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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.03.2024, RV/7104130/2016

Eigenanspruch auf (erhöhte) Familienbeihilfe und voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7104130/2016-RS1
Ist eine den Familienbeihilfenbezug beanspruchende Person bis über die in § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 genannten Zeitpunkte hinaus wiederholt geringfügig angestellt oder als arbeitssuchend gemeldet, so kann nicht auf eine dauernde Erwerbsunfähigkeit geschlossen werden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Martina Salzinger in der Beschwerdesache ***22***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***23*** vom betreffend die Abweisung des Antrages vom auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab Mai 2011 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Eingabe vom stellte die am ***1*** geborene Beschwerdeführerin (kurz Bf.) einen "Eigenantrag" auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe. Beigelegt wurde das ausgefüllte Formular Beih 3 (Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung), in dem die Bf. folgendes angab:


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Bei dem Kind besteht folgende erhebliche Behinderung bzw. Erkrankung:
Derzeit: Emotional instabile PS, Kombinierte PS, Drogenabusus, Alkoholabusus
in der Jugend: Magersucht, Bulimie
Ich beantrage den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung
Ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den der/die medizinische Sachverständige feststellt, im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahre ab Antragstellung

Über Aufforderung des Finanzamtes gab die Bf., bekannt, dass sie über ein monatliches Einkommen von € 830,00 (Rehabilitationsgeld alle 28 Tage) verfüge und übermittelte die nachstehende Aufstellung der monatlichen Ausgaben:

Miete: 325 €
Heizkosten: 40 €
Haushaltsführung (Essen, Putzmittel etc.,…): 200 €
Kleidung: 50 €
Pflegeprodukte: 20 €
Zigaretten: 120 €
Internet: 10 €
Handy: 20 €
Studium: 50 €
Psychotherapie: 80 €
Monatskarte öffentl. Verkehrsmittel: 17 (Mobilpass) ohne 50 €

Außerdem wurden folgende Unterlagen vorgelegt:

a) Rehabilitationsgeldbetätigung der ***3*** vom über die Zuerkennung von Rehabilitationsgeld auf Basis der Bemessungsgrundlage aus dem Dienstverhältnis Pensionsversicherungsanstalt ab ;

b)Von ***4*** - ***6*** Gesundheit (kurz ***5***) am ausgestellte Bestätigung, wonach die Bf. ein Zimmer im betreuten Wohnheim Übergangshaus bewohne.

c)Zwischen der Bf. und der ***5*** abgeschlossener Betreuungs- und Benützungsvertrag, mit dem das "PROBEWOHNEN" von - sowie der "EINZUG" am bis und die Kosten wie folgt vereinbart worden sind: "Der Wohnkostenbeitrag (Miete, Betriebskosten) beträgt monatlich 325 €, der Heizkostenbeitrag 40 €…Das Wirtschaftsgeld (Essen, Putzmittel, etc.) beträgt 100 € monatlich…"

Mit Bescheid vom wurde der Antrag vom auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe für die Bf. "ab Mai 2011" abgewiesen und begründend auf das vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) aufgrund der am durchgeführten Begutachtung am erstellte Sachverständigengutachten verwiesen. Dort ist - auszugsweise - angeführt:

"Anamnese:
Anorexie 14.-16.Lj. ohne FA-Behandlungen, anschließend bis 18.Lj. Bulimie (ebenso nicht behandelt). Zn. sex. Missbrauch im 16.Lj. Zn. Interruptio ca 2004. Drogenkonsum ab 20.Lj. (Benzodiazepine, Speed, Kokain, Heroin) -mit drogenfreien Phasen - sowie Alkoholabusus.

Erstmaliger stationärer Aufenthalt im TZ ***8*** 5-8/2011 (dg. Borderlinestörung). Depressive Entwicklung ab 2012. Zn. Fehlgeburt. 10-11/2012 stationär Psych./***9*** zwecks Alkoholentzug (nicht erfolgreich). 12/2012-2/2013 stationär im ***10*** (zunehmende depressive Episode, Alkoholentzug, Verdacht auf Schizophrenie). 11/2015-1/2016 stationär im TZ ***8*** (Entzugsbehandlung).

Derzeitige Beschwerden: -
…Sozialanamnese:

Ausbildung: HS-Abschluss, HBLA ***7*** mit Abschluss, Studium für Ernährungswissenschaften - Diplom nicht abgeschlossen, diverse Beschäftigungen - auch Vollzeit - (Büroangestellte, Gastronomie) - zuletzt ca. 2011, seit ca. 2012 IV-Pension bzw. Reha-Geld; Diplomfortsetzung geplant.

SA: ledig, keine Kinder; 1/2013 - 1/2014 im ***11*** gelebt, derzeit in privater WG, Betreuung über ***5*** geplant, evtl. Übergangswohnheim. Nicht besachwaltet; kein PG-Bezug.

Zusammenfassung relevanter Befunde:

, psycholog. Befund, ***12***: vorw. depressive, aber auch ängstliche Symptomatik. Hinweise auf kombinierte Persönlichkeitsstörung mit antisozialen, paranoiden, narzisstischen, negativistischen und borderline Persönlichkeitszügen.

, TZ ***8***: Borderline Persönlichkeitsstörung auf mittlerem Organisationsniveau. Anamnestisch Kokain- und Opiatmissbrauch.

, Psych./***13***: Borderlinestörung mit sek. Alkoholabhängigkeit Typ IV nach Lesch.

, Psych. /***14***: kombinierte Persönlichkeitsentwicklungsstörung (unreif, emotional instabil), Verdacht auf Simplexverlauf einer schizophrenen Basisstörung, HOPS, anamn. (symptomatischer) Alkohol- und Drogenabusus.

, TZ ***8***: Benzodiazepinabhängigkeit, Vd. a. Schizophrenia simplex, kombinierte Persönlichkeitsstörung (unreif, emotional instabil), multipler Substanzmissbrauch, anhaltende kognitive Störung.

Psycho(patho)logischer Status:

Stimmung aktuell gebessert, keine Suizidgedanken mehr: keinerlei Drogenkonsum mehr seit kurzem, gelegentlicher Alkoholkonsum; Freundeskreis und soziale Kontakte gegeben, keine Tagesstruktur: keine Selbstverletzungen, etwas labil, dysthym, etwas fordernd, keine produktive Symptomatik, Zukunftsängste, früher Ängste in öffentlichen Verkehrsmitteln; seit der Jugend keine Essstörung mehr.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


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Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtloch länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze
Pos. Nr.
Gdb %
1
Borderline-Persönlichkeitsstörung, Zn. Polytoxicomanie. Unterer Rahmensatz, da soziale Beeinträchtigung.
50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 05/2011
Frau
***15*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: ja

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: EU ab 1.stationärem Aufenthalt 5/2011…"

Mit Schreiben vom brachte die Bf. Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes ein. Der festgelegte Zeitpunkt des Bestehens des Grades der Behinderung mit Mai 2011 sei nach Vorbringen de Bf. nicht gerechtfertigt. Wie im Gutachten vom Sozialministeriumservice vermerkt sei, hätten bereits im Alter von 14 Jahren eine schwere Magersucht und massive Einschränkungen bestanden. Der Beginn der Erkrankung sei in diesem Jahr festzulegen. Darüber hinaus sei der sexuelle Missbrauch zwar in dem Gutachten erwähnt, nicht aber bekannt gegeben worden, dass dies auch gerichtlich verfolgt worden sei. Dies sei eine weitere Belastung im 16. Lebensjahr, die hier schon als Einschränkung gewertet werden könne, die es der Bf. unmöglich gemacht habe, für ihren Unterhalt selbst aufzukommen. Wenn nötig könne ein aktueller Befund ihres behandelnden Psychiaters (***16***) angefordert werden.

Auf Veranlassung des Finanzamtes erstellte das Sozialministeriumservice mit Datum vom ein weiteres Sachverständigengutachten, in dem es unter anderem heißt:

"…Anamnese: Beschwerde, da GdB schon früher eingeschätzt werden sollte, da schon mit 4a eine massive Magersucht bestanden haben soll. HS Abschluss, HBLV abgeschlossen, machte Gelegenheitsjobs, hat Ernährungswissenschaften studiert, bis dato, Traumatische Kindheitserlebnisse, mit 12a schon Suizidgedanken, im 14.Lj Essstörung, im 17.Lj. wurde sie sexuell missbraucht (Prozess gewonnen), sie sei damals nicht in Behandlung gewesen, erstmalige stat. Behandlung 2011, mehrere Aufenthalte zuletzt 1/16, multipler Substanzmissbrauch;

Derzeitige Beschwerden: Angstzustände, Panikattacken…

Zusammenfassung relevanter Befunde:

: ***17***: andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, anamnestisch im 12.Lj Suizidgedanken, mit 14a Essstörung, mit 17a sex. Missbrauch…

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


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Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtloch länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze
Pos. Nr.
Gdb %
1
Borderline-Störung URS, da weiterhin durchgängige Beeinträchtigung mit erhaltener Teilselbständigkeit
50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung/Stellungnahme zum Vorgutachten:

Keine Änderung zum VGA, die Angaben über die psychischen Probleme ab dem 12.Lj sind nur anamnestisch und nicht durch Befunde aus der Zeit belegt. Es kann daher nicht mit der nötigen Wahrscheinlichkeit ein GdB zu einem früheren Zeitpunkt als 5/2011 (1.stat. Aufenthalt ***8***) eingestuft werden.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 05/2011

Frau ***15*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: ja

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: EU ab dokumentierte 1.stat. Aufnahme 5/2011 anzunehmen

Nachuntersuchung: in 3 Jahren

Anmerkung hins. Nachuntersuchung; Stabilisierung möglich…"

Basierend auf diesem Gutachten des Sozialministeriumservice erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung vom , die vom Finanzamt zusammenfassend wie folgt begründet wurde:

"… Nachdem im Gutachten vom der Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit mit Mai 2011 (36. Lebensjahr) festgestellt wurde und It. Aktenlage auch keine Berufsausbildung vorlag, erfolgte auf Grund Ihrer Beschwerde die Anforderung eines weiteren ärztlichen Sachverständigengutachtens… Da es nach dieser neuerlichen Untersuchung durch den Sachverständigen zu keiner Änderung gegenüber dem Vorgutachten kam (das komplette Gutachten vom wurde von der zuständigen Behörde direkt an Sie übermittelt), muss Ihre Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden."

Im Vorlageantrag vom wies die Bf. erneut darauf hin, dass bereits im Alter von 14 Jahren eine schwere Magersucht und massive Einschränkungen vorgelegen seien. Der sexuelle Missbrauch sei auf Grund des folgenden Gerichtsverfahrens aktenkundig. Dieses schwere Trauma mit den damit verbundenen psychischen Symptomen, habe das Leben maßgeblich negativ geprägt. Ein aktueller Befund des behandelnden Psychiaters (***18***) könne angefordert werden.

Aus dem Versicherungsdatenauszug vom gehen betreffend die Bf. und Abfragezeitraum ab August 2009 folgende Daten hervor:


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Dienstgeber/auszahlende Stelle
Zeitraum
Beitragsgrundlagen
PVA
- laufend
KV-Beitragsgl. F. Pensionsbezug (ASVG)
€ 51.730,48
PVA
- laufend
-
Bezug einer Berufsunfähigkeitspension
Keine Beitragsgrundlagen vorh.
***19***
-
geringfügig beschäftigte Angestellte
€ 3.400,00
ÖGK
-
Bezug von Rehabgeld + KV-Sachl.anspruch
€ 57.383,40
***20***
-
Angestellte
€ 172,50
ÖGK
-
-
Beitragsgrundlage für Arbeitslosenbezug
€ 35.510,37
AMS
-
-
-
-
25.08.211 -
-
-
-
Arbeitsuchend
Keine Beitragsgrundlagen vorh.
AMS
-
-
-
-
Notstandshilfe, Überbrückungshilfe -
-
-
Arbeitslosengeldbezug
Keine Beitragsgrundlagen vorh.
***21***
-
geringfügig beschäftigte Angestellte -
-
Angestellte
€ 4.053,33

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1.Gesetzeslage

Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG 1967), BGBL. Nr. 376/1967 (hier und im gesamten Erkenntnis sind die Gesetzesstellen in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung angeführt), besteht für volljährige Vollwaisen, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. (ab : 25.) Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden, Anspruch auf Familienbeihilfe.

Zufolge § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (§ 6 Abs. 1 bis 3 FLAG 1967).

§ 8 FLAG 1967 bestimmt in seinen Absätzen 5 und 6 Folgendes:

"(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen."

Gemäß § 10 Abs. 1 des FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe nur auf Antrag gewährt. Die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.

Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden gemäß § 10 Abs. 3 leg. cit. höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.

Aus dem FLAG 1967 ergibt sich, dass der Nachweis des Behinderungsausmaßes und der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit durch ein ärztliches Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen bescheinigt werden muss. Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ). Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Kompetenz für die Beurteilung des Grades der Behinderung und der Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ausdrücklich an eine dafür qualifizierte Institution übertragen.

Auch der Verwaltungsgerichtshof vertritt in seiner nunmehrigen Judikatur die Rechtsansicht, dass die Beihilfenbehörden jedenfalls von der in der Bescheinigung des Bundessozialamtes festgestellten Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen haben und von ihr nur nach entsprechender qualifizierter Auseinandersetzung abgehen können (vgl. ). Daraus folgt, dass die ärztliche Bescheinigung des Sozialministeriumservice jedenfalls die Grundlage für die Entscheidung bildet, ob die erhöhte Familienbeihilfe zusteht, sofern Leiden und Grad der Behinderung daraus einwandfrei hervorgehen. Auch das entscheidende Verwaltungsgericht hat daher von den erstellten ärztlichen Bescheinigungen grundsätzlich auszugehen.

2.Entscheidungswesentlicher Sachverhalt und dessen rechtliche Würdigung

Strittig ist, ob der am ***1*** geborenen Bf. der Anspruch auf rückwirkende (ab Mai 2011) Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe aufgrund § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 zusteht oder nicht.

Nach Maßgabe dieser Bestimmung ist der Anspruch auf Familienbeihilfe zum einen nur dann zu gewähren, wenn der Anspruchswerber aufgrund einer bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Zum anderen vermittelt die Gesetzesregelung den Beihilfenanspruch auch dann, wenn die zur voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit führende Behinderung vor Vollendung des 27. bzw. 25. Lebensjahres eintritt und sich der Anspruchswerber zu diesem Zeitpunkt in Berufsausbildung befindet.

Im vorliegenden Fall hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (kurz Sozialministeriumservice) im Gutachten vom auf Basis der durchgeführten Untersuchung und der im Rahmen dessen vorgebrachten Umstände sowie der vorgelegten und darin auch angeführten Befunde die rückwirkende Anerkennung einer Behinderung und eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ab Mai 2011 und somit lange nach der Vollendung des 21. Lebensjahres der Bf. festgestellt. An dieser Beurteilung vermochte auch die auf Veranlassung des Finanzamtes erneut durchgeführte Begutachtung unter ergänzender Einbeziehung des vom ***2***, am erstellten Befundes nichts zu ändern.

Die Bf. hält dem entgegen, dass es aufgrund einer schweren Magersucht bzw. im Gefolge des (auch strafrechtlich verfolgten) sexuellen Missbrauchs im Alter von 14 bzw. 16 Jahren bereits vor dem im Sachverständigengutachten festgelegten Stichtag zu massiven gesundheitlichen Einschränkungen gekommen sei, die es ihr unmöglich gemacht hätten, selbst für ihren Unterhalt aufzukommen. Mit diesen Einwendungen gelingt es der Bf. jedoch im Ergebnis nicht, die Ausführungen in den erwähnten Sachverständigengutachten zu entkräften bzw. deren Unschlüssigkeit aufzuzeigen.

So mag es ohne Zweifel zutreffen, dass Gesundheitsbeeinträchtigungen infolge der traumatischen Ereignisse im Beschwerdefall bereits vor Vollendung des 27. Lebensjahres vorgelegen sind. Auch im angefochtenen Bescheid wird das mögliche Bestehen einer geistigen oder körperlichen Erkrankung der Bf. schon vor diesem Zeitpunkt keineswegs in Abrede gestellt. Doch bewirkt die von der Bf. ins Treffen geführte schwierige Lebenssituation infolge ihres Leidenszustandes angesichts der eindeutigen Gesetzeslage noch keinen Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe.

Entscheidungswesentlich für den auf die Bestimmung des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 gestützten Anspruch ist nämlich nicht bloß der Eintritt einer Behinderung per se. Unabdingbare Voraussetzung ist vielmehr, dass die Gesundheitsbeeinträchtigung bereits vor den im Gesetz genannten Zeitpunkten ein zur voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit führendes Ausmaß erreicht hat. Dass dies für den Beschwerdefall zutrifft, kann aber der Aktenlage nicht entnommen werden.

So macht bereits die Tatsache, dass die Bf. die HBLA für ***24*** abgeschlossen hat, deutlich, dass der Krankheitsverlauf nicht schon während der Schulzeit das Ausmaß einer derart qualifizierten Behinderung im Sinne der maßgebenden Gesetzesstelle angenommen hat. Schließlich ist gerade eine Ausbildung zum ***25*** an der HBLA praxis- und berufsorientiert gestaltet. Der Abschluss einer so qualifizierten Ausbildung mit Matura ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Bf. zu diesem Zeitpunkt prognostisch durchaus in der Lage war, sich künftig durch Verwertung ihrer Arbeitskraft den Lebensunterhalt zu verdienen. Dafür spricht weiters, dass die Bf. sogar an der Universität das Studium der Ernährungswissenschaften inskribiert hat und laut eigenen Angaben ihr Studium - wenn auch mit Unterbrechungen - erfolgreich weiterbetrieb.

Dazu kommt, dass die Bf. bis über das 27. Lebensjahr hinaus immer wieder eine berufliche Tätigkeit aufgenommen hat. Diese Feststellung fußt nicht nur auf der Aussage der Bf. selbst, wonach sie in den vergangenen Jahren (teilweise sogar im Rahmen einer Vollzeittätigkeit) wiederholt in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden sei, sondern steht auch im Einklang mit den vorliegenden Versicherungsdaten, denen zufolge die Bf. zumindest bis 2016 wiederholt als "geringfügig beschäftigte Angestellte" oder als "arbeitssuchend" gemeldet war bzw. Arbeitslosengeld bezog. Diesbezüglich ergibt sich weder aus dem dargestellten Sachverhalt noch aus den Parteienvorbringen ein konkreter Hinweis darauf, dass es sich bei den im Versicherungsdatenauszug angeführten Arbeitsverhältnissen jeweils um nur kurzzeitige "Arbeitsversuche" gehandelt hat.

Wenngleich daher auch vom Bundesfinanzgericht nicht bezweifelt wird, dass die Ausübung eines Berufes für die Bf. infolge ihres Leidens nur erschwert möglich war, so zeigt die vorliegende Beweislage dennoch nicht auf, dass das Erkrankungsausmaß der Bf. bereits vor dem im Sachverständigengutachten genannten Zeitpunkt ursächlich für einen gänzlichen Ausschluss am Arbeitsmarkt war.

Aufgrund der gegebenen Beweislage ist vielmehr davon auszugehen, dass eine massive und letztlich zur Arbeitsunfähigkeit führende Verschlechterung der gesundheitlichen Situation der Bf. nach dem 27. Lebensjahr eingetreten ist.

Dem Sozialministeriumservice kann somit nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn es in beiden Gutachten im Ergebnis zu dem Schluss gelangt, dass vor Mai 2011 eine allenfalls bestehende Erkrankung nicht das für die Annahme der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit ursächliche Ausmaß erreicht hat.

Damit sind aber im Berufungsfall die Voraussetzungen nicht erfüllt, an die § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 die Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe knüpft. Die Beschwerde musste daher abgewiesen werden.

3. Nichtzulassung einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts-hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine ordentliche Revision wird nicht zugelassen, da bereits durch die Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 bzw. laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorgegeben ist, dass das Bundesfinanzgericht seiner Entscheidung ein vollständiges und schlüssiges Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice zu Grunde zu legen hat. Im Übrigen liegt keine Rechtsfrage vor, die über den Einzelfall Bedeutung hätte.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7104130.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at