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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.03.2024, RV/3100385/2022

Pauschbetrag für auswärtige Berufsausbildung bei einer Schule mit Heimpflicht

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100385/2022-RS1
Wenn im Umkreis von 25 Kilometern keine entsprechende Schule ohne Heimpflicht existiert, liegt auch keine andere adäquate Ausbildungsmöglichkeit im Sinne § 2 Abs. 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes vor, sodass im konkreten Fall die Schule als nicht im Einzugsbereich des Wohnortes gelegen gilt und der Pauschbetrag nach § 34 Abs. 8 EStG zu berücksichtigen ist, auch wenn die Schule mit Heimpflicht nur wenige Kilometer vom Wohnort entfernt liegt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Andreas Schnegg, Kalkofenstraße 24, 6425 Haiming, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem beiliegenden Berechnungsblatt zu entnehmen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Im Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung 2016 vom wurde vom Beschwerdeführer jeweils der Pauschbetrag für die auswärtige Berufsausbildung der Töchter A (für 4 Monate) und B (für 10 Monate) als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht.

In dem in Beschwerde gezogenen Einkommensteuerbescheid wurde dazu ausgeführt, dass der pauschale Freibetrag für auswärtige Berufsausbildung für die Töchter B und A nicht berücksichtigt werden könne, da sich die Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 25 Kilometern vom Wohnort befinden würden.

In weiterer Folge wurde vom Abgabepflichtigen Beschwerde erhoben, mit der Begründung, dass in der Schule der Tochter B Heimpflicht bestehe und für den Schulbesuch der Tochter A ein Schulgeld in Höhe von 110 € monatlich zu entrichten gewesen sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung wurde die Beschwerde abgewiesen, mit der Begründung, dass die Voraussetzungen des § 34 Abs. 8 EStG und der dazu ergangenen Vorordnung nicht erfüllt seien.

Mit Eingabe vom wurde ein Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht gestellt und ergänzend vorgebracht, dass die Berücksichtigung der Heimkosten für Tochter B in Höhe von 3.142 € als außergewöhnliche Belastung beantragt werde, wenn der monatliche Pauschbetrag in Höhe von 110 Euro nicht berücksichtigt werde, da Heimpflicht bestanden habe.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Lt. vorliegenden Unterlagen besuchte die Tochter B von September 2014 bis Juni 2018 (10 Monate im Streitjahr) die K in Y. In dieser Schule besteht Heimpflicht. Die Tochter A besuchte von September 2016 bis Juni 2021 (4 Monate im Streitjahr) die L in Z. In dieser Schule war Schulgeld in Höhe von 110 € monatlich zu entrichten. Diese Ausbildungsstätten liegen vom Wohnort 5,5 Kilometer (Y) bzw. 12,5 Kilometer (Z) entfernt.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers sowie den aktenkundigen Unterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung

§ 34 Abs. 7 Z 1 bis 4 EStG 1988 lautet wie folgt:

"Für Unterhaltsleistungen gilt folgendes:

1. Unterhaltsleistungen für ein Kind sind durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.

2. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 Z 3 durch den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten.

3. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)

4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen."

§ 34 Abs. 8 EStG bestimmt:

"Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes gelten dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110 Euro pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt."

Die zu dieser Bestimmung ergangene Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes (BGBL. Nr. 624/1995 in der Fassung des BFGI. II 449/2001) bestimmt Folgendes:

"§ 1 Ausbildungsstätten, die vom Wohnort mehr als 80 km entfernt sind, liegen nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes.

§ 2(1) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr 305, anzuwenden.

(2) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr 305, zeitlich noch zumutbar sind. Abweichend davon kann nachgewiesen werden, dass von einer Gemeinde die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel mehr als je eine Stunde beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr 305, anzuwenden. In diesem Fall gilt die tägliche Fahrt von dieser Gemeinde an den Studienort trotz Nennung in einer Verordnung gemäß § 26 Abs 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr 305, in der jeweils geltenden Fassung als nicht mehr zumutbar.

(3) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km gelten als nicht im Einzugsbereich des Wohnortes gelegen, wenn Schüler oder Lehrlinge, die innerhalb von 25 km keine adäquate Ausbildungsmöglichkeit haben, für Zwecke der Ausbildung außerhalb des Hauptwohnortes eine Zweitunterkunft am Ausbildungsort bewohnen (zB Unterbringung in einem Internat)."

Von der Abgabenbehörde wurden weder ein Pauschbetrag nach § 34 Abs. 8 EStG noch tatsächliche Kosten (Schulgeld bzw. Heimkosten) als außergewöhnliche Belastungen für die Ausbildung der Töchter berücksichtigt, mit der Begründung, dass die Ausbildungsstätten im Einzugsbereich des Wohnortes liegen würden und auch die Voraussetzung des § 2 Abs. 3 der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen zur Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995 idgF, nicht erfüllt seien.

Soweit der Beschwerdeführer eine Berücksichtigung der Ausbildungskosten für die Tochter A als außergewöhnliche Belastung beantragt, ist darauf hinzuweisen, wie die Abgabenbehörde zutreffend ausgeführt, dass die Schule der Tochter A innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen ist und somit die Berücksichtigung eines Pauschbetrages gem. § 34 Abs. 8 EStG nicht möglich ist.

Soweit der Beschwerdeführer diesbezüglich weiters einwendet, dass für den Besuch dieser Schule ein "Schulgeld" zu entrichten sei, ist darauf zu verweisen, dass die im Rahmen der Unterhaltspflicht geleistete Bezahlung von Schulgeld für den Schulbesuch von Kindern nur unter den Voraussetzungen des § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 zu außergewöhnlichen Belastungen führen könnte.

Gem. § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 wäre eine Unterhaltsleistung aber nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden (; ).

Das Schulgeld würde aber beim Unterhaltsberechtigten, wäre er der Steuerpflichtige, grundsätzlich keine außergewöhnliche Belastung darstellen, erfolgt die Ausbildung doch kraft freien Willensentschlusses. Eine außergewöhnliche Belastung könnte nur vorliegen, wenn dem Steuerpflichtigen die Existenzgrundlage ohne sein Verschulden entzogen wird und die Berufsausbildung zur künftigen Existenzsicherung notwendig ist oder wenn die (neuerliche) Berufsausbildung durch Krankheit, Verletzung u.ä. erforderlich wird (; ; ).

Damit scheidet aber die Berücksichtigung der Zahlung des Schulgeldes für die Tochter B als außergewöhnliche Belastung aus und war die Beschwerde in diesem Punkt abzuweisen.

Soweit der Beschwerdeführer eine Berücksichtigung der Ausbildungskosten für die Tochter B als außergewöhnliche Belastung beantragt, ist darauf hinzuweisen, dass auch die Schule der Tochter B innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen ist und somit die Berücksichtigung eines Pauschbetrages gem. § 34 Abs. 8 EStG grundsätzlich nicht möglich wäre.

In diesem Fall ist aber darauf Bedacht zu nehmen, dass in der Schule der Tochter B Heimpflicht besteht. Daher ist - wie die Abgabenbehörde zutreffend feststellt - auf die Bestimmung des § 2 Abs. 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes (BGBL. Nr. 624/1995 in der Fassung des BFGI. II 449/2001) Bedacht zu nehmen.

Danach gelten Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km als nicht im Einzugsbereich des Wohnortes gelegen, wenn Schüler oder Lehrlinge, die innerhalb von 25 km keine adäquate Ausbildungsmöglichkeit haben, für Zwecke der Ausbildung außerhalb des Hauptwohnortes eine Zweitunterkunft am Ausbildungsort bewohnen (zB Unterbringung in einem Internat).

Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Pausbetrages für die auswärtige Berufsausbildung entgegen der Auffassung der Abgabenbehörde vor. Aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 624/1995 in der Fassung BGBl. II Nr. 449/2001 ergibt sich nämlich, dass innerhalb von 25 Kilometern keine adäquate Ausbildungsmöglichkeit vorliegen darf.

Da im Umkreis von 25 Kilometern aber keine entsprechende Schule ohne Heimpflicht existiert, und damit ein Besuch einer gleichartigen Schule durch die Tochter ohne finanziellen Mehraufwand (ohne Heimkosten) innerhalb von 25 Kilometern nicht möglich war, liegt auch keine adäquate Ausbildungsmöglichkeit vor, sodass im konkreten Fall die Schule als nicht im Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen gilt und der Pauschbetrag nach § 34 Abs. 8 EStG zu berücksichtigten ist (anders ).

3.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da zur Frage, ob bei Heimpflicht einer Schule § 2 Abs. 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes (BGBL. Nr. 624/1995 in der Fassung des BFGI. II 449/2001) zur Anwendung gelangen kann, wenn innerhalb eines Umkreises von 25 Kilometern keine Schule ohne Heimpflicht existiert, keine einheitliche Rechtsprechung vorliegt, war die Revision zuzulassen.

Innsbruck, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at