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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.03.2024, RV/7100774/2024

Unzulässigkeit einer Beschwerdevorentscheidung mangels Vorliegens einer Beschwerde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der - vermeintlichen - Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht (BFG) legt dem Erkenntnis nachstehenden auf der Aktenlage basierenden Sachverhalt zu Grunde:

Zunächst wurde der Bf. aufgrund eines Antrages vom für ihre ab dem ein Studium beginnende Tochter Familienbeihilfe gewährt, wobei - ebenfalls antragsgemäß - eine Direktzahlung auf das Konto des Kindes ***1*** erfolgte.

In einem mit beim Finanzamt Österreich am eingelangten Schriftsatz teilte die Tochter der Bf. mit, dass sie das Studium der Philosophie nicht weiterbetreibe und ergo dessen nicht länger Familienbeihilfe beanspruche.

Als Reaktion auf obigen Schriftsatz wurde der Bf. ein mit datiertes Datenblatt zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe übermittelt und diese aufgefordert der Abgabenbehörde bis zum das Studienblatt sowie die Erfolgsnachweise ihrer Tochter ab dem Studienbeginn (März 2022) nachzureichen.

In Ansehung der Tatsache, dass das Datenblatt nicht fristgerecht an die Abgabenbehörde retourniert wurde, wurde die Bf. vermittels mit datierter Erinnerung nochmals aufgefordert, spätestens bis zum das Datenblatt auszufüllen, respektive das Studienblatt sowie die Erfolgsnachweise ihrer Tochter ab dem Studienbeginn (März 2022) nachzureichen.

Da die Bf. obigem Ersuchen nicht innerhalb der Frist () nachkam, erließ die Abgabenbehörde unter Hinweis - auf Nichtvorlage der Unterlagen gründende Verletzung der Mitwirkungspflicht - einen mit datierten Bescheid vermittels dessen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge als für das Kind ***1*** als im Zeitraum vom bis zum zu Unrecht bezogen rückgefordert wurde.

Hierbei wurde nämlicher Bescheid per Finanz Online versandt und dieser am um 04:23:51 + 01:00 Uhr in die Databox der Bf. gestellt.

Am langte beim FA Österreich das mit datierte Datenblatt ein, wobei die Bf. - neben Nachreichung eines keine Prüfungsleistung dokumentierenden Sammelzeugnisses der Universität Wien - zum Studienerfolg ihrer Tochter nachstehendes ausführte:

"Guten Tag,

Meine Tochter, ***2*** hat während ihres Studiums keine Prüfungen abgelegt.

Sie war anwesend bei den Stunden, aber sie war nicht in der Lage sich zu konzentrieren und zu lernen, da sie schlimme Depressionen und Kopfschmerzen mit Halsschmerzen und grippalen Infekten zu kämpfen hatte.

Wir hatten eine schwere Zeit. Ich musste auf Sie achten, dass sie sich selbst nichts antut.

Währenddessen hatte mein Mann auch eine Firma mit einem Partner, wo wir sehr viel Geld an das Finanzamt zahlen mussten und wohl noch einiges dazu kommt.

Im Moment kämpfen wir uns durch von Monat zu Monat und hoffen, dass wir nicht mehr so viel zu zahlen haben. Wir haben zu der Zeit die ***1*** auch sehr viel finanziell unterstützen müssen, Pschiater, Therapie, Ärzte usw.

Ich bitte um Verständnis

Hochachtungsvoll ***Bf1***"

In der Folge erließ die Abgabenbehörde eine mit datierte, - der Bf. nachweislich am - zugestellte Beschwerdevorentscheidung (BVE) nachstehenden Inhalts:

Es ergeht die Beschwerdevorentscheidung betreffend der Beschwerde vom , eingelangt am von ***3*** gegen den Rückforderungsbescheid vom .

Über die Beschwerde wird aufgrund des § 263 Bundesabgabenordnung (BAO) entschieden:

Ihre Beschwerde vom wird als unbegründet abgewiesen.

HINWEIS:

Das Datenblatt zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe vom wird als Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vom gewertet.

Begründung

Familienbeihilfe steht bei einer ernsthaften und zielstrebigen Ausbildung zu.

Wann gilt die Ausbildung als ernsthaft und zielstrebig?

• Das Kind verwendet die volle Zeit dafür

• Das Kind tritt in angemessener Zeit zu Prüfungen an

Bei Ihrem Kind trifft das nicht zu.

Ihre Tochter ***1*** hat das Bachelorstudium Philosophie mit 3/2022 begonnen und am exmatrikuliert. Während dieser Zeit wurden keine Prüfungen, weder positive noch negative, abgelegt.

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes und der gegebenen Rechtslage liegen in diesem Zeitraum die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht vor."

In dem gegen diese BVE fristgerecht erhobenen Vorlageantrag vom wird unter Hinweis auf mangelnde Auseinandersetzung mit der Krankheit des Kindes ***1***, die Rechtswidrigkeit des Bescheides (BVE) gerügt, bzw. unter Anberaumung einer mündlichen Verhandlung dessen Aufhebung sowie den Ausspruch eines im Zeitraum vom März 2022 bis zum September 2023 bestehenden Anspruchs auf Familienbeihilfe begehrt.

Das BFG hat erwogen:

Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann nach § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht nach § 279 Abs. 1 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung hat zu erfolgen, wenn der angefochtene Bescheid von einer hierfür nicht zuständigen Behörde erlassen wurde. Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung im Sinne des § 279 Abs. 1 BAO darf dann erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt (, , Ritz, BAO5, Rz 6 zu § 279).

Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung, obwohl keine Beschwerde vorlag, bewirkt eine Rechtswidrigkeit dieses Bescheides infolge Unzuständigkeit des Finanzamtes. ().

Schon ob der Tatsache, dass der mit datierte, via Finanz Online versandte Rückforderungsbescheid gemäß § 98 Abs. 2 BAO erst mit der am um 04:23:51 + 01:00 Uhr erfolgten Einstellung in Databox in den elektronischen Verfügungsbereich der Empfängerin gelangt ist, respektive dieser somit der Inhalt desselben frühestens zu diesem Zeitpunkt zur Kenntnis gelangt ist, geht die abgabenbehördliche Qualifikation des am beim Finanzamt eingelangten Datenblattes als eine gegen den - im Einreichungszeitpunkt des Datenblattes - gegenüber der (präsumtiven) Bf. noch gar nicht erlassenen Rückforderungsbescheid - gerichtete Beschwerde ins Leere.

In Anbetracht vorstehender Ausführungen lag sohin der Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom , welche in ihrem Spruch die mit datierte, - gegen den Rückforderungsbescheid vom - gerichtete "Beschwerde" als unbegründet abweist, in realiter keine Beschwerde zugrunde und ist daher mit einer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet.

Der Vorlageantrag vom ist aber grundsätzlich zulässig, da - ob des meritorischen Abspruchs über ein vermeintlich gegen den für den Zeitraum vom bis zum Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge rückfordernden Bescheid gerichtetes Rechtsmittel - eine zwar rechtswidrige, aber im Rechtsbestand befindliche Beschwerdevorentscheidung vorliegt.

Zusammenfassend war daher zwecks Herbeiführung eines rechtsrichtigen Verfahrenszustandes die Beschwerdevorentscheidung vom durch das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO ersatzlos aufzuheben.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass ob mangelnder Existenz einer gegen den am erlassenen Rückforderungsbescheid gerichteten Beschwerde dieser in Rechtskraft erwachsen ist und die auf der Rechtskraft basierende Unabänderbarkeit des Bescheides der - im Vorlageantrag beantragten - vom Verwaltungsgericht zu treffenden "Feststellung" eines im Zeitraum März 2022 bis September 2023 bestehenden Anspruches auf Familienbeihilfe zwingend entgegensteht.

Ebenso war von der Anberaumung der ebenfalls im Vorlageantrag beantragten mündlichen Verhandlung Abstand zu nehmen, da die Norm des § 274 Abs. 1 BAO tatbestandsmäßig die "Erledigung einer Beschwerde" voraussetzt.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wird die Revision nicht zugelassen, da die ersatzlose Aufhebung nach § 279 Abs. 1 BAO bei Unzuständigkeit der Bescheid erlassenden Behörde und in jenen Fällen, in denen keine weitere Entscheidung in Betracht kommt durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gedeckt ist und die Tatfrage, ob eine Beschwerde erhoben wurde, der Revision nicht zugänglich ist ().

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 274 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100774.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at