Aufwendungen für die Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater bei einem Polizisten als Umschulungskosten abzugsfähig?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I.Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, als die Einkommensteuer für das Jahr 2022 gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig festgesetzt wird. Im Übrigen bleibt der angefochtene Bescheid unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog im Jahr 2022 ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Polizist.
In seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2022 machte der Bf. ua Fortbildungs-, Ausbildungs- und Umschulungskosten in Höhe von € 5.400,28 geltend.
Mit Schreiben vom übermittelte der Bf. die vom Finanzamt geforderten Unterlagen und brachte vor, dass er im Jahr 2021 eine neue Berufsausbildung zum Lebens - und Sozialberater begonnen habe.
Sein Ziel sei es den Gewerbeschein zu erlangen und in Zukunft Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu erzielen. Zusätzlich habe er im Jahr 2022 einen Hypnoselehrgang, der ebenfalls zu zukünftigen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit führen soll, absolviert. Der Zeitpunkt sei noch nicht absehbar, da die Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater noch bis 2024 dauern würde und im Anschluss weitere Voraussetzungen für den Gewerbeschein zu erbringen seien, wo die Dauer noch unklar sei.
Aktuell arbeite er als Polizeibeamter und werde in Zukunft seine selbständige Tätigkeit parallel zu seinem Arbeitsverhältnis beginnen. Das Ziel sei es, zur Gänze als Lebens- und Sozialberater selbständig tätig zu sein und den Beruf als Polizist aufzugeben. Er habe keine Förderung für seine Ausbildung vom Land oder sonstigen Förderstellen erhalten.
Der Bf. legte nachstehende Unterlagen zum Nachweis der Ausbildungskosten vor:
Rechnung Ausbildung Lebens- und Sozialberater
Rechnung Hypnoselehrgang
Überweisungsbestätigung Ausbildung Lebens- und Sozialberater
Überweisungsbestätigung Hypnoselehrgang
Stundenplan Ausbildung Lebens- und Sozialberater
Stundenplan Hypnoselehrgang
Zahlungsplan Ausbildung Lebens- und Sozialberater
Curriculum Ausbildung Lebens- und Sozialberater
Den Beilagen ist zu entnehmen:
Ausbildung:
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***1*** Akademie | 2.024,00 € | Hypnose | |
***1*** | 2.060,00 € | Halbjahresbeitrag LSB Ausbildung | |
4.084,00 € |
Reisekosten Ausbildung 3.134 km x 0,42 € = 1.316,28 €
Summe Werbungskosten Ausbildung : 5.400,28 €
Mit Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2022 wurden die Werbungskosten betreffend Umschulungskosten in Höhe von € 5.400,28 nicht anerkannt. Begründend wurde ausgeführt:
"Um Aufwendungen als Werbungskosten absetzen zu können, muss zwischen dem Aufwand und den Einnahmen, zu deren Erzielung der Aufwand notwendig ist, ein unmittelbarer, ursächlicher Zusammenhang bestehen.
Aufwendungen, die mit den Einnahmen in keinem oder nur in einem mittelbaren Zusammenhang stehen, sind nicht als Werbungskosten absetzbar (§ 16 EStG 1988).
Da Umschulungskosten auf eine künftige, noch nicht ausgeübte Tätigkeit abzielen, stellen sie begrifflich vorweggenommene Werbungskosten dar (). Es müssen grundsätzlich Umstände vorliegen, die über eine bloße Absichtserklärung zur künftigen Einnahmenerzielung hinausgehen (vgl. , , , und Rz 230).
Wurden Umschulungsaufwendungen nicht als Werbungskosten anerkannt, wird jedoch in der Folge tatsächlich ein Gesamtüberschuss aus dieser Tätigkeit erzielt, stellt dies ein rückwirkendes Ereignis dar, das zu Bescheidabänderungen gem. § 295a BAO der Jahre, in denen die Umschulungskosten gezahlt wurden, führt.
Werbungskosten eines Arbeitnehmers sind Aufwendungen oder Ausgaben, die beruflich veranlasst sind. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen oder Ausgaben objektiv im Zusammenhang mit einer nichtselbständigen Tätigkeit stehen und subjektiv zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen geleistet werden oder den Steuerpflichtigen unfreiwillig treffen und nicht unter ein steuerliches Abzugsverbot fallen."
Mit Eingabe vom erhob der Bf. gegen den oa Bescheid fristgerecht Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, dass er derzeit den Beruf als Polizist ausübe und mit Sicherheit sagen könne, dass dieser Beruf für die Dauer seiner beruflichen Laufbahn wegen der physischen und psychischen Belastung nicht möglich sei.
Seine Einkunfterzielung sei dahingehend gefährdet, dass er bereits in der Vergangenheit einen längeren Krankenstand aufgrund eines Burnouts hatte und es nicht ausgeschlossen sei, dass die Krankheit wegen der beruflichen Belastung in Zukunft wieder auftreten könne. Er habe sich entschieden einen neuen Beruf zu erlernen, um künftig einen Wechsel von der Arbeit als Polizist zu einer beratenden Tätigkeit als Lebens- und Sozialberater vornehmen zu können. Die Ausbildung sei so beschaffen, dass sie umfassend sei und den Einstieg in die neue berufliche Tätigkeit ermöglichen würde. Er erwerbe durch die Ausbildung die Berechtigung einen Gewerbeschein als Lebens- und Sozialberater bei der Wirtschaftskammer zu lösen um Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu erzielen. Er habe das Ziel seine bisherige Tätigkeit aufzugeben und den neuen Beruf als Lebens- und Sozialberater auszuüben um sein Einkommen zu sichern. Es bestehe die Aussicht den neuen Beruf bis zur Pensionierung ausüben zu können und die Chance ein höheres Einkommen in der selbständigen Tätigkeit zu erzielen.
Diese Gründe (Einkunfterzielung im bisherigen Beruf ist gefährdet und die Verdienstmöglichkeiten durch die Umschulung verbessern sich) gehen über eine bloße Absichtserklärung zur künftigen Einnahmenerzielung hinaus, sodass die Umschulungskosten als vorweggenommene Werbungskosten gelten. Vorweggenommene Werbungskosten seien mit anderen Einkünften ausgleichsfähig in dem Jahr in dem sie geleistet wurden. (Die Umschulungskosten wurden in der Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom zur Gänze betragsmäßig und belegmäßig nachgewiesen).
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegrüdnet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt:
"Aufwendungen für Umschulungsmaßnahmen sind dann abzugsfähig, wenn sie derart umfassend sind, dass sie einen Einstieg in eine neue berufliche Tätigkeit ermöglichen, die mit der bisherigen Tätigkeit nicht verwandt ist und auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.
Die ausdrücklich genannte Voraussetzung, dass eine Umschulungsmaßnahme auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen muss, ist in Verbindung mit dem allgemeinen Abzugsverbot von Aufwendungen für die Lebensführung gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 zu sehen.
Bildungsmaßnahmen, die aus Gründen des persönlichen Interesses getätigt werden, sind vom Abzug ausgeschlossen. Sie stellen Kosten der Lebensführung dar.
Abzugsfähig sind Aufwendungen, die zur Sicherung des künftigen Lebensunterhaltes des Steuerpflichtigen beitragen sollen und daher künftiges Steuersubstrat darstellen (). Es müssen grundsätzlich Umstände vorliegen, die über eine bloße Absichtserklärung zur künftigen Einnahmenerzielung hinausgehen (vgl. , , ).
Diese sind jedenfalls dann gegeben wenn, die Einkunftserzielung im früher ausgeübten Beruf auf Grund von Arbeitslosigkeit nicht mehr gegeben ist oder die weitere Einkunftserzielung im bisherigen Beruf gefährdet ist oder die Berufschancen oder Verdienstmöglichkeiten durch die Umschulung verbessert werden.
Die Intensität der Nachweisführung oder Glaubhaftmachung muss umso höher sein, je mehr sich eine Umschulung nach der Verkehrsauffassung auch zur Befriedigung privater Interessen bzw. Neigungen eignet.
Eine derartige besondere Nachweisführung wird daher vor allem bei folgenden Sachverhalten notwendig sein:
Die derzeitige Einkünfteerzielung ist nicht gefährdet oder die Umschulung lässt aus dem neuen Beruf keine höheren Einkünfte erwarten.
Da keine der oben genannten Voraussetzungen vorliegen und bis auf eine Absichtserklärung keinerlei Schritte gesetzt wurden, die objektiv den Umstieg auf die Tätigkeit als Lebens- und Sozialberater untermauern, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Hinweis: Wurden Umschulungsaufwendungen nicht als Werbungskosten anerkannt, wird jedoch in der Folge tatsächlich ein Gesamtüberschuss aus dieser Tätigkeit erzielt, stellt dies ein rückwirkendes Ereignis dar, das zu Bescheidabänderungen gem. § 295a BAO der Jahre, in denen die Umschulungskosten gezahlt wurden, führt."
Mit Eingabe vom stellte der Bf. einen Antrag zur Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht. Begründend wurde ergänzend ausgeführt:
"…Meine Umschulungskosten betreffen die Kosten für die Ausbildung zum diplomierten Lebens-,und Sozialberater mit einer Zusatzausbildung im Bereich Hypnose (Die Hypnoseberatung dient als Erweiterung zum Methodenkatalog der psychosozialen Beratung, welcher im Rahmen der Lebens- und Sozialberatung ausgeübt werden darf). Die Ausbildung erfolgt über die ***1*** in Wien und ist derart umfassend, dass der Beruf des Lebens- und Sozialberaters unselbständig und auch selbständig ausgeübt werden kann. Beiliegend (Beilage A) sende ich Ihnen das Curriculum und die Terminplanung meiner Ausbildung bei der ***1*** zum Lebens- und Sozialberater und als Beilage B das Zertifikat des Hypnose Diplomlehrganges. Die Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater mit der Zusatzqualifikation im Bereich Hypnose, wurde im Jahr 2021 begonnen und endet im Herbst 2024.
Ich übe derzeit den Beruf als Polizist aus und kann mit Sicherheit sagen, dass die Ausübung des Berufes für die Dauer meiner beruflichen Laufbahn wegen der physischen und psychischen Belastung nicht möglich sein wird. Meine Einkunfterzielung ist dahingehend gefährdet, da ich bereits in der Vergangenheit einen längeren Krankenstand aufgrund eines Burnouts hatte und es nicht ausgeschlossen ist, dass die Krankheit wegen der beruflichen Belastung in Zukunft wiederauftreten wird. Ich habe mich deshalb dazu entschieden einen neuen Beruf (Lebens- und Sozialberater) zu erlernen um künftig einen Wechsel von der Arbeit als Polizist zu der Tätigkeit als Lebens- und Sozialberater vornehmen zu können. Die Ausbildungsmaßnahmen sind NICHT aus Gründen des persönlichen Interesses begonnen worden, sondern dienen ausschließlich für den Umstieg in eine neue berufliche Tätigkeit.
Ich habe das Ziel meine bisherige Tätigkeit aufzugeben und den neuen Beruf als Lebens- und Sozialberater auszuüben um mein Einkommen zu sichern. Es besteht die Aussicht den neuen Beruf bis zur Pensionierung ausüben zu können und die Chance ein höheres Einkommen in der Selbständigen Tätigkeit als Lebens- und Sozialberater zu erzielen.
Diese Gründe (Einkunfterzielung im bisherigen Beruf ist gefährdet und die Verdienstmöglichkeiten durch die Umschulung verbessern sich) gehen über eine bloße Absichtserklärung zur künftigen Einnahmenerzielung hinaus. Diese Gründe untermauern den Umstieg auf die neue Tätigkeit.
Die Umschulungskosten in Höhe von € 5.400,28 sind daher als Werbungskosten im Jahr 2022 zu berücksichtigen. (Die Umschulungskosten in Höhe von € 5.400,28 wurden in der Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom zur Gänze betragsmäßig und belegsmäßig nachgewiesen).
Weiters verweise ich auf die Ausführungen in meiner Beschwerde und beantrage diese dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen."
Mit Bericht vom wurde die oa Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vorgelegt und auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. ist Polizist und hat nach seinen Angaben im Jahr 2021 mit einer neuen Berufsausbildung zum Lebens- und Sozialberater begonnen.
Im Jahr 2022 absolvierte der Bf. bei der ***1*** Wien laut vorgelegter Stundentafel "2022 Platon" folgende Veranstaltungen:
Einführung in die Lebens- und Sozialberatung vom 26.03.- und
Grundlagen I vom 26.-
Die insgesamt 5-semestrige Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater dauert noch bis 2024.
Zusätzlich hat der Bf. im Jahr 2022 einen Hypnoselehrgang begonnen und am den Diplomlehrgang mit Zeugnis abgeschlossen.
Im Streitjahr arbeitet der Bf. hauptberuflich als Polizist und bezog daraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In der Beschwerde wird seitens des Bf. vorgebracht, dass es sein Ziel sei, zur Gänze als Lebens- und Sozialberater selbständig tätig zu sein und den Beruf als Polizist aufzugeben. Er könne daher mit Sicherheit sagen, dass für die Dauer seiner beruflichen Laufbahn wegen der physischen und psychischen Belastung die Ausübung seiner Tätigkeit als Polizist nicht möglich sei.
Der Bf. verfügt über keine Gewerbeberechtigung und zwar insbesondere nicht für das Gewerbe eines Lebens- und Sozialberaters gem. § 119 GewO 1994.
2. Beweiswürdigung
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich aus den von der belangten Behörde elektronisch vorgelegten Aktenteilen und dem Vorbringen des Bf. in der Beschwerde.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind jene Aufwendungen und Ausgaben, die im Rahmen der Erzielung außerbetrieblicher Einkünfte aufgewendet werden. Der Inhalt des Werbungskostenbegriffs deckt sich weitgehend mit dem Inhalt des Betriebsausgabenbegriffs (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch EStG 1988 § 16 Tz. 1 und Tz 5). Demnach sind Werbungskosten Aufwendungen, die beruflich veranlasst sind.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 sind Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen, Werbungskosten.
Im gegenständlichen Fall ist daher zu prüfen, ob die Aufwendungen eines Polizisten zur Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater mit der Zusatzausbildung Hypnose abzugsfähige Umschulungskosten sind und damit Werbungskosten iSd § 16 EStG 1988 vorliegen.
Unbestritten ist, dass die Kosten zur Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater bzw. Hypnose im Zusammenhang mit dem vom Bf. ausgeübten Beruf als Polizist mangels Artverwandtschaft weder abzugsfähige Aus- noch Fortbildungskosten darstellen.
Eine Abzugsfähigkeit kann nach den oben zitierten Gesetzesstellen nur dann vorliegen, wenn die Umschulungsmaßnahmen einerseits derart umfassend sind, dass sie einen Einstieg in eine neue berufliche Tätigkeit ermöglichen, die mit der bisherigen Tätigkeit nicht verwandt ist, und andererseits auf die tatsächliche Ausübung dieser neuen beruflichen/betrieblichen Tätigkeit abzielen.
Die ausdrücklich im Gesetz genannte Voraussetzung, dass eine Umschulungsmaßnahme auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen muss, ist daher zum einen mit dem allgemeinen Abzugsverbot von Aufwendungen der Lebensführung (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit a EStG 1988) zum anderen aber auch mit den Grundsätzen der Liebhabereibeurteilung zu sehen.
Wie der Stundentafel Lebens- und Sozialberatung 2022 Platon entnommen werden kann, umfasst die erforderliche Ausbildung ein breites Spektrum an Lehrgangsinhalten wie Einführung in die Lebens- und Sozialberatung, Gruppenselbsterfahrung, Grundlagen für die Beratung in den angrenzenden sozialwissenschaftlichen, psychologischen, psychotherapeutischen, pädagogischen und medizinischen Fachbereichen, Krisenintervention, Rechtsfragen, Berufsrecht und betriebswirtschaftliche Grundlagen.
Die Lebens- und Sozialberatung stellt eine eigene Berufssparte dar, welche unterschiedliche Beratungstätigkeiten abdeckt, und zwar Beratung und Betreuung von Menschen beispielsweise im Zusammenhang mit Persönlichkeit-, Partnerschafts-, Erziehungs- oder Berufsproblemen.
Im Streitjahr absolvierte der Bf. zwei Lehrveranstaltungen (Einführung in die Lebens- und Sozialberatung 26.- und Grundlagen I vom 26. Bis ). Zudem absolvierte und bestand der Bf. am den Hypnose Diplomlehrgang (vom bis ).
Für die Abzugsfähigkeit von umfassenden Umschulungsmaßnahmen als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben wird von den gesetzlichen Bestimmungen gefordert, dass die Aufwendungen auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.
Die Beweggründe für eine Umschulung können unterschiedlichster Natur sein. Der Steuerpflichtige muss in der Lage sein nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass er tatsächlich auf die Ausübung eines anderen Berufes abzielt.
Ob der Wille besteht, eine andere Berufstätigkeit tatsächlich auszuüben oder ob andere Motive (zB hobbymäßiges Verwerten) vorliegen, ist im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen (Schubert in Wiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke, EStG § 16 Anm. 143).
Eine bloße Absichtserklärung des Steuerpflichtigen ist nicht ausreichend, dh. es müssen somit Umstände vorliegen, die über eine bloße Absichtserklärung zur künftigen Einnahmenerzielung hinausgehen (vgl. ).
Laut Vorbringen des Bf. ist derzeit nicht geplant, die neue Tätigkeit zum alleinigen Hauptberuf zu machen. Der Bf. bringt selbst vor, dass der Zeitpunkt noch nicht absehbar sei, da die Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater noch bis 2024 dauern würde und erst danach ein Gewerbeschein gelöst werden kann.
Es konnten daher seitens des Bf. bis dato auch keine konkreten Maßnahmen zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit und zwar insbesondere zur Ausübung eines Lebens- und Sozialberaters gesetzt werden.
Nach Ansicht des BFG ist somit auch nicht absehbar, wann solche Schritte zur konkreten Ausübung dieser Tätigkeit gesetzt werden. Es kann daher bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden, ob der Bf. die geplante selbständige Tätigkeit - zumal er sich noch in der Ausbildung befindet - tatsächlich in einem entsprechenden Ausmaß ausüben wird.
Der Steuerpflichtige muss zum Zeitpunkt der Aufnahme der Umschulungsmaßnahme die ernsthafte Absicht haben, einen anderen Beruf auszuüben. Diese ernsthafte Absicht muss der Steuerpflichtige dokumentieren bzw. nachweisen oder glaubhaft machen.
Diese subjektive Absicht kann nur anhand objektiver Umstände beurteilt werden.
Im konkreten Fall ist es mittelfristig nicht geplant, die neue Tätigkeit zum alleinigen Hauptberuf zu machen. Der Bf. bringt selbst vor, dass der Zeitpunkt noch nicht absehbar sei, da die Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater noch bis 2024 dauern würde.
Zudem geht sein Vorbringen, dass die Ausübung seiner Tätigkeit als Polizist für die Dauer seiner beruflichen Laufbahn wegen der physischen und psychischen Belastung nicht möglich sei, zumal er bereits in der Vergangenheit einen längeren Krankenstand aufgrund eines Burnouts hatte, über die Behauptungsebene nicht hinaus.
Im vorliegenden Fall ist somit nicht eindeutig geklärt, ob die Ausbildungsmaßnahme auf die Ausübung eines Berufes abzielt oder ob sie primär der Befriedigung privater Interessen und der Ermöglichung eines Hobbys dient.
Gemäß § 200 Abs. 1 erster Satz BAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist.
Ist die Ungewissheit beseitigt, wird die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung ersetzt. Gibt die Beseitigung der Ungewissheit zu einer Berichtigung der vorläufigen Festsetzung keinen Anlass, so ist ein Bescheid zu erlassen, der den bisher vorläufigen zum endgültigen Abgabenbescheid erklärt (§ 200 Abs. 2 BAO).
Im vorliegenden Fall liegt die Ungewissheit in der Beurteilung des Planes bzw. der Motive des Bf., die noch nicht ausreichend objektivierbar und damit endgültig beurteilbar sind. Die Ungewissheit liegt in der Beurteilung der subjektiven Absichten des Bf., die aufgrund der vorliegenden objektiven Umstände noch nicht abschließend durchgeführt werden kann.
Sie wird erst dann möglich sein, wenn der subjektive Wille anhand der objektiv messbaren Ausformung klar beweisbar und damit sichtbar werden wird. Bei diesem Hervortreten der Umstände handelt es sich also nicht um Tatsachen, die die ursprünglichen Motive ändern, sondern um Tatsachen, die diese Motive beweisen. Der Sachverhalt wird dadurch nicht geändert, er wird nur "sichtbar". Die Ungewissheit liegt im bereits bestehenden Motiv und nicht in einem zukünftigen Ereignis.
Es wird daher insbesondere der Umfang der Tätigkeit einer genaueren Beobachtung zu unterziehen sein.
Gemäß § 295a BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, dass abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat. Eine vorläufige Veranlagung ist bei Ungewissheiten über den Eintritt rückwirkender Ereignisse (§ 295a BAO) ausgeschlossen (vgl. Ritz, BAO³, § 200 Tz. 7). Aus diesem Grund war zu prüfen, ob in den noch unsicheren zukünftigen Entwicklungen solche rückwirkenden Ereignisse zu erblicken sind.
Im streitgegenständlichen Fall liegt die Ungewissheit in der Beurteilung der subjektiven Absichten des Bf., der aufgrund der vorliegenden objektiven Umstände noch nicht abschließend durchgeführt werden kann. Sie wird erst möglich sein, wenn der subjektive Wille anhand der objektiven Umstände sichtbar wird. Die Ungewissheit liegt in bereits bestehenden Motiven und nicht in einem zukünftigen Ereignis, wodurch § 295a BAO - entgegen der Ansicht des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung vom - nicht angewendet werden kann.
Das Bundesfinanzgericht kommt nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu dem Ergebnis, dass streitgegenständlich mehr Gründe gegen die zukünftige tatsächliche Ausübung des Berufes des Lebens- und Sozialberaters sprechen als dafür. Da bis dato keine über die Absichtserklärung des Bf. hinausgehende Umstände vorliegen, dass dieser seine Ausbildung im Rahmen einer neuen Tätigkeit mit Einkunftsquellencharakter auch tatsächlich verwerten wird, können die geltend gemachten Aufwendungen vorläufig gem. § 200 Abs. 1 BAO nicht als Werbungskosten in Abzug gebracht werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Zur steuerlichen Abzugsfähigkeit von Umschulungsmaßnahmen als Werbungskosten ist das Bundesfinanzgericht der angeführten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt. Darüber hinaus hing die Entscheidung von den Umständen des Einzelfalles, nämlich von Sachverhaltsfragen ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.
Wien, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 200 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100439.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at