Zurückweisung eines Vorlageantrages bei Fehlen von wesentlichen Spruchbestandteilen
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RV/3100887/2018-RS1 | Ein Bescheid ist ein individueller Hoheitsakt, welcher durch seinen normativen Gehalt verbindlich Rechtsverhältnisse feststellt. Ein Abgabepflichtiger sollte nach Ergehen eines Bescheides nicht im Unklaren darüber gelassen werden, in welchem Ausmaß er zur Haftung herangezogen bzw welcher Betrag konkret festgesetzt wird.
Enthält ein Bescheid (hier: Beschwerdevorentscheidung) nicht alle wesentlichen Spruchbestandteile nach § 198 Abs 2 BAO, ist dieser nicht wirksam ergangen. |
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht beschließt durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Schaar Wirtschaftstreuhand-, Steuerberatungs OG, Pradler Str. 83, 6020 Innsbruck, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Innsbruck (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Haftung zur Abfuhr der Lohnsteuer, Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe und Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag jeweils für den Zeitraum 04/2018, Steuernummer ***BF1StNr1*** :
I. Der Vorlageantrag wird als nicht zulässig zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Gegenständlicher Beschluss beschäftigt sich mit der Rechtsfrage, ob eine Beschwerdevorentscheidung alle wesentlichen Spruchbestandteile enthält. Zudem wird geprüft, ob eine Beschwerdevorentscheidung im Falle des Fehlens einer dieser Spruchbestandteile rechtswirksam ergangen ist.
1. Verfahrensgang und Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (in Folge kurz: Bf) unterließ u. a. für den Monat 04/2018 die Meldung von Lohnabgaben an das Finanzamt, weshalb die Abgabenbehörde mit den im Spruch angeführten Bescheiden die Bf für Lohnsteuer im Schätzungswege iHv € 350,- haftbar machte und gleichzeitig den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe iHv € 390,- sowie den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag iHv € 43,- festsetzte.
Gegen die am ergangenen Bescheide brachte die Bf rechtzeitig am das Rechtsmittel der Beschwerde ein und brachte anspruchsbegründend vor, dass die festgesetzten Beträge nicht den tatsächlich angefallenen Abgaben entsprächen. Gemäß beigefügtem Betriebsjahreslohnkonto sei die Bf für April 2018 hinsichtlich nicht abgeführter Lohnsteuer nur iHv € 90,54 haftbar zu machen. Ferner stehe der Bf aufgrund des NeuFÖG eine Befreiung hinsichtlich Lohnnebenabgaben zu. Folglich sei kein Dienstgeberbeitrag bzw Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag festzusetzen.
Der Auszug aus dem der Beschwerde beigefügtem Betriebsjahreslohnkonto enthielt für den Monat April 2018 folgende Angaben: Bruttobezüge 1.720,62, Sozialversicherung 292,47, Lohnsteuer 90,54, Netto 844,98, DB-frei, DZ-frei.
Schließlich erließ die Abgabenbehörde am eine Beschwerdevorentscheidung. Der Spruch des Bescheides lautete: "Ihrer Beschwerde vom wird teilweise stattgegeben, der angefochtene Bescheid wird abgeändert".
In der Begründung wurde ausgeführt, dass "die Lohnabgaben auf Grund der Daten am Betriebsjahreslohnkonto festgesetzt wurden." Ferner liege eine Neugründung iSd NeuFÖG nicht vor, da das Gewerbe unmittelbar nach der Gewerbeanmeldung wieder ruhend gemeldet worden sei. Auch sei die Schaffung einer betrieblichen Struktur nicht nachgewiesen worden. Eine Befreiung betreffend Dienstgeberbeitrag bzw Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sei daher nicht gegeben.
Die Beschwerdevorentscheidung ließ jegliche Bezugnahme auf eine Berechnungsgrundlage, Buchungsmitteilung oder festgesetzte Beträge vermissen.
In weiterer Folge reichte die Bf am einen Vorlageantrag ein und brachte ergänzend vor, die Voraussetzungen für die Anwendung des NeuFÖG seien von der Wirtschaftskammer geprüft worden. Die Schaffung einer betrieblichen Struktur sei ebenfalls gegeben, da das Transportunternehmen der Bf in dieser Form zuvor nicht existiert habe. Es sei auch ein Mitarbeiter beschäftigt gewesen, ein Fahrzeug für die Transporte verwendet worden und es seien gewerbliche Einkünfte erzielt worden.
Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht vom zur Entscheidung vorgelegt. Bereits in der Beschwerde und nochmals mit Vorlageantrag hat die Bf den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie Entscheidung durch den Senat gestellt.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich widerspruchsfrei aus den dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Akten.
Die Feststellungen zum Inhalt insbesondere im Hinblick auf die Formulierung des Spruchs der Beschwerdevorentscheidung lassen sich zweifelsfrei aus dieser selbst ableiten. Insofern konnte das erkennende Gericht diese Feststellungen seiner Entscheidung bedenkenlos zu Grunde legen.
3. rechtliche Würdigung
3.1. Zu Spruchpunkt I (Zurückweisung)
Gemäß § 198 Abs 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Abgaben durch Abgabenbescheide festzusetzen, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes vorgeschrieben ist.
Gemäß § 198 Abs 2 BAO haben Abgabenbescheide im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten.
Nach den getroffenen Feststellungen genügt der Spruch der Beschwerdevorentscheidung vom den angeführten gesetzlichen Anforderungen gerade nicht. Der Spruch enthält weder die Höhe der festgesetzten Abgabe noch enthält er Angaben zur Bemessungsgrundlage. Insofern lässt sich nicht erkennen, in welchem Umfang die Erstbescheide durch die Beschwerdevorentscheidung abgeändert wurden.
Eine Erledigung, die mangels Angabe der Abgabenhöhe keinen bestimmten Spruch enthält, stellt - ungeachtet der Bezeichnung als Bescheid - keinen Bescheid dar (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 198 Rz 11).
Selbst wenn man die Begründung der Beschwerdevorentscheidung unterstützend zur Auslegung des Spruches heranziehen würde, entspräche auch dies nicht den gesetzlichen Kriterien: Die Formulierung "Die Lohnabgaben werden auf Grund der Daten am Betriebsjahreslohnkonto festgesetzt" offenbart keinerlei Bezug zur konkreten Höhe der Lohnnebenabgaben.
Der von der Bf errechnete Lohnsteuerbetrag ist zwar am Betriebsjahreslohnkonto angegeben, dennoch lässt die Beschwerdevorentscheidung insgesamt auch unter Berücksichtigung der Begründung nicht erkennen, dass die Abgabenbehörde tatsächlich diesen Betrag festgesetzt hat. Ein Bescheid ist ein individueller Hoheitsakt, welcher durch seinen normativen Gehalt verbindlich Rechtsverhältnisse feststellt. Ein Abgabepflichtiger sollte nach Ergehen eines Bescheides nicht im Unklaren darüber gelassen werden, in welchem Ausmaß er zur Haftung herangezogen bzw welcher Betrag konkret festgesetzt wird.
Darüber hinaus gelangt das erkennende Gericht zur Auffassung, dass ein Verweis in einem Bescheid auf eine nichtbehördliche Urkunde höchstens als Begründung dienen, niemals aber rechtskraftsfähiger Spruchbestandteil werden kann. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall nicht einmal ein solcher Verweis erfolgt.
Die Beschwerdevorentscheidung vom ist daher aufgrund obiger Erwägungen - zumal sie wesentliche Spruchbestandteile nicht enthält - nicht wirksam ergangen. Unabdingbare Voraussetzung eines Vorlageantrags ist jedoch, sofern nicht eine der Ausnahmebestimmungen des § 262 Abs 2 bis 4 BAO vorliegt, dass die Abgabenbehörde eine (rechtswirksame) Beschwerdevorentscheidung erlassen hat (Ritz/Koran, BAO 7. Auflage (2021), § 264 Rz 6, unter Hinweis auf ; ; ; ; ).
Der Vorlageantrag war daher zurückzuweisen.
Hinsichtlich der beantragten mündlichen Verhandlung und des Antrages auf Entscheidung durch den Senat wird abschließend festgehalten, dass aufgrund der Bestimmung des § 272 Abs 4 BAO beides aufgrund der vorliegenden Zurückweisung des Vorlageantrages unterbleiben konnte.
3.2. Zu Spruchpunkt II (Zulässigkeit einer Revision)
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da der gegenständliche Beschluss der höchstgerichtlichen Rechtsprechung folgt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Eine über den Einzelfall hinaus relevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 198 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100887.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at