellungnahme an den Spruchsenat zum Vorwurf gemachten Taten schon inhaltlich im Hinblick auf deren (mögliche) Nachweisbarkeit zu prüfen, lässt die dargestellte Sach- und Rechtslage grundsätzlich keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Frage der verspäteten Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen und die nicht fristgerechte Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen bzw. der Lohnabgaben (hier spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit) oder der Jahressteuererklärungen zu beurteilen sein wird. Daraus kann auch ein dem Erfordernis eines (ergänzenden) Beweis- und Ermittlungsverfahren ergebende verfahrensrechtliche Komplexität ein entsprechendes Interesse der Rechtspflege iSd § 77 Abs. 3 FinStrG begründet werden (vgl. und ).

Insbesondere unter Berücksichtigung der im Finanzstrafverfahren bestehenden (erhöhten) Beweislast für die Richtigkeit einer Schätzung (vgl. etwa Reger/Judmaier/Kalcher/Kuroki, FinStrG Bd 2, 768 ff), und der Tatsache, dass der Antragsteller die Höhe der Schätzung der verfahrensgegenständlichen Umsatzsteuern und die Verpflichtung, monatlich und nicht vierteljährlich Umsatzsteuervoranmeldungen einreichen zu müssen, bestreitet, ist ein Bedürfnis des Antragstellers auf Beiziehung eines Verfahrenshilfeverteidigers im Interesse der Rechtspflege gegeben, um die bisher vorliegenden Entscheidungsgrundlagen entsprechend prüfen zu können und eine zweckentsprechende Verteidigung im (weiteren) Finanzstrafverfahren gewährleistet ist.

Gerade angesichts eines angedrohten Strafrahmens von (€ 33.157,76 x 2 = € 66.315,52 plus € 6.809,28 : 2 = € 3.404,64 =) € 69.720,16 und möglicher umsatzsteuerrechtlicher Fragen ist eine verfahrensrechtliche Komplexität des Falles durchaus gegeben, sodass der angefochtene Bescheid insoweit abzuändern war, als dem Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe Folge zu geben war und für das verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren vor dem Spruchsenat ein Verfahrenshilfeverteidiger bewilligt wird.

Die Einschränkung auf das Verfahren vor dem Spruchsenat erscheint deshalb sinnvoll, da schon im Verfahren vor dem Spruchsenat mit einer abschließenden Klärung der Sach- und Rechtslage zu rechneng ist.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ungeklärte Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren für diesen Fall nicht ausschlaggebend, sodass eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7300009.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at